Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 13. Mai 2009
Wo die Welt noch in Ordnung ist
nnier | 13. Mai 2009 | Topic Gelesn
(Oder: Geh doch nach drüben!)

Es könnte ja interessant sein, wenn jemand darüber schreibt, wie er "konservativ wurde" (wenn auch angeblich "aus Versehen"). Manche Themen, sagen wir: kulturelle Vorherrschaft in bestimmten Milieus, Selbstgerechtig- und gefälligkeit, Opferdenken, Diskussionsverbote, elitäres Gehabe, Tabus, Gruppenzwänge usw. sind sicher einer Betrachtung wert, auch und gerade wenn diese Betrachtung persönlich und subjektiv ist. Mich zumindest interessiert so etwas, und ich glaube, dass es da auch noch einiges zu erzählen gibt. Allerdings langweilt es dann doch, wenn man nur so altbekannte Dinge liest wie:
Wie bei allen guten linken Familien konnten bei uns scheinbar alltägliche Entscheidungen eine Tragweite haben, die sich politisch Außenstehenden nur schwer erschließt. Bei jedem Einkauf im Supermarkt war nicht nur ein Urteil über Frische und Geschmack der angebotenen Waren zu treffen, sondern auch über ihre moralische Qualität. Biohaferflocken waren Industriemüsli unbedingt vorzuziehen, selbst wenn sie wie Kleie schmeckten, weil wir grundsätzlich großen Marken misstrauten und kleine Kooperativen unterstützten.
Oder:
Zu meinem Leidwesen hatte meine Mutter auch eine starke Abneigung gegen Comics gefasst. Das sei Schund, befand sie, und Schund kam bei uns nicht ins Haus. Die Ausnahme von der Regel war "Asterix": Ich besaß alle Bände, angefangen von "Asterix der Gallier" bis "Asterix auf Korsika". Was aus Frankreich kam, galt als kulturhaltig und war damit vom Schundverdacht befreit.
(Wobei ich nicht sicher bin, ob so eine Haltung ausgerechnet und speziell auf "linke" Kreise, um die es dem Autor ja geht, begrenzt ist).

Interessant ist etwas anderes. In der faz hat eine Journalistin, Julia Encke, sich auch kritisch zu dem Buch des Herrn Fleischhauer (auf dem der Spiegel-Artikel basiert) geäußert:
Als die Mutter später begann, „Emma“ zu lesen, hatte der Sohn gar nichts mehr zu lachen.

Und man selber lacht leider auch nicht. Nicht ein einziges Mal. Das ist die wahrscheinlich traurigste Nachricht über das Buch „Unter Linken - Von einem, der aus Versehen konservativ wurde“, dass der Autor sich die ganze Zeit so sehr bemüht, komisch zu sein, es aber überhaupt nicht funktioniert.

[...]

Also fasst er unter „Linken“ alles zusammen, was ihm im Leben und in den Büchern über den Weg gelaufen ist: Das ist an erster Stelle der „frühgrüne Fundamentalist, Sozialtheoretiker, dilettierende Theaterautor“ Jean-Jacques Rousseau. Es sind natürlich und immer wieder die 68er, es sei denn, sie sind zu Renegaten geworden. Es ist das Feuilleton, die „Taz“, die „Zeit“, das Links-Bürgertum, Psychologen, Esoteriker, Enthusiasten, „Die Linke“, Frank-Walter Steinmeier, Karl Marx, Hausbesetzer, Sozialarbeiter, messianische Klimaeiferer, Israel-Kritiker, die RAF oder Attac-Leute.
So weit, so gut. Klappt man nun aber die Kommentare unter dem faz-Artikel auf, dann schäumt es einem, mal mehr und meist weniger gebremst, folgendermaßen entgegen:
Sonderbar - diese Art von Rezension hätte ich in der taz erwartet, nicht in der FAZ und auch nicht von Julia Enke.

Es ist immer wieder zu beobachten, wie die "Genossen", selbsternannte Vertreter der Freiheit und des freien Denkens, anderen Ihre Meinung nicht zugestehen.

Die Frau J.Enke hats nicht verstanden...das Buch ist (!) lustig - ja zum Teiol zum Brüllen komisch. Nur Linke von SED/PDS-Stasis über Betonkopf-Sozis bis hin zu Öko-Totalitäre die können hier nicht lachen - weil jemand die Frechheit besitzt gegen ihren totalitären Anspruch auf Meinungsführerschaft aufzumucken. Frau Enke sollte sich bei der TAZ bewerben, da liebt man soclhe Kommentare...

Ich fände es als Linker auch nicht lustig, wenn mir meine Lebenslüge deutlich vor Augen geführt wird. Verehrte Frau Encke, Ihr krampfhafter Zerriss macht leider deutlich, dass von Ihnen kritisierte "unlustige Stil" nur Aufhänger ist; inhaltlich scheint Sie das Buch derart zu treffen (und wahrscheinlich liegt F. in vielen Punkten auch richtig), dass nur noch die alte "Stilkarte" (Wer zum Inhalt nichts zu sagen hat, der regt sich über den Stil auf) gezogen werden kann. ... Jedenfalls werde ich den Fleischhauer nun kaufen. Für mich ist Encke nun gleich Brumlik. Wird das Werk zerrissen, dann ist es offenbar gut. Bitte, wechseln Sie zur taz oder zur FR.

Nun gut Frau Encke schreibt ja immerhin im intellektfreien Prantl-Lügenblatt SZ, also wäre die Erwartung zu hoch gegriffen, daß man ihr unterstellen könnte, sie wüßte Bescheid über das Objekt ihrer Kritik. Die Frage stellt sich nur, warum soviel Zeilen schreiben, um sich öffentlich zu outen, wirklich garnichts, aber auch wirklich garnichts begriffen zu haben.
Heidewitzka. Ich bilde mir ja manchmal ein, dass man über so etwas auch zivilisiert streiten kann. Aber im ideologischen Schützengraben scheint's doch ganz gemütlich zu sein.

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