Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Montag, 1. Dezember 2008
Göte oder wie der heißt (Fragm.)
nnier | 01. Dezember 2008 | Topic Brainphuq
Goethe spielt Flöte
auf Schiller sein Piller
Zwar komme ich aus einer Stadt, in der Professor zu werden sein "sehnlichster Wunsch" war; zwar gab es dort die bundesweit höchste Quote an GÖ-TE-Autokennzeichen (von Goethe-Apotheken und -alleen mal ganz zu schweigen); zwar stand der oben zitierte Sinnspruch leuchtendrosa auf einem Denkmalsockel am Wall. Und doch weiß ich nicht mal, ob auf dem Sockel ein Goethe und/oder ein Schiller stand oder ob das nicht ein Gauß, ein Weber, ein Lichtenberg oder ein Bismarck war, ja, ich weiß nicht mal, ob es in dieser Stadt ein Goethedenkmal überhaupt gibt, ich weiß nicht (ohne nachzuschlagen), wann der gelebt hat und wann er gestorben ist, und der Assoziativspeicher meines Hirns ist nur äußerst lose mit "Geheimrat" und "Weimar" und "Farbenlehre", am Rand evtl. mit einer "Lotte" verknüpft, das war's dann aber auch.

Das Thema kam hier und hier auf, und da ich dort gefragt wurde, was ich denn stattdessen (in der Schule) gelesen hätte, krame ich mal ein wenig in der Erinnerung. Vorausschicken muss ich wohl, dass ich kein klassisches oder auch nur "normales" Gymnasium, sondern eine "Integrierte Gesamtschule" mit angeschlossener gymnasialer Oberstufe besuchte, an der ich dann auch mein Abitur erwarb. Nach einer ganz normalen Grundschule besuchte ich also ab Klasse 5 eine Lehranstalt, in der vieles anders war als anderswo; aus diesem Nähkästchen werd' ich vermutlich irgendwann auch mal plaudern, für heute soll es als Hintergrundinfo genügen und den ersten Hinweis darauf liefern, dass ich vermutlich nicht "den Zauberlehrling oder den Werther verpasst" habe, sondern dass sie nicht drankamen. Und das mit dem Vergessen, Frau loreley, können wir auch vergessen, denn ich habe in den letzten Jahren einige ehemalige Mitschüler und -innen danach gefragt; die einhellige Antwort lautete: Nein, nie! Um Restzweifel auszuräumen, werde ich aber demnächst noch meine alten Zeugnisse (die dort nicht so hießen) durchsehen, denn an einen "individuellen Teil", in dem einem z.B. erzählt wurde, dass man sich da und da ja ganz gut Mühe gebe, dort hingegen des öfteren den Lehrer ganz traurig mache, einen Teil also, den manche Eltern halbjährlich und verzweifelt in Noten zu übersetzen versuchten, schloss sich ein "allgemeiner Teil" an, in dem recht detailliert aufgeführt wurde, was die Klasse (die dort nicht so hieß) im abgelaufenen Halbjahr pro Fach denn so durchgenommen hatte.

Bis dahin muss die Erinnerung herhalten, und ich nenne mal ganz spontan Ingeborg Drewitz: Gestern war heute, Wolfgang Borchert: Das Brot, Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich, Frank Wedekind: Frühlings Erwachen, Georg Büchner: Woyzeck, ohne hier eine chronologische oder irgendwie wertende Reihenfolge zu wählen, und vermutlich wild zwischen Ober- und Mittelstufe hin- und herspringend. In meiner Erinnerung sind das ja durchaus lesenswerte Werke, und ich will auch gar nicht mit Günter Jauch anfangen; es irritiert mich allerdings schon, und mir wird auch selten auf Anhieb geglaubt, dass ich von einem, der, wie mir Wikipedia verraten muss, da ich es ja selbst nicht gelernt habe, als bedeutendster deutscher Dichter und "herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur" gilt, in der gesamten Schulzeit nie auch nur eine Zeile gelesen habe.

Was das nun alles heißen mag und wie ich das finde, darauf komme ich evtl. noch mal zurück, wenn ich mir eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee(s, wer den Genitiv will) über die Füße gegossen habe und dafür der Schädel nicht mehr so dampft.

Link zu diesem Beitrag (10 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Heute jedoch umgekehrt
nnier | 01. Dezember 2008 | Topic In echt
Die Füß' halt warm, den Kopf halt kalt,
dann wirst du hundert Jahre alt.


(Auch bekannt als: Kopf kalt, Füße warm / macht den Doktor arm.)

Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Sonntag, 30. November 2008
Insofern
nnier | 30. November 2008 | Topic Gelesn
Ich sollte unter Mitwirkung von Franz Müntefering entmannt werden

("... man habe ihm außerdem noch eine schriftliche Erklärung abverlangt, künftig seine Worte sorgfältig zu wählen ...")

Link zu diesem Beitrag (3 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Samstag, 29. November 2008
Irgendwie beruhigend:
nnier | 29. November 2008 | Topic Art


Manche Dinge ändern sich nie!

Link zu diesem Beitrag (6 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Freitag, 28. November 2008
Ich kann den einfach nicht leiden.
nnier | 28. November 2008 | Topic Musiq
Täglich muss ich eine Eisenbahnstrecke unterqueren. In der Unterführung ist an den Wänden viel Platz für allerlei Plakate, so dass auch an mir nicht vorbeigeht, dass es jetzt eine "Best-Of"-Platte von Herbert Grönemeyer gibt. Und auf dem Fahrrad fängt man dann an, zu überlegen, ob es etwas geben könnte, das man durchgehen ließe. Irgendwas, das nicht vor nervigem Pathos trieft. Etwas, das musikalisch ansatzweise überzeugt. Oder textlich. Die erzählen doch seit über zwanzig Jahren, wie toll Herbert Grönemeyer ist! Die kommen doch ganz beseelt vom Konzert nach Hause! Die sind doch noch tagelang gerührt von dem netten und natürlichen Mann da auf der Bühne! Die sagen doch, dass das so ganz persönliche Lieder sind, in denen man sich selbst wiederfindet! Die sind doch so angetan davon, dass er auch wichtige Themen anspricht! Die finden das doch toll, dass er sich immer für niedrige Eintrittspreise eingesetzt hat!

Es geht mir nicht darum, den jetzt absichtlich scheiße zu finden und einen Hasstext abzuliefern. Das haben vor zehn Jahren auch schon andere getan. Und es gibt ja wirklich schlimmere als den Herbert. Aber ich kann und kann nicht verstehen, was an seinen Sachen so gut sein soll, dass sich fast alle darauf einigen können. Dass er nuschelt und Silben verschluckt - egal ("Duhassn-pulschla-auschta, mannöti-laut-indana"). Dass die Texte unangenehm pathetisch sind und dabei platt wie nur was, darüber kann ich schon schwerer hinweghören. Aber der eigentliche Grund ist die Stimme. Nicht nur wenn er schreit. Sondern insgesamt. Am besten noch vervielfacht als sein eigener Hintergrundchor. Es graust mir. Zum Glück kenne ich bis heute (ungelogen) nicht den WM-Song. Aber Mensch usw. wurde auch in meinem Haushalt rauf- und runtergehört.

Also, was kann ich gelten lassen:

3) Bochum, das Lied mit dem "mannöti-laut-indana". Pathetisch, hier aber passend und musikalisch gelungen.
2) Was soll das, ein simples Eifersuchtslied, und "Womit hab ich das verdient / Dass der mich so blöde angrient" ist wirklich erholsam nach den ewigen Belehrungen. (Dass das Lied damals im Radio totgespielt wurde, dafür kann er ja nichts).
1) Viertel vor. Kein Hit, aber endlich mal mit normaler, tiefer Stimme gesungen (bis auf den Refrain) und mit minimaler, auf den Punkt gebrachter Instrumentierung.

Die schlimmsten Quäler (und ich kenne längst nicht alles!) sind:

4) Mambo. Schon die Musikrichtung ist mir ein Graus, der Text entsetzlich, und alle freuen sich. Warum?
3) Flugzeuge im Bauch. Den Versuch lasse ich gelten, und die unerwiderte Liebe wird textlich ja auch ganz gut umgesetzt. Aber die Hintergundchöre und sein Geschrei machen es mir zur Qual; ständig hoffe ich, dass es bald vorbei ist.
2) Siebter Sinn. Wenn ich das hören muss ("Ich bin dein 7. Sinn / dein doppelter Boden / dein zweites Gesicht / deine Lieblingsfarbe / dein sportlichster Wagen / dein tiefster Tauchgang / dein Segelflug ..."), kriege ich einen zuviel. Es erinnert mich an die alte und immer wieder unerträgliche Merci-Werbung ("Du bist die Wasserflut für meinen Wüstensand / Du bist der Fels, der in meiner Brandung steht / Du bist in meinem Lieblingslied die Melodie / Merci, dass es dich gibt") und provoziert ganz schlimme Gefühle ("dein Nagel im Sarg / dein Motorschaden / deine schimmlige Pizza / dein Arschgesicht ...").
1) Kinder an die Macht. Das geht textlich nun gar nicht. Diese verlogene Kinderidylle ("Armeen aus Gummibärchen, Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich-genial") - man möchte schreien! Wenn man vor etwas Angst haben muss, dann sind es infantile, unreife Menschen mit der Macht, sich nicht mehr die Schippe auf den Kopf zu hauen, sondern Armeen loszuschicken. Schon Lindenberg hat sich's zu leicht gemacht, als er ein Kind "Wozu sind Kriege da?" fragen ließ. Populistischer Mist. Das haben die Kinder nicht verdient, für solche rührseligen Unschuldsprojektionen herhalten zu müssen. Und musikalisch sollte man eh drüber schweigen; schlimmster Krautrock!

Link zu diesem Beitrag (12 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Donnerstag, 27. November 2008
Les Bastides ist überall
nnier | 27. November 2008 | Topic Gelesn
Angeregt durch einen Komentarfaden, der übrigens dazu führte, dass man mir das Buch schenkte - danke dafür! - (weiteres Geplänkel dazu) lese ich gerade einen sehr schönen Roman.

Die gallischstämmige Belegschaft eines einsamen Hundertfünfzigeinwohnerbergdorfes bei Marseille, les Bastides, ist seit Generationen - natürlich - verfeindet mit denen aus Crespin, einem Dorf jenseits des Berges. Eines längst vergangenen Tages haben dennoch Florette aus dem einen und Lionel aus dem anderen Dorf geheiratet, woran sich der Bürgermeister von les Bastides erinnert und seinen jüngeren Mitbürgern begeistert von den damaligen Ereignissen erzählt:
Das hat eingeschlagen wie eine Bombe, und der Vater und die Mutter von Florette senkten die Köpfe und machten sich ganz klein. [...] Und da hat der Herr Pfarrer angefangen zu predigen, daß man doch alle Beleidigungen vergessen solle und daß diese Heirat gottgewollt sei und uns Gelegenheit gäbe, Frieden zu schließen [...] Kurz und gut, mindestens dreißig von ihnen sind zur Hochzeit herübergekommen mit ihrem Pfarrer an der Spitze [...] Jawohl, meine lieben Freunde, und alles hat geweint. Weil es so schön war! Ich war sieben oder acht Jahre alt und ich erinnere mich, daß alle einander beide Hände schüttelten, als sie aus der Messe kamen! Und mich hat eine ganz fein angezogene Dame aus Crespin geküßt und dazu gesagt: "Es lebe les Bastides, wo man so schöne Kinder macht." [...] Die aus Crespin sagten, daß sie die Schuld an allem, was geschehen war, hätten. Und wir, wir sagten, es wäre unsere Schuld.
Beim Festmahl, zu dem die Eltern von Braut und Bräutigam üppig aufgefahren haben, fällt dann aber doch ein lockerer Spruch über den vielleicht nicht ganz so hochwertigen, aus Crespin mitgebrachten Wein. Und übergangslos gerät man sich wieder in die Haare:
Sofort sagte eine Frau aus Crespin, sie hätte gedacht, unsere Masthühnchen wären Spatzen [...] Wir haben es genossen, die Frauen zerkratzten einander die Gesichter [...] alles brüllte aus Leibeskräften, und kein Tritt in den Hintern traf ins Leere [...] Und die beiden Pfarrer [...] Unseren hat ein Crespinese mit einem Schinken eingeschläfert, den er ihm auf die Tonsur schlug, und ihren hat ein fliegender Stuhl getroffen: sein Kopf war zwischen dem Gitter eingeklemmt und er konnte nicht wieder herauskommen. Mir wäre es beinahe gelungen, einen großen Einäugigen zu erdrosseln [...] Als er wieder schnaufen kann, versetzt er mir einen Tritt in den Magen [...] Ich habe mich dann schnell hinter der Akazie versteckt, gehustet und gekotzt und mir die Augen getrocknet [...]
Ich bin noch ganz am Anfang und freue mich schon jetzt außerordentlich über diese Entdeckung. Und ich bin gespannt, wie die Weihnachtsfeier wird, heute abend.

Link zu diesem Beitrag (1 Kommentar)  | Kommentieren [?]   





Wintermusik
nnier | 27. November 2008 | Topic Musiq
Weiß der Himmel, woran es liegt, ich habe einfach eine Abneigung gegen solche Stimmen. Ich mag z.B. diesen Creole-Reggae-Sound nicht und alles, was mich daran erinnert. Auch Rap-artiger Sprechgesang ist nicht mein Fall. Und da geht es genau so los mit dem "Rapper und Toningenieur Natty" -
There's no more trains going that way
There's no more trains coming this way
You better make your way home, son
There's something going down in London
- vorsorglich rollen sich die Keratinplatten auf der Oberseite der Zehenspitzen schon mal auf, aber: halt!

Es ist ja schon eine Weile her, dass ich über das meiner Ansicht nach sehr schöne Stück My Soul von Paul McCartney und Nitin Sawhney berichtet habe. Und da ich es nun mal als, na ja, Hörprobe in akzeptabler Qualität vorliegen hatte und auf Sawhneys CD London Undersound auch keine weiteren Kooperationen mit McCartney zu finden sind, hatte ich es nicht besonders eilig, den Silberling zu erstehen. Erst seit einer Woche besitze ich ihn, und nachdem in den ersten Tagen besagtes Lied in Heavy Rotation aus den Boxen meiner alten Stereoanlage schallte, habe ich es inzwischen geschafft, auch den Rest der Scheibe einige Male zu hören.

Nitin Sawhney hat in Interviews und im CD-Beileger davon gesprochen, dass sich in der Stadt nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn "etwas verändert" habe, dem er mit dieser CD nachspüren wolle. Und auch wenn ich oft meine Schwierigkeiten mit allzu bedeutungsschwangeren Themen bzw. thematischen Ansprüchen habe, kann ich dies gerade beim Einstiegssong gut nachfühlen, der sich zu einem Ohrwurm entwickelt hat:
On these streets where I played
And these trains that I take, I saw fire
But now I've seen the city change in
Oh so many ways, since the days of fire
Since the days of fire
Sawhney hat bei fast jedem Stück mit anderen Musikern und Sängern zusammengearbeitet. Einige Stücke erinnern mich an selige TripHop-Zeiten (Massive Attack: Protection, Portishead: Dummy), einmal klingt's orientalisch, dann wieder nach Flamenco - ohne dadurch zu nerven! - und alles zusammen ergibt glücklicherweise eben kein willkürliches Potpourri, sondern ein sinnvolles Ganzes, auch wenn der Begriff "Konzeptalbum" ein wenig überstrapaziert wäre (die zwischendurch immer wieder eingespielten U-Bahn-Geräusche schaffen da ganz unangestrengt eine lockere Verbindung, die auch völlig ausreicht).
So I step out the station, Brazilian name all over TV
Realization - I was on the next train - could 've been me
Then it all went slow motion, everything slow motion
First the flash of light then the rise of emotion
And I'm still in slow motion, I'm still in slow motion
Schon jetzt kann ich sagen, dass dieses Werk meinen Winter 08/09 begleiten wird. Und ich empfehle es glatt weiter.

(Der zitierte Song Days of Fire lässt sich in diesem Audioplayer komplett anhören, kurze Hörproben aller Songs findet man bei den üblichen Verdächtigen.)

Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





... hier geht's zu den --> älteren Einträgen *
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!

Letzte Kommentare
Kalender
Juni 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
12
13
14
15
16
17
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 
Über
Who dis?
Erstgespräch