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Ich sollte unter Mitwirkung von Franz Müntefering entmannt werden
("... man habe ihm außerdem noch eine schriftliche Erklärung abverlangt, künftig seine Worte sorgfältig zu wählen ...")
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Manche Dinge ändern sich nie!
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Täglich muss ich eine Eisenbahnstrecke unterqueren. In der Unterführung ist an den Wänden viel Platz für allerlei Plakate, so dass auch an mir nicht vorbeigeht, dass es jetzt eine "Best-Of"-Platte von Herbert Grönemeyer gibt. Und auf dem Fahrrad fängt man dann an, zu überlegen, ob es etwas geben könnte, das man durchgehen ließe. Irgendwas, das nicht vor nervigem Pathos trieft. Etwas, das musikalisch ansatzweise überzeugt. Oder textlich. Die erzählen doch seit über zwanzig Jahren, wie toll Herbert Grönemeyer ist! Die kommen doch ganz beseelt vom Konzert nach Hause! Die sind doch noch tagelang gerührt von dem netten und natürlichen Mann da auf der Bühne! Die sagen doch, dass das so ganz persönliche Lieder sind, in denen man sich selbst wiederfindet! Die sind doch so angetan davon, dass er auch wichtige Themen anspricht! Die finden das doch toll, dass er sich immer für niedrige Eintrittspreise eingesetzt hat!
Es geht mir nicht darum, den jetzt absichtlich scheiße zu finden und einen Hasstext abzuliefern. Das haben vor zehn Jahren auch schon andere getan. Und es gibt ja wirklich schlimmere als den Herbert. Aber ich kann und kann nicht verstehen, was an seinen Sachen so gut sein soll, dass sich fast alle darauf einigen können. Dass er nuschelt und Silben verschluckt - egal ("Duhassn-pulschla-auschta, mannöti-laut-indana"). Dass die Texte unangenehm pathetisch sind und dabei platt wie nur was, darüber kann ich schon schwerer hinweghören. Aber der eigentliche Grund ist die Stimme. Nicht nur wenn er schreit. Sondern insgesamt. Am besten noch vervielfacht als sein eigener Hintergrundchor. Es graust mir. Zum Glück kenne ich bis heute (ungelogen) nicht den WM-Song. Aber Mensch usw. wurde auch in meinem Haushalt rauf- und runtergehört.
Also, was kann ich gelten lassen:
3) Bochum, das Lied mit dem "mannöti-laut-indana". Pathetisch, hier aber passend und musikalisch gelungen.
2) Was soll das, ein simples Eifersuchtslied, und "Womit hab ich das verdient / Dass der mich so blöde angrient" ist wirklich erholsam nach den ewigen Belehrungen. (Dass das Lied damals im Radio totgespielt wurde, dafür kann er ja nichts).
1) Viertel vor. Kein Hit, aber endlich mal mit normaler, tiefer Stimme gesungen (bis auf den Refrain) und mit minimaler, auf den Punkt gebrachter Instrumentierung.
Die schlimmsten Quäler (und ich kenne längst nicht alles!) sind:
4) Mambo. Schon die Musikrichtung ist mir ein Graus, der Text entsetzlich, und alle freuen sich. Warum?
3) Flugzeuge im Bauch. Den Versuch lasse ich gelten, und die unerwiderte Liebe wird textlich ja auch ganz gut umgesetzt. Aber die Hintergundchöre und sein Geschrei machen es mir zur Qual; ständig hoffe ich, dass es bald vorbei ist.
2) Siebter Sinn. Wenn ich das hören muss ("Ich bin dein 7. Sinn / dein doppelter Boden / dein zweites Gesicht / deine Lieblingsfarbe / dein sportlichster Wagen / dein tiefster Tauchgang / dein Segelflug ..."), kriege ich einen zuviel. Es erinnert mich an die alte und immer wieder unerträgliche Merci-Werbung ("Du bist die Wasserflut für meinen Wüstensand / Du bist der Fels, der in meiner Brandung steht / Du bist in meinem Lieblingslied die Melodie / Merci, dass es dich gibt") und provoziert ganz schlimme Gefühle ("dein Nagel im Sarg / dein Motorschaden / deine schimmlige Pizza / dein Arschgesicht ...").
1) Kinder an die Macht. Das geht textlich nun gar nicht. Diese verlogene Kinderidylle ("Armeen aus Gummibärchen, Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich-genial") - man möchte schreien! Wenn man vor etwas Angst haben muss, dann sind es infantile, unreife Menschen mit der Macht, sich nicht mehr die Schippe auf den Kopf zu hauen, sondern Armeen loszuschicken. Schon Lindenberg hat sich's zu leicht gemacht, als er ein Kind "Wozu sind Kriege da?" fragen ließ. Populistischer Mist. Das haben die Kinder nicht verdient, für solche rührseligen Unschuldsprojektionen herhalten zu müssen. Und musikalisch sollte man eh drüber schweigen; schlimmster Krautrock!
Es geht mir nicht darum, den jetzt absichtlich scheiße zu finden und einen Hasstext abzuliefern. Das haben vor zehn Jahren auch schon andere getan. Und es gibt ja wirklich schlimmere als den Herbert. Aber ich kann und kann nicht verstehen, was an seinen Sachen so gut sein soll, dass sich fast alle darauf einigen können. Dass er nuschelt und Silben verschluckt - egal ("Duhassn-pulschla-auschta, mannöti-laut-indana"). Dass die Texte unangenehm pathetisch sind und dabei platt wie nur was, darüber kann ich schon schwerer hinweghören. Aber der eigentliche Grund ist die Stimme. Nicht nur wenn er schreit. Sondern insgesamt. Am besten noch vervielfacht als sein eigener Hintergrundchor. Es graust mir. Zum Glück kenne ich bis heute (ungelogen) nicht den WM-Song. Aber Mensch usw. wurde auch in meinem Haushalt rauf- und runtergehört.
Also, was kann ich gelten lassen:
3) Bochum, das Lied mit dem "mannöti-laut-indana". Pathetisch, hier aber passend und musikalisch gelungen.
2) Was soll das, ein simples Eifersuchtslied, und "Womit hab ich das verdient / Dass der mich so blöde angrient" ist wirklich erholsam nach den ewigen Belehrungen. (Dass das Lied damals im Radio totgespielt wurde, dafür kann er ja nichts).
1) Viertel vor. Kein Hit, aber endlich mal mit normaler, tiefer Stimme gesungen (bis auf den Refrain) und mit minimaler, auf den Punkt gebrachter Instrumentierung.
Die schlimmsten Quäler (und ich kenne längst nicht alles!) sind:
4) Mambo. Schon die Musikrichtung ist mir ein Graus, der Text entsetzlich, und alle freuen sich. Warum?
3) Flugzeuge im Bauch. Den Versuch lasse ich gelten, und die unerwiderte Liebe wird textlich ja auch ganz gut umgesetzt. Aber die Hintergundchöre und sein Geschrei machen es mir zur Qual; ständig hoffe ich, dass es bald vorbei ist.
2) Siebter Sinn. Wenn ich das hören muss ("Ich bin dein 7. Sinn / dein doppelter Boden / dein zweites Gesicht / deine Lieblingsfarbe / dein sportlichster Wagen / dein tiefster Tauchgang / dein Segelflug ..."), kriege ich einen zuviel. Es erinnert mich an die alte und immer wieder unerträgliche Merci-Werbung ("Du bist die Wasserflut für meinen Wüstensand / Du bist der Fels, der in meiner Brandung steht / Du bist in meinem Lieblingslied die Melodie / Merci, dass es dich gibt") und provoziert ganz schlimme Gefühle ("dein Nagel im Sarg / dein Motorschaden / deine schimmlige Pizza / dein Arschgesicht ...").
1) Kinder an die Macht. Das geht textlich nun gar nicht. Diese verlogene Kinderidylle ("Armeen aus Gummibärchen, Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich-genial") - man möchte schreien! Wenn man vor etwas Angst haben muss, dann sind es infantile, unreife Menschen mit der Macht, sich nicht mehr die Schippe auf den Kopf zu hauen, sondern Armeen loszuschicken. Schon Lindenberg hat sich's zu leicht gemacht, als er ein Kind "Wozu sind Kriege da?" fragen ließ. Populistischer Mist. Das haben die Kinder nicht verdient, für solche rührseligen Unschuldsprojektionen herhalten zu müssen. Und musikalisch sollte man eh drüber schweigen; schlimmster Krautrock!
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Angeregt durch einen Komentarfaden, der übrigens dazu führte, dass man mir das Buch schenkte - danke dafür! - (weiteres Geplänkel dazu) lese ich gerade einen sehr schönen Roman.
Die gallischstämmige Belegschaft eines einsamen Hundertfünfzigeinwohnerbergdorfes bei Marseille, les Bastides, ist seit Generationen - natürlich - verfeindet mit denen aus Crespin, einem Dorf jenseits des Berges. Eines längst vergangenen Tages haben dennoch Florette aus dem einen und Lionel aus dem anderen Dorf geheiratet, woran sich der Bürgermeister von les Bastides erinnert und seinen jüngeren Mitbürgern begeistert von den damaligen Ereignissen erzählt:
Die gallischstämmige Belegschaft eines einsamen Hundertfünfzigeinwohnerbergdorfes bei Marseille, les Bastides, ist seit Generationen - natürlich - verfeindet mit denen aus Crespin, einem Dorf jenseits des Berges. Eines längst vergangenen Tages haben dennoch Florette aus dem einen und Lionel aus dem anderen Dorf geheiratet, woran sich der Bürgermeister von les Bastides erinnert und seinen jüngeren Mitbürgern begeistert von den damaligen Ereignissen erzählt:
Das hat eingeschlagen wie eine Bombe, und der Vater und die Mutter von Florette senkten die Köpfe und machten sich ganz klein. [...] Und da hat der Herr Pfarrer angefangen zu predigen, daß man doch alle Beleidigungen vergessen solle und daß diese Heirat gottgewollt sei und uns Gelegenheit gäbe, Frieden zu schließen [...] Kurz und gut, mindestens dreißig von ihnen sind zur Hochzeit herübergekommen mit ihrem Pfarrer an der Spitze [...] Jawohl, meine lieben Freunde, und alles hat geweint. Weil es so schön war! Ich war sieben oder acht Jahre alt und ich erinnere mich, daß alle einander beide Hände schüttelten, als sie aus der Messe kamen! Und mich hat eine ganz fein angezogene Dame aus Crespin geküßt und dazu gesagt: "Es lebe les Bastides, wo man so schöne Kinder macht." [...] Die aus Crespin sagten, daß sie die Schuld an allem, was geschehen war, hätten. Und wir, wir sagten, es wäre unsere Schuld.Beim Festmahl, zu dem die Eltern von Braut und Bräutigam üppig aufgefahren haben, fällt dann aber doch ein lockerer Spruch über den vielleicht nicht ganz so hochwertigen, aus Crespin mitgebrachten Wein. Und übergangslos gerät man sich wieder in die Haare:
Sofort sagte eine Frau aus Crespin, sie hätte gedacht, unsere Masthühnchen wären Spatzen [...] Wir haben es genossen, die Frauen zerkratzten einander die Gesichter [...] alles brüllte aus Leibeskräften, und kein Tritt in den Hintern traf ins Leere [...] Und die beiden Pfarrer [...] Unseren hat ein Crespinese mit einem Schinken eingeschläfert, den er ihm auf die Tonsur schlug, und ihren hat ein fliegender Stuhl getroffen: sein Kopf war zwischen dem Gitter eingeklemmt und er konnte nicht wieder herauskommen. Mir wäre es beinahe gelungen, einen großen Einäugigen zu erdrosseln [...] Als er wieder schnaufen kann, versetzt er mir einen Tritt in den Magen [...] Ich habe mich dann schnell hinter der Akazie versteckt, gehustet und gekotzt und mir die Augen getrocknet [...]Ich bin noch ganz am Anfang und freue mich schon jetzt außerordentlich über diese Entdeckung. Und ich bin gespannt, wie die Weihnachtsfeier wird, heute abend.
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Weiß der Himmel, woran es liegt, ich habe einfach eine Abneigung gegen solche Stimmen. Ich mag z.B. diesen Creole-Reggae-Sound nicht und alles, was mich daran erinnert. Auch Rap-artiger Sprechgesang ist nicht mein Fall. Und da geht es genau so los mit dem "Rapper und Toningenieur Natty" -
Es ist ja schon eine Weile her, dass ich über das meiner Ansicht nach sehr schöne Stück My Soul von Paul McCartney und Nitin Sawhney berichtet habe. Und da ich es nun mal als, na ja, Hörprobe in akzeptabler Qualität vorliegen hatte und auf Sawhneys CD London Undersound auch keine weiteren Kooperationen mit McCartney zu finden sind, hatte ich es nicht besonders eilig, den Silberling zu erstehen. Erst seit einer Woche besitze ich ihn, und nachdem in den ersten Tagen besagtes Lied in Heavy Rotation aus den Boxen meiner alten Stereoanlage schallte, habe ich es inzwischen geschafft, auch den Rest der Scheibe einige Male zu hören.
Nitin Sawhney hat in Interviews und im CD-Beileger davon gesprochen, dass sich in der Stadt nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn "etwas verändert" habe, dem er mit dieser CD nachspüren wolle. Und auch wenn ich oft meine Schwierigkeiten mit allzu bedeutungsschwangeren Themen bzw. thematischen Ansprüchen habe, kann ich dies gerade beim Einstiegssong gut nachfühlen, der sich zu einem Ohrwurm entwickelt hat:
(Der zitierte Song Days of Fire lässt sich in diesem Audioplayer komplett anhören, kurze Hörproben aller Songs findet man bei den üblichen Verdächtigen.)
There's no more trains going that way- vorsorglich rollen sich die Keratinplatten auf der Oberseite der Zehenspitzen schon mal auf, aber: halt!
There's no more trains coming this way
You better make your way home, son
There's something going down in London
Es ist ja schon eine Weile her, dass ich über das meiner Ansicht nach sehr schöne Stück My Soul von Paul McCartney und Nitin Sawhney berichtet habe. Und da ich es nun mal als, na ja, Hörprobe in akzeptabler Qualität vorliegen hatte und auf Sawhneys CD London Undersound auch keine weiteren Kooperationen mit McCartney zu finden sind, hatte ich es nicht besonders eilig, den Silberling zu erstehen. Erst seit einer Woche besitze ich ihn, und nachdem in den ersten Tagen besagtes Lied in Heavy Rotation aus den Boxen meiner alten Stereoanlage schallte, habe ich es inzwischen geschafft, auch den Rest der Scheibe einige Male zu hören.
Nitin Sawhney hat in Interviews und im CD-Beileger davon gesprochen, dass sich in der Stadt nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn "etwas verändert" habe, dem er mit dieser CD nachspüren wolle. Und auch wenn ich oft meine Schwierigkeiten mit allzu bedeutungsschwangeren Themen bzw. thematischen Ansprüchen habe, kann ich dies gerade beim Einstiegssong gut nachfühlen, der sich zu einem Ohrwurm entwickelt hat:
On these streets where I playedSawhney hat bei fast jedem Stück mit anderen Musikern und Sängern zusammengearbeitet. Einige Stücke erinnern mich an selige TripHop-Zeiten (Massive Attack: Protection, Portishead: Dummy), einmal klingt's orientalisch, dann wieder nach Flamenco - ohne dadurch zu nerven! - und alles zusammen ergibt glücklicherweise eben kein willkürliches Potpourri, sondern ein sinnvolles Ganzes, auch wenn der Begriff "Konzeptalbum" ein wenig überstrapaziert wäre (die zwischendurch immer wieder eingespielten U-Bahn-Geräusche schaffen da ganz unangestrengt eine lockere Verbindung, die auch völlig ausreicht).
And these trains that I take, I saw fire
But now I've seen the city change in
Oh so many ways, since the days of fire
Since the days of fire
So I step out the station, Brazilian name all over TVSchon jetzt kann ich sagen, dass dieses Werk meinen Winter 08/09 begleiten wird. Und ich empfehle es glatt weiter.
Realization - I was on the next train - could 've been me
Then it all went slow motion, everything slow motion
First the flash of light then the rise of emotion
And I'm still in slow motion, I'm still in slow motion
(Der zitierte Song Days of Fire lässt sich in diesem Audioplayer komplett anhören, kurze Hörproben aller Songs findet man bei den üblichen Verdächtigen.)
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Ich bin ja nicht so ein Wirtschaftsmensch. Manchmal wäre ich gern einer, z.B. wenn ich mich daran erinnere, dass ich meine ersten paar Gehälter einfach hätte in Aktien auszahlen lassen müssen, um heute erheblich weniger Sorgen zu haben. Andererseits brauchte ich das Geld nun mal, es war ja nicht "übrig" (so liest man ja immer: Aktien nur, wenn man etwas "übrig" hat), und, hätte ich damals trotzdem gekauft, dann hätte es auch gut sein können, dass ich sie auch bald wieder verkauft hätte, etwa zu dem Zeitpunkt, als sich der Wert verdoppelt hatte - wunderbar, etwas Extrageld ohne Arbeit - anstatt auf den Papieren sitzen zu bleiben, die dann im Lauf der Jahre ihren Wert tatsächlich verfünfzigfacht (in Worten: verfünfzigfacht) haben. Aber mein Trägheitsmoment (man bräuchte ja erst mal ein Aktiendepot, das ist bestimmt kompliziert!) hat mir andererseits einen gewissen Stress erspart, denn ich hätte natürlich ständig überlegt, die Anteilsscheine zu verkaufen, so wie ich umgekehrt immer sicher war: Jetzt ist's eh zu spät, sie haben sich ja schon verdoppelt, gar verdreifacht, jetzt brauchst du auch keine mehr zu kaufen, höher kann's ja nicht mehr gehen!
Dennoch, eine schöne Vorstellung manchmal, wenn wahrscheinlich auch eine trügerische. Denn die Gegenbeispiele sind zahlreich, und dass es auf den "Märkten" nicht immer rational zugeht, ist ja inzwischen eine Binsenweisheit. Ich habe schon als Kind gelernt: Angebot und Nachfrage beeinflussen zwar den Preis - aber längst nicht alleine! Es gibt noch ganz andere Faktoren. So hatten wir z.B. eines Tages festgestellt, dass 7-Zoll-Vinyl-Single-Schallplatten ("Singles") über großartige Flugeigenschaften verfügen. Ich selbst besaß trotz des hohen Kaufpreises von 6.- DM für nur zwei Lieder einige dieser Scheiben, so z.B. schon als kleines Kind die damals von mir geliebten El Bimbo und Dolanes Melody, später dann die Titelmelodie von Timm Thaler, die ich wie einen Schatz hütete und geschätzte fünfhundertmal mit Vorder- und Rückseite, gerne auch mal verlangsamt auf 33 1/3, anhörte. Aber insgesamt waren Singles doch eher unökonomisch, um nicht zu sagen überteuert, wenn man für 20.- DM gleich eine ganze Langspielplatte oder für noch etwas mehr Geld eine MusiCassette erwerben konnte. Und somit dauerte es bis zu dem Tag, an dem mein Freund A. Captain Sensible's Wot mit einem goldfarbenen Lackstift glaubte veredeln zu müssen, dass uns eines dieser wertvollen Stückezum Unsinnm zu experimentellen Zwecken Verfügung stand. Weder der Klangqualität noch der Diamantnadel seines Plattenspielers war die Färbung nämlich zuträglich gewesen, so dass wir entschieden, diese schwarzgoldene Scheibe mit dorthin zu nehmen, wo heute ein Badeparadies zu finden ist, damals aber eine riesige Wiese brachlag und herausragende Möglichkeiten für Wurfspiele, etwa mit dem Bumerang, bot, um einmal herauszufinden, was man mit so einer Single noch anfangen konnte. Ein erster Probewurf offenbarte Erstaunliches: Sie flog besser als jedes Frisbee! Begeistert fanden wir heraus, dass die Flugbahn bei waagerechtem Abwurf einer exponentiellen Kurve folgend anstieg, bis die Scheibe vom höchsten Punkt aus taumelnd abstürzte, während man für einen Geradeauswurf die Schallplatte am besten exakt senkrecht zwischen Daumen auf der einen sowie Zeige- und Mittelfinger auf der anderen Seite hielt, um sie dann mit aller Kraft und explosiv nach vorne zu schleudern. Schon kleine Abweichungen um wenige Winkelgrade oder leichte Seitenwinde reichten aus, um die Flugbahn unvorhersehbar zu verändern, und so sirrte die fast unsichtbar senkrecht heransausende Scheibe mit ihrem scharfen Rand einige Male nur knapp an meinem Kopf vorbei, als wir darauf verfielen, sie uns gegenseitig aus großer Entfernung zuzuschmeißen.
Der Schwachpunkt des Fluggeräts war seine Fragilität, und folglich wurden unsere aerodynamisch-ballistischen Experimente vorzeitig dadurch beendet, dass die Scheibe in zwei Teile zerbrach. Da wir Blut geleckt hatten, war klar, dass für Nachschub gesorgt werden musste, und so kratzten wir etwas Taschengeld zusammen und klapperten einige Trödelläden ab. In einem gab es tatsächlich alte Singles aus den 50er und 60er Jahren in einer großen Kiste, die pro Stück fünfzig Pfennig kosten sollten. Als wir herumdrucksten und dem Inhaber mitteilten, dass wir aber "viele" kaufen würden und es auch egal sei, welche er uns gäbe, ging er auf einen Preis von "fünfzehn Stück für fünf Mark" herunter, was uns immer noch nicht ganz zufriedenstellte, bis wir ihm mitteilten, wofür wir die Scheiben benötigten. "Ach so!", sagte der gute Mann und überließ uns einen ganzen Stapel von fünfzig Singles für fünf Mark - aus derselben Kiste, wir durften sogar selbst aussuchen. Und trotz meiner Freude über den günstigen Kauf dachte ich auf dem Rückweg zur Eiswiese darüber nach, dass ich doch etwas über die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage gelesen hatte. Warum sollte dann jemand den Verkaufspreis seiner Ware davon abhängig machen, was man hinterher damit anstellte? Aber die Erfahrung wiederholte sich auch später noch öfter auf dem Flohmarkt: "Was kosten die Singles?" - "Stück fünfzig Pfennig!" - "Aber wir wollen damit rumschmeißen" - "Ach so! Dann könnt ihr die geschenkt haben". Merkwürdig, so wie viele Jahre darauf auch das Verhalten einer WG-Mitbewohnerin, die ihren Polo Fox verkaufen wollte und dafür von mir und einem Freund, die über diese gemeinsame Anschaffung ernsthaft nachdachten, viertausend Mark verlangte und von dem Preis auch nicht ansatzweise abrücken wollte, sondern viele Argumente dafür hatte, warum der Wagen das auch locker wert sei. Eine Woche darauf hatte sie ihn einem Autohändler für zweitausendzweihundert Mark verkauft, und als ich nach den Gründen fragte, sagte sie: "Der muss den ja auch erst mal wieder loswerden und will schließlich noch etwas daran verdienen!"
Da wundert's mich nicht mehr, wenn irgendwelche Piraten ankommen und rumargumentieren*, dass sie ja schließlich auch erhebliche Kosten "für Gehälter und Hinweise" bei der Kaperung eines Öltankers zu stemmen gehabt hätten und ihre Lösegeldforderung deshalb nun wirklich angemessen sei. Ich weiß ja, dass das funktioniert.
--
*Mehr dazu hier: Piraten in der Kostenfalle
Dennoch, eine schöne Vorstellung manchmal, wenn wahrscheinlich auch eine trügerische. Denn die Gegenbeispiele sind zahlreich, und dass es auf den "Märkten" nicht immer rational zugeht, ist ja inzwischen eine Binsenweisheit. Ich habe schon als Kind gelernt: Angebot und Nachfrage beeinflussen zwar den Preis - aber längst nicht alleine! Es gibt noch ganz andere Faktoren. So hatten wir z.B. eines Tages festgestellt, dass 7-Zoll-Vinyl-Single-Schallplatten ("Singles") über großartige Flugeigenschaften verfügen. Ich selbst besaß trotz des hohen Kaufpreises von 6.- DM für nur zwei Lieder einige dieser Scheiben, so z.B. schon als kleines Kind die damals von mir geliebten El Bimbo und Dolanes Melody, später dann die Titelmelodie von Timm Thaler, die ich wie einen Schatz hütete und geschätzte fünfhundertmal mit Vorder- und Rückseite, gerne auch mal verlangsamt auf 33 1/3, anhörte. Aber insgesamt waren Singles doch eher unökonomisch, um nicht zu sagen überteuert, wenn man für 20.- DM gleich eine ganze Langspielplatte oder für noch etwas mehr Geld eine MusiCassette erwerben konnte. Und somit dauerte es bis zu dem Tag, an dem mein Freund A. Captain Sensible's Wot mit einem goldfarbenen Lackstift glaubte veredeln zu müssen, dass uns eines dieser wertvollen Stücke
Der Schwachpunkt des Fluggeräts war seine Fragilität, und folglich wurden unsere aerodynamisch-ballistischen Experimente vorzeitig dadurch beendet, dass die Scheibe in zwei Teile zerbrach. Da wir Blut geleckt hatten, war klar, dass für Nachschub gesorgt werden musste, und so kratzten wir etwas Taschengeld zusammen und klapperten einige Trödelläden ab. In einem gab es tatsächlich alte Singles aus den 50er und 60er Jahren in einer großen Kiste, die pro Stück fünfzig Pfennig kosten sollten. Als wir herumdrucksten und dem Inhaber mitteilten, dass wir aber "viele" kaufen würden und es auch egal sei, welche er uns gäbe, ging er auf einen Preis von "fünfzehn Stück für fünf Mark" herunter, was uns immer noch nicht ganz zufriedenstellte, bis wir ihm mitteilten, wofür wir die Scheiben benötigten. "Ach so!", sagte der gute Mann und überließ uns einen ganzen Stapel von fünfzig Singles für fünf Mark - aus derselben Kiste, wir durften sogar selbst aussuchen. Und trotz meiner Freude über den günstigen Kauf dachte ich auf dem Rückweg zur Eiswiese darüber nach, dass ich doch etwas über die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage gelesen hatte. Warum sollte dann jemand den Verkaufspreis seiner Ware davon abhängig machen, was man hinterher damit anstellte? Aber die Erfahrung wiederholte sich auch später noch öfter auf dem Flohmarkt: "Was kosten die Singles?" - "Stück fünfzig Pfennig!" - "Aber wir wollen damit rumschmeißen" - "Ach so! Dann könnt ihr die geschenkt haben". Merkwürdig, so wie viele Jahre darauf auch das Verhalten einer WG-Mitbewohnerin, die ihren Polo Fox verkaufen wollte und dafür von mir und einem Freund, die über diese gemeinsame Anschaffung ernsthaft nachdachten, viertausend Mark verlangte und von dem Preis auch nicht ansatzweise abrücken wollte, sondern viele Argumente dafür hatte, warum der Wagen das auch locker wert sei. Eine Woche darauf hatte sie ihn einem Autohändler für zweitausendzweihundert Mark verkauft, und als ich nach den Gründen fragte, sagte sie: "Der muss den ja auch erst mal wieder loswerden und will schließlich noch etwas daran verdienen!"
Da wundert's mich nicht mehr, wenn irgendwelche Piraten ankommen und rumargumentieren*, dass sie ja schließlich auch erhebliche Kosten "für Gehälter und Hinweise" bei der Kaperung eines Öltankers zu stemmen gehabt hätten und ihre Lösegeldforderung deshalb nun wirklich angemessen sei. Ich weiß ja, dass das funktioniert.
--
*Mehr dazu hier: Piraten in der Kostenfalle
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