Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Donnerstag, 19. August 2010
Stadt Land Fluss
nnier | 19. August 2010 | Topic Gelesn
Die Neger entspringt im Rothaargebirge, nicht weit entfernt von der Ruhr. Die beiden fließen nebeneinander; und irgendwann treffen sie sich. Die Ruhr ist kürzer und führt weniger Wasser. Man könnte also sagen: Sie mündet in die Neger, und die Neger fließt weiter durchs Negertal, dann durchs Negergebiet und nach über 200 Kilometern bei Duisburg-Negerort in den Rhein.

(Michael Allmaier: Immer mit der Ruhr, DIE ZEIT vom 12. August 2010, S. 55)
Wenn ich mir früher Landkarten ansah, auf denen Flüsse verzeichnet waren, sah ich mir fasziniert das Adergeflecht an, die feinen Verästelungen, vom Meer aus wurden die Flüsse ja immer dünner und verzweigter, bis sie schließlich irgendwo endeten, dann war das ganze Wasser verbraucht. Ich stellte mir auch immer vor, dass die Lunge beim Einatmen von der irgendwie hereinströmenden Luft aufgepumpt wird wie ein Ballon, aber, nein, eines Nachts, ich weiß es noch genau, wurde mir klar, dass die Lunge durch Muskelkraft auseinandergezogen wird, wodurch ein Unterdruck entsteht, der durch die hineinströmende Luft ausgeglichen wird.

Ich war übrigens auch der Ansicht, dass Flüssigkeiten, während feste Nahrung natürlich erst im Magen und dann im Darm landet, direkt in die Blase geleitet würden - jahrelang habe ich mich gefragt, nach welchen Kriterien diese Weichenstellung wohl erfolge, wenn es Apfelmus oder Erbsensuppe gab. Das erzähle ich nicht nur, um ungeduldige ADHSler abzuschütteln, bei denen es nicht zu mehr als 140 Zeichen reicht; ich erzähle es auch nicht, um kundzutun, dass ich inzwischen aber den kompletten Durchblick habe; es handelt sich hierbei vielmehr um die kindgerechte Illustration einer gewissen Erfahrung, die ich bezüglich meiner Selbst- und Weltbilder gelegentlich gemacht habe und vermutlich auch noch öfter machen werde. Dieser erläuternde Einschub dient übrigens auch der Vorbereitung einer später evtl. zu erbringenden Transferleistung.

Auf der Suche nach der Negerquelle habe er keinen Erfolg gehabt, schreibt der ZEIT-Autor, er habe bei der Recherche aber erfahren, dass es schon immer ein starkes Interesse an einer Verhauptflussung der Ruhr gegeben habe, die Neger habe schlicht keine Lobby gehabt, und so kommt es wohl, dass ihre Quelle von keinem Schild markiert wird und, so vermute ich, dass im Laufe der Geschichte einige Hunderttausend naheliegende Scherze weniger über die Grubenarbeiter und ihre geschwärzten Kumpelgesichter gemacht worden sind.

Man redet so leicht aneinander vorbei, das ist das Problem, manche schreiben dann extra noch einen Hinweis ("Hint: Es geht nicht um Ferienwohnungen.") und werden trotzdem nicht verstanden. Ruhrgebiet, Negergebiet, Datenschutz, Konzept der digitalen Öffentlichkeit, das alles ist ja manchmal komplizierter als man meint. Ich wundere mich deshalb, nur mal so als Beispiel, darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit immer noch so getan wird, als sei Geschwindigkeit ein Wert an sich, schnellschnell, ich habe was begriffen und bin ganz vorne dabei, wo auch immer "vorne" ist.

Ruhrgebiet, Negergebiet, ich wolle, dass "Transparenz" und "Verknüpfbarkeit der Daten" weggehen oder "gar verboten" werden, so fasst jemand meinen letzten Beitrag auf, hm, vielleicht versuchen wir's mit einem Vergleich, es geht ja z.B. vielen Menschen auch weniger darum, die Spaltbarkeit von Atomkernen blöd zu finden, aber vielleicht haben sie eine Meinung dazu, ob und von wem und wie und in welchem Zusammenhang die sog. Atomkraft genutzt werden sollte. Hint: This is not about Atomkraftwerke.

Ruhrgebiet, Negergebiet, "Rummosern" nennt es der eine, Kritik der andere, "Optionen" der eine, Arschkriecherei der andere, das war schon immer so, das hat nicht zuletzt mit charakterlichen und kulturellen Unterschieden zu tun, und während der eine angeblich das "Recht auf Fotografie im öffentlichen Raum" durchsetzen will, tut er das aus anderer Sicht mit der Hilfe einer Stalker- und Stasitruppe. So weit, so normal.

Es gibt ein Interview mit Paul McCartney, in dem der Frager ihn zu Kürzestantworten im Zusammenhang mit einigen Beatlessongs hetzen will. Die Antwort, etwa: "You won't get three-sentence-answers from me", hat mich beeindruckt. Dann erzählte er, was er zu diesen Liedern erzählen wollte.

Ich werde ganz bestimmt kein "Konzept" verkünden, Herr mspro. Hinweise auf Waldspaziergänge sind allerdings durchaus ernstgemeint.

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Freitag, 13. August 2010
You Guys
nnier | 13. August 2010 | Topic Gelesn
Wozu tue ich mir das an, ich habe sowieso Kopfschmerzen - mit etwas Marmelade schmeckt Aspirin übrigens gar nicht mal übel - aber, nein, Herr nnier muss "mal eben" ins andere Internet und nachlesen, wie jetzt alle finden, dass es doch total toll ist, wenn man jeden Winkel der Welt vom Rechner aus beglotzen und "taggen" kann. Natürlich kommt dann jemand auf die Idee, einen Street View-Widerspruch-Widerspruch zu verfassen! Weil es nämlich Leute gibt, die das "Konzept der digitalen Öffentlichkeit" nicht verstanden haben! Weil ja auch nicht jedes Dorf entscheiden darf, ob es im Atlas auftaucht! Und unter dem Beitrag dann lauter "lol"-Kommentare, ha ha, darauf haben sie gewartet, das müssen sie alle "retweeten", deshalb steht da dann "Wer nicht will, dass das Bild seines Hauses bei Google Street View erscheint, der hätte sein Haus nicht an eine öffentliche Straße bauen sollen" - und genauso dumpf geht's direkt weiter: "Und was Diejenigen angeht, die ihr Haus von Google Street View entfernen lassen wollen: Nun, da kann einfach Jedermann mit seinem Fotoapparat vorbeikommen und sie bei Panoramio hochladen", mal nebenbei als Drohung gegen alle, die nicht freiwillig die Beine breit machen, und übrigens: "Gestern war in der Tagesschau ein Bericht darüber, wie ein tapferer Mann [...] Widerspruch gegen sein Haus in StreetView einlegt, weil er nicht möchte dass sein Haus oder gar sein Gesicht im Internet abgebildet wird. Guter Mann, stattdessen wurde Ihr Gesicht nun in der TAGESSCHAU gezeigt [...] Und wussten Sie eigentlich [...] dass die Tagesschau auch im bösen Internet abrufbar ist?", tjaha, diese Deppen, die noch meinen, dass sie sich der Notwendigkeit des historischen Prozesses entziehen können! Denen geben wir doppelt und dreifach, harhar, dann fotografieren wir ihre Häuser erst recht und veröffentlichen ihre Namen gleich dazu! Schließlich veröffentlichen wir selbst auch ständig unseren eigenen Aufenthaltsort, und obendrein, was wir gerade wo für wieviel Geld gekauft haben.

Was natürlich auch nicht fehlt, ist der Hinweis darauf, das es "Bedenkenträger" ja schon immer gegeben und "Deutschland" nicht verstanden habe, dass man doch bitte "einfach machen" solle. Es ist zum Würgen.

Ich will hier gar nicht darüber schreiben, ob und warum ich persönlich bei google nun einen Widerspruch einlegen will oder nicht - was mich entsetzt, ist zum einen, wie brachial durch private Unternehmen einfach neue Realitäten geschaffen werden, und zum anderen, wie begeistert das von manchem noch beklatscht wird. Und es sind neue Realitäten, da braucht keiner das Kindergartenargument hervorzuholen, dass man theoretisch schon immer Straßen und Häuser fotografieren konnte. Die aggregierte Masse und die Geschwindigkeit beim Suchen machen einen entscheidenden Unterschied, wie man am Beispiel der "Rückwärtssuche" nach dem Inhaber eines Telefonanschlusses schnell begreifen wird: Man hätte früher theoretisch auch alle Telefonbücher durchlesen können und wäre dabei irgendwann auf eine gesuchte Nummer gestoßen. Aber erst die digitalen Datensammlungen haben es möglich gemacht, dass man ohne Aufwand eine Nummer eingibt und sieht, wem sie gehört. Ebenso hätte ein Personalchef theoretisch schon immer erst mal zu jeder Bewerberadresse fahren können, um sich einen Eindruck von der Wohnlage zu verschaffen - praktisch wird er das viel eher per Klick am Rechner tun. Und so weiter.

Insgesamt ist es mir allerdings zu blöd, mich auf diese Klein-Klein-Streitereien darüber einzulassen, ob Einbrüche künftig leichter geplant werden können oder Stalking erleichtert wird, und wenn ja, ob das ein Grund dagegen wäre, und wenn nein, was das dann wiederum heißt; das wird bis zum Erbrechen z.B. hier durchdekliniert. Mir geht es nicht um das sofort griffige Beispiel dafür, warum das alles ein Fluch oder eben ein Segen ist. Sondern um eine Machtverschiebung, die von vielen achselzuckend hingenommen oder gar noch bejubelt wird.

Wie gesagt, ich war in dem anderen Internet und habe unter der treffend gewählten Überschrift England vs. Facebook ein Filmchen gesehen, das den Stand der Dinge wohl besser illustriert als ein seitenlanger Aufsatz. Sehen Sie selbst:



Da sieht man den gewählten Regierungschef eines Landes mit dem Chef eines Unternehmens sprechen, und ich kann mich der Diagnose von Frau Bunz nur anschließen, dass es sich dabei um eine Übertragung "Live from from the top of a power shift" handelt. Sie nennt die richtigen Stichworte schon (z.B. "really excited about it" vs. 6 x "you guys"), so dass ich nur noch meine Fassungslosigkeit bekunden kann, wenn ich sehe, wie bereitwillig, devot und bedenkenlos ein Premierminister sich zum Produktplazierer eines privaten Unternehmens macht, dessen junger Vorstandsvorsitzener durch sein ganzes Auftreten mehr als deutlich macht, wer hier der Chef im Ring ist.

Aber das ist ja total cool, dass der immer Badelatschen anhat, und außerdem ist das doch Facebook und nicht Google, und hier in der Datenschutzhölle Deutschland gibt's doch wirklich Politiker, die meinen, dass sie noch irgendwas wollen können, hi hi, und ein paar Hinterwäldler, die noch nicht verstanden haben, wohin der Hase läuft, während wir geschmeidig in jedes Rektum schlüpfen.

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Donnerstag, 29. Juli 2010
Binsen und Wahrheit
nnier | 29. Juli 2010 | Topic Gelesn
Ich habe dann doch mal angefangen, es zu lesen und werde es wohl dabei belassen, denn es macht keinen Spaß.



Mag sein, dass es mir leichter fällt, in ein Buch hineinzuschmieren, das ich umsonst bekommen habe - aber ich konnte nicht umhin, ein paar Stellen zu kennzeichnen, die mir besonders unangenehm aufgefallen sind.



Es geht dabei um Formulierungen wie:
- "Hier alles irre teuer" rief sie. "Aber für Herr mit Deutschmark billig immer noch."

- Nur weil er und ich vor einem halben Jahrhundert Arsch neben Arsch die Schulbank gedrückt haben sollen?

- ... wäre die zufällige Begegnung zwischen Witwer und Witwe mit dem Kursverfall des Zloty zu vergleichen gewesen.
Weder glaube ich der Polin, dass sie "irre teuer" sagt, noch gefällt mir die unvermittelte und gewollte, möglicherweise anbiedernde Derbheit des "Arsch", und in welcher Hinsicht man eine Begegnung mit einem Kursverfall vergleichen kann, verstehe ich schon gar nicht, doch sind das kleine, ohne den textlichen Zusammenhang möglicherweise gar nicht nachvollziehbare Ärgernisse.

Das größere Problem habe ich mit der umständlichen Konstruktion: Statt eine Geschichte zu erzählen - also, da sind ein deutscher Witwer und eine polnische Witwerin, die lernen sich da und da kennen und die Umstände sind die und die - wird eine vollkommen überflüssige Schicht dazwischen eingebaut. Der Erzähler bekommt nämlich die Aufzeichnungen des erwähnten Witwers zugeschickt, aus denen er die Geschichte mehr oder weniger nacherzählt, und fügt deshalb ständig Bemerkungen ein wie "Schon rede ich, als wäre ich dabeigewesen" oder "Dann schwiegen sie. Oder richtiger: ich vermute Schweigen zwischen dem Paar."

Ständig wird daran erinnert, dass dieses aus der Kladde des Witwers stamme (und deshalb, aufgepasst!, auch anders gewesen sein könne), dass der Erzähler sich jenes selber vorstelle (weshalb man, aufgepasst!, nicht sicher sein könne ...), eine penetrant herumwabernde Metaebene also, auf die ich dann auch noch ständig mit der Nase gestoßen werden, bis ich rufen will: "Ja, verdammt, und wozu?"

Nun habe ich prinzipiell nichts gegen umständliche Konstruktionen, einige meiner liebsten Bücher sind alles andere als geradeaus erzählt, bei GG frage ich mich allerdings ernsthaft, ob diese Erzählhaltung zu irgendwas gut ist außer dazu, den Leser permanent zu nerven. Und wenn man sich die Kritik von MRR am Nachfolgeroman Ein weites Feld mal in Ruhe durchliest, wenn man das dumme Spiegel-Titelbild versucht beiseitezulassen, kommt einem einiges doch sehr bekannt vor:
Ein so sorgfältig kalkulierender Artist wie Sie, Günter Grass, mußte irgendwann die Fragwürdigkeit, ja die Unmöglichkeit dieser Konzeption schon merken. Sie schreiben: "War Fonty ohne seinen Tagundnachtschatten vorstellbar? Hätte dessen Abwesenheit nicht sogleich eine Geschichte beendet, deren Pointen vom Echo lebten und, mehr oder weniger mißtönend, zweistimmig gesungen sein wollten? Was bleibt übrig, fragten wir uns, wenn Hoftaller wegfällt?" Und etwas weiter: "Hoftaller war nicht sterblich!" - sehr richtig: Was nicht lebt, kann nicht sterben. Und daß die Geschichte zweistimmig gesungen sein wollte, stimmt nicht. Denn eine Geschichte gibt es hier eben nicht, leider.
Ja, hach, der Witwer behauptet in seinen Briefen irgendwas, woran sich der Erzähler nicht genau erinnert - ich bin erst auf Seite 54 und habe schon keine Lust mehr, denn ich ahne, dass es den Aufwand nicht lohnt, einem Schriftsteller dabei zuzusehen, wie er aus seiner Konstruktion nicht mehr herausfindet.

Ärgerlich wird es auch dann, wenn der Autor GG z. B. nicht dazu stehen will, welche Vornamen er seinen beiden Hauptfiguren verpasst hat - das klingt dann so:
Was hilft es, wenn seinem nur berichtenden Mitschüler [...] dieser Gleichklang zu stimmig ist, passend allenfalls für ein Singspiel nach berühmtem Vorbild, geeignet für Märchenfiguren, doch nicht für dieses vom Zufall verkuppelte Paar; es muss dennoch bei Alexander und Alexandra bleiben, schließlich ist es deren Geschichte.
Es gibt übrigens unendlich viele Krimis, in denen irgendwann davon die Rede ist, dass etwas "wie in einem schlechten Krimi" geschehe; ein alter und dann doch zu simpler Kniff.

Den ganzen Debatten um seine SS-Mitgliedschaft, die GG "zu berichten vergessen" hatte, bin ich nicht ernsthaft gefolgt. Woran ich mich jedoch erinnere, ist, dass auch seine Einlassungen zu diesem Thema diesen merkwürdigen Meta-Sound hatten, ungefähr so: Hier ist der Bericht des Jünglings, der ich einst war, und der mich an dieses und jenes erinnert hat ...

Beim (oberflächlichen) Suchen finde ich in diesem Zusammenhang z.B. folgendes Zitat von ihm:
Es ist ja eine Binsenwahrheit, daß unsere Erinnerungen, unsere Selbstbilder trügerisch sein können und es oft auch sind. Wir beschönigen, dramatisieren, lassen Erlebnisse zur Anekdote zusammenschnurren. Und all das, also auch das Fragwürdige, das alle literarischen Erinnerungen aufweisen, wollte ich schon in der Form durchscheinen und anklingen lassen. [...]
Viele Autobiographien versuchen dem Leser weiszumachen, eine Sache sei so und nicht anders gewesen. Das wollte ich offener gestalten, deswegen war die Form für mich so wichtig.
Das Buch, von dem da die Rede ist, kenne ich nicht. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass ein vorangestellter Absatz für die begriffstutzigeren unter den Lesern ("Übrigens: Das hier sind meine Erinnerungen, alle Angaben ohne Gewähr - aber ich versuche es trotzdem so gut ich kann. Ihr GG.") für eine gewisse Entspannung gesorgt und womöglich ein paar interessante Auskünfte auch zu dem SS-Thema ermöglicht hätte, z.B.: "Ich hätte es am liebsten vergessen, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, und später konnte ich es erst recht nicht mehr sagen, aber nun tue ich es aus den und den Gründen doch" - nur mal so als Beispiel, ich weiß das ja alles nicht.

Aber nun genug davon, und ich weiß natürlich, dass Sie dieses Blog nur der Bilder wegen anklicken, dazu bin ich Realist genug und es macht mir auch nichts aus.

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Dienstag, 27. Juli 2010
Unk-unk
nnier | 27. Juli 2010 | Topic Gelesn
Vorsicht: Unscharfes Bild!*



Als Jugendlicher las ich mal die Blechtrommel, die fand ich nicht schlecht, und später Das Treffen in Telgte, das mir damals auch ganz gut gefiel - und auch wenn Günter Grass inzwischen zum Watschenmann geworden ist und dazu einiges beigetragen hat, stellte ich mir im Urlaub mal ein Buch ins Regal, bei dessen Titel ich immer und automatisch den inneren Reich-Ranicki sprechen höre: Unkenrrrruffe!

Das Buch hatte in einer Kiste ("Zum Mitnehmen") gelegen, ich hatte zugegriffen und, so dachte ich, wenn man zwei Wochen lang viel freie Zeit vor sich hat, könnte es zumindest nicht schaden, ein paar Alternativen zum lokalen Angebot dabeizuhaben und evtl. den dicken Foster-Wallace weiterzulesen oder eben, warum nicht, mal ganz unvoreingenommen auszuprobieren, ob mir ein später Grass vielleicht trotzdem zusagt - auch wenn der innere Krakeler dann immer gleich mit "missrrratten!" ankommt. Offen gestanden musste ich auch eben erst nachschauen, ob die Bücherzerreißerei auf dem Spiegel nun mit der Unke oder dem Weiten Feld zu tun hatte, mein lieber Günter Grass, tja, man bekommt dann doch immer wieder Lust, in das Idiom dieses Kritikers zu verfallen, Schä-rift-schätellerrr thind alle Schä-weine, aber diethen Unthinn errsparre ich unth.

Das Problem war dann, dass ich die ganze Zeit so viel anderes tun konnte, z.B. die Tür ansehen,



die, wie man erkennen kann, zwischenzeitlich mal ersetzt worden sein muss und somit zwar noch in die alten Angeln gepasst hat, jedoch offensichtlich um einige Zentimeter schmaler als ihre Vorgängerin ist, die vermutlich nicht einmal genormt war, wodurch sich der wirklich findige Hausherr veranlasst sah, den ursprünglichen Rahmen auf das entsprechende Maß zu verkleinern, indem er ganz einfach eine unauffällige Leiste eingesetzt hat, die zugleich auch der Aufnahme der Schlossfalle dient, wenn die Tür geschlossen wird, und dennoch ist das geschmiedete Gegenstück des alten, sicherlich außenliegenden Kastenschlosses erhalten geblieben und sieht ganz natürlich aus. Solche Dinge finde ich ganz großartig!

Ich konnte auch auf dem Bett liegen und die Decke ansehen,



für manchen mag es eine gewöhnliche Holzdecke sein, für mich ein wunderschöner Anblick, dem ich bedauerlicherweise durch die abenteuerliche Kamerahaltung viel zu viel Dynamik verpasst habe, denn eigentlich laufen die Linien rechtwinklig zum Betrachter und parallel zueinander, wobei die dennoch nie Langeweile aufkommt, da der Künstler ganz bewussst keine genormten Standardbauteile verwendet, sondern auf Elemente unterschiedlicher Breite zurückgegriffen hat, die dem Ensemble gerade das rechte Maß an Ungleichförmigkeit verleihen, so dass man immer wieder etwas zum Schauen hat und sich auch nach Tagen nicht langweilt.

Übertroffen wird dies nur noch durch die Bodendielen,



die wunderschön grobschlächtig und breit sind und dabei selbstredend ohne Nut-und-Feder- oder sonstige Verbindung auskommen, so dass man täglich aufs Neue bewundernd hinunterschauen und sie manchmal auch ganz vorsichtig berühren möchte.

War all dies nach einigen Stunden erledigt, ging es nach draußen, das muss ich ein anderes Mal erzählen, aber machen Sie sich auf was gefasst, so schönes Holz haben Sie wahrscheinlich noch nie gesehen, na gut! Aber nur eins!,



das ist vom Balkon und ich durfte barfuß darüberlaufen! Und Sie verstehen nun wohl, warum ich dann doch überhaupt nicht zum Lesen gekommen bin.

--
* Mit zitternden Händen aufgenommen am Tage des Abschieds**
** Das ist ganz allein meine Sache, wann ich mit dem Rumgeheule wieder aufhöre

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Montag, 26. Juli 2010
Loveparade mit Dr. Oste
nnier | 26. Juli 2010 | Topic Gelesn
Das Inhumane hat viele Gesichter – eins davon ist die plaudernde Partyvisage samt Plapperzunge, die alles in die Breite schwatzt und, sei es nur aus Furcht vor Entdeckung der eigenen Flachheit, jede potentielle Tiefe unterbindet.
Nachdem ich mich kürzlich nur mäßig begeistert über Wiglaf Droste geäußert habe, muss ich zu meiner Verblüffung heute feststellen, dass er manchmal doch ganz genau trifft:
»Ein Traum wird wahr: Ich werde aus dem Auge des Hurrikans der wummernden Bässe die größte Party der Welt in die Wohnzimmer bringen.« Verkündete Pocher, Kretin aus Herkunft, Neigung und Profession. In dieser Kreatur ist die Gemeinheit und Niederträchtigkeit einer ganzen WM-Fanmeile gebündelt.
So lese ich mit wachsendem Erstaunen und erfreue mich trotz des ebenso tristen Themas auch an folgendem:
Geschult am Vorbild erwachsener Soldaten, die in Kasernen ihre »Kameraden« quälen und foltern, mißbrauchten sie Schwächere und Wehrlose sexuell, demütigten sie und zeigten, daß man es auch als Rotzbengel schon faustfick hinter den Ohren haben kann, wenn man nur entschlossen ist, das zu wollen, was in der deutschen Sprache unter »Spaß haben« firmiert.
Bitte lesen Sie selbst und verstehen Sie dieses als Empfehlung.

(Via)

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Dienstag, 29. Juni 2010
Wut, ein englischer Fußballer sowie eine enthaarte Brust
nnier | 29. Juni 2010 | Topic Gelesn
- Chef, ich kann das nicht mehr mit mir vereinbaren.

- Meier! Sie wieder. Worum geht es?

- Chef, mir ist bewusst, dass in Zeiten rückläufiger Leserzahlen und budgetärer ...

- Meier. Lassen Sie das alles weg. Ich habe zwei Minuten für Sie.

- Haben Sie gesehen, was "Wladi", also Herr Komljenowitsch, hier abliefert?


- Ich kann mir nicht alle Schlagzeilen ansehen, Meier. Lassen Sie hören.

- "Ein ganzes Land trägt breite Brüste"

- He he. Ist doch gut. Breite Brüste, BB, das erinnert mich an diese Italienerin damals, oh là là!

- "Von Torsegen und Kindersegen"

- He he. Kann ich nichts dran finden.

- "Spiel, Sieg, Superpreis"

- Meier, hören Sie zu. Der macht das so, wie wir es immer gemacht haben, alliterativ und immer das Nächstbeste, hätte ich beinahe gesagt, haha, im Ernst: Das ist solider Durchschnitt, mindestens.

- "Rage, Rooney und die Radikal-Rasur"


- Meier. Mal unter uns Germanisten: Klar, man will "Rage" erst englisch aussprechen, und gleich viermal das "R", das kommt etwas forciert - aber es hat auch irgendwo Pfiff.

- "Blanker Torso, oder Tor - so?"

- Das hat doch Charme, jetzt mal ganz ehrlich, gewollt oder ungewollt. Braucht ja keiner zu wissen, was der für so eine Überschrift kriegt, ich meine: Das könnte doch auch große Kunst sein, diese Putzfrau hat ja auch mal so einen Fettklumpen vom Beuys weggefegt, nicht wahr. Ist alles eine Frage der Perspektive, oder, Meier!

- Chef, ich will nicht mehr.

- Machen Sie das Licht aus hinter sich.

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Mittwoch, 23. Juni 2010
Vorrechte in Pjöngjang
nnier | 23. Juni 2010 | Topic Gelesn
- Scheffe. Ische 'abe fertig Uberschrifte. Wolle anguck. Isse gutt?

- Lassen Sie mal sehen. "Behäbige Stars, flinke Außenseiter". Sagen Sie, Herr Mbwele­simbwasa - wie lange sind Sie jetzt schon bei uns?

- Isse fast eine Jahr!

- Gut. Schauen wir zunächst aufs Positive. Sie haben nur vier Wörter verwendet, zwei links vom Komma, zwei rechts, das ist gut, das kann man so machen, Schema: Adjektiv Substantiv, Adjektiv Substantiv, diese Aufzählungsnummer also.

- Isse gutt, ja, oda! Isse gutt wie "Glückliche Griechen, törichter Tritt", fast!

- Ja, fast. Aber fällt Ihnen da ein Unterschied auf?

- Isse bessa meine, weil isse ssweimal mit Mensch, isse Stars und Aussenseiter, passte bessa.

- Ja, da haben Sie recht, Herr Mbwele­simbwasa, tatsächlich, zwei Menschengruppen sozusagen, die einander gegenübergestellt werden, das haben Sie sehr schön, aber, hm, schauen Sie mal hier: "Cooler Casillas, torgefährlicher Torres!", jetzt sehen Sie's doch sicher ...?

- Ah! Isse mit Name vonne Spiller! Isse bessa "Schweinsteiger muss pausieren, Podolski spricht sich für Löw aus", ja?

- Hm. Herr Mbwelesimbwasa, wenn es umgekehrt wäre, also Podolski muss pausieren und, ähm, meinetwegen Lahm irgendwie für Löw, nicht wahr, aber so ... schauen Sie doch mal: "Grausige Griechen, starke Südkoreaner". "Torlos trotz Traumstürmern". "Torwart am Tiefpunkt", "Stringenz statt Samba", das müssen Sie doch verstehen!

(Kratzt sich am Kopf, blickt umher, dann strahlend) - Isse gutt "Ribéry ratlos, Lodeiro unbeherrscht"?

- Das geht in die richtige Richtung, aber hören Sie doch noch mal genau hin: "Nachgesetzt in der Nachspielzeit"! "Wunderbares aus der Wundertüte"! "Messi, mach mich zum Meister"! "Aus dem Tunnel in die Torjägerliste"! "Privilegien in Pjöngjang"!

- Scheffe! Jetzte ische 'abe versteh! Jetzte ische mach so: "Die rote Furie will den WM-Fluch besiegen"! Gutt?

- Ja, hm, schlecht ist das nicht, die Furie und der Fluch, nicht wahr, vielleicht noch etwas peppiger, knapper, nicht wahr, so wie "Hitzfelds Husarenritt" oder "Geschenk Gottes" oder meinetwegen "Mehr als nur Messi"!

- Isse ganz leichte. Mach ich so: "Argentinien feiert Held Higuaín"!

- Ja, "Held" und "Higuaín", das ist natürlich phonetisch nicht ganz - aber machen Sie mal weiter, das wird schon! "Lippis Lippenbekenntnisse", "Elano mit Elan", nicht wahr, so Zeug, Sie schaffen das!

- Isse gut "Vom Zweifler zum Zweikampfkönig"? Oda ... "Famoser Forlan, schwache Südafrikaner"? Oda ... "Fehlstart für Favorit Spanien"? Oda ... "Schweiz schockiert Europameister Spanien"? Oda ...

- Ja, jah, das geht alles in die richtige Richtung, Sie müssen aber auch nicht sklavisch, äh, also nicht auf Teufel-komm-raus alliterieren, nicht wahr, es geht da auch um Rhythmik und so ein gewisses Augenzwinkern - Sie können immer so was bringen wie "Der Prügel-Prinz", ja, aber zwischendurch dann auch gerne mal "Treffer, Tritte und ein Handtor" oder, warten Sie, was hatte ich neulich, das ist von mir selber: "Steife Seleção - ohne Samba zum Erfolg", he he, oder "Bangen um den Ball-Baron", "Primadonna zwischen Pomade und Penunzen", so Sachen. Oder was ich auch ganz schön fand: "Mit Bier und Bierhoff im Cola-Camp".

- Kann mache "1. FC Slowakei gegen Borussia Paraguay"?

- 1. FC ... Wie bitte? Was sagen Sie da? Das ist ja großartig! Ganz, ganz toll! Er-ster-eff-zeh-Slo-wa-kei / Gehng-Bo-russ-ja-Pa-ra-guay. Herr Mbwele­sim­bwa­sa, Sie sind ja ein Naturtalent! Weiter so!

- Isse gutt "Rooney grapscht, Prinz William klatscht"?

- Boah ... Wahnsinn! Leute! Kommt mal her! Seht mal, was der Herr Mbwele­simbwa­sa da fabriziert hat: "Rooney grapscht, Prinz William klatscht"!

(Undeutliches Gemurmel, Staungeräusche, dann ehrfürchtige Stille)

Isse gutt "Bandscheibe bremst Buffon, die Wade Verón"?

- Wahnsinn. Einfach Wahnsinn. Meine Herren, Sie geben Ihre Entwürfe bitte künftig an Herrn Mbwele­sim­bwa­sa, der wird mit sofortiger Wirkung mein Nachfolger, ich kann hier nichts mehr tun.

--
(Alle zitierten Schlagzeilen von Spiegel Online zwischen 11. und 23. Juni 2010)

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Sonntag, 30. Mai 2010
Verstehen Sie Haas?
nnier | 30. Mai 2010 | Topic Gelesn
Der flotte Fotzen-, äh, Possenreißer vom Spiegel ("22.55: Schnelldurchfall, korrigiere, -durchlauf aller Titel") hat wieder mal allen gezeigt, wo der Bartel den Most holt und ein wahres Feuerwerk des Sprachwitzes abgefickelt: Furunkelsprühende Brägenflatulenz vom Twitterzwitter, aber lesen Sie doch selbst:

+++21.57: Bettlaken-Wallung bei den Mädels. Die Jungs in Flatulenzhaltung am Boden. Oha. Nicht zu letzt deswegen habe ich bisher auch auf ein tischhauendes Manifest verzichtet, sondern die Plattformneutralität als ein sehr abstraktes Konzept dargestellt, von dem man her denken kann, aber nicht umbedingt immer sollte.

+++21.55: Großbritannien. Öde Stampfnummer. Und wenn's Null Punkte gibt, liegt's wieder am Irak-Krieg. Ich arbeite eigentlich ... im Moment ... kann man sagen ... als Unternehmensberater.

+++21.54: Die Musiker haben im letzten Jahr genau 21,46 Euro Steuern bezahlt. Ich arbeite eigentlich ... im Moment ... kann man sagen ... als Unternehmensberater.

+++21.53: Wundert einen, dass die überhaupt länger als zwei Minuten singen. Man muss ihn gar nicht hören; schon wenn man ihn sieht, denkt man: Der Mann ist alles in einem - Faust, Luther und Moses, dazu vielleicht noch eine Prise Peeperkorn.

+++21.52: Griechenland. Die Pleitegeier. Und wir haben jeden Quadratmillimeter von diesen Fummeln bezahlt. Ich arbeite eigentlich ... im Moment ... kann man sagen ... als Unternehmensberater.

+++21.50: Die Waffe gegen die Rezession. Und gegen den Taillenwahnsinn. Frauen, ihr braucht keine Taillen. Vergesst Taillen. Taillen sind old school. Jetzt bin ich wieder hier, mit allem, was ich zu bringen habe, und das verdanke ich entscheidend ihr. Sie hat mit einer unglaublichen Bereitschaft durchzuhalten, diesen Weg gehalten. Taillen sind reaktionär.

+++21.48: Irland. Die zweite Titanic-Gedächtnis-Ballade. Klassisch vom Körper wegwedelnde Drama-Hand. Alle sind für das Sparen, nur nicht für den Bereich, den sie selbst für wichtig erachten.

+++21.46: Flügel! Abgehoben! Mit der Fusionsforschung heute ist es wie mit dem Bau von Kathedralen früher, das dauert manchmal mehrere Generationen, dafür ist das Ergebnis umso imposanter.

+++21.45: Die Musik aus dem nächsten Disney-Weihnachtsfilm. Die eigentliche Aufgabe besteht jetzt darin, möglichst sparsam bei den Ausgaben zu sein.

+++21.44: Frisch aus Lukaschenkos Partykeller: Ich bin ich und ein gigantischer Resonanzkörper aus verschalteten Gehirnen und Algorithmen.

+++21.40: Der Refrain lautet: "So ist der Balkan!" Der letzte Teil der Reihe soll sich in einer kruden Radikalität ergehen, die manch einen erschrecken dürfte.

+++21.38: Serbien. Ein als Finne gestylter Japaner, der in Norwegen serbisch singt. Vermutlich wären noch weitere Maßnahmen denkbar, den Umgang mit offendenden Inhalten zu verbessern, dennoch muss man wohl einschränkend dazu sagen, dass diese Lösung auch nur so mittelgut funktionieren würde.

+++21.35: Belgien. Der hat doch Depressionen. Und gar keine Background-Perestaltiker. Schwach. Es waren Angela Merkel und Karl-Theodor zu Guttenberg, die uns bei der Bundestagswahl diesen Vorsprung überhaupt erst verschafft haben.

+++21.34: Subtiler Kommentar zur epidemisch sich ausbreitenden Finanzkrise? Diese Frage ist eine zentrale Herausforderung für die Union als Volkspartei.

+++21.33: Na ja, fast.

+++21.32: Da ist ja Cem Özdemir im Background-Chor!!!!!!! Wenn sich jemand von Information offendet (ich benutze das englische "offend", weil sich "angegriffen" und "brüskiert" irgendwie falsch anfühlen) fühlt, dann muss man auf der Infrastrukturebene dafür sorgen, dass dem nicht mehr so ist.

+++21.31: DSDS mit allen ex-jugoslawischen Ländern. Da kommt der her, der Knabe. Und das ausgestellte Showbein, in der klassischen Bühnen-Urinierstellung. Plattformneutral gedacht, würde man jetzt aber eben auch nicht die Probleme ignorieren, die die Frauen offenbar mit solchen Darstellungen haben, sondern es würde die Probleme wo anders suchen, nämlich bei der Plattform, bei der Infrastruktur.

+++21.30: Mein Gott, wie jung der aussieht. Den Vorwurf, dass die sogenannte "Grüne Mode" häufig nicht eben sexy sei, mag Adrover nicht gelten lassen.

+++21.29: Zypern. Warum sich einigen, wenn man "forken" kann?

+++21.27: Und noch mal der Name der Gruppe, zum Sich-auf-der-Zunge-zergehen-Lassen: Sunstroke. Ist damit die Simulationshypothese Baudrillards durchbrochen? Welche neuen Realitätsasymetrien werden die Zukunft beherrschen?

+++21.26: Die ist ja blau. Im Gesicht. Das hier ist jetzt nicht allzu leicht für mich. Man könnte mich schnell in eine esoterische Ecke schieben, denn ich versuche, etwas zu beschreiben, was, wie ich finde, ein Lebensgefühl ausmacht, das aber neu ist.

+++21.25: Moldau. Lady Gaga als Vanessa Mae. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Lücke geschlossen werden kann, die Roland Koch gerissen hat

+++21.22: Funkengespratze. Kurzes pyrotechnisches Glück. Warum ist Strom bei uns so teuer? Strom ist in Deutschland ein Luxusgut! Denn: Wir zahlen im EU-weiten Vergleich die zweithöchsten Strompreise.

+++21.20: Ein Großteil meines Lebens spielt sich im Internet ab. Und ich verliere täglich die Kontrolle darüber. Über jedes Wort, das ich schreibe, jedes Bild, das ich hochlade, jeden Gedanken, den ich äußere. Die erste Titanic-Gedächtnis-Ballade des Abends.

+++21.15: Spanien. Das Comeback des Minipli. Der mallorquinische Kleidungsdesigner Miguel Adrover lehnt den Begriff "Mode" als überholt und nichtssagend ab.

+++21.13: Windmaschine im Orkanmodus! Wenn ich gewusst hätte, in welchem Umfeld ich mich bewege, wäre das nie passiert.

+++21.12: Auftritt des Ausdruckstänzers. Pirouetten-Inferno. Trotz Busen, Bier und fetter Beats – auch die schönste Party hat ein Ende.

+++21.10: ASCII-Art - das muss man dazu wissen - ist eine Kunstform, die in der frühen Zeit der Hacker und Demoszene entstand und die nichts weiter tut, als aus dem Zeichensatz der ASCII-Tabelle, den jeder gewöhnliche Computer beherrscht und somit sowas wie ein früher interoperabler Zeichenstandard war, Bilder zu "setzen".

+++21.07: Die Moderatoren. Vor allem der nette junge Mann mit dem Plusterhaar. Ich habe keine Gestaltungsmacht mehr.

+++21.05: Der André Rieu der norwegischen Friseurinnung. Selbst wenn wir all unser Geld für bessere Ärzte, mehr Krankenhäuser, hochwertigere Technik, kompliziertere Operationen und teure Arznei ausgeben würden - es würden immer noch nicht alle jede medizinische Behandlung bekommen können. Das Gesundheitssystem ist kein Schlaraffenland.

+++21.01: Ah, nostalgischer Rückblick! Der erste Grandprix, 1956. Die ganze spanische Volkswirtschaft war fixiert auf Immobilien. Jetzt stellt sich heraus: Der Wohlstand ist auf Sand gebaut.

+++20.54: In Aserbaidschan ist man übrigens der Meinung: Fast idealtypische Blogger würden so aussehen wie Felix Schwenzel. Wenn man zum Grillen eingeladen wird, bringt man etwas mit. Bei mir war es gestern mein geliebter Couscoussalat, dessen Rezept aus meinem ebenso geliebten River-Cottage-Kochbuch stammt.

+++20.45: Gleich geht's los. Startnummer sechs: Aserbaidschanien. Die Dame heißt Zafira, das ist ein Desinfektionsmittel. Und nicht das neue Ford-Modell für den Kaukasus. Damit wären wir in etwa auf dem Komplexitätsgrad der Genderdebatte in der Piratenpartei angekommen, wo ja alle bereits Postfeministen sind, allerdings meist, um sich mit dem Thema nicht weiter befassen zu müssen.

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Dienstag, 18. Mai 2010
Inkompatible Wertmuster
nnier | 18. Mai 2010 | Topic Gelesn
“Die Schärfe des Disputs pro oder contra Internet ist die Folge inkompatibler Wertmuster“, stellt der graubärtige Posteronkel der Netzgemeinde fest und erhält für die Aufteilung der Internetnutzer in “Digital Residents“ und “Digital Visitors“ - was übersetzt nichts anderes heißt als “Internet begriffen“ und “Internet nicht begriffen“ - viel Applaus.
Manchmal wird man durch irgendetwas in dieses andere Internet gestoßen, dorthin, wo die wichtigen Dinge besprochen werden (Zukunft des Internet, Digitale Eingeborene, mentale Exoskelette und so weiter). Es war schon immer so, dass mich diese Diskussionen schnell abgestoßen haben, auch wenn ich die Themen manchmal durchaus interessant finde. Der Tonfall schrill, alles wichtigwichtig. die Auseinandersetzungen hysterisch und dann auch schnell persönlich. Ich lese dann doch lieber kleine Geschichten.

Gestern z.B. hieß es beim Perlentaucher:
Aus den Blogs, 17.05.2010

Wolfgang Michal hat Edo Reents' am Samstag erschienenes, hämisches FAZ-Porträt über Peter Kruse gelesen und stellt den Kontext her: "Absatz für Absatz wird Peter Kruse 'entlarvt' als oberflächliches, unseriöses Plappermaul, das seinen Lebensunterhalt mit den immer gleichen billigen 'Versatzstücken' verdient. Das FAZ-'Porträt' liest sich wie ein Vernichtungsversuch. Und dieser Versuch hat eine Vorgeschichte. Im November letzten Jahres hatte sich Peter Kruse in der Süddeutschen Zeitung die Freiheit genommen, Frank Schirrmachers Buch 'Payback' (insbesondere dessen kulturkonservative, alarmistische Grundhaltung gegenüber dem Internet) zu kritisieren." Mehr dazu auch in dem Blog von Gunnar Sohn, der sich mit einigen Zitaten des nicht online stehenden Artikels von Edo Reents auseinandersetzt.
Nun ist es so, dass ich mich schon neulich in einer Randbemerkung darüber gewundert habe, welche Begeisterungsstürme Peter K. in einigen vielgelesenen Blogs vor allem mit seinem Auftritt auf dieser Bloggerkonferenz, entfacht hat.* Aber ich hätte es wissen können, denn das funktioniert schon länger.

An der Universität, an der ich studiert habe, hatte der hier genannte jedenfalls seine ergebene Gefolgschaft. Die Augen leuchteten, wenn sein Name fiel, man erzählte sich begeistert die unglaublichen Erfolgsgeschichten (vor allem) seiner Unternehmensberatung, er gewann einen Preis für "innovative Lehre" - und immer wieder fiel in diesem bewundernden Tonfall das Schlüsselwort: Charisma.

Ich bin ihm selbst nicht begegnet, doch einmal war er zu Gast in einer Veranstaltung, die ich besuchte, und referierte über einen von ihm so genannten "Minisozialismus", also die interessante Idee, individuelle Lebensrisiken abzufedern, indem man in größeren Gruppen gemeinsam wirtschaftet. Und ich erinnere mich an den Eindruck, dass hier jemand wahnsinnig schnell wahnsinnig viel erzählt hat, und dass sich die Zuhörerschaft hinterher teilte in diejenigen, die das alles brillant und zukunftsweisend fanden und diejenigen, die das Punktuelle, Gehetzte, Hingeworfene des Vortrags für unseriöses Blendwerk hielten. "Aber man kann doch in so einem kurzen Vortrag nicht mehr unterbringen, das muss doch an der Oberfläche bleiben!" - dieser Einwand ist dann auch erst mal berechtigt; fraglich ist allerdings, ob das nicht Methode hat - und da erinnere ich mich dann schon an eine Bekannte, die als Mitarbeiterin einer Werbeagentur mal zur großartigen, charismatischen Unternehmensberatung gefahren ist. "Die ballern einen so schnell mit so vielen mit Schlagworten und Folien zu, bis man ganz tief beeindruckt meint, die hätten den Durchblick und das müsse jetzt erst mal vertieft werden. Und dann Workshops bei ihnen kauft."

Mir geht es hier am wenigsten um die Person, die ich wie gesagt auch nicht kenne. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass jemand, der diverse Fächer studiert und per Hochbegabtenförderung promoviert hat, ein sehr intelligenter Mensch ist und interessante Dinge zu sagen hat. Ich frage mich allerdings, wie es sein kann, dass auch kritische Geister plötzlich davon schwärmen, wie ein "Charismatiker" jemanden "um den Finger gewickelt" hat, und dass es offenbar ausreicht, am Beginn eines Vortrags auf einer Konferenz mal leger die Krawatte abzunehmen (es glaube keiner, dass das nicht eine kalkulierte Geste ist) und das Medium Twitter zu benutzen, um sich als großer Internetversteher zu profilieren, der "feinstes Denkfutter" abliefert. Ja, wo denn? Was steckt denn mehr in diesen ganzen Videointerviews als die immer wiederholte Aussage, man könne heute Kommunikation eben nicht mehr so einfach kontrollieren und da liefen ganz komplexe Prozesse ab - garniert mit ein paar Beispielen fehlgegangener "Unternehmenskommunikation" und den kurz mal aufgeflackerten Internetberühmtheiten? Ist da denn irgendwo mehr als mit Professorennimbus vorgetragene Allgemeinplätze und irgendwie dahingeraunte Andeutungen über Hirnforschung, Neuropsychologie und so weiter? Und geht es nicht vor allem um die Besetzung der in der Tat riesigen Marktlücke als charismatischer Schirrmacher-Antagonist, der "live" auch so viel besser herüberkommt als jener? (Man lese nur mal die Kommentare hier).

Einen angenehm sachlichen und offenbar recht gut informierten Beitrag zu dem ganzen Thema findet man übrigens hier, falls Sie noch weiterlesen wollen. Ich hingegen habe von dem anderen Internet für heute genug und höre mir lieber noch ein schönes Lied an.

--
*Ich habe keine Lust, diesen ganzen Kram einzeln zu verlinken. Mit einer Suchmaschine ist das alles schnell beisammen.

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Mittwoch, 5. Mai 2010
I'd love to turn your Anzughose on (which totally contradicts the political lifestyle beliefs that you once built your carreer on.)
nnier | 05. Mai 2010 | Topic Gelesn
Da hat die so eine "Stellungnahme" geschrieben, ich hab's nun doch gelesen, irgendwas mit "reaktionäre Aufrechterhaltung des Kinder-Erwachsenen-Rassismus" und so, ein Wahnsinnsgeschwurbel, ich weiß nicht so recht, was sie will, aber: Danke, Christoph Schlingensief, nur an einer Stelle kam ich dann doch ins Grübeln:
Neil Young hat letztes Jahr im Hyde Park in England ein Konzert gegeben, sah währenddessen aus wie ein Penner, der nie zuvor auf der Bühne gestanden hat, sein Privatleben verbringt er halt in einer Kommune irgendwo in einem Kornfeld ohne Telefonleitung, das Ganze war zwar etwas peinlich, aber trotzdem eine völlig aufrichtige und vertretbare Veranstaltung. Bis Paul McCartney in einem Aufzug auf die Bühne kam, der im totalen Widerspruch zu den politischen Lifestyleansichten*, auf denen er einst seine Karriere aufgebaut hatte, und auch im totalen Widerspruch zu Neil Young stand: Ein großväterlicher Yuppie hing da plötzlich rum und hat gönnerhaft zwei Töne auf einem Metallofon angehauen, in einer Anzughose, einem cremefarbenen Hemd, mit der Aura eines Großbankiers, der sich angemessen zu einer ihm vollkommen fremden Situation verhalten muss und das kurz mal souverän managt. Was haben diese beiden Männer miteinander gemein außer ihrem Alter, der Zufallsbedingtheit ihrer Sozialisation und der Tatsache, dass sie ab einem gewissen Zeitpunkt vollkommen unabhängig voneinander bestimmte Entwicklungen durchlaufen haben?
Oh oh. Das meint sie übrigens. Tja. Was will man sagen zu der bahnbrecherischen Erkenntnis, dass die Menschen verschieden sind? So wie z.B. auch Guido Westerwelle und Quentin Tarrantino? Lieber nichts, aber etwas dann doch zu dem anderen Quark: "In einem Aufzug, der im Widerspruch zu den politischen Lifestyleansichten, auf denen er einst seine Karriere ..."? Ich bin ja der Ansicht, dass die Karriere der Beatles insgesamt eher weniger auf politischem als vielmehr auf musikalischem Gebiet stattgefunden hat, ja, ich wage gar zu behaupten, dass musikalisches Können, ein gutes Management, noch ein paar Sachen, vor allem aber ein beispielloser Ausbruch von popmusikalischer Kreativität bei der Karriere der Beatles durchaus eine Rolle gespielt haben, während lifestylepolitische Ansichten, die cremefarbenen Anzügen total widersprechen, erst relativ spät und vor allem war das doch der andere ("Bed In", frag mal deinen Va.

Ich jedenfalls zitiere** jetzt nicht mehr das mit der faschistischen Rebellion***, sondern widme mich folgender Frage:
Muss man mich als geistig behindert einordnen, weil ich zugebe, dass ich [...] Leute, die zufälligerweise über 30 sind, liebe und bewundere? Für das, was sie machen?
Sagen wir so: Wenn ja, dann muss man auch mich als geistig behindert einordnen, denn ich liebe und bewundere auch jemanden, der zufälligerweise über 30 ist, für das, was er macht, so was z.B., 1-2-3-4---5-



Und ganz zum Schluss muss ich wahrscheinlich noch zwei Fragen beantworten, die sich einige Leute unbedingt stellen wollen werden nach diesem Artikel:

1. Natürlich wurde all das hier vom wahnsinnig einflussreichen Paul McCartney geschrieben, mit dem ich übrigens auch nur noch über das gegenseitige Zusenden unserer Autogrammkarten verkehre. Genau wie mein Buch, genau wie mein Film, wie könnte das auch anders sein, mit 18 sind die meisten Kinder schließlich noch nicht mal dazu in der Lage, einen Satz zu formulieren, der mehr als drei Wörter und nicht das Wort Porno beinhaltet. (Ich musste verständlicherweise erst mit ihm schlafen, damit er das für mich macht. War aber super.)

2. Ich bin nicht 18, ich bin 26.

--
*Hä?
**In diesem Zusammenhang: Hö hö.
***Musste kommen.

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