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Ist ja gut! Ich schreibe ja schon! (1, 2, 3, 4)
Pourquoi est-ce qu'ils achètent des pierres?* Warum kaufen sie Steine?, fragte mich eines Tages ein Reiseführer, der sich uns angedient hatte und nun mit uns im Auto herumfuhr, uns von hier nach da lotste, über die Piste in der Wüste, man kannte ihn überall, sicher bekam er Provision, wenn wir hielten und aßen und tranken und Steine kauften. Denn Steine, die gab es dort zuhauf, und es waren z.T. wirklich interessante Stücke darunter, auch wenn ich von Trilobiten etc. keine Ahnung habe. Aber so eine schieferschwarze Platte mit glattpoliertem Urzeitvieh oder eindil mohrrübenförmiger Steinstab, ebenfalls glattpoliert und von interessanter Färbung, oder Eier, jawoll, die regelmäßigen etwas teurer und die unregelmäßigen etwas billiger, glattpolierte Stücke in Jade-, Schwarz-, Grau- und Brauntönen, davon stehen in irgendeinem Eierkarton noch welche in meinem Keller. Ich saß mit dem Reiseführer, einem Anfangzwanziger, er war mithin etwas älter als ich, in brütender Hitze bei einer Cola, er hatte lange über die Sehenswürdigkeiten geplaudert und das vermutlich als seine Pflicht betrachtet, bis er irgendwann in unverstellter Offenheit diese Frage stellte: Warum kaufen die Leute Steine?
Wenn man so in der marokkanischen Steinwüste sitzt, ist das vermutlich genau die eine Sache, die man nicht tun würde. Meine hilflosen Erklärungen ("schön", "Geschenk" etc.) konnten demnach auch nur ungehört verhallen.
Immerhin, die Wüste, sie hat ihre Vorteile. Man trifft z.B. nur selten auf Verkehrspolizisten, und so fragte ich, damals noch führerscheinlos, ob ich denn mal mit dem Auto herumfahren dürfe. Was ich dann ausgiebig tat, und diesmal legte ich weder ein Auto auf die Seite noch knallte ich gegen ein Hindernis, allein schon deshalb, da es keinerlei Hindernisse gab, lediglich eine Schotterpiste. Brumm, brumm!
Nachteile hat so eine Wüste dann natürlich auch wieder. Ich will sie hier mangels Platz nicht alle aufzählen; aber nehmen wir nur mal an, man sei so irgendwo unterwegs, achte mal kurz nicht ganz so genau auf den Weg - dann kann man aber lange nach Schildern suchen! Fragen kann man auch niemanden, jetzt nicht aus Stolz oder so, "Nun frag doch mal die Frau da", "Nein, ich kenne den Weg!", "Das sagst du immer!", sondern mangels Objekt, und wenn man sich selbst dann fragt, ob dies hier eigentlich noch die Piste sei, das sehe alles doch sehr ähnlich aus insgesamt, das könne auch einfach ein Stück Wüste sein, und sei die Sonne vorhin nicht eher von dort gekommen, oder doch nicht, und werde es jetzt gerade ziemlich schnell dunkel, und komme da hinten nicht ordentlich Sand herangeweht, und sei der Tank nicht eigentlich ganz schön leer, dann wird's einem plötzlich gut warm und man merkt, wie dünn die Schicht nur noch ist, nennen wir sie Zivilisation, wie sehr man sich zusammenreißen muss, um nicht laut "Scheiße! Scheiße!" zu rufen und andere Menschen erst noch nervös zu machen. Es ist dann doch besser, wenn man plötzlich einen Menschen sieht, wirklich wahr, einen echten Menschen, und der dann mit dem Finger irgendwohin weist, und man dieser Richtung folgt, nach ein paar Kilometern wieder meint, so etwas wie eine Piste unter den Rädern zu haben, irgendwohin wird sie ja führen, und wenn sie das dann auch wirklich tut.
Oder, anderes Beispiel: Wenn man wieder auf der Piste fährt, irgendwo quer durch die Wüste, es dann wieder dunkel wird, man erst noch an Sand denkt und dann plötzlich ein Stakkato, ach, was sag' ich, ein Trommelfeuer losgeht und man feststellt, dass man in einen gigantischen Heuschreckenschwarm geraten ist. Einen, der buchstäblich den Himmel verdunkelt. Man muss dann stur weiterfahren, das knallt in einer Tour, die kleineren Tiere sind 10 cm lang und die großen fast 20, die wiegen richtig etwas, da bekommt man Angst um seine Frontscheibe, das prasselt wie eine endlose Ladung Minigolfbälle, die Viecher werden bei 80 km/h Fahrgeschwindigkeit plus eigene Fluggeschwindigkeit nicht etwa zu Mus, sondern fliegen auch bei direktem Aufprall unversehrt nach links und rechts weg, das muss man sich bei der sehr geraden und steilen Frontpartie eines alten VW-Busses auch erst mal vorstellen, und abends findet man dann noch zwei, drei von diesen Plagegeistern lebend und wohlauf irgendwo im Kühlergrill. Brr.
-Wo bist du denn die ganze Zeit?
- Im Keller!
- Was machst du denn?
- Ich suche diese Eier, die aus Stein, die ich mal aus Marokko ...
- Die müssen da irgendwo sein! Wozu brauchst du die denn?
- Ich will die fotografieren, fürs Blog! Ich finde die aber nicht!
- Kannst du einen neuen Honig mit hochbringen?
- Mache ich! Wir müssen da unten echt mal wieder aufräumen, das ist eine einzige Wüste!!
[Weiter]
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*Für mein Französisch bzw. dessen Reste übernehme ich hier generell keine Haftung.
Pourquoi est-ce qu'ils achètent des pierres?* Warum kaufen sie Steine?, fragte mich eines Tages ein Reiseführer, der sich uns angedient hatte und nun mit uns im Auto herumfuhr, uns von hier nach da lotste, über die Piste in der Wüste, man kannte ihn überall, sicher bekam er Provision, wenn wir hielten und aßen und tranken und Steine kauften. Denn Steine, die gab es dort zuhauf, und es waren z.T. wirklich interessante Stücke darunter, auch wenn ich von Trilobiten etc. keine Ahnung habe. Aber so eine schieferschwarze Platte mit glattpoliertem Urzeitvieh oder ein
Wenn man so in der marokkanischen Steinwüste sitzt, ist das vermutlich genau die eine Sache, die man nicht tun würde. Meine hilflosen Erklärungen ("schön", "Geschenk" etc.) konnten demnach auch nur ungehört verhallen.
Immerhin, die Wüste, sie hat ihre Vorteile. Man trifft z.B. nur selten auf Verkehrspolizisten, und so fragte ich, damals noch führerscheinlos, ob ich denn mal mit dem Auto herumfahren dürfe. Was ich dann ausgiebig tat, und diesmal legte ich weder ein Auto auf die Seite noch knallte ich gegen ein Hindernis, allein schon deshalb, da es keinerlei Hindernisse gab, lediglich eine Schotterpiste. Brumm, brumm!
Nachteile hat so eine Wüste dann natürlich auch wieder. Ich will sie hier mangels Platz nicht alle aufzählen; aber nehmen wir nur mal an, man sei so irgendwo unterwegs, achte mal kurz nicht ganz so genau auf den Weg - dann kann man aber lange nach Schildern suchen! Fragen kann man auch niemanden, jetzt nicht aus Stolz oder so, "Nun frag doch mal die Frau da", "Nein, ich kenne den Weg!", "Das sagst du immer!", sondern mangels Objekt, und wenn man sich selbst dann fragt, ob dies hier eigentlich noch die Piste sei, das sehe alles doch sehr ähnlich aus insgesamt, das könne auch einfach ein Stück Wüste sein, und sei die Sonne vorhin nicht eher von dort gekommen, oder doch nicht, und werde es jetzt gerade ziemlich schnell dunkel, und komme da hinten nicht ordentlich Sand herangeweht, und sei der Tank nicht eigentlich ganz schön leer, dann wird's einem plötzlich gut warm und man merkt, wie dünn die Schicht nur noch ist, nennen wir sie Zivilisation, wie sehr man sich zusammenreißen muss, um nicht laut "Scheiße! Scheiße!" zu rufen und andere Menschen erst noch nervös zu machen. Es ist dann doch besser, wenn man plötzlich einen Menschen sieht, wirklich wahr, einen echten Menschen, und der dann mit dem Finger irgendwohin weist, und man dieser Richtung folgt, nach ein paar Kilometern wieder meint, so etwas wie eine Piste unter den Rädern zu haben, irgendwohin wird sie ja führen, und wenn sie das dann auch wirklich tut.
Oder, anderes Beispiel: Wenn man wieder auf der Piste fährt, irgendwo quer durch die Wüste, es dann wieder dunkel wird, man erst noch an Sand denkt und dann plötzlich ein Stakkato, ach, was sag' ich, ein Trommelfeuer losgeht und man feststellt, dass man in einen gigantischen Heuschreckenschwarm geraten ist. Einen, der buchstäblich den Himmel verdunkelt. Man muss dann stur weiterfahren, das knallt in einer Tour, die kleineren Tiere sind 10 cm lang und die großen fast 20, die wiegen richtig etwas, da bekommt man Angst um seine Frontscheibe, das prasselt wie eine endlose Ladung Minigolfbälle, die Viecher werden bei 80 km/h Fahrgeschwindigkeit plus eigene Fluggeschwindigkeit nicht etwa zu Mus, sondern fliegen auch bei direktem Aufprall unversehrt nach links und rechts weg, das muss man sich bei der sehr geraden und steilen Frontpartie eines alten VW-Busses auch erst mal vorstellen, und abends findet man dann noch zwei, drei von diesen Plagegeistern lebend und wohlauf irgendwo im Kühlergrill. Brr.
-Wo bist du denn die ganze Zeit?
- Im Keller!
- Was machst du denn?
- Ich suche diese Eier, die aus Stein, die ich mal aus Marokko ...
- Die müssen da irgendwo sein! Wozu brauchst du die denn?
- Ich will die fotografieren, fürs Blog! Ich finde die aber nicht!
- Kannst du einen neuen Honig mit hochbringen?
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*Für mein Französisch bzw. dessen Reste übernehme ich hier generell keine Haftung.
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(1, 2, 3) Unterwegs nach Khenifra machten wir Station irgendwo, gingen auf einen Souk, sofort umringt von einer Horde Kinder, die neben uns herliefen und mit uns sprechen wollten. "Borken, tu connais Borken?", sprach mich ein Junge freundlich an und strahlte begeistert, als ich ihm antwortete, ja, Borken, kenne ich, und er erklärte mir, dass sein Onkel dort im Bergbau arbeite. Währenddessen hatten wir einen solchen Auflauf verursacht, dass es mir richtig peinlich war und zudem schwerfiel, voranzukommen. Es war ganz offensichtlich keine Gegend, in die sich Touristen normalerweise verirrten.
Da ich aus der Familie derjenige war, der sich auf Französisch leidlich verständigen konnte, war ich es auch, der auf dem Markt etwas Gemüse einkaufen sollte. Aus den phantastischen bunten Bergen orderte ich also schwitzend dies und das, dabei von einer beträchtlichen Menschenmenge genauestens beäugt. Jetzt bloß keinen Fehler machen! Der vom Händler geforderte Preis erschien mir niedrig, doch ich hatte ja gelernt und gelesen: Nicht den Einheimischen die Preise versauen, und die lachen dich aus, wenn du jetzt einfach bezahlst, also bot ich die Hälfte, der Mann sah mich lächelnd an, akzeptierte den Preis, schwitzend und mit Gemüse beladen liefen wir zurück zum Auto und fuhren weiter, sobald das möglich war, denn zunächst mussten alle Kinder noch irgendwelche Süßigkeiten ausgehändigt bekommen.
'ast du ein ciguerette, mein Froind, wurde ich eines Tages irgendwo angesprochen, ich hatte wohl auf die anderen gewartet und drückte mich irgendwo auf der Straße im Schatten herum. Der junge Mann legte sehr viel Wert darauf, mir seine Bildung zu präsentieren, in einem Kauderwelsch aus Französisch und Deutsch parlierte er etwas affektiert daher, klärte mich über meine Heimatstadt Göttingen auf, stellte gelegentlich Fragen, die ich zum Glück nicht beantworten musste, denn es waren rhetorische gewesen, und auf Französisch konnte ich vielleicht ein Brot kaufen, aber keine wissenschaftlichen Vorträge halten, so sagte ich also immer mal "oui, oui, ja, ja", lachte mit ihm über seine Witze, allerdings verstand ich ihn sehr schlecht, und irgendwann musste ich ihm, "in Döitsch, bittö", erzählen, auf welchem Weg wir nach Marokko gekommen seien, ich erzählte also, wir seien erst mal nach Frankreich gefahren und -
(Später, als ich mit unseren zeitweiligen Gastgebern, einem befreundeten Paar meiner Eltern, das wir dort besuchten und die das Land gut kannten, über die Geschichte vom Souk sprach, sahen diese mich an und meinten: Nein, in diesem Landesteil sei das Handeln eher unüblich, und der vom Gemüsehändler geforderte Preis sei sehr gut gewesen.)
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Da ich aus der Familie derjenige war, der sich auf Französisch leidlich verständigen konnte, war ich es auch, der auf dem Markt etwas Gemüse einkaufen sollte. Aus den phantastischen bunten Bergen orderte ich also schwitzend dies und das, dabei von einer beträchtlichen Menschenmenge genauestens beäugt. Jetzt bloß keinen Fehler machen! Der vom Händler geforderte Preis erschien mir niedrig, doch ich hatte ja gelernt und gelesen: Nicht den Einheimischen die Preise versauen, und die lachen dich aus, wenn du jetzt einfach bezahlst, also bot ich die Hälfte, der Mann sah mich lächelnd an, akzeptierte den Preis, schwitzend und mit Gemüse beladen liefen wir zurück zum Auto und fuhren weiter, sobald das möglich war, denn zunächst mussten alle Kinder noch irgendwelche Süßigkeiten ausgehändigt bekommen.
'ast du ein ciguerette, mein Froind, wurde ich eines Tages irgendwo angesprochen, ich hatte wohl auf die anderen gewartet und drückte mich irgendwo auf der Straße im Schatten herum. Der junge Mann legte sehr viel Wert darauf, mir seine Bildung zu präsentieren, in einem Kauderwelsch aus Französisch und Deutsch parlierte er etwas affektiert daher, klärte mich über meine Heimatstadt Göttingen auf, stellte gelegentlich Fragen, die ich zum Glück nicht beantworten musste, denn es waren rhetorische gewesen, und auf Französisch konnte ich vielleicht ein Brot kaufen, aber keine wissenschaftlichen Vorträge halten, so sagte ich also immer mal "oui, oui, ja, ja", lachte mit ihm über seine Witze, allerdings verstand ich ihn sehr schlecht, und irgendwann musste ich ihm, "in Döitsch, bittö", erzählen, auf welchem Weg wir nach Marokko gekommen seien, ich erzählte also, wir seien erst mal nach Frankreich gefahren und -
- Was ist das für ein Wort?Nun sah er mich verächtlich an, schüttelte den Kopf, holte tief Luft und rief:
- Frankreich
- Ich kenne nicht das Wort
- Äh, Deutsch-land, Frank-reich
- Was ist das?
- Ein Land.
- Wie 'eißt das?
- Frankreich. Deutsch-land. Frank-reich. Spanien, Espagne. Marokko, Maroc. La France! France! Frankreich!
- Im Fronsösiesch! Im Fronsösiesch! So 'eißt das!Er wurde wirklich ärgerlich, nahm sich noch ein ciguerette aus der Packung und ging dann, wütend schnaubend, seiner Wege.
- Nein, das ist die Sprache, la langue, l'adjectif, wir sind jedenfalls in Frankreich bis zur Fähre -
- Im Fronsösiesch, das 'eißt!
(Später, als ich mit unseren zeitweiligen Gastgebern, einem befreundeten Paar meiner Eltern, das wir dort besuchten und die das Land gut kannten, über die Geschichte vom Souk sprach, sahen diese mich an und meinten: Nein, in diesem Landesteil sei das Handeln eher unüblich, und der vom Gemüsehändler geforderte Preis sei sehr gut gewesen.)
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