Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Ich kann den einfach nicht leiden.
nnier | 28. November 2008 | Topic Musiq
Täglich muss ich eine Eisenbahnstrecke unterqueren. In der Unterführung ist an den Wänden viel Platz für allerlei Plakate, so dass auch an mir nicht vorbeigeht, dass es jetzt eine "Best-Of"-Platte von Herbert Grönemeyer gibt. Und auf dem Fahrrad fängt man dann an, zu überlegen, ob es etwas geben könnte, das man durchgehen ließe. Irgendwas, das nicht vor nervigem Pathos trieft. Etwas, das musikalisch ansatzweise überzeugt. Oder textlich. Die erzählen doch seit über zwanzig Jahren, wie toll Herbert Grönemeyer ist! Die kommen doch ganz beseelt vom Konzert nach Hause! Die sind doch noch tagelang gerührt von dem netten und natürlichen Mann da auf der Bühne! Die sagen doch, dass das so ganz persönliche Lieder sind, in denen man sich selbst wiederfindet! Die sind doch so angetan davon, dass er auch wichtige Themen anspricht! Die finden das doch toll, dass er sich immer für niedrige Eintrittspreise eingesetzt hat!

Es geht mir nicht darum, den jetzt absichtlich scheiße zu finden und einen Hasstext abzuliefern. Das haben vor zehn Jahren auch schon andere getan. Und es gibt ja wirklich schlimmere als den Herbert. Aber ich kann und kann nicht verstehen, was an seinen Sachen so gut sein soll, dass sich fast alle darauf einigen können. Dass er nuschelt und Silben verschluckt - egal ("Duhassn-pulschla-auschta, mannöti-laut-indana"). Dass die Texte unangenehm pathetisch sind und dabei platt wie nur was, darüber kann ich schon schwerer hinweghören. Aber der eigentliche Grund ist die Stimme. Nicht nur wenn er schreit. Sondern insgesamt. Am besten noch vervielfacht als sein eigener Hintergrundchor. Es graust mir. Zum Glück kenne ich bis heute (ungelogen) nicht den WM-Song. Aber Mensch usw. wurde auch in meinem Haushalt rauf- und runtergehört.

Also, was kann ich gelten lassen:

3) Bochum, das Lied mit dem "mannöti-laut-indana". Pathetisch, hier aber passend und musikalisch gelungen.
2) Was soll das, ein simples Eifersuchtslied, und "Womit hab ich das verdient / Dass der mich so blöde angrient" ist wirklich erholsam nach den ewigen Belehrungen. (Dass das Lied damals im Radio totgespielt wurde, dafür kann er ja nichts).
1) Viertel vor. Kein Hit, aber endlich mal mit normaler, tiefer Stimme gesungen (bis auf den Refrain) und mit minimaler, auf den Punkt gebrachter Instrumentierung.

Die schlimmsten Quäler (und ich kenne längst nicht alles!) sind:

4) Mambo. Schon die Musikrichtung ist mir ein Graus, der Text entsetzlich, und alle freuen sich. Warum?
3) Flugzeuge im Bauch. Den Versuch lasse ich gelten, und die unerwiderte Liebe wird textlich ja auch ganz gut umgesetzt. Aber die Hintergundchöre und sein Geschrei machen es mir zur Qual; ständig hoffe ich, dass es bald vorbei ist.
2) Siebter Sinn. Wenn ich das hören muss ("Ich bin dein 7. Sinn / dein doppelter Boden / dein zweites Gesicht / deine Lieblingsfarbe / dein sportlichster Wagen / dein tiefster Tauchgang / dein Segelflug ..."), kriege ich einen zuviel. Es erinnert mich an die alte und immer wieder unerträgliche Merci-Werbung ("Du bist die Wasserflut für meinen Wüstensand / Du bist der Fels, der in meiner Brandung steht / Du bist in meinem Lieblingslied die Melodie / Merci, dass es dich gibt") und provoziert ganz schlimme Gefühle ("dein Nagel im Sarg / dein Motorschaden / deine schimmlige Pizza / dein Arschgesicht ...").
1) Kinder an die Macht. Das geht textlich nun gar nicht. Diese verlogene Kinderidylle ("Armeen aus Gummibärchen, Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich-genial") - man möchte schreien! Wenn man vor etwas Angst haben muss, dann sind es infantile, unreife Menschen mit der Macht, sich nicht mehr die Schippe auf den Kopf zu hauen, sondern Armeen loszuschicken. Schon Lindenberg hat sich's zu leicht gemacht, als er ein Kind "Wozu sind Kriege da?" fragen ließ. Populistischer Mist. Das haben die Kinder nicht verdient, für solche rührseligen Unschuldsprojektionen herhalten zu müssen. Und musikalisch sollte man eh drüber schweigen; schlimmster Krautrock!

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vert, Freitag, 28. November 2008, 16:31
es gab diese zeit, da musste man sich immer entscheiden:
grönemeyer oder westernhagen (...ärzte oder hosen, beatles oder stones...)
ich konnte mich aber nie entscheiden, ich fand sie beide doof.
woran sich bis heute nicht so viel geändert hat, aber wenigstens einer von beiden veröffentlicht keine platten mehr.

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nnier, Freitag, 28. November 2008, 18:02
... Bayern oder HSV (Anfang der 80er eine Frage, die sehr entscheidend war)? Die Frage "Grönemeyer oder Westernhagen" hätte ich mit "Hallervorden" beantwortet. Das ist ja eine Zumutung.

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vert, Freitag, 28. November 2008, 19:37
... Bayern oder HSV ?

schon wieder weder noch.
fußball ist zwar soweit ganz nett, aber das prinzip des "fan-seins" erschloss sich mir noch nie so richtig, und beim fußball schon gar nicht.

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nnier, Samstag, 29. November 2008, 10:26
"Prinzip des Fan-Seins": Das ist mir auch völlig fremd. Ich habe mich da schon als Kind ganz rational verhalten und nie verstanden, wie man von etwas so begeistert sein kann. Jedenfalls fand ich z.B. das Gewese um Krieg der Sterne immer total albern, mit diesen Märchenelementen und dem simplen Gut-Böse-Schema. Star Trek (Raumschiff Enterprise) dagegen: Das war ja wohl die beste Serie, die es je gegeben hat und geben wird! Allein schon dieses wunderschöne Raumschiff, die NCC-1701, die Ur-Enterprise, wenn dieses Kunstwerk, das eine eigene Seele zu haben scheint, durchs Bild gleitet und die ersten, leisen Töne der Titelmelodie erklingen - ein Herz aus Stein muss haben, wer da nicht vor Ehrfurcht erstarrt - und wenn dann die legendären, berührenden Worte ("Der Weltraum - unendliche Weiten") erklingen, wer wäre nicht bis ins Innerste erschüttert?

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vert, Samstag, 29. November 2008, 13:52
ich merke schon, es ihnen tatsächlich gänzlich fremd.

ich hingegen habe für mich beschlossen, dass es einfach zwei unterschiedliche universen sind, die ich beide gut finde. aber ich mag eben einfach auch sciencefiction - mit seiner gelegentlich visionären kraft, die als self fulfilling prophecy manchmal mehr bewegen kann als alle philosophie. zumindest mehr menschen.

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nnier, Samstag, 29. November 2008, 17:22
Zwei Universen, ja. Science Fiction ist für mich im positiven Fall gute Unterhaltung. Oft sind's ja gar nicht so sehr die Visionen oder Prophezeiungen - sondern eigentlich ganz klassische Konflikte und Fragestellungen. Mir sind interessante oder liebenswerte Charaktere und gute Geschichten wichtig. Und die "unendlichen Weiten" haben mich damals jahrelang so beschäftigt, dass ich sogar manchmal von der Enterprise, Kirk, Spock & Pille geträumt habe. Mein Panini-Album mit den wenigen Klebebildern darin hütete ich wie einen Schatz und las mir die Geschichten immer wieder durch. Leider muss ich auch sagen, dass ich vor einigen Jahren an einem Nachmittag mal mehrere alte Folgen nacheinander angesehen habe und davon doch etwas enttäuscht war. Aber es gibt Szenen und Geschichten (auch später in den Kinofilmen), die ich nach wie vor großartig finde. Bei den Sternenkriegern ist mir das nicht ansatzweise je so gegangen. Vor allem das märchen- bzw. fantasyhafte daran hat mich immer gestört.
Wie jetzt? Herbert Grönemeyer spielt beim neuen Star Wars-Film mit und singt den Titelsong?

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vert, Sonntag, 30. November 2008, 17:17
sollten sie jemals wieder ein mobiltelefon haben, sollten sie sich auf jeden fall für einen dieser kommunikatoren von motorola entscheiden (oder eben einen der nachfolger: razr in der tradition des aufs startac folgende v3688...
hmm. manchmal ist es erschütternd, welches wissen ich um derartig weltbewegende dinge auffahren kann....)
egal: wenn sie daran denken, werden sie es nie wieder verlieren, denken sie einfach daran, dass sie dann möglicherweise ohne funkkontakt auf dem fremden planeten festhängen!

neeiiiiiiiiin!

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nnier, Sonntag, 30. November 2008, 17:58
Solange ich in der Expedition nicht der einzige mit einem roten Uniformoberteil bin, habe ich Hoffnung!

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txxx666, Freitag, 28. November 2008, 18:22
Ein Lied (und wahrlich auch das einzige von HG), das ich persönlich ganz gut finde, ist das von der Currywurst (hier bei YouTube auch mit passenden Bildern - NICHT von Herrn G. - unterlegt ; )

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nnier, Samstag, 29. November 2008, 10:12
"Für mein' Schwager hier auch!", ja, das konnte ich jetzt aushalten. Der Pott-Dialekt ist ganz gut getroffen, ohne peinlich überstrapaziert zu werden. Kann man mal zwischendurch hören, so alle paar Jahre. (Das ist ganz alt, noch vor "4630 Bochum" - oder?)

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txxx666, Sonntag, 30. November 2008, 18:13
Huh - so genau kenn ich mich glücklicherweise in Herberts Discographie aber mal überhaupt nicht aus - kann dazu nur sagen, dass ich es anno 1992 im Rahmen einer Unterrichtseinheit "Deutsche Dialekte" verwendete...

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nnier, Sonntag, 30. November 2008, 18:20
Hab' gerade nachgesehen: 1982 von dem Album "Total egal". Zwei Jahre später kam dann "Bochum".

Unterrichtseinheit zu Dialekten? Das klingt sehr interessant und hätte mich sogar als Schüler hinter dem Ofen hervorgelockt. Erzählen Sie mal, wenn Sie mögen!

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