Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Sonntag, 29. März 2009
Spielkind
nnier | 29. März 2009 | Topic Musiq
Obwohl ich mich immer für Musik begeistern konnte, habe ich nie ein Instrument gelernt. Aber ich besaß trotzdem mal eine elektrische Bassgitarre. Dazu einen Gitarrenverstärker (Röhre) und eine riesige Lautsprecherbox Marke Eigenbau. Alles zusammen hatte ich einem Bekannten abgekauft, der vermutlich froh war, das Zeug loszuwerden. Nun stand es in meinem Zimmer und ich wartete darauf, dass ich plötzlich Bass spielen könnte. Ab und zu zupfte ich darauf herum, was aber ebensowenig half wie Idee, mal den CD-Spieler an den Verstärkereingang anzuschließen und damit I Saw Her Standing There ("One-two-three-faw!") zu hören. Das war schön bassbetont, man konnte McCartneys Spiel hervorragend folgen, vermutlich auch drei Häuser weiter, denn wir wohnten in einem Reihenhaus. Mich wundert ohnehin im nachhinein immer mehr, dass mich niemand je überfallen oder mir die Fensterscheibe eingeworfen hat. Denn ich kaufte zu meiner Stereoanlage regelmäßig neue, noch stärkere Lautsprecherboxen und irgendwann gar einen riesigen Subwoofer. Und auch wenn ich die Musik also nicht durch das Bassgitarrenequipment jagte, hatten alle Nachbarn etwas davon. Wobei ich hoffe, dass auch diesen Menschen in jenen Tagen aufgefallen ist, was für ein guter Bassspieler McCartney ist. Egal, ob er nur (wie bei Get Back) den Grundton als Fundament spielt und bewusst auf jeden Schnickschnack verzichtet, oder ob er, wie beim direkt aus dem Jenseitigen empfangenen (da bin ich mir sicher; das kann kein Mensch geschrieben haben, nicht mal er) Golden Slumbers die gebrochenen Pianoakkorde mit so delikaten Figuren unterlegt, dass man immer wieder spontan niederknien möchte.

Zehn Jahre später, ich wohnte längst nicht mehr zu Hause, nach mehreren diskreten Hinweisen ("Dein Kram steht unseren Keller voll"), musste ich endgültig einsehen, dass ich immer noch nicht Bass spielen konnte und es wohl auch nicht mehr lernen würde. Ich verkaufte die Ausrüstung also an einen jungen Mann, der in Punkerkleidung mit einem Skateboard angerollt kam und zwei Stunden später die zentnerschwere Box, den ebenfalls gewichtigen Röhrenverstärker und das Instrument selbst draufstapelte und stadteinwärts schob, während ich ihm und meinen unrealisierten Musikträumen nachsah. Den Subwoofer hingegen hatte ich kurz zuvor an einen Mann verkauft, der mich während der Hörproben, Verkaufsverhandlungen und auch beim gemeinsamen Herunterschleppen des Trumms immer wieder so seltsam anlächelte, dass mir ganz blümerant zumute wurde. Meine Wohnung sah damals nach einer Junggesellenbude aus, und dass ich kürzlich Vater geworden war, sah man der Einrichtung noch nicht überall an. Frau und Säugling hatten auf meinen Wunsch hin - "es wird laut, ich will dem doch das Ding vorführen" - einen Spaziergang angetreten. Man konnte sich also durchaus über mich wundern. Aber erst als der Mann mit seinem Auto wegfuhr und ich in die Wohnung zurückkehrte, verstand ich sein ewiges Lächeln: Aus dem Halsausschnitt meines Pullovers, knapp unter meinem eigenen, schaute der Kopf eines weißen Plüschhasen heraus.

Mit den Saiteninstrumenten hatte ich's anscheinend nicht so, einen anderen Versuch startete ich aber kurz vor oder nach dem Bass: Ein Keyboard. Ein kleines, aber brauchbares Yamaha-Keyboard, DX 100 hieß es wohl, und kurz danach erstand ich einen Fostex-Vierspurrekorder. Ich kann ja keine Noten lesen. (Paul McCartney übrigens auch nicht.) Und doch meine ich, ein gutes Gehör zu haben. Ich winde mich, wenn jemand sich um einen Halbton verhaut. Warum nur kann ich trotzdem kein Instrument beherrschen? Nicht mal ansatzweise? Das Keyboard hatte lustige Sounds, mit denen ich herumspielte, und ich frickelte auch so einige Vierspurgeschichten zusammen, die ich gar nicht schlecht fand. Aber mit zwei Händen spielen? Gleichzeitig? Und dann auch noch links und rechts verschiedene Sachen? Nein, so weit kam ich nie. Und so blieb es bei den Spielereien, die ich alleine oder mit Freunden fabrizierte. Immerhin konnte man die Aufnahmen rückwärts anhören oder eine Spur nur mit dem geklatschten Rhythmus aufnehmen oder auf Topfdeckel klopfen und so weiter. Spaß hat's gemacht.

Manche bezeichnen in absichtlicher Verkürzung der Tatsachen die zweite Seite der Abbey Road als "Pauls bestes Soloalbum". Und es ist ja tatsächlich so, dass er auf dieser Seite nicht nur dominiert, sondern mit You Never Give Me Your Money das grandiose Finale einer grandiosen Platte einleitet, die nicht nur kompositorisch, sondern auch von der Instrumentenbeherrschung und nicht zuletzt produktionstechnisch noch mal einen ganz großen Schritt nach vorn markiert. Umso bemerkenswerter finde ich es, dass er kurz darauf sein erstes Soloalbum vollkommen anders gestaltet hat. Mit nicht viel mehr als einer Vierspurmaschine und einem Mikrophon (kein Mischpult; alles wurde direkt übers Mikrophon aufgenommen) nahm er auf wahrlich dilettantische Weise belanglose Stücke auf. Kein Vergleich, wirklich keiner, mit der polierten und perfekt produzierten Abbey Road. Sondern unbedarfter Heimstudioklang. Und wenn man das weiß - wenn man so etwas zu schätzen weiß, dann gefällt einem vielleicht auch so etwas. Oder das. Ich jedenfalls freue mich immer mit, wenn ich mir vorstelle, wie er da Spur für Spur einspielt und ganz bewusst auf Perfektion verzichtet. Oder mal richtig Quatsch macht.

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Samstag, 7. März 2009
Beim Kulttur
nnier | 07. März 2009 | Topic Musiq
Ob ich auf meine alten Tage noch meinen Musikgeschmack erweitere? Oder zum Besucher von Kleinkunstbühnen mutiere? Wenn einen der Zufall mal in ein kleines Konzert verschlägt, das man von selbst nie besucht hätte, man sich mit 30 oder 50 anderen Besuchern im Kulturverein einfindet und dort, das obligatorische Glas Rotwein in der Hand, der dargebotenen Musik des Duos Taksim lauscht, dann staunt man, wie reich und vielfältig die Musik ist, die man einer (Bass-)Klarinette und einem Akkordeon entlocken kann. Die Musikerinnen heißen Ulrike Lorenz und Mariska Nijhof. Leider finde ich nicht viel an Hörbeispielen. Eins hier. Und das hier:



Besonders haben mir aber die Stücke gefallen, die mit der Bassklarinette gespielt wurden. Das klang ein wenig so wie der Anfang im hier eingebundenen Filmchen.

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Sonntag, 8. Februar 2009
Once
nnier | 08. Februar 2009 | Topic Musiq
Once there was a way to get back homeward



Once there was a way to get back home



Sleep pretty darling do not cry



And I will sing a lullabye



Golden slumbers fill your eyes



Smiles awake you when you rise



Sleep pretty darling do not cry



And I will sing a lullabye



Once there was a way to get back homeward



Once there was a way to get back home



Sleep pretty darling do not cry



And I will sing a lullabye












(The Beatles: Golden Slumbers)

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Donnerstag, 15. Januar 2009
Ich habe eigentlich nichts gegen Frauen.
nnier | 15. Januar 2009 | Topic Musiq
Als ich neulich in meiner Musikbox blätterte*, fiel mir wieder einmal auf, dass es ein gewisses Ungleichgewicht in meiner Sammlung gibt. Mit einem geschätzten Verhältnis von 99:1 dominieren die Werke männlicher Künstler. Mir ist das öfter schon aufgefallen, so z.B. bei dem Versuch, mal wieder eine Liste zu erarbeiten, diesmal unter dem Titel: "Ze top 10 songs by female artists (only from ze Eighties)". Krieg da überhaupt mal zehn zusammen! Tina Turner? Die Bangles? Also bitte. Es mag bitter klingen, es mag zynisch klingen, es mag das Bild, das manche (ohne "r") sich von mir gemacht haben mag, endgültig zerstören - ich immer mit meinem Bekenntniszwang, warum gehe ich nicht zum Spaß mal wieder in die Beichte? Weil da kaum jemand zuhört, wahrscheinlich, und du brauchst ja anscheinend diesen perversen Kitzel, dich vor aller Welt unmöglich zu machen und noch die letzten verbliebenen, na, kann man dazu überhaupt noch Freunde sagen, zu verprellen. Ich find dis langsam nich mehr gut, aber du wirst schon wissen, was du tust. Komm bloß nicht hinterher an. Ich sag's nur. Nimm's als Rat oder Besserwisserei, meinetwegen. Ich find dis nur langsam, also, mir wär das auch einfach peinlich. Du, das ist deine Sache.

Die Auswahl ist einfach schon mal dünn, und, so hart es klingt, in dem Zusammenhang ist mir auch egal, ob die Musikindustrie Frauen irgendwie systematisch benachteiligt hat. Doch. Soll ich aus schlechtem Gewissen oder als Wiedergutmachung Sachen hören, die mir nicht gefallen? Ist doch so. Ich höre auch keinen Gospel oder Blues, nur weil es mal Skl - hör doch erst mal zu - nur weil es die entsetzliche, ganz schlimme, brutale Skl - doch! Das ist ein ganz anderes Thema! Madonna? Ha ha! Das müsste man auch erst mal diskutieren, ob das wirklich "stark" ist. Die hat doch auch ganz klar von sexis - von ganz alten Stereotypen gelebt und wenn man jetzt sieht, wie verzweifelt sie immer noch den Hochleistungssex ver - ja, guck dir die bekannten Sängerinnen doch mal an! Dagegen waren doch Samantha Fox und Sabrina und wie die Discomäuse in den 80ern hießen noch vollkommen harmlos, und zugleich hat jedes Kind gemerkt, wie es auf die ganz billige Tour manipuliert werden sollte. Das ist doch egal, ob es einem gefallen hat! Davon rede ich nicht! Man kann sich ja auch manipulieren lassen und das gut fi - wie du meinst. Auf jeden Fall sind die Sängerinnen heutzutage ja zurechtgemacht wie Kinderprostituierte. Oder volljährige Pros - ja guck doch einfach mal hin! Auch die Blicke und die Bewegungen. Guck dir das einfach an. Eine beliebige Performance einer populären Künstlerin. Ah, geh.

Ich hatte damals wirklich Schwierigkeiten, eine Auswahl zusammenzustellen. Kim Wilde war dabei, die - ja, die hatte ich als Poster an der Wand - ja, natürlich hat die ihre Attraktivität - die ich übrigens immer noch - also Kim Wilde war dabei, dann, damit überhaupt was zusammenkam, was von den Eurythmics, weil Anne Lennox gesu - doch, die hieß erst Anne, ohne "i" - und ich meine ja auch nur die ganz frühen - und dann war's das aber echt schon fast. Ach, Haysi Fantayzee. Ja, da hat die Frau gesungen. Ja, die einmal in der Bravo mit entblößter - genau, das Foto.

Na und jedenfalls, warum ich das erzähle. Ich habe eine Platte wiederentdeckt, an die ich damals gar nicht gedacht habe. Solitude Standing. Von Suzanne Vega. Ja, Tom's Diner ist da drauf. Ich finde die gut! Die ist von 1987. Doch. Tom's Diner wurde dann nur erst Jahre später ein Hit, dieser Remix von DNA. Nein, eher andere Stücke: Das Titellied, Solitude Standing, das finde ich sehr geschmackvoll. Und das vorletzte: Wooden Horse. Doch, die gefallen mir wirklich. Ich mag die Stimme ausgesprochen gerne, lieber als diese kreischenden. Es klingt lyrisch, entspannt, aber nicht oberflächlich. Seit zwei Wochen jeden Tag! Ich weiß auch nicht, wie das manchmal kommt. Die verstaubt seit Ewigkeiten im Regal, und dann hatte ich urplötzlich diesen Impuls, und seitdem - ja, mehrmals am Tag. Ich finde manche Lieder langweilig, eigentlich höre ich meistens nur Tom's Diner, Luka, In the Eye, Solitude Standing, Wooden Horse, und die Reprise von Tom's - ja, die ohne Gesang.
Komisch manchmal. Und das Blöde ist, die war letztes Jahr auf Tour, das habe ich sogar gelesen und da hat es mich nicht interes -
Ich habe wirklich nichts gegen Frauen! Einige meiner besten Freunde sind Frauen!

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*Anklicken - reinziehen - ablachen!

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Freitag, 9. Januar 2009
Brille
nnier | 09. Januar 2009 | Topic Musiq
Ich hab dich leider nicht verstanden
Aber sag das bitte nicht noch mal!
Ich hab' den irgendwann aus den Augen verloren, spätestens in den ganz frühen 90ern, und das ist vermutlich auch gut so. Er hat mich nicht mehr interessiert. Er setzte sich für Deutschquoten im Radio ein, machte mal beim Grand Prix mit, so Zeug, aber musikalisch und textlich war's irgendwann einfach vorbei für mich.

Es wäre nun einfach, alles, was einem vielleicht auch selber peinlich ist, gleich mit in den Orkus zu spülen, aber hier in meinem Beichtstuhl und ganz unter uns bekenne ich: Ich fand den mal ziemlich gut.

Und zwar schon bevor er mit Dein ist mein ganzes Herz 1985 vorübergehend richtig populär wurde. Da gab's 1981 ein Album mit einem komischen Bild vorne drauf, ein Lied heißt Für nichts und wieder nichts und klingt doch schon mal gar nicht schlecht:
Ich hing am Kreuze
Im tiefsten Schnee
Mein Vater fragte:
Tut es sehr weh?
Oh, halb so schlimm, Pa, sagte ich,
Nur wenn ich lache, sticht's
Für nichts und wieder nichts und wieder nichts
Es folgte das Album Eine Form von Gewalt (1982) mit so einigen guten Stücken, nehmen wir mal Das Ultimatum:
So sehn wir ihn am fünften Tag:
Das Fernsehn ist kaputt.
Ein trübes Frühstück ohne Frühprogramm.
Er stellt sich vor den Spiegel, bleibt
Dort lange Stunden stehen
Und merkt dann, daß er kaum noch sprechen kann.
Er greift zum Buch, es fällt ihm hin,
Er greift es sich erneut,
Zum Lesen sind die Augen viel zu wund.
Ein schwarzer Vogel fliegt vors Fenster-
Glas mit voller Wucht,
Er schaut hinaus ins rote Abendrund.
Ein Text, der mich damals wirklich beeindruckt hat. Vielleicht ist das der Grund für alles und ich hätte besser Boney M

Auf dieser Platte findet sich dann auch das schon oben zitierte Nachts um halb drei, ich hör's immer noch gerne:
Nachts um halb drei
Wenn jede Frau in deiner Nähe Annette heisst
Und auch meistens so ist
Nachts um halb drei
Wenn der WC-Poet im Vollrausch auf die Brille scheisst
Und in die Spülung pisst
Oder nehmen wir mal von 1984 das Album Ausnahmezustand, auf dem man erstmals etwas kommerziellere Töne hört; Lola von den Kinks wird gecovert, der Text ist auch ganz lustig, und die Musik bekommt insgesamt einen etwas höheren Stellenwert - bei immer noch sehr guten Texten wie z.B. dem absurden Liebe im Akkord:
Guten Tag Herr Doktor
Ich habe ein Problem
Drüben auf dem Röntgenschirm
Können Sie es sehn
[...]
Letzte Woche ist's passiert
Ich konnte bloß nicht früher
Tief in meinem After
Steckt ein Schraubenzieher
Dann Meine Wünsche, aus der Sicht einer alten Frau gesungen, die von der Beerdigung ihres Mannes nach Hause kommt und dort ein Päckchen vom Erotica-Versand vorfindet. Und das auch sehr gelungene Glaubt keinem Sänger:
Sie zeigen sich vor
In sensibelsten Posen
Sie verscherbeln an euch
Eure eignen Neurosen
[...]
Glaubt keinem Sänger
Ist meine erste und letzte Parole
Glaubt keinem Sänger
Schlachtet die Idole
Da fiel das 1985er Hit-Album dann doch deutlich ab. Die Texte sagten mir von da an immer weniger, oft waren's Balladen (Mit Leib und Seele, Ich brauch dich jetzt oder Albernheiten wie Finden Sie Mabel), und mit der Musik schien er mir inzwischen krampfhaft in Richtung Hitparaden zu schielen und lieferte doch nur Hausmannskost. Ich verlor wie gesagt mein Interesse.

In Erinnerung sind mir noch die insgesamt vier Konzerte, deren Lautstärke immer, ob in Osterode, Göttingen oder Bremen, weit oberhalb der Schmerzgrenze lag und die leider allesamt ziemlich langweilig waren (dabei hatte ich so tolle Geschichten von den frühen Konzerten gehört) - sowie ein sog. "Literarisches Programm" vor kleiner Kulisse, etwa 1994, das eine recht gelungene Mischung aus einer Art "Unplugged"-Konzert und Lesung bot.
Sagen wir ich sei
Beim Duschen ausgerutscht
Ausgesprochen unglücklich
Da ist er reingeflutscht
- Wenn meine Kinder das später ihren Therapeuten erzählen, ogottogott, aber ich hab' das blöde Lied manchmal wirklich einfach so vor mich hingesungen, weil's so eine beschwingte Melodie hat, und dieses "Letzte Woche ist's passiert / Ich konnte bloß nicht früher", das ist doch unschlagbar!
- Erzähl weiter. Das rettet jetzt auch nichts mehr.

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Dienstag, 6. Januar 2009
Wir hatten früher auch Probleme.
nnier | 06. Januar 2009 | Topic Musiq
Es gibt da jemanden, der es, ähm, einfach nicht schafft, ähm, sein Blog anzufangen. Und dabei haut der die Sprüche in echt nur so raus! Z.B. "Lieber Nürburgring als Ehering", chrrihihihiii. Oderoder wenn man so niest, ne, wenn du jetzt zum Beispiel niesen musst, ne, dann ruft der dann so: "Aufwischen!", hhhhhahaha! Und eine so ne Schote nach der anderen, echt jetze

Beim Reinigen meiner virtuellen Schreibtischplatte ("Desktop") fiel mir eine Datei namens "schlimme_songs.txt" in die Hände. Darin stehen zehn Titel und Interpreten aus den 80er Jahren.

Schemenhaft erinnere ich mich, dass für eines der regelmäßigen Kneipentreffen mit meinem Freund M., bei denen die Musik der 80er niemals undiskutiert bleibt und übrigens der Formation Talk Talk stets Lob gezollt wird, folgender alleiniger Tagesordnungspunkt vorgesehen war: Die zehn schlechtesten Songs der 80er.

Was mancher für eine simple Frage halten mag, die er deshalb auch spontan und sozusagen praktisch quasi nebenbei beantworten würde, ohne über das sich in solchen Musikstücken auf bestürzende Weise offenbarende negative Potential des Menschen, der doch zu den höchsten Kulturleistungen imstande ist (und ob dieses negative Potential regelmäßig abzurufen eine anthropologische Konstante sei) sich auch nur ansatzweise Gedanken zu machen, sorgt bei unsereinem natürlich für schlaflose Nächte, und auch bei der Arbeit bellt man in solchen Phasen schon mal unwirsch ins Telefon: "Jetzt nicht! Ich muss nachdenken!" - da kann der Vorgesetzte gerne blöd gucken, Callcenter hin oder her.

Nehmen wir mal Modern Talking: Klar waren das die 80er und natürlich ist es akustisch, ästhetisch und moralisch nicht zu vertreten, dass es so etwas jemals gegeben hat - aber will man das noch groß thematisieren, auf ein totes Schwein einprügeln? Die bloße Erwähnung wäre zuviel der Ehre für den mit Dreck schmeißenden, im Dreck wühlenden, vom Dreck lebenden Dieter Bohlen.

Oder die Münchener Freiheit ("Solang man Träume noch leben kann"), die einen mit diesem Lied bis in die Alpträume hinein peinigen kann und nebenbei wesentliche Melodieteile bei Cyndi Lauper ("All through the night") geklaut hat - so jemanden ignoriere ich doch nicht mal. Alphaville ("Forever young")? Samantha Fox ("Touch me") - nein, die lassen wir alle raus, so mein damaliger Gedankengang, es muss schon eine gewisse Relevanz von Künstler oder Stück vorliegen, um in die Top-10-Liste zu gelangen. Und meine knapp vorgetragenen Begründungen zwischen den einzelnen Plazierungen und Bieren weiß ich auch noch ungefähr. Sie lauteten:

10) Roxette: The look (Stellvertretend für eine der überflüssigen skandinavischen Plastikproduktionen, nerviger Gesang, schlimmer Refrain, Schweinegitarre, aber penetrant in den Charts mit immer wieder diesem Stück unter mindestens fünf verschiedenen Namen.)

9) George Michael: I want your sex (Entsetzlich kalkuliertes Stück, musikalisch und auch textlich unerträglich, will mutig-tabubrecherisch erscheinen und bedient doch nur die blödesten Klischees, schlimmste Stelle: Die Bass-Stimme, die "one on one" singt.)

8) Bowie & Jagger: Dancing in the streets (Wie konnte ein respektabler Künstler wie Bowie nur so einen Schmonzens mitmachen? Auf-Nummer-Sicher-Stück, belanglos und bei allem Geschrei des aufgedrehten Jagger langweilig wie nur was.)

7) Whitney Houston: I wanna dance with somebody (Die Ohren fliegen einem weg, Hochleistungs- und Hochglanzpop, ich fühle mich angeschrien; dass man fünf Oktaven zur Verfügung hat, heißt noch lange nicht, dass man sie auch einsetzen muss.)

6) Erasure: Oh L'amour (Erasure an sich ist schlimm, armselig, blutleer, am furchtbarsten aber ist dieses langweilige Stück, dessen Leblosigkeit danach höchstens noch von Jack Whites "F.C. Bayern - Forever Number One" erreicht wurde.)

5) Starship: Nothing´s gonna stop us now (Das sind die Töne aus den Presets der 80er-Synthesizer, billigste Produktion gepaart mit schlechtem Gesang und hohlem Pathos für nichts und wieder nichts.)

4) Bob Marley : Could you be loved (Ich bin sowieso kein Freund von Reggae, aber das geht eindeutig zu weit, bei allem Respekt. Die Stimme. Und dieses nervige Geräusch, das "Ooka ooka", das macht mich wahnsinnig.)

3) Europe: The final countdown (Diese Keyboard-Fanfare ist ja mit das Schlimmste, was je aus einem Synthesizer rausgeholt wurde. Und das Hardrock-Gesinge von der Stange - brrr.)

2) Terence Trent D'Arby: Wishing well (Ich kann mit Worten sowieso nicht ausdrücken, wie ich diese Stimme hasse. Und diese Art Musik.)

1) Jennifer Rush: The power of love (Man hält es schlicht nicht für möglich, dass diese weibliche Knödelstimme mit all ihrem Pathos jemals etwas anderes als Entsetzen, Abscheu, irres Lachen oder unmittelbares Erbrechen ausgelöst haben kann. Historisch interessant, aber einfach unfassbar.)


Ist doch so!

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Freitag, 28. November 2008
Ich kann den einfach nicht leiden.
nnier | 28. November 2008 | Topic Musiq
Täglich muss ich eine Eisenbahnstrecke unterqueren. In der Unterführung ist an den Wänden viel Platz für allerlei Plakate, so dass auch an mir nicht vorbeigeht, dass es jetzt eine "Best-Of"-Platte von Herbert Grönemeyer gibt. Und auf dem Fahrrad fängt man dann an, zu überlegen, ob es etwas geben könnte, das man durchgehen ließe. Irgendwas, das nicht vor nervigem Pathos trieft. Etwas, das musikalisch ansatzweise überzeugt. Oder textlich. Die erzählen doch seit über zwanzig Jahren, wie toll Herbert Grönemeyer ist! Die kommen doch ganz beseelt vom Konzert nach Hause! Die sind doch noch tagelang gerührt von dem netten und natürlichen Mann da auf der Bühne! Die sagen doch, dass das so ganz persönliche Lieder sind, in denen man sich selbst wiederfindet! Die sind doch so angetan davon, dass er auch wichtige Themen anspricht! Die finden das doch toll, dass er sich immer für niedrige Eintrittspreise eingesetzt hat!

Es geht mir nicht darum, den jetzt absichtlich scheiße zu finden und einen Hasstext abzuliefern. Das haben vor zehn Jahren auch schon andere getan. Und es gibt ja wirklich schlimmere als den Herbert. Aber ich kann und kann nicht verstehen, was an seinen Sachen so gut sein soll, dass sich fast alle darauf einigen können. Dass er nuschelt und Silben verschluckt - egal ("Duhassn-pulschla-auschta, mannöti-laut-indana"). Dass die Texte unangenehm pathetisch sind und dabei platt wie nur was, darüber kann ich schon schwerer hinweghören. Aber der eigentliche Grund ist die Stimme. Nicht nur wenn er schreit. Sondern insgesamt. Am besten noch vervielfacht als sein eigener Hintergrundchor. Es graust mir. Zum Glück kenne ich bis heute (ungelogen) nicht den WM-Song. Aber Mensch usw. wurde auch in meinem Haushalt rauf- und runtergehört.

Also, was kann ich gelten lassen:

3) Bochum, das Lied mit dem "mannöti-laut-indana". Pathetisch, hier aber passend und musikalisch gelungen.
2) Was soll das, ein simples Eifersuchtslied, und "Womit hab ich das verdient / Dass der mich so blöde angrient" ist wirklich erholsam nach den ewigen Belehrungen. (Dass das Lied damals im Radio totgespielt wurde, dafür kann er ja nichts).
1) Viertel vor. Kein Hit, aber endlich mal mit normaler, tiefer Stimme gesungen (bis auf den Refrain) und mit minimaler, auf den Punkt gebrachter Instrumentierung.

Die schlimmsten Quäler (und ich kenne längst nicht alles!) sind:

4) Mambo. Schon die Musikrichtung ist mir ein Graus, der Text entsetzlich, und alle freuen sich. Warum?
3) Flugzeuge im Bauch. Den Versuch lasse ich gelten, und die unerwiderte Liebe wird textlich ja auch ganz gut umgesetzt. Aber die Hintergundchöre und sein Geschrei machen es mir zur Qual; ständig hoffe ich, dass es bald vorbei ist.
2) Siebter Sinn. Wenn ich das hören muss ("Ich bin dein 7. Sinn / dein doppelter Boden / dein zweites Gesicht / deine Lieblingsfarbe / dein sportlichster Wagen / dein tiefster Tauchgang / dein Segelflug ..."), kriege ich einen zuviel. Es erinnert mich an die alte und immer wieder unerträgliche Merci-Werbung ("Du bist die Wasserflut für meinen Wüstensand / Du bist der Fels, der in meiner Brandung steht / Du bist in meinem Lieblingslied die Melodie / Merci, dass es dich gibt") und provoziert ganz schlimme Gefühle ("dein Nagel im Sarg / dein Motorschaden / deine schimmlige Pizza / dein Arschgesicht ...").
1) Kinder an die Macht. Das geht textlich nun gar nicht. Diese verlogene Kinderidylle ("Armeen aus Gummibärchen, Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich-genial") - man möchte schreien! Wenn man vor etwas Angst haben muss, dann sind es infantile, unreife Menschen mit der Macht, sich nicht mehr die Schippe auf den Kopf zu hauen, sondern Armeen loszuschicken. Schon Lindenberg hat sich's zu leicht gemacht, als er ein Kind "Wozu sind Kriege da?" fragen ließ. Populistischer Mist. Das haben die Kinder nicht verdient, für solche rührseligen Unschuldsprojektionen herhalten zu müssen. Und musikalisch sollte man eh drüber schweigen; schlimmster Krautrock!

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Donnerstag, 27. November 2008
Wintermusik
nnier | 27. November 2008 | Topic Musiq
Weiß der Himmel, woran es liegt, ich habe einfach eine Abneigung gegen solche Stimmen. Ich mag z.B. diesen Creole-Reggae-Sound nicht und alles, was mich daran erinnert. Auch Rap-artiger Sprechgesang ist nicht mein Fall. Und da geht es genau so los mit dem "Rapper und Toningenieur Natty" -
There's no more trains going that way
There's no more trains coming this way
You better make your way home, son
There's something going down in London
- vorsorglich rollen sich die Keratinplatten auf der Oberseite der Zehenspitzen schon mal auf, aber: halt!

Es ist ja schon eine Weile her, dass ich über das meiner Ansicht nach sehr schöne Stück My Soul von Paul McCartney und Nitin Sawhney berichtet habe. Und da ich es nun mal als, na ja, Hörprobe in akzeptabler Qualität vorliegen hatte und auf Sawhneys CD London Undersound auch keine weiteren Kooperationen mit McCartney zu finden sind, hatte ich es nicht besonders eilig, den Silberling zu erstehen. Erst seit einer Woche besitze ich ihn, und nachdem in den ersten Tagen besagtes Lied in Heavy Rotation aus den Boxen meiner alten Stereoanlage schallte, habe ich es inzwischen geschafft, auch den Rest der Scheibe einige Male zu hören.

Nitin Sawhney hat in Interviews und im CD-Beileger davon gesprochen, dass sich in der Stadt nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn "etwas verändert" habe, dem er mit dieser CD nachspüren wolle. Und auch wenn ich oft meine Schwierigkeiten mit allzu bedeutungsschwangeren Themen bzw. thematischen Ansprüchen habe, kann ich dies gerade beim Einstiegssong gut nachfühlen, der sich zu einem Ohrwurm entwickelt hat:
On these streets where I played
And these trains that I take, I saw fire
But now I've seen the city change in
Oh so many ways, since the days of fire
Since the days of fire
Sawhney hat bei fast jedem Stück mit anderen Musikern und Sängern zusammengearbeitet. Einige Stücke erinnern mich an selige TripHop-Zeiten (Massive Attack: Protection, Portishead: Dummy), einmal klingt's orientalisch, dann wieder nach Flamenco - ohne dadurch zu nerven! - und alles zusammen ergibt glücklicherweise eben kein willkürliches Potpourri, sondern ein sinnvolles Ganzes, auch wenn der Begriff "Konzeptalbum" ein wenig überstrapaziert wäre (die zwischendurch immer wieder eingespielten U-Bahn-Geräusche schaffen da ganz unangestrengt eine lockere Verbindung, die auch völlig ausreicht).
So I step out the station, Brazilian name all over TV
Realization - I was on the next train - could 've been me
Then it all went slow motion, everything slow motion
First the flash of light then the rise of emotion
And I'm still in slow motion, I'm still in slow motion
Schon jetzt kann ich sagen, dass dieses Werk meinen Winter 08/09 begleiten wird. Und ich empfehle es glatt weiter.

(Der zitierte Song Days of Fire lässt sich in diesem Audioplayer komplett anhören, kurze Hörproben aller Songs findet man bei den üblichen Verdächtigen.)

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Sonntag, 23. November 2008
Weißes
nnier | 23. November 2008 | Topic Musiq
Can you take me back where I belong
Can you take me back?
Can you take me back where I belong
Brother, can you take me back?

(The Beatles)



Vierzig Jahre alt ist das Weiße Album jetzt offiziell. Für mich vielleicht dreißig; und ich hörte es nicht mit dem Dual, sondern mit dem Grundig-Radiorekorder von einer gekauften, bespielten, teuren MusiCassette ("MC"). Das Album war eines der letzten, die mir noch fehlten, bis ich es dann in Form dieser Kassette endlich zum Geburtstag bekam - und während ich einige Stücke wie z.B. Back in the USSR schon vom "Blauen" kannte (recht spät wurde mir klar, dass das Rote und das Blaue Doppelalbum retrospektive Kompilationen waren, das Weiße hingegen eine "normale" Platte), war doch sehr viel Neues auf der sogenannten "Doppelkassette" (die einfach eine längere Spieldauer hatte und dadurch immer bandsalatgefährdet war). Ganz offiziell beim alteingesessenen Musikhaus Hack* gekauft und in ihrer blauen(!) Plastikhülle mit EMI-Prägung war sie sicherlich keine Fälschung, und doch wies sie eine Eigenschaft auf, die sich noch heute auf mich auswirkt. Es war nämlich so, dass die Reihenfolge der Titel gegenüber der Schallplatte geändert war. Und so endete zwar die Seite eins der Kassette mit Julia, so wie die zweite Seite der ersten Platte des Doppelalbums, es ging aber nicht mit Birthday, sondern mit Everybody's Got Something to Hide Except Me and My Monkey weiter und die drei eigentlich davor eingeordneten Stücke Birthday, Yer Blues und Mother Nature’s Son folgten später, zwischen Long, Long, Long und Revolution 1. Und das ist durchaus bedeutsam, denn ich hatte nur diese Kassette, auf deren Einlegehülle die Lieder auch in genau dieser Reihenfolge aufgelistet waren. Ich hörte sie jahrelang aus übrigens einer wachsenden Anzahl von Lautsprechern, denn, der Firma Grundig sei's gedankt, mein Mono-Kassettenrekorder verfügte nicht nur über einen eingebauten Lautsprecher, sondern auch über einen Ausgang, an dem man per Klinkenstecker einen externen Lautsprecher anschließen konnte. Und da ich über grundlegende technische Kenntnisse (ich konnte Glühbirnchen an eine 4,5-Volt-Blockbatterie anschließen) und genügend Bastellust verfügte, kam ich nach jedem Sperrmüll mit neuen Lautsprechern nach Hause, die ich aus alten Fernsehern oder Radios herausgeschraubt hatte und nun willkürlich in Reihe oder parallel mit irgendwelchen Drähtchen von der elektrischen Eisenbahn an das vorhandene System anschloss, indem ich die Enden der dünnen Litzen von der Isolierung befreite und sie mit dem Lautsprecher auf der einen und einer willkürlich gewählten Anschlussstelle auf der anderen Seite verzwirbelte. Dass man auf Feinheiten wie z.B. die Polarität hätte achten können, dass es Hoch-, Mittel- und Tieftöner gibt, war mir nicht bekannt und auch egal, solange die Musik aus allen Ecken des Zimmers erscholl. Was war schon Stereo! Sogar einen Telefonhörer verbaute ich und konnte damit bei meinen Freunden ordentlich Eindruck schinden. Noch heute staune ich, dass der Verstärker im Radiorekorder dies alles mitgemacht hat, denn es muss ihm eine enorme Leistung abverlangt worden sein. Und in diesen Zeiten hörte ich nichts anderes als Revolver, Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band und eben das Weiße Album, wenn ich nicht doch mal zur Abwechslung eine andere Beatleskassette einschob. Man stelle sich nun vor, wie es auf mich, der jeden Ton und jedes Wort und jede Pausenlänge zu kennen glaubte, gewirkt hat, als ich in Beatlesbüchern die Titellisten studierte: Beim Weißen Album machten sie immer denselben Fehler! Warum bloß? Zweifel begannen an mir zu nagen. Und als ich in den frühen 90ern schließlich doch das Weiße Album auf CD kaufte, konnte ich der Wahrheit nicht mehr entgehen: Ich war einer Lüge aufgesessen.

Ja, werdet ihr sagen, sowas gehört nun mal zum Erwachsenwerden dazu, und ihr hattet es auch nicht leicht. Weltbilder geraten ins Wanken und wir merken nicht nur, dass wir von nun an niemals mehr sicher sein können, sondern auch, dass es die Sicherheit, die wir zuvor zu haben geglaubt hatten, nie gegeben hat**. Ich weiß. Und wenn Birthday nach Julia kommt, werde ich daran immer wieder erinnert.

---
*Vgl. Oktober 1994
**Habe ich neulich irgendwo gelesen.

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Dienstag, 18. November 2008
Das fümmundreißichfache Geld
nnier | 18. November 2008 | Topic Musiq
Ich war ja diesseits des Mississippi einer der ersten, die einen CD-Brenner hatten. In meinem individuell zusammengestellten Tower mit Pentiumprozessor und 4-Gigabyte-Festplatte befanden sich ein teures Plextor-CD-Laufwerk und ein noch viel teurerer Yamaha-CD-Brenner, alles in sogenannter SCSI-Technik, weil, wie mir der Mann im Computerladen gesagt hatte, das "am Prozessor vorbei" gehe und für Audio-CDs auch die einzig akzeptable Möglichkeit sei. Drei goldfarbene Mitsui-Rohlinge à 6,90 DM bekam ich als Dreingabe, so dass ich gleich ans Werk gehen und meine erste CD brennen konnte, in diesem weihevollen Moment natürlich nicht irgendwas, sondern eine 1:1-Kopie der Götterplatte Abbey Road. Als ich diese in den CD-Spieler meiner Stereoanlage einlegte, welcher die CD problemlos schluckte und Titelzahl sowie Gesamtlaufzeit korrekt anzeigte, war ich schon sehr erregt, und als ich "Play" drückte und in großartiger Qualität John Lennons "Here come ol' flattop" aus den Lautsprechern schallte, war ich innerlich erschüttert ob der Möglichkeiten, die sich mir nun zu bieten schienen. Und tatsächlich brannte ich in den Folgejahren, obwohl die CD-Rohlinge wirklich noch spürbar Geld kosteten, alles, was mir irgendwie zwischen die Finger kam. Da ich keinen Scanner, aber ein Grafikprogramm und einen Farbdrucker besaß, erstellte ich mit mal mehr und mal weniger Mühe Phantasiehüllen, indem ich irgendwelche Clipart-Grafiken auf die Vorderseite packte und für die Rückseite mühsam alle Titel abtippte - sowie entsprechende Labels zum Draufkleben (nicht wie heute, da ich auch nur noch schnöde mit dem Edding auf die CD kritzele). Denn schließlich sollten diese CDs ähnlich repräsentativ im CD-Regal stehen wie meine "echten". Und, da die Rohlinge so teuer waren, musste der Platz auch voll ausgenutzt werden, so dass sich merkwürdige Zusammenstellungen wie "Portishead: Dummy / Mike & The Mechanics" ergaben.



Es kam natürlich alles anders, als ich mir das vorgestellt hatte - die meisten CDs habe ich nie wieder angehört, und nun verblassen die Hüllen und die CDs lösen sich auf (trotz vorbildlicher Aufbewahrung in der Hülle bröckelt's massiv und einige Scheiben werden vom Abspielgerät schon nicht mehr angenommen). Aber manchmal ist es doch schön, auf einen solchen Fundus zurückgreifen zu können*, so wie gestern, als ich, da ein Mitglied meines Haushalts das Gedicht vom Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland auswendig lernen muss, mich an eine "Best-of"-CD von Achim Reichel erinnerte, der das Gedicht ja mal vertont hat, und überhaupt hatte es mich schon seit Wochen gejuckt, endlich mal wieder "Der Spieler" zu hören, ich suchte die CD also heraus, staubte die Hülle ab und legte sie ein. "Der Spieler": Was für ein Song!

Ich kenne weder Achim Reichel noch Jörg Fauser besonders gut. Dass der letztere das Lied des ersteren betextet hat, wusste ich bis eben nicht, wundert mich aber wenig, denn der Text hat wirklich literarische Qualität. Und auch meine zwei lieben, erheblich jüngeren Mitbewohner reagierten zutiefst beeindruckt nicht nur auf die Musik und den großartigen Gesang des Herrn Reichel, sondern eben auch auf den Text, der sie geradezu in seinen Bann zog und gespannt fragen ließ: Schafft der das? Kommt die 17 noch mal?
Ein schönes Lied.
Und am Hafen heul'n die Schiffe
Die Möwen schrei'n sich heiser
In der Dämmerung wird's dunkel und
Der Wind wird leiser
Leiser
Leiser.
---
*Ja, ihr Kids habt heute fünfhundertmal soviel auf euren MP3-Playern.

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