Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Donnerstag, 27. November 2008
Les Bastides ist überall
nnier | 27. November 2008 | Topic Gelesn
Angeregt durch einen Komentarfaden, der übrigens dazu führte, dass man mir das Buch schenkte - danke dafür! - (weiteres Geplänkel dazu) lese ich gerade einen sehr schönen Roman.

Die gallischstämmige Belegschaft eines einsamen Hundertfünfzigeinwohnerbergdorfes bei Marseille, les Bastides, ist seit Generationen - natürlich - verfeindet mit denen aus Crespin, einem Dorf jenseits des Berges. Eines längst vergangenen Tages haben dennoch Florette aus dem einen und Lionel aus dem anderen Dorf geheiratet, woran sich der Bürgermeister von les Bastides erinnert und seinen jüngeren Mitbürgern begeistert von den damaligen Ereignissen erzählt:
Das hat eingeschlagen wie eine Bombe, und der Vater und die Mutter von Florette senkten die Köpfe und machten sich ganz klein. [...] Und da hat der Herr Pfarrer angefangen zu predigen, daß man doch alle Beleidigungen vergessen solle und daß diese Heirat gottgewollt sei und uns Gelegenheit gäbe, Frieden zu schließen [...] Kurz und gut, mindestens dreißig von ihnen sind zur Hochzeit herübergekommen mit ihrem Pfarrer an der Spitze [...] Jawohl, meine lieben Freunde, und alles hat geweint. Weil es so schön war! Ich war sieben oder acht Jahre alt und ich erinnere mich, daß alle einander beide Hände schüttelten, als sie aus der Messe kamen! Und mich hat eine ganz fein angezogene Dame aus Crespin geküßt und dazu gesagt: "Es lebe les Bastides, wo man so schöne Kinder macht." [...] Die aus Crespin sagten, daß sie die Schuld an allem, was geschehen war, hätten. Und wir, wir sagten, es wäre unsere Schuld.
Beim Festmahl, zu dem die Eltern von Braut und Bräutigam üppig aufgefahren haben, fällt dann aber doch ein lockerer Spruch über den vielleicht nicht ganz so hochwertigen, aus Crespin mitgebrachten Wein. Und übergangslos gerät man sich wieder in die Haare:
Sofort sagte eine Frau aus Crespin, sie hätte gedacht, unsere Masthühnchen wären Spatzen [...] Wir haben es genossen, die Frauen zerkratzten einander die Gesichter [...] alles brüllte aus Leibeskräften, und kein Tritt in den Hintern traf ins Leere [...] Und die beiden Pfarrer [...] Unseren hat ein Crespinese mit einem Schinken eingeschläfert, den er ihm auf die Tonsur schlug, und ihren hat ein fliegender Stuhl getroffen: sein Kopf war zwischen dem Gitter eingeklemmt und er konnte nicht wieder herauskommen. Mir wäre es beinahe gelungen, einen großen Einäugigen zu erdrosseln [...] Als er wieder schnaufen kann, versetzt er mir einen Tritt in den Magen [...] Ich habe mich dann schnell hinter der Akazie versteckt, gehustet und gekotzt und mir die Augen getrocknet [...]
Ich bin noch ganz am Anfang und freue mich schon jetzt außerordentlich über diese Entdeckung. Und ich bin gespannt, wie die Weihnachtsfeier wird, heute abend.

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Wintermusik
nnier | 27. November 2008 | Topic Musiq
Weiß der Himmel, woran es liegt, ich habe einfach eine Abneigung gegen solche Stimmen. Ich mag z.B. diesen Creole-Reggae-Sound nicht und alles, was mich daran erinnert. Auch Rap-artiger Sprechgesang ist nicht mein Fall. Und da geht es genau so los mit dem "Rapper und Toningenieur Natty" -
There's no more trains going that way
There's no more trains coming this way
You better make your way home, son
There's something going down in London
- vorsorglich rollen sich die Keratinplatten auf der Oberseite der Zehenspitzen schon mal auf, aber: halt!

Es ist ja schon eine Weile her, dass ich über das meiner Ansicht nach sehr schöne Stück My Soul von Paul McCartney und Nitin Sawhney berichtet habe. Und da ich es nun mal als, na ja, Hörprobe in akzeptabler Qualität vorliegen hatte und auf Sawhneys CD London Undersound auch keine weiteren Kooperationen mit McCartney zu finden sind, hatte ich es nicht besonders eilig, den Silberling zu erstehen. Erst seit einer Woche besitze ich ihn, und nachdem in den ersten Tagen besagtes Lied in Heavy Rotation aus den Boxen meiner alten Stereoanlage schallte, habe ich es inzwischen geschafft, auch den Rest der Scheibe einige Male zu hören.

Nitin Sawhney hat in Interviews und im CD-Beileger davon gesprochen, dass sich in der Stadt nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn "etwas verändert" habe, dem er mit dieser CD nachspüren wolle. Und auch wenn ich oft meine Schwierigkeiten mit allzu bedeutungsschwangeren Themen bzw. thematischen Ansprüchen habe, kann ich dies gerade beim Einstiegssong gut nachfühlen, der sich zu einem Ohrwurm entwickelt hat:
On these streets where I played
And these trains that I take, I saw fire
But now I've seen the city change in
Oh so many ways, since the days of fire
Since the days of fire
Sawhney hat bei fast jedem Stück mit anderen Musikern und Sängern zusammengearbeitet. Einige Stücke erinnern mich an selige TripHop-Zeiten (Massive Attack: Protection, Portishead: Dummy), einmal klingt's orientalisch, dann wieder nach Flamenco - ohne dadurch zu nerven! - und alles zusammen ergibt glücklicherweise eben kein willkürliches Potpourri, sondern ein sinnvolles Ganzes, auch wenn der Begriff "Konzeptalbum" ein wenig überstrapaziert wäre (die zwischendurch immer wieder eingespielten U-Bahn-Geräusche schaffen da ganz unangestrengt eine lockere Verbindung, die auch völlig ausreicht).
So I step out the station, Brazilian name all over TV
Realization - I was on the next train - could 've been me
Then it all went slow motion, everything slow motion
First the flash of light then the rise of emotion
And I'm still in slow motion, I'm still in slow motion
Schon jetzt kann ich sagen, dass dieses Werk meinen Winter 08/09 begleiten wird. Und ich empfehle es glatt weiter.

(Der zitierte Song Days of Fire lässt sich in diesem Audioplayer komplett anhören, kurze Hörproben aller Songs findet man bei den üblichen Verdächtigen.)

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