2011, wenn ich morgen nach Köln fahre.
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Es gibt ja Ignoranten, die nicht mal das Lied Good Night kennen. So sprach einst jemand, als es aus meinen Lautsprechern erscholl, zu mir: Was ist das denn?, und als ich sagte: Na - das letzte Lied vom umgangssprachlich so genannten Weißen Album, das ja in Wahrheit den schlichten Titel The Beatles trägt und das einzige originäre Doppelalbum der Gruppe ist, dessen äußerliche Schlichtheit und Eleganz ja auch mit dem musikalischen Inhalt korrespondieren, ein grafischer (und eben auch musikalischer) Richtungswechsel nach den überbordend bunt-psychedelischen Jahren mit Leutnant Pfeffer, Walrössern und Erdbeerfeldern, man achte in dem Zusammenhang bloß mal auf die Vielzahl der schlichten Gitarrensongs auf dem Weißen Album - oder könne man sich Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band und Magical Mystery Tour mit WEISSEN Hüllen überhaupt nur vorstellen, und das hier diskutierte Doppelalbum dafür in Regenbogenfarben? Wie absurd! Tatsächlich hat übrigens John und nicht, wie man vermuten könnte, Paul dieses sentimentale Liedchen für Ringo geschr - He, warte!, rief ich, er aber rannte und schrie: JEDENFALLS SCHALTE ICH BEI DIESER NERVIGEN KLANGCOLLAGE IMMER AUS, DAS HÄLT JA KEIN MENSCH AUS, NUMBER NINE! NUMBER NINE! NUMBER NINE! Und jetzt lass mich in Ruhe!
Mich hat das tatsächlich erstaunt, denn immer wieder pfeife ich das von vielen so vehement abgelehnte vorletzte Stück vor mich hin, neulich erst wieder, und während man z.B. Zwetschgenkuchen backt, kann man der ihm, dem Lied, innewohnenden Dramaturgie aufs Beste folgen. Es sind ja mitnichten "einfach so" aneinandergereihte Klangfetzen, die auch, Moment, was würden die Leute sagen, genau: Ein Affe am Senderwahlknopf des Radios zustandebringen könnte. Es gibt Spannungsbögen, Höhepunkte und Auflösungen, und auch wenn man Lennon deswegen nicht gleich wieder in einen Geniestatus erheben muss und er ganz bestimmt nicht der erste Mensch war, der mit Bandschleifen experimentiert und Klangcollagen gebastelt hat (möglicherweise war er ja nicht mal der erste Beatle, der das getan hat - behauptet Paul McCartney, ich weiß bloß grad nicht, wer das seiner Ansicht nach stattdessen war), so kann man doch nicht leugnen, dass das Stück eine ausgefeilte innere Struktur hat, die eben nicht jeder zustandebringen würde, der mal ein bisschen im Studio herumspielen darf.

A propos Affe, ich habe ja kürzlich ein bisschen in der Küche herumgespielt und einen Teig ohne Rezept komponiert, der überraschend gut gelungen ist. "Voll lecker" sei der Kuchen, wurde mir von mehreren jungen Mädchen zugetragen, und der sei gar nicht zu dick, der Teig, und das seien gar nicht zu wenige Zwetschgen obendrauf, und ich murmelte etwas von American Zwetschgenkuchen (eine plumpe Pizza-Analogie, aber das können die noch nicht verstehen.) Der Nachteil an gelungenen Teigen ohne Rezept ist, dass man ihre Herstellung nicht so einfach wiederholen kann, und so beschloss ich, ein einfaches Rezept herauszusuchen und auszuprobieren, statt nach dem einmaligen Ausflug ins Experimentelle gleich wieder zum geliebten dünnen Mürbeteig zurückzukehren.
Die Zutaten:
250 g Butter
250 g Zucker
250 g Mehl
250 g Haferflocken
Vanillinzucker
Backpulver
Die Haferflocken überraschen natürlich, ich habe dann mangels Spezifikation einen Teil ganze und einen Teil blütenzarte genommen, außerdem nur mal so zum Spaß die Hälfte der Butter durch Margarine ersetzt, alles zu einem weichen Teig zusammengerührt und diesen als Klumpen aufs Backpapier befördert, wo ich ihn mit einem Teigschaber verstrichen und mit ordentlich aufgereihten Zwetschgen belegt habe.

In diesen Zeiten des Mangels musste ich allerdings bald feststellen, dass ich viel zu wenige dieser prächtigen Früchte zur Verfügung hatte, ein ungewohnter Zustand, denn normalerweise stehen die Dinger bei mir senkrecht und dichtgedrängt auf dünnem Teig, nun musste ich umgekehrt eine riesige Menge Teig mit zu wenigen Zwetschgen irgendwie abdecken, ich lichtete hier und dünnte dort aus, legte sie nahezu flach nebeneinander - und doch musste ich am Ende zu einer Alternative greifen, die zwar der Zwetschge in Form und Farbe nur entfernt ähnelt, dafür aber wesentlich mehr Kalzium enthält.

Das Ergebnis lässt sich essen und so ein Stück macht, laut mehrstimmiger Mädchenaussage, richtig satt.
A propos Stück: Inzwischen haben also auch Sie den vorletzten Titel vom Weißen Album angehört? Und wollen mehr darüber lesen?

Dann empfehle ich wie immer Herrn Pollack. Good Night!
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... played to over a quarter of a million people in just five shows last November ... smashed box office records ... fastest ever selling live show ... the world's best loved and most known music ... unrivalled career ... critically acclaimed album ... winning unprecedented reviews ...Und als wäre das nicht genug, müsste ich mich auch noch in peinlichem Namedropping üben:
... audience members included fans such as Katie Holmes, Dave Grohl, Samuel L Jackson, Quincy Jones, Woody Harrelson, the Jonas Brothers, Kings Of Leon, Kaiser Chiefs, David Walliams, Kanye West, Chris Martin and Gwyneth Paltrow, Tom Hanks, Neil Young, Brian Wilson, John Paul Jones, Jack Nicholson, Steven Tyler, Danny Devito, Jerry Seinfeld, Alec Baldwin, Martha Stewart, Tony Bennett, Ben Stiller, Kevin Bacon, Keith Richards, Ronnie Wood, Steve Coogan, Paul Weller, Frank Skinner, Rob Brydon and Chris Moyles.Vielleicht funktioniert die Welt ja so, mir fällt allerdings immer noch die Vorstellung schwer, dass das jemand liest und sagt: Boah - sogar die Jonas Brothers* und Chris Moyles* sind zu McCartney ins Konzert gegangen - dann muss der ja eine ganz heiße Nummer sein!
Würden dann die Soloalben McCartney (1970) und McCartney II (1980) klangtechnisch aufpoliert wiederveröffentlicht, dann müsste ich nicht nur umständlich erklären, in welchen Varianten diese erhältlich sind ("McCartney will also be made available as a 2-disc (2 CD) Special Edition featuring the original remastered album plus seven bonus audio tracks [...] For collectors, the reissue will additionally be made available as a lavishly packaged 3 disc (2 CD, 1 DVD) Deluxe Edition which includes an exclusive bonus DVD featuring rare and previously unseen footage, an extraordinary 128-page hard bound book containing many exclusive and unpublished photos by Paul and Linda McCartney, original album artwork, downloadable hi-res audio versions of the remastered album and bonus audio tracks, [...]"), sondern ich müsste aus diesen beiden wirklich netten und zu Unrecht vergessenen Alben gleich wieder Meilensteine der Musikgeschichte machen: "Heralded as one of the most beloved solo debuts of all time, McCartney, the smash # 1 album, originally released April of 1970, yielded the timeless tracks [...]"
Tatsächlich sind ein paar schöne Liedchen auf diesen beiden Heimstudioalben enthalten, vom Debut mag ich z.B. dieses und vom zweiten dieses ausgesprochen gerne. Und genauso tatsächlich ist jede Menge belangloses Geklimper dazwischen, Fingerübungen, Spielereien, die musikalisch nicht tragen. Dabei würde ich es, wäre ich der Pressemensch, dann auch gerne belassen: Das sind zwei Alben, auf denen der Meister mal einfach drauflosgespielt hat, er hat alle Spuren nacheinander selber aufgenommen und die Mikrophone direkt ins Mehrspurtonbandgerät gestöpselt, hört sie euch doch mal wieder an, wir haben klanglich auch so einiges herausholen können. Und wer Paul McCartney ist, wisst ihr ja sowieso. Aber da könnte ich mich dann wieder nicht gegen meinen Chef durchsetzen, der ja auf solchen Superlativkram zu stehen scheint und noch so tut, als seien die Golden Globes irgendwie relevant.
Die beiden Alben rahmen das erste Jahrzehnt nach den Beatles ein wie zwei Buchstützen, und diese schöne Formulierung stammt natürlich nicht von mir, sondern von dem Pressemenschen, der allerdings wieder gezwungen wurde, auch die Musikgeschichte irgendwie mit unterzubringen**, es war ansonsten ja das Wings-Jahrzehnt, allerdings klemmt zwischen der linken Buchstütze und den gesammelten Werken der Wings-Ära gleich zu Beginn noch so ein eher unbekanntes Album, das von den Fans aber sehr geschätzt wird: Ram von 1971, angeblich von Paul & Linda McCartney, und obwohl dieses in einem professionellen Studio mit ebensolchen Musikern aufgenommen wurde, verströmt es einen sehr handgemachten, unschuldigen Charme, z.B. mit diesem wirklich zauberhaften Stückchen.
Nun hat irritierenderweise ein Musiker das komplette Album neu aufgenommen. Ganz alleine (bis auf den weiblichen Hintergrundgesang) und innerhalb von nur vier Wochen. Noch irritierendererweise hat er, Dave Depper sein Name, praktisch nichts verändert - so wie man es von den üblichen Cover- und Tribute-Alben ja inzwischen erwartet - sondern Instrumentierung, Arrangements und Gesang exakt so belassen, wie man sie vom Original kennt.
"Wie langweilig", war mein erster Gedanke, und ich habe mich getäuscht. Denn natürlich ist es seine (nicht besonders tolle) Stimme, die da singt, natürlich klingen auch die Instrumente nicht ganz exakt so wie auf der originalen Platte, und genau das bietet die Chance, diese Stücke neu und frei anzuhören, sie ohne den Ballast des ganzen Spät- und Post-Beatles-Gezickes auf sich wirken zu lassen, ohne das Wissen, was davor war und was danach kommen würde, ohne auch die musikalische Gefahr mitzudenken, in der McCartney in den 70ern beinahe umgekommen wäre, nämlich nur noch polierte und mit Keyboardsoße übergossene Belanglosigkeiten abzuliefern. Und wer hätte es gedacht: Ein Stück wie Dear Boy, bei dessen Linda-Harmonien ich bislang reichlich zwiegespalten war, wird ansatzlos wieder zum Ohrwurm, gerade wegen dieser tollen Harmoniegesänge, und ausdrücklich inklusive des "ftf ftf, ftf ftf!". Sie können sich's hier übrigens kostenlos und legal herunterladen. Und so unangestrengt und entspannt macht das alles doch gleich viel mehr Spaß - oh, jetzt habe ich ganz vergessen zu erwähnen, dass dieses Album ganz viele Wochen auf Platz eins war und übrigens auch die Smash-Hitsingle - ach, nein, das lassen wir heute mal weg, der Chef ist gerade im Urlaub.
Edit: Hier gibt's noch ein wenig mehr über das "Ram Project" lesen, sehe ich gerade.
--
*Nein, ich kenne die auch nicht.
** "The musical achievement of McCartney and McCartney II are noted in the annals of music history as they serve as bookends to the historic first chapter of McCartney's solo career."
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Radio Weser.TV nennt sich der Sender, der mir so manchen Tag bereichert, und damit sind die gelegentlich unbeholfen und linkisch, den nordischen Dialekt manchmal nur mühsam unterdrückt sprechenden Sprecher des Bürgerfunks ausdrücklich mitgemeint. Wie gerne höre ich jemandem zu, der unprofessionell, aber mit Interesse und manchmal abseitiger Leidenschaft irgendwelche vergessenen Krautrocklieder oder Heimcomputerklänge spielt. Wie gerne lausche ich, wenn zwei Menschen im unprofessionellen Heimstudio nicht merken, dass das Mikrofon "offen" ist. Wenn unmotivierte Pausen entstehen. Wenn mir etwas über Musikstücke oder Themen erzählt wird, von denen ich keine Ahnung habe! Und wieviel lieber tue ich das vor allem, als mich von den öligen Profisprechern ankumpeln zu lassen, die ihre inszenierten Zweiergespräche auf geradezu ekelerregende Weise inzwischen auch während der Nachrichten fortsetzen: "... soviel zu diesem Thema aus unserer Region, und weltweit geht aber auch noch einiges ab, oder, Torsten?" - "Ja. In Fukushima gibt's weiter heftige Probleme. Bla bla.", man möchte manchmal dreinschlagen.
Längst nicht alles auf dieser kleinen, bürgerfunkigen Insel im schmoddrigen Ozean der Kommerzwellen gefällt mir, und gerade wenn's um Musik geht, gibt es nun mal auch weite Felder, die ich nur mit unangenehmen Gefühlen betreten kann. Geschmack ist nun mal Geschmackssache, und so kann ich den Sender auch nicht pausenlos hören - aber vor einigen Tagen, nachdem mir schon morgens unbekannte, aber äußerst angenehme Franzosenklänge den Frühlingsmorgen verschönert hatten, wählte ich zur rechten Zeit dann doch wieder die rechte Frequenz. Denn was sich da von den eingebauten Lautsprechern in Fahrer- und Beifahrertür den Weg in mein Gehör bahnte, haute mich geradewegs um. Ich fuhr gerade noch so an den Rand, regelte die Lautstärke nach oben, schloss die Augen, ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen und lauschte buchstäblich hingerissen.
Nicht alles an diesem Internet ist ja schlecht, und so suchte ich bei nächster Gelegenheit nach der sogenannten Playlist für den betreffenden Tag um die betreffende Zeit, und was ich fand, las sich so:
Warning: fopen() [function.fopen]: php_network_getaddresses: getaddrinfo failed: Name or service not known in /virtual-servers/www.radiowesertv.de/html/typo3conf/ext/page_php_content/pi1/class.tx_pagephpcontent_pi1.php(55) : eval()'d code on line 15
Eine E-Mail jedoch, freundlich im Ton und dringend in der Sache, wurde ebenso freundlich und auch sehr prompt beantwortet:
Moin nnierFiebrig den Anhang öffnend war der Fall sehr schnell klar: Dieser Herr ist es, das Stück stammt von diesem Album aus dem Jahre 1982, und es ist offenbar ganz schön schwer zu spielen. Die Originalversion müssen Sie sich leider selber suchen - und ich mir womöglich mal wieder eine CD kaufen. Und dann ab ins Auto damit! Diese fantastischen, lange gehaltenen Töne der Holzbläser kommen da erst so richtig raus.
an der Playlist wird gearbeitet. Derzeit besteht die Möglichkeit sich telefonisch bei uns nach der Musik zu erkundigen. Dazu benötigen wir allerdings die genau Uhrzeit zu der die Stücke gespielt wurden.
Im Anhang die Playlist zwischen 13.00 - 14.00 Uhr
Beste Grüße
S. H.
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Der Bahnhof Lime Street liegt auf einem Hügel oberhalb der Liverpooler Innenstadt. Man kann ihn nach drei Seiten verlassen, z.B. zur Innenstadt:

Möchte man Säulen und Löwen anschauen, geht man in diese Richtung:

Was ich nicht ganz verstehe, ist, warum es diesen dritten Ausgang gibt, hügelaufwärts, denn dort oben möchte doch bestimmt niemand hingehen:

Man kommt in eine ziemlich heruntergekommene Gegend, kratzt sich am Kopf, biegt noch einmal um die Ecke und befindet sich in einer wirklich nicht besonders hübsch anzusehenden Seitenstraße:

Paul McCartney ist 68 Jahre alt, Milliardär, und hat auch im vergangenen Jahr viele große Konzerte gegeben. Man sieht hauptsächlich glückliche Gesichter in diesen Konzerten, und wenn zwischendurch ein weniger bekanntes Solostück gegeben wird, gehen die Leute sich ein Bier holen oder schreiben etwas in ihr Smartphone, z.B. dass sie gerade in einem tollen Konzert seien, das Lied jetzt gerade sei zwar nicht so der Bringer, aber davor, The Long and Winding Road, das sei schon echt ergreifend gewesen, und Drive My Car, unglaublich, wie das immer noch rockt!

Wenn man 68 ist und Milliardär und schließlich und endlich seinen Status als Nr. 1 zurückerobert hat, nach den bitteren 80ern, als Phil Collins der Megastar war und John Lennon heiliges Genie, irdischen Maßstäben längst entrückt, nach den 90ern, in denen man langsam und gegen viele Vorurteile der Welt klarmachen konnte, dass man nicht nur der nette und harmlose Balladenschreiber und -sänger war, nein, Get Back und Sgt. Pepper's Loneley Hearts Club Band und Got to Get You Into My Life, mal ganz abgesehen von Helter Skelter, und die Balladen sind nun mal unsterblich, Let It Be und Hey Jude und Yesterday, und wie ungerecht es war, wenn die Leute immer John am tollsten fanden, und fragte man sie mal nach ihrem Lieblingslied von den Beatles, dann nannten sie garantiert eins von Paul, mich hätte das auch genervt, und was für eine Rückkehr das war, 1989/90 - Tochter Mary sagte später, sie habe ja irgendwie gewusst, dass ihr Papa berühmt sei, aber wie berühmt, und wie sehr die Leute ihn liebten, das sei ihr erst auf dieser Tour klargeworden, ich habe sie damals manchmal das Publikum filmen sehen aus diesem Graben vor der Bühne heraus, mit ihrer Videokamera, sie ist etwa so alt wie ich und hat eben im selben Alter die 80er Jahre erlebt, als man wusste, dass es ihn noch gab, und doch schien er so weit weg, und nun filmte sie allabendlich direkt in diese fassungslosen, ergriffenen, heulenden Gesichter.

Wenn man sich also seinen Status zurückerobert hat, und Sie haben sicher gemerkt, dass ich den obigen Satz nicht vollendet habe, spätestens bei der megagroßen und -erfolgreichen Tour 2003 sollte das vollbracht gewesen sein, immer mehr Kritiker leisteten Abbitte, immer öfter wurde sogar sein Solowerk positiv besprochen, die Fans nickten wissend, dann fängt es langsam an, dass diese Fans sagen: Es ist ja schön und gut mit diesen ganzen Beatlesliedern und den paar großen Solohits, nicht wahr, aber richtig toll wäre es doch mal, wenn er That Woud Be Something spielen würde oder Oh Woman, Oh Why, oder auch mal ein Lied aus dem vorletzten Soloalbum, denn sonst wirkt es ja immer so, als seien die Lieder aus dem aktuellen Album halt gezwungenermaßen dabei und würden wieder entsorgt, sobald das möglich ist.

Wenn man also auf dem Roten Platz gespielt hat und im Weißen Haus und eine Übertragung zur Raumstation gemacht hat, wenn man auch diesen Rekord und jene Auszeichnung noch eingefahren hat, wenn Konzerte immer wieder in Minuten ausverkauft sind und man von der Welt insgesamt geliebt wird wie sonst kaum jemand, so stelle ich es mir vor, dann ist man sicherlich frei, zu tun, wozu man Lust hat und vor allem die Lieder zu spielen, die man möchte. Erst recht, wenn man vor 1200 Menschen spielt, die sich einen Ast freuen, dass sie dabeisein dürfen, die z.T. sehr viel Geld ausgegeben haben, um aus Amerika oder Japan anzureisen, und die das alles sicher nicht getan hätten, wenn sie Zweifel daran hätten, dass Let it Be oder Hey Jude große Songs sind.

Anthem Fatigue nennt es der Kritiker in der New York Times, das Thema hat also den Mainstream erreicht, die Fans nicken wissend und wünschen sich manchmal, dass Herr McCartney ihnen etwas mehr zutraute. Und auch wenn ich hier in diesem Blog gerne den Fanboy gebe, der noch einer Telefonbuchlesung begeistert lauschen würde, wäre das etwas, das mich wirklich freuen würde.

There are some listeners curious about, and genuinely interested in, Mr. McCartney’s loose moments and toss-offs, who feel that “Hey Jude” has penetrated deeply enough into the world’s culture, who admire the intuitive outtake-i-ness of records like “Ram” and “McCartney II,” and who wouldn’t mind a little more texture in his shows.
[Q]
Die Füße waren kalt, die Hoffnung am Boden, es gab diesen unangenehm schweinchenhaft aussehenden Schwarzhändler, der mir immer wieder sein Ticket für einen absurden Preis anbot, es gab den Zivilpolizisten, der plötzlich neben mir stand und mir zuraunte, ich solle bloß aufpassen, da seien gefälschte Tickets im Umlauf, er ließ mich dann seine Polizeimarke sehen, es gab die glücklichen Ticketbesitzer und die verzweifelten Sucher, und langsam begann ich einzusehen, dass es diesmal wohl nichts werden würde.
Es kam wie aus dem Kopenhagener Drehbuch abgeschrieben eine Frau daher, die mein Suchschild gesehen hatte. Sie sah mich an, murmelte etwas, ging zum Ticketschalter, holte einen Umschlag ab und kam wieder auf mich zu. Es kann sein, dass ich eines übrig habe, ich muss mal nachsehen, sprach sie, und andere Sucher drängten sich hinzu, mein Sohn konnte nicht mitkommen, sagte sie, zeigte mir das Ticket, und die anderen schrien, dass sie ihr sofort eine Fantastilliarde zahlen, während ich sprach: Was möchten Sie denn dafür haben, ein Vermögen kann ich nicht bezahlen - aber bitte sagen Sie mir, was Sie haben wollen, dann sage ich Ihnen, ob ich es zahlen kann, und sie sagte: Ach, ich habe ja nur soundsoviel bezahlt, und die anderen schrien: Ich zahle zwei Fantastiliarden!, während ich sprach: Kaufen Sie Ihrem Sohn etwas Schönes zu Weihnachten, bot einen moderaten Aufpreis, sie nickte, ich zahlte und nahm das Ticket entgegen, die anderen Sucher sahen mich entsetzt an, ich sagte der Frau: Wissen Sie, dass Sie mich gerade sehr glücklich gemacht haben!, winkte den anderen zu und reihte mich in die Schlange der Wartenden vor dem Eingang in dieser heruntergekommenen Seitenstraße.
Es wurde Let it Be gespielt und Hey Jude und überhaupt alles, da ist er wohl selbst ein Gefangener, und ich war ganz nah an der Bühne und konnte mein Glück wieder nicht fassen, da steht er, ein paar Meter vor dir, ich werde das nie begreifen, und dann geht es auch noch so los!*
"Isn't he amazing?", sagt die Mittfünfzigerin neben mir, auch sie hat dieses glückliche Gesicht, man lächelt sich zu und weiß, dass das alles eigentlich gar nicht wahr sein kann, wir stehen da wie die Teenies und schwitzen und er ist 68 und bräuchte das schon längst nicht mehr zu machen, und wir lassen uns erzählen, dass George ein sehr guter Ukulelenspieler war, als hätten wir das noch nicht gewusst.
Sehr gefreut habe ich mich dann auch über dieses Stück**:
"So you finally got in, mate?", fragte der Mann aus der Pommes- und Kaffeebude, der mich den ganzen Tag beobachtet hatte, ich nickte, er reckte den Daumen nach oben und ich lief zurück ins Hotel.
Ihre Ohrringe habe sie verloren, erzählte mir diese Amerikanerin am nächsten Tag, während sie mühsam etwas von der Wand schabte, ob ich gestern auch dagewesen sei, es sei brillant gewesen, und dieses zerknüllte und steifgefrorene Plakat werde sie mit dem Flugzeug schon nach Hause bringen, irgendwie.
--
*Honey Hush aus dem mal wieder vollkommen ignorierten Album Run Devil Run von 1999, Original von Big Joe Turner 1953
**Don't Let the Sun Catch You Crying, Original von Gerry & the Pacemakers 1964 komponiert von Joe Greene, bekannte Version von Ray Charles 1959/60. Die beiden Lieder werden offenbar nicht nur von mir verwechselt und haben tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit.
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Die 70er waren aus meiner Sicht auch für McCartney kein gutes Jahrzehnt, auch wenn bei ihm eher das Gegenteil der Fall war: Da überdeckte oft eine glatte Produktion den Mangel an Kreativität, Ausnahmen natürlich ausgenommen - das erste Soloalbum war ein geradezu primitives Heimstudiowerk - und ich kann vielen der keyboard- und streicherlastigen Wings-Stücke, aber auch den meisten der gewollt rockig und verzerrt daherkommenden E-Gitarren-Stücke nur wenig abgewinnen. "They tend to overplay", las ich mal irgendwo und kann mich dem nur anschließen.
Als herausragendes Werk seiner Solokarriere wird auch heute noch das 1973er Album Band on the Run genannt, in einer dürren Dreierbesetzung* unter widrigen Umständen in Lagos aufgenommen. Drei Stücke aus diesem Album waren eigentlich auf jedem Konzert vertreten, inzwischen sind es fünf, was damit zu tun haben mag, dass eine klangtechnisch aufgemöbelte Version des Albums angekündigt war (und inzwischen erschienen ist).
Es ist kein schlechtes Album, die Lobpreisungen allerdings kann ich auch nicht ganz nachvollziehen; es handelt sich, um mal einen Ausdruck weiter abzunutzen, um eingängige Popsongs, die für mich in der Studioversion trotzdem nicht umwerfend gut sind. Live dagegen ist vor allem Jet für mich immer wieder der Moment, bei dem das Konzert erst richtig losgeht, und auch Mrs. Vandebilt und Nineteen Hundred and Eighty-Five entfalten im Konzert ungeahnte Qualitäten und bringen sogar manchen Verweser in Schwung.
Ein weniger bekannter Song aus dem Album heißt Let me Roll it. Zu Zeiten der Kämpfchen und Nachtretereien entstanden (How Do You Sleep?) kann man wohl auch dieses Stück mit seinem harmlosen Text als Stichelei in eine gewisse Richtung deuten, wenngleich es heute schon eher wie eine Hommage klingt: Der Gesangsstil samt Echo-Effekt entspricht jedenfalls ziemlich genau dem Lennons zu jener Zeit, und wenn man ganz zum Schluss ein kurzes "Oh-oh-ohhh" hört, muss ich nicht nur regelmäßig lächeln, sondern natürlich an Lennons seelengepeinigte Ur- und sonstige Schreie denken.
Was mich zurück zu jenem führt, der 1980 nach jahrelangem Rückzug das Album Double Fantasy veröffentlichte, das letzte zu Lebzeiten, das übrigens in den Hitparaden zwar freundlich aufgenommen worden, aber auch schon wieder am Sinken war, bevor Lennons Tod es für Wochen wieder an die Spitzen beförderte. Ich besitze dieses Album nicht einmal, kenne aber natürlich die Lieder**: Das triefende Woman und das schon ganz flotte (Just Like) Starting Over vorneweg, mit denen er zeigte, dass er sein Handwerk noch beherrschte - nicht mehr und nicht weniger. Es hat mich oft der überproduzierte, glatte 80er-Jahre-Klang gestört, die massiven "Doo-bee-doo"-Chöre mag ich auch nicht immer, vor allem aber habe ich stets bedauert, wie sehr seine Stimme mit Echo verfremdet und gedoppelt wurde. Und nun gibt es dieses Album in einer "Stripped-Down"-Version, und ich habe ein Problem damit.
Irgendwo in der unüberschaubaren Beatles-Bibliothek stand zu lesen, dass Lennon ab einem gewissen Zeitpunkt, schon zu Beatles-Zeiten, seine Stimme nicht mehr "pur" aufnehmen mochte, und wenn man sich durch den späten Katalog hört, fällte einem tatsächlich auf, dass sein Gesang bei so gut wie allen Stücken doppelt aufgenommen (bzw. künstlich gedoppelt) und/oder mit Hall/Echo versetzt wurde. Auch was meine (lückenhaften) Kenntnisse seines Solowerks angeht, erinnere ich mich an kaum ein Stück, bei dem das nicht der Fall wäre.
Und nun das "Stripped Down"-Album: Ich müsste lügen, würde ich nicht zugeben, dass ich ein archäologisches Interesse an allen Einzelheiten der Beatles- und vieler Solostücke hätte. Gäbe es das Rohmaterial, also alle vorhandenen Einzelspuren, zu kaufen, wäre ich der erste, der sie sich besorgen, einzeln anhören und dann mit einem Mischpult fröhlich herumspielen würde. Dass die Klangeffekte und Doo-Wop-Spuren herausgenommen wurden, macht die Aufnahmen sozusagen wissenschaftlich interessant für mich. Und schlecht klingen tut's sicherlich nicht.
Andererseits beschleichen mich komische Gefühle. Ich werde den Eindruck nicht los, dass hier etwas gegen den Willen eines Künstlers getan wurde, der sich nicht mehr wehren kann. Und während ich der nackten und plötzlich viel verletzlicher klingenden Stimme lausche, singe ich (zur Melodie von "Doo Bee Doo Wah") den Hintergrundchorus: Leichenfledderei.
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* Davon zwei Musiker. Sorry, Linda.
** Jedenfalls die von John. Sorry, Yoko.
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Damals waren sie alle noch jung, und in irgendeinem Artikel anlässlich des unsäglichen Dancing in the Street hatte es sinngemäß geheißen: Jagger befinde sich in einer Sackgasse, das mit dem vielen Rumrennen könne er ja wohl nicht mehr lange machen, Bowie dagegen bewege sich viel zurückhaltender und den könne man sich, warum nicht, auch mit 40 noch vorstellen. Das waren die Maßstäbe, und bei den 1989er-Konzerten stand McCartney nun im albern hohen Lebensalter von 47 Jahren auf der Bühne und machte Menschen glücklich; natürlich war die Vorstellung komplett absurd, dass er das mit 64 noch tun würde.
Nein, er habe keine Gesangstechnik, er singe immer so drauflos, sagt er in den Interviews, und übrigens spielt und singt er die Lieder immer in ihrer originalen Tonlage, da ist nichts heruntertransponiert. 2003 wurde das Stück We Can Work It Out dann auch entsprechend anstrengend ("Life is very short / And there's no ti-i-i-i-ime / For fussing and fighting my friend ..."). Davon abgesehen war ich gerade auf dieser Tour verblüfft, wie gut er bei Stimme war. Hört man Aufzeichnungen von 1989 im Vergleich mit 2003, dann sind es die früheren, bei denen die Stimme manchmal wegbricht. Umso bemerkenswerter, da seine Sprechstimme seit einigen Jahren sehr rauh und vor allem tief klingt. In einem Lied, das vor ein paar Jahren entstand, kann man das ausnahmsweise hören.
Inzwischen hört man öfter von "schlechten Tagen", an denen seine Stimme nicht mehr alles mitmache, und wenn man sich hier z.B. die ersten 30 Sekunden anhört, aufgenommen vor ein paar Tagen, dann scheint auch etwas dran zu sein.
Und das ist mir sowas von egal, wenn ich am nächsten Wochenende mit meinem silly old age in der Menge stehe und mich freue, dass ich das noch erleben darf. Vor ein paar Tagen ist er übrigens 68 geworden.
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*Ja, ja. Aber so stand's da.
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Dann lieber eine Karte gewinnen oder demnächst mal bei arte vorbeischauen. Ach, oder, hach, na gut, fliege ich ehmd zum Hyde Park, wo letztes Jahr plötzlich ein großväterlicher Yuppie rumhing und gönnerhaft zwei Töne auf einem Metallofon angehauen hat.
Manchmal geht er mir auf die Nerven, wenn er sich z.B. nicht entscheiden kann, ob er die Leute ernst nehmen oder verarschen will. Sowas hier:
[Video nicht mehr auffindbar]
Und muss er sich so peinlich bei den Farcebook- und Twitterzombies anbiedern?
Dann wieder denkt man, hach, soll er sich halt albern benehmen, und bestimmt wird das toll im Hyde Park.
[Video nicht mehr auffindbar]
Auch wenn da erst noch so andere auftreten.
8< ----- Schnipp ----->8

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Mein Leben lang kannte ich das so: stereo (mp3, 205 KB) . Stellen Sie sich nun mein Entzücken vor, als ich die Mono-Version hörte: mono (mp3, 221 KB) . Wahnsinn, oder?
Überhaupt, das Weiße Album. Und mit diesem straighten Rocker von Paul geht die Reise los, ein klarer Gruß Richtung Kalifornien, und die Doppeldeutigkeit mit Georgia, und die tolle Zeile On [oder: All?] the way the paper bag was on my knees, Ringo war bei den Aufnahmen übrigens nicht dabei, an den Drums hört man - wie? Bitte? Sie hören da keinen Unterschied? Oh je. Nein, ich meine nicht, dass das eine Stereo ist und das andere Mono. Das ist doch klar, dass das Flugzeug in mono nicht so schön von rechts nach links fliegen kann! Ich meine den insgesamt anderen Klang, das geht ja schon mit dem eingeblendeten Flugzeuggeräusch los, es ist unterschiedlich, und vor allem: wie prominent in der Monoversion das "Twang" ist! Hören Sie doch noch mal genau hin: stereo (mp3, 205 KB) . mono (mp3, 221 KB) . Jetzt klar? NEIN? Oha. O-ha. Hm. Warten Sie. Ich mach's jetzt mal sehr deutlich, aber mal sowas von: stereo_twang (mp3, 18 KB) . mono__twang (mp3, 27 KB) . stereo_twang (mp3, 18 KB) . mono__twang (mp3, 27 KB) . stereo_twang (mp3, 18 KB) . mono__twang (mp3, 27 KB) . Wer das nicht hört, ich meine - gut. Dann nicht.
Übrigens: Um Wasserflecken von Holzflächen zu entfernen, verreibt man eine Mischung aus Zigarettenasche und Butter mit einem feuchten Tuch darauf, reibt sie ein und poliert nach. Hätte ich nicht gedacht, ich meine: Das hört sich ja so an, als würde man gerade erst Flecken machen, statt sie zu entfernen - oder Fettflecken statt Wasserflecken, hö.
Oder warten Sie mal - ich hab' da noch ein Bild, das haut Sie garantiert um:

Hö hö! Sysifuss - wegen Fußball! Da muss man erst mal drauf kommen! Wir hatten da einen in der Klasse damals - hö hö! Wahnsinn, der haute die Sprüche raus - du hast dich weggeschmissen. Zum Beispiel das eine Mal auf Klassenfahrt - wir waren wieder im Harz, und da war dieser eine Lehrer - ach? Sie müssen gehen? Alle ? Oh. Ach so. Ja, kann man nichts machen. Ja, verstehe ich, dass Sie das Wort zum Sonntag nicht verpassen wollen. Ja. Bis die Tage. Tschö mit "ö", he he.
Wohl bin ich ausgebrannt.
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* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!