Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 6. Mai 2009
Strukturelle Ähnlichkeiten
nnier | 06. Mai 2009 | Topic Fernseh
Es war wie mit den Beatles. Die hatte es mal gegeben, und nun gab es sie nicht mehr, und dann wurde auch noch John Lennon erschossen.

Raumschiff Enterprise hatte es auch mal gegeben, für mich von 1978 bis 1979. Kurz zuvor hatte ich gerade noch genügend Folgen der Weltraumserie Mumpatz 11:1 gesehen, um zu wissen, wer Maja und John waren, um auf dem Schulhof in Adlern herumzufliegen und die Anfänge einer profund-penetrant-pathologischen Weltraumbegeisterung herauszubilden, da endete die Serie schon und eine andere wurde angekündigt, eben jenes Raumschiff Enterprise, auf das ich mich gar nicht freute, denn was konnte schon so toll sein wie Mondbasis?

Es traf mich dann wie ein Donnerschlag. Wie ich dieses Raumschiff liebte! Die Raumfähre! Wie mich das Beamen faszinierte! Phaser und Photonentorpedos! Tricorder und Turbolift! Mannschaft und Maschinenraum! Jedem Sonntag fieberte ich entgegen, die Sendung lief parallel zur Sportschau, was schon gewisse Probleme mit sich brachte. Bei Ausflügen drängte ich massiv darauf, dass wir aber um 18:20(?) wieder zu Hause sein mussten, und waren mal wieder Landtagswahlen, ertrug ich die ständigen Unterbrechungen der laufenden Folge (und das Hin- und Herschalten zwischen ARD und ZDF, es ging ja um wichtige Zehntelprozentpunkte) nur unter Qualen. Ganz zu schweigen davon, dass eine Folge (die mit Nomad, so weit ich weiß) aus Zeitmangel einfach abgebrochen wurde!

Phaser, diese faszinierenden Strahlenwaffen, die man auch auf Betäubung stellen konnte, bauten wir aus Lego, rannten draußen herum, entdeckten Planeten, kämpften gegen Klingonen und Romulaner, und mit dem Angeber R. musste ich immer darum streiten, wer Jim (Kirk) sein durfte; oft ließ ich ihm den Vortritt, da er immer drohte, sonst nicht mitzuspielen, der Blödmann, und wir brauchten ihn unbedingt, da niemand das Geräusch eines fliegenden Raumschiffs oder eines abgeschossenen Torpedos so gut imitieren konnte wie er.

Wir schrieben Hörspielskripte und nahmen diese mit dem Cassettenrecorder auf, es war schwierig, das Beam-Geräusch irgendwomit nachzuempfinden, wir nahmen dann einen alten, goldenen Wecker, der aus einiger Ferne doch wenigstens ein bisschen so klang - und jetzt FEUER, Mr. Sulu!

(Musikalisches Zwischenspiel)

Ich zeichnete mit viel Mühe zwei kleine Blöcke voll, Daumenkino, Titel: Enterprise fliegt und Enterprise schießt. Ich kaufte begeistert die Ausgabe der Siehste mit Spock auf dem Titelbild, denn ein Tütchen Panini-Aufkleber zum Enterprise-Sammelalbum war hineingeklebt, bestellte mit dem beiliegenden Gutschein das Album, bekam von einigen Mädchen aus der Klasse ihre Klebebilder geschenkt, lief dann tagelang durch die Stadt und führte einen Trupp Mitschüler an, mit denen ich mir geschworen hatte, nicht aufzugeben, ehe wir nicht ein Geschäft gefunden hätten, in dem diese Bilder ("eine Tüte mit 6 Bildern kostet 20 Pf.") verkauft würden, allein, es half nichts, wir fanden nie eins, ich klebte meine paar Bilder in das Album, las die Texte unter den leeren Klebefeldern immer und immer wieder durch ("Mit einem strahlenden Lächeln sieht Mira Romaine Mr. Scott an!"), verpasste im Fernsehen ausgerechnet die Folge mit den Tribbles, das war ein trauriger Montag auf dem Schulhof, beklebte eine ganze Wand meines Zimmers mit allem, was ich zum Thema Enterprise finden konnte - die briefmarkengroßen Bildchen aus der Fernsehzeitschrift TV etwa, die ich meinem Freund A. abschwatzte, ebenso wie die Artikel aus der Zeitschrift Gong, die meine Oma für mich aufbewahrte, die seltenen Titelbilder, und irgendwann war's wieder vorbei, letzte Folge, dann kam etwas anderes.

Ich fühlte mich krank. Liebe Kinder, wisst ihr eigentlich, wie das damals war? Man hatte das Gefühl, das war's! Für immer! Jede verpasste Sendung im Fernsehen war für immer verloren! Man konnte die Sendung entweder genau jetzt oder eben nie mehr sehen! Und war eine Serie vorbei, dann war sie eben vorbei! Und erst recht aus der Perspektive eines Kindes, das noch nicht erlebt hatte, dass etwas wiederholt wurde. Aber auch die objektive Realität war nun einmal so: Wenige Sender, noch keine Videorecorder - vorbei hieß effektiv vorbei!

Ähnlich wie es in den 80ern ab und zu mal Lebenszeichen aus dem Paralleluniversum gab, wenn einer der Ex-Beatles eine Platte veröffentlicht hatte, kamen dann die Kinofilme, 1980 der erste, sehr langweilige, in dem ich ganz enttäuscht die Anfangsfanfare und die tolle Titelmelodie vermisste (denn ich hatte eine Fernsehepisode auf großer Leinwand erwartet), und in dem die Mannschaft plötzlich unansehnliche, graue Uniformen trug, in dem auch noch eine glatzköpfige Frau und ein eingecremter Jüngling, die es "in echt" gar nicht gegeben hatte, in zentralen Rollen mitspielten und in dem vor allem bedeutungsvoll geschwiegen und herumgestanden wurde; es folgten Tod und Auferstehung des Mr. Spock und so weiter.

Aber all das kam nur alle paar Jahre einmal vor, in Deutschland übrigens vom Publikum kaum bemerkt, und von der Omnipräsenz des Hausfrauenkults, die sich einige Jahre später herausbilden würde, war noch nichts zu ahnen. Der vierte Kinofilm, 1987, der mit den Walen, enttäuschte mich dann endgültig. Vielleicht, dachte ich, war ich inzwischen aber auch zu alt geworden - hatte ich mich weiterentwickelt, hatten die Helden der Kindheit ihren Glanz verloren?

Ein Tag Ende der 80er beantwortete diese Frage. Ein Privatsender wiederholte die alte Serie, ich sah mir die erste Folge an. Bis zu den ersten Tönen des kosmischen Glockenspiels hielt ich es gerade noch aus.

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Genetischer Defekt
nnier | 06. Mai 2009 | Topic Art
Maybe there's something wrong with me. Sometimes I really think there's ... that I have some sort of deep genetic defect or something ... some kind of mutation ... I didn't turn out normal ... that's why I have all this resentment and contempt and ... everything like that ... but ... self-hatred is a strong motivating force in my work.
Haben Sie mal eine Stunde Zeit? Ich bin daran ja noch gar nicht gewöhnt - aber in diesem Internet, da findet man ja alles Mögliche!

Also: Wenn mal wieder nichts im Fernsehen kommt, wenn Sie amerikanisches (Protagonist) und britisches Englisch (BBC-Sprecherin) ertragen, oder wenn Sie's machen wollen wie mein Freund A., der bei den Comics immer nur die Bilder angesehen hat; wenn Sie den Bohneneffekt am lebenden weiblichen Modell präsentiert bekommen wollen, etwas über Sexismus und Schuldgefühle, katholische Erziehung, Gurus und LSD-Trips erfahren und dabei auch noch ständig Beispiele für ganz große Comic-Kunst gezeigt bekommen wollen, dann sehen Sie sich diesen Film an, der 1987 für die BBC produziert wurde: The Confessions of Robert Crumb.



(Alternativer Link)

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