Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 29. April 2009
Was
nnier | 29. April 2009 | Topic Musiq
Hallo? Sie - ja, Sie! Halloooo! Ich kann Sie so schlecht erreichen.

Ach - Sie hören seit zwei Tagen A Certain Softness! Verstehe ich. Verstehe ich voll und ganz. Und wissen Sie - das ist jetzt sogar praktisch, denn das ist ja die Nummer 8 auf der CD, und ich würde Ihre geschätzte Aufmerksamkeit jetzt gerne einmal auf die Nr. 9 lenken.

Denn eigentlich ist das Album ja eines der getragenen, ernsteren Töne. Und wenn Sie ein paar Minuten entbehren können, soll das Ihr Schaden nicht sein. Aber machen wir's uns doch erst mal bequem: Klick!



Mit Sicherheit ist Ihnen auch schon oft aufgefallen, auf welch unnachahmliche Weise Paul McCartney das Wort "was" ausspricht. Das ist ja nicht so, wie wir's in der Schule lernen, und ich fange hier garantiert nicht mit Lautschrift an. Aber dem englischen "w", das ja eher wie ein deutsches "u" ausgesprochen wird, folgt eben weder ein "a"- noch ein "o"-Laut. Sondern fast so etwas wie ein "u". Also kein richtiges "u", aber es ist fast näher am "u" als am "a". Sie verstehen schon.

Nicht? Ich sehe schon, das wird nicht einfach. Wie kann ich Ihnen denn diesen Sachverhalt verständlich machen. Versuchen wir's vielleicht mal mit einem Beispiel. Sprechen Sie bitte einmal folgendes aus:

Once there was a way

Noch einmal:

Once there was a way

Und nun achten Sie genau darauf, wie sich das Wort "was" anhört:

Once there was a way

Nun folgen Sie bitte diesem Link und halten Sie Ihre Emotionen im Zaum - ich weiß, wie schwer das ist - aber achten Sie ausnahmsweise einmal genau auf den Klang der Worte, auf die Aussprache des Wörtchens "was":

Once there was a way

Sie haben's gemerkt - gleich mehrfach! Und das ist kein Zufall, wie wir sehen werden. Gehen wir doch mal vom Ende der Beatles - Moment, ich hab' da was im Auge, es geht gleich wieder - gehen wir mal ganz zurück an den Anfang.

Sagen Sie nun bitte:

She was just seventeen

Noch einmal:

She was just seventeen

Und nun hören Sie genau hin:

She was just seventeen

Jetzt haben Sie's, gell? Oder wollen wir ganz sicher gehen - gut, selbes Lied, die Vorübung kennen Sie nun ja bereits:

And the way she looked
Was way beyond compare


Ja, genau, noch einmal:

And the way she looked
Was way beyond compare


Und nun obacht:

And the way she looked
Was way beyond compare


Ich denke, nun sollte auch Ihnen ganz da hinten - ja, Sie! Oh, habe ich Sie beim Schlafen gestört! - klargeworden sein, worum es hier geht. Nein, ich gönne Ihnen Ihren Schlaf! Wenn Sie's nur bequem haben da hinten. Und Ihre Komilitonen stören Sie hoffentlich nicht! Ich rede jetzt auch ganz leise weiter. Oder soll ich lieber ganz aufhören? Hören Sie, mir macht das nichts aus, ich muss das hier nicht machen! Ich kann auch zu Hause - ach, nun plötzlich doch? Sicher? Gut, dann mache ich mal weiter, wenn Sie einverstanden sind. Oder ist hier sonst noch jemand, der lieber etwas anderes - nein?

So. Wir sprachen worüber? Hat irgend jemand die letzte halbe Stun- ja, Sie?

Äh, dass einer von den Beatles eine besondere Aussprache hat?

Oh! Ich bin begeistert. Ich bin wirklich begeistert über diese knappe und doch hochpräzise Zusammenfassung meiner Ausführungen des bisherigen Seminars. Bravo. Bravo! Besondere Aussprache! Kann der das "th" nicht, oder was? Einer von den Beatles! Welcher denn, hm?

Äh, George?

George! Wie heißt er denn noch so, der George, hm?

Äh, George Lennon?

Bravo! Bra-vo! Ich hoffe, Ihre Eltern wissen, was Ihr Nachwuchs da so fabriziert. Die gehen ja sicher gerne morgens um vier in die Geflügelzuchtanlage! Die inhalieren ja gerne den Teer von zehntausend Zigaretten auf der Baustelle im Hochsommer, über dem frischen Asphalt! Die opfern sich ja gerne für ihre Kinder auf, damit aus denen mal was wird, statt ihren eigenen Lebensabend zu genießen und endlich mal etwas kürzer zu treten! Papa, ich brauche Geld! Papa, du zahlst doch gerne! Wieviel darf's denn sein? Reichen 500? Ach, der Pizzabringdienst ist immer so teuer? Und unter 180 Euro gibt's keine vernünftige Jeans, ja? Klar, ich schränke mich doch gerne ein! Ich trinke doch gerne den zweiten Aufguss vom Muckefuck! Hauptsache, du kannst mittags im Café sitzen und Latte Macchiato schlürfen! Nach dem Sektfrühstück!!

Na ja. Was geht es mich an!? Übermorgen ist Klausur, bis dahin rate ich Ihnen dringend, sich noch ein paar Grundlagen - ja, aber sicher! Das sind ab-so-lu-te Grundkenntnisse. Das ist nicht Grundstudium, das ist Grundschule! Sie sollten ernsthaft noch mal überlegen, ob Sie hier richtig sind. Mit dem Vordiplom wird dann auch ausgesiebt. Wer das hier nicht ernst nimmt, sollte sich den Frust lieber ersparen. Ist nur mein Rat.

So, die Zeit verrinnt. Ich tue jetzt einfach mal so, als hätte jemand zugehört. Wer weiß, vielleicht verbirgt sich ja so jemand in Ihren Reihen und überrascht mich dann mit einer lesbaren Klausur!? Man hat ja schon die unmöglchisten Dinge gehört!

Paul McCartney, 2005, Riding to Vanity Fair. Schreiben Sie das ruhig mit!
Paul McCartney - Bass guitar, electric guitar, acoustic guitar, glockenspiel, Wurlitzer electric piano, vocals
The Los Angeles Music Players - Strings
David Campbell - String arrangement
James Gadson - Drums
Er spielt also wieder den Großteil der Instrumente selbst, gut, die Streicher hat er jetzt nicht auch noch, nicht wahr, und das Schlagzeug, muss ich allerdings sagen, das klingt eigentlich so, als hätte er's selbst gespielt, das ist ja sehr zurückhaltend. Aber darum geht's heute weniger.

Man hat ja in der frühen Beatleologie, und durchaus begründet, einen Gegensatz zwischen Lennon und McCartney konstruiert, und zwar nicht nur was die Musik angeht, sondern auch die Texte betreffend. Kurz gesagt: Lennon als derjenige, der sich entblößt, von sich spricht, von seinen persönlichen Gefühlen spricht, ich nenne da mal stichwortartig Help! als frühes Beispiel, achten Sie mal auf Text, "insecure", "independence", "self assured" in einem Popsong, und zwar 1965!, oder später dann I'm so tired und in den 1970ern sowieso mit Mother etc., das wissen Sie, bzw. das sollten Sie wissen; und dagegen McCartney, der kleine, durchstrukturierte Geschichten mit ausgedachten Figuren erzählt, nehmen wir Penny Lane oder Maxwell's Silver Hammer, und der auch bei "gefühligeren" Liedern, nehmen wir Yesterday oder The Long and Winding Road, sehr im Ungefähren bleibt. Aber darüber gibt's massig Literatur, Sie müssten die kennen, bei Semesterbeginn haben Sie alle die Literaturliste erhalten.

Nun wird McCartney sicher nicht auf seine alten Tage noch eine Urschreitherapie anfangen und die Verletzungen seiner Kindheit (Sie wissen, auch seine Mutter starb früh) explizit in seine Texte einbringen. Aber man kann schon sagen, dass die gerade skizzierte Dichotomie doch eine allzu schematische wäre.

Nehmen wir den Text mal her:
I bit my tongue
I never talked too much
I tried to be so strong
I did my best
I used the gentle touch
I've done it for so long

You put me down
But I can laugh it off
And act like nothing's wrong
But why pretend
I think I've heard enough
Of your familiar song
"I" und "you", er spricht also von sich - natürlich ist es sein lyrisches Ich - und kündigt an:
I tell you what I'm going to do
I'll try to take my mind off you
And now that you don't need my help
I'll use the time to think about myself
Nachdenken über sich, sich selbst, in der Tat nicht unbedingt typisch für McCartneys Texte. Als Hausaufgabe, nein, aber zur Klausurvorbereitung wäre es nicht dumm, ich sag das jetzt mal so deutlich, sich den Text genauer anzusehen, hören Sie sich das Lied an, und, ich will Ihnen ja nicht alles vorkauen, es gibt da eine Strophe, die Sie besonders interessieren sollte. Wer am Anfang aufgepasst hat, wird jetzt bereits aufmerken. Hören Sie bei 3:00 mal genauer hin.
There was a time
When every day was young
The sun would always shine
We sang along
When all the songs were sung
Believing every line
So, Sie haben's mal wieder hinter sich, genießen Sie das schöne Wetter, und man könnte jetzt noch viel über die Korrespondenz zwischen der gedeckten, dunklen Stimmung der Musik und dem Text erzählen, das überlasse ich dann mal Ihnen, in der Klausur! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und so weiter und so weiter bla bla bla als würde irgendjemand zuhören - huch! Sie sitzen ja noch hier, ganz alleine, nun gehen Sie schon!

Ich wollte noch was fragen.

Äh, ja? Bitte!

Sie meinen das zweite "was", oder?

Äh ... ja, genau!

Also nicht das in "There was a time", sondern in "When every day was young", oder?

Ja! Genau! Das ist ja auch noch auf so unnachahmliche Weise verschliffen, "was young", ist Ihnen das aufgefallen?

Ja, das ist gar kein "s"-Laut mehr, mehr so ein weiches "sch" oder wie im Französischen "j" z.B. in dem Wort "je".

Ja, wie bei "je t'aime", he he. Sagen Sie - haben Sie heute abend schon was vor?

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