Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Freitag, 26. Juni 2009
Tags: Genie Jackson Michael Michael Jackson Monster tot
nnier | 26. Juni 2009 | Topic Musiq
Es ist ja schon so, dass ich Billie Jean für ein gutes Stück Musik halte, und dann gab's vom selben 83er Album noch den Mitgröhler Beat it - ansonsten hat mich am musikalischen Schaffen des Michael J. wenig beeindruckt oder gar interessiert. Eher schon gestört, da er in einer schlechten Zeit am Eindruck des Stillstands und der verzweifelten Ideenlosigkeit eines von mir geschätzten Musikers nicht ganz unbeteiligt war. Während ich dem am Reißbrett entworfenen Say Say Say immerhin noch handwerkliche Qualität bescheinige, das Video war mir übrigens wie immer herzlich egal, fielen für beide Seiten noch am Reißbrett entworfene schreckliche Schnulzen ab, die dann auf den jeweiligen Alben untergebracht wurden. Bah.

Einmal, in Frankreich, auf einer weithin misslungenen Urlaubsreise, musste ich sein damals aktuelles Album Bad im Auto rauf- und runterhören, 3:1 gegen mich, und dass es noch schlimmer ging (das aktuelle Album der Communards befand sich auf der anderen Cassettenseite), tröstete mich nur schwach. Ich hielt dann erbarmungslos mit obskuren B-Seiten einzelner, wenig bekannter Mitglieder von Yes und Genesis dagegen.

Was dann noch kam, ging weithin an mir vorbei. Klar, man empörte sich darüber, dass der King of Pop irgendwie den Beatles-Songkatalog gekauft hatte und dass Paul McCartney nun Tantiemen berappen musste, wenn er seine eigenen Lieder spielte. Aber das war, so dachte ich, eben auch das Ergebnis eigener Blödheit oder eigenen Geizes, jedenfalls von seiten des Herrn McCartney selbstverschuldet, der ja seinerseits auch nie zimperlich war, wenn es um Geschäfte mit musikalischen Besitzständen ging. Mir wurscht. Eher freute es mich, dass Jackson offensichtlich nicht auf Teufel-komm-raus die Beatlesstücke zu Geld machen wollte. Zumindest hatte ich eine Zeit lang befürchtet, dass mir meine Lieblinglieder durch Missbrauch in Werbespots verleidet werden könnten. Und das geschah nicht.

Natürlich bin ich kein Freund von Kindesmissbrauchern; aber was mich nachdenklich stimmte, damals, als aus dem Helden plötzlich Monster und Witzfigur wurde, war, wie jemand öffentlich gedemütigt und zum Freak gestempelt wurde, der mit Identitäten herumgespielt hatte. Auf eine Weise, die für viele offenbar zutiefst verstörend war. Neger ist Neger, Mann ist Mann, und wenn sich da jemand plötzlich äußerlich immer weniger vereindeutigen lässt, kommen anscheinend ganz rustikale Gefühle und Abneigungen zum Vorschein, die sich dann in tumben Michael-Jackson-Witzchen usw. äußern. Und so kam die anrüchige Kindergeschichte eben auch genau recht, um den Alien zum Monster zu stempeln. (Noch heute früh hieß es beim Spiegel pietätvoll "Michael Jackson tot: Monster und Genie", Datum: 26.06.2009, 10:15 Uhr. Kategorie: Unterhaltung Quelle: Spiegel.de. Tags: Genie Jackson Michael Michael Jackson Monster tot. zur vollständigen News ..., inzwischen ist man bei Das monströse Genie).

Das alles hat seine zwei Seiten, denn auch ich habe meine Zweifel, ob plastische Chirurgie und extreme Weltflucht ins eigene Neverland der Weg zur Erleuchtung sind. Aber die Wucht, mit der hier gegen unscharfe Geschlechter- und "Rassen"-Bilder gewütet wurde, während andere, fragwürdige Konstruktionen wie z.B. dickhosige Gangstas oder die ganzen Fick-mich-Sängerinnen niemals so plump diffamiert wurden, beunruhigte mich wesentlich mehr, als ich über die ewigen und naheliegenden Verhöhnungen lachen konnte.

Beruflicherdings erfuhr ich vor einigen Monaten von den anberaumten Auftritten in London, wettete selbstverständlich auf eine Absage, "größte Rückabwicklung aller Zeiten" usw., denn, so meinte ich, selbst unter Anwendung aller Tricks (Playback usw.) sei Michael J. unter keinen Umständen den körperlichen Anforderungen an ein Konzert, geschweige denn 50 Konzerte, gewachsen. Und wer hätte sich einen alten Michael Jackson eigentlich vorstellen können?

Trotzdem erschrak ich heute früh. Schade, dass es so enden musste.

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Donnerstag, 25. Juni 2009
Und wieder
nnier | 25. Juni 2009 | Topic In echt
Sie werden mir sowieso nicht glauben, was mir vorhin in der Innenstadt widerfuhr. Es passt zu gut zum aktuellen Thema.

Vier äußerst attraktive junge Damen kamen mir entgegen. Sie trugen ein großes, buntes Pappschild. Ich war gerade noch dabei, dessen Aufschrift zu entziffern ("Gratis-Umarmung", meinte ich zu erkennen, tss!) und fragte mich, was da wohl tatsächlich stehe, denn da spielt einem die Phantasie ja gerne mal einen, äh, Freudschen Verleser, doch schon wurde ich aufs Entzückendste angelächelt, ein Paar Arme breitete sich aus, und man fragte mich: "Wollen Sie mitmachen?" - "Äh." - "Es ist für einen guten Zweck, fürs Rote Kreuz!" - "Äh. Ich soll dabei wohl fotografiert werden, hm?" - "Ja, aber das wird nicht veröffentlicht." - "Bedaure, nein!", sprach mein Mund und meine Beine liefen weiter.

"Hoffentlich geraten diese lieben, guten Menschen nicht an unwürdiges, rohes Volk - Rowdys oder Rüpel, die mit ihrer edlen Gesinnung Schindluder treiben", ging es mir durch den Kopf, bevor mir die unbestreitbaren humanitären Verdienste des Roten Kreuzes bewusst wurden und mir also der Gedanke kam, dass man nicht immer nur nehmen darf, sondern auch mal geben muss, und es ist ja für einen guten Zweck.

Ich bin dann noch den ganzen Nachmittag durch die Stadt ge

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Dienstag, 23. Juni 2009
Verpasste Gelegenheiten
nnier | 23. Juni 2009 | Topic Brainphuq
There are places I'll remember
All my life though some have changed
(The Beatles)
"Rasieren Sie sich trocken oder nass?", sprach mich eine adrette Frau reifen Alters unvermittelt an.

"Bittewas?", war meine Antwort, "woher rührt die Frage?", und ich überlegte kurz, ob es damit zusammenhinge, und wenn, ob ich deswegen auch gleich aller Welt, so adrett sie auch auftreten mag, auskunftspflichtig sei, doch man sprach schon ganz adrett weiter: "Weil, wenn Sie sich trocken rasieren, Sie die Chance haben, an einer Studie teilzunehmen. Sie können damit einfach und schnell Geld verdienen."

Ich sah mich um, auf dem Vorplatz vor dem großen Haus, das ich (Zi. 1055) heute auch aufsuchen musste, und stellte fest, dass man hier tatsächlich gute Chancen hat, auf mangelhaft rasierte Menschen zu treffen, die zudem, so vermute ich, einem "schnellen Euro" nicht alle grundsätzlich abgeneigt sind. Und im nachhinein bedaure ich meine allzu vorschnelle, professionell freundlich vorgetragene negative Antwort, denn schon als die Dame auf die Ansammlung rauchender und herumstehender Menschen zuging, überlegte ich, dass man so etwas doch auch mal mitgemacht haben sollte. Beim nächsten Mal also, sofern es nicht um Arzneimitteltests geht, werde ich weniger reflexhaft reagieren und eine voreilig ausgesprochene Entscheidung nötigenfalls revidieren.

Sonst geht es mir immer wieder wie damals, in der Hamburger Farm ("Ein Hamburger aus der Hamburger Farm / Der schmeckt mir so famos / Ja, so ein Leckerbissen / Da wird reingebissen / Denn der macht mich stark und groß" - der Freddy Farmburger Song), dem ersten Schnellrestaurant US-amerikanischer Prägung, das in meiner Heimatstadt eröffnete und sich, so meine ich, im Besitz der Schnellfischrestaurantkette (oder Fischschnellrestaurant?) Nordsee befand.

Mein beleibtester Mitschüler feierte dort seinen Kindergeburtstag, was mir damals vollkommen seltsam erschien. Am Geburtstag, da gab's doch zu Hause Kakao und Kuchen, Topfschlagen und Eierlaufen, und man lernte die Zimmer und die Eltern seiner Freunde kennen, und man rannte dann irgendwann wild draußen herum und spielte Silberpfeil gegen die Zylonen!?

Manche freuten sich dennoch auf den Besuch in dieser Frühversion einer Burgerbraterei, man versammelte sich dann mit bunten Papphüten in einer kleinen, bunten Hütte und wurde dort mit Limonade und Fastfood vollgestopft.

"Ich mag aber keine Hamburger", behauptete ich, denn ich hatte gelernt, dass diese ungesund seien und überhaupt ganz ekelhaft schmeckten. Und widerstand im Lauf der nächsten Stunden jedweder Animation, es doch wenigstens zu probieren, sah den anderen beim Vertilgen unglaublicher Mengen zu und kaute auf meinen trockenen Pommes Frites herum. Zum Abschied, nach irgendwelchen animierten Spielen, sollte es erneut zu einer Bestellung kommen, ich bemerkte den nervösen Blick des beleibten Vaters in seine Brieftasche, und diesmal ließ ich mich von der Animateurin widerstrebend überreden, wenigstens einen kleinen Hamburger in einer Verpackung aus Pappe mitzunehmen.

Zu Hause angekommen stellte ich das Ding in den Backofen. Es roch gut. Ich biss in das knusprige Brötchen. Es schmeckte gut. Und noch heute muss ich an die vielen verpassten Hamburger denken, die ich nur aus Sturheit an jenem Tag nicht gegessen habe, verdammt noch mal.

Oder nehmen wir das Überraschungsei - genauso schlimm! Wir bekamen, wieder auf einem Kindergeburtstag, jeder eines. Und da ich so begierig auf den Inhalt war, legte ich die beiden Schokoladenhälften achtlos an den Rand meines Tellers, während ich das alberne Plastikspielzeug umständlich zusammenbaute. "Kannst du haben", sagte ich zu einem Jungen, der neben mir saß und die gute Kinderschokolade auch gleich aufaß. Und noch während er kaute, wurde mir schlagartig klar, dass ich einen furchtbaren Fehler begangen hatte. Aber ich wagte nicht, mein Angebot zu widerrufen.

Nichts als verpasste Gelegenheiten, das ganze Leben lang. So oft, wie ich dieses leckere Überraschungsei schon bereut habe, frage ich mich, ob ich diese Lücke jemals werde füllen können. Ich fürchte, selbst mit einem ganzen Zimmer voller Überraschungseier (später, wenn ich mal Millionär bin) wird mir das nicht mehr gelingen.

Und bis weit ins Erwachsenenalter, ja, bis in die jüngste Vergangenheit spannt sich der Bogen. Sie alle kennen ja sicherlich den Einkaufswagenchip, jenes "pfiffige Produkt", für das ein ehemaliger Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler einst auf offiziellem Ministeriumspapier warb, damals, als die Einkaufswagen alle umgerüstet wurden und man sie fortan nur noch gegen 1.- DM Münzenpfand von der Kette lassen konnte, und mich überraschte doch sehr die Tatsache, dass man einen Plastikchip von der Größe eines Markstücks für deutlich mehr als 1.- DM verkaufen konnte, bis der Markt gesättigt war und man dazu überging, sie als Werbegeschenke zu verteilen.

Vor einigen Jahren nun bekam ich von meiner Liebsten einen Einkaufswagenchip geschenkt, von dem andere Menschen träumen. Er war aus Metall, matt gebürstet, mit einem diskreten Werbeaufdruck vom Baumarkt versehen und hatte am äußeren Rand Zacken nach Art eines Kreissägeblattes. Wie gerne hatte ich diesen Chip! Wie angenehm war das haptische Erlebnis! Und gesund war er bestimmt auch, da gibt es doch diese Akupressurpunkte.

Ich war im Baumarkt. Der Chip steckte im Wagen. Ich verlud die langen Bodendielen schwitzend auf den Dachgepäckträger. Das letzte Paket in der Hand, wurde ich von einem älteren Herrn angesprochen, ob er den Wagen haben könne. Er könne mir ja seinen Chip geben, dann müsse er nicht extra so weit laufen, um einen Wagen zu holen, und ich müsse meinen nicht extra so weit zurückbringen. Die Situation war verzwickt. Der Mann war freundlich und ein Türke. Mir fiel keine Notlüge ein, und ihm zu erklären, dass das aber mein Lieblingseinkaufswagenchip sei, stellte ich mir kompliziert vor, irgendwo im Hinterkopf befürchtete ich, man könne mir dies als dumme Ausrede auslegen, denn tatsächlich hätte ich nur etwas gegen Ausländer, und die Zeit lief.

"Nehmen Sie ihn", sagte ich unglücklich, und es zerriss mir das Herz, als ich einen abgenutzten, gelben Plastikchip von EDEKA entgegennahm, ich wäre am liebsten hinterhergelaufen und habe dies aus reiner Feigheit nicht getan. Aber was wäre schon die kleine Blamage, das von mir befürchtete (und im Falle des Eintretens leicht zu behebende) Missverständnis gegen die langfristigen Folgen, die ich seelisch davongetragen habe? Das ist jetzt gut zwei Jahre her, und wenn ich seitdem nur jeden zweiten Werktag einkaufen war, dann heißt das trotzdem, dass ich inzwischen etwa vier- bis fünfhundertmal an meinen schönen Kreisssägenchip gedacht und einen schmerzliches Verlustgefühl empfunden habe.
Though I know I'll never lose affection
For people and things that went before
I know I'll often stop and think about them
In my life I'll love you more

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Montag, 22. Juni 2009
Oma Rock Spreddelrationem*
nnier | 22. Juni 2009 | Topic In echt
(1, 2, 3, 4, 5, 6)

Ich z.B. hatte nie Latein und verstehe deshalb außer ein paar Asterixvokabeln ("Alea iacta est", "Ejaculatio praecox") kaum etwas, wenn sich zwei Päpste unterhalten. Das bedauere ich manchmal, da ich Sprachen interessant finde, und es bringt mich gelegentlich in die Situation, dass jemand vermutet, ich müsse dieses oder jenes doch sicher wissen, und doch kann ich meist nur aus dem Zusammenhang schließen, dass nolens volens wohl so etwas heißt wie "ohne es zu wollen" oder "unfreiwillig" oder "gegen jemandes eigenen Willen" oder "wohl oder übel". Ich kann aufgrund früher erworbener (und größtenteils längst verschütteter) Französisch- und Spanischkenntnisse manche Rückschlüsse ziehen, oft verstehe ich, so wie auch bei italienischen Texten, zumindest den ungefähren Zusammenhang, aber das ist etwas völlig anderes, als eine Sprache aktiv zu beherrschen oder auch nur eine Ahnung von Grammatik, Konjugationen, Deklinationen und den wichtigsten Zeitformen zu haben. Tja. Und deshalb will ich hier nicht so tun, als müsse jeder Französisch können, also, Oma Rock ist homophon mit au Maroc, welches mit "In Marokko" zu übersetzen ist, ein alberner Pennälerwitz also mal wieder, der zudem nicht mal von mir selber stammt, da diese Worte 1987 oder 1988 von meinem Sitznachbarn im Französischkurs während der Unterrichtseinheit Le Maghreb auf die Rückseite meines KÖEEEG-BEÖÖKs geschrieben wurden. Auf die letzten freien Quadratzentimeter, denn sowohl die stabilen Vorder- als auch die Rückseiten waren von innen und außen grundsätzlich komplett bemalt und vollgeschrieben, lange bevor das letzte Blatt entnommen -
ach, Sie wissen gar nicht, was ein KÖEEEG-BEÖÖK ist!?

Na, so ein Block, DIN A 4 i.d.R, 80 Blatt i.d.R., seitlich spiralgebunden, perforiert und gelocht, so dass man die Blätter später sauber herausreißen und in eine Mappe heften -
wie bitte? Ja, genau! Ja, "Kolleg-Block", he he, exakt, aber so heißen die ja nur am Anfang, als Rohling, das sind ja Halbfertigprodukte. Nämlich, wenn man den so neu und unfertig bekommt, dann kommt ja erst mal jede Menge Arbeit auf einen zu: Man muss auf der Titelseite zuerst aus jedem "L" ein "E" machen, dann aus dem "C" ein "O", und dann noch über jedes "O" die beiden Punkte setzen, dann endlich hat man einen KÖEEEG-BEÖÖK. Da kam im Lauf der Jahre einiges an Arbeit zusammen! Manchmal konnte ich mich dann gar nicht auf den Unterricht konzentrieren, das war ganz schön anstrengend, das jedes Mal wieder zu machen und dabei nicht nachlässig zu werden. Man hätte ja sonst nach dem zwanzigsten oder fünfzigsten Durchgang sagen können: Gut, das war's jetzt, eine schöne Zeit, eine wichtige Zeit, aber du bist jetzt älter geworden und deine Mitschüler haben gar nicht mehr solche vollgeschmierten Blöcke, sieh mal hin, da sind gar keine grinsenden Männchen auf den Blöcken, da steht gar nicht "Oma Rock" bei denen, da ist auf die Rückseite kein Butterbrot gezeichnet worden und auch keine hungrige Menge mit Transparenten, "Wir haben ein Recht auf Butter", "Für mehr Butter", und auch dieser Reporter davor, der dann immer kommentiert: "Unaufhaltsam wälzt sich die hungrige Menge etc. etc.", der ist immer nur bei dir da hinten drauf, und schließlich bist du jetzt schon seit einigen Jahren Student - ja, auf derartiges Suggestivgesäusel mag mancher schwache Geist hereingefallen sein, ich aber wusste, was meine Pflicht war und behandelte den Block nicht als schnödes Papierbündel, dem man gedankenlos mal hier, mal da ein Blatt entnimmt, um ihn am Ende, gefleddert und allen Inhalts beraubt, gedankenlos in den Müll zu geben, nein, ich erledigte zunächst die Pflicht (KÖEEEG-BEÖÖK sowie zwei, drei stets wiederkehrende Zeichnungen) und dann die Kür, d.h. wechselnde Motive oder auch mal kalligraphische Übungen, sofern diese sich mit dem schmierenden BIC-Kugelschreiber umsetzen ließen. Auch geistig wollte man ja beweglich bleiben und musste regelmäßig überprüfen, ob man den Handwerkertipp aus MAD immer noch auswendig konnte ("Das Toppen des Schliffs wird vereinfacht durch Noddeln der Quartschraube am Voss mit einem 0.5er Bohrer. Noch schneller kann quadriert werden, indem man die Hüppe am Maß rautet und den Schaab sternig annommt", puh, es geht noch).

Es gab da dieses Lateinbuch, Titel: Redde rationem, keine Ahnung, was das heißt, aber, wenn das da einfach so rumliegt, und man muss seine Mittagspause ja auch irgendwie herumbekommen jeden Tag, da heißt das Buch dann irgendwann Spreddelrationem, das fällt kaum auf, Schriftart und -farbe sind recht gut getroffen, und die Pause ist noch lang, warum soll das Buch nicht Spreddelrationemsiliuumscnarerareorationescumxilareumlicurdere heißen, und ich kann zwar kein Latein, aber das ist noch heute eines der wenigen lateinischen Wörter, die ich jederzeit auswendig hersagen kann.

[Weiter]

--
*Spreddelrationem = 7

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Sonntag, 21. Juni 2009
Love and Marriage
nnier | 21. Juni 2009 | Topic In echt
Mir fällt gerade auf, dass ich das Thema schon mal hatte, aber für eine entspannte Wochenendplauderei eignet es sich allemal, so facettenreich, oh, oder ich hatte es schon zweimal, bzw. noch öfter, fangen wir einfach an, da hat ja anscheinend jeder seinen Kaiserschmarren, seinen Eierlikör, seinen kaiserlichen Salat in angenehmer Erinnerung, ein Thema also, das Begeisterung und Identifikation, äh, z.B. war ich mal alleine zu Hause, so dreizehn, vierzehn zarte Jahre alt, und in dem dunklen Schrank, der die Brett- und sonstigen (Malefiz, Scrabble, Scotland Yard, Hase und Igel, Superhirn, Poch, Kniffel, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, Schach, Avalanche) beherbergte, befand sich ganz hinten auch ein großes Glas Rum- oder Weinbrandkirschen. Ich genoss dieses freie Wochenende in vollen Zügen, las, sah fern, schlief, las weiter, und eines abends beim Fernsehen erinnerte ich mich an das Glas, das da schon seit Jahren gestanden hatte, holte mir ein Schälchen mit Vanilleeis und übergoss dieses, wie ich es bei den Erwachsenen gesehen hatte, mit den Kirschen, die zwar etwas bitter, aber doch insgesamt süß genug schmeckten, so dass ich noch ordentlich nachnahm und mehrere Portionen Eis mit Kirschen verdrückte.

Die Strafe war fürchterlich. Ich übergab mich die halbe Nacht und schlief irgendwann im Flur ein. Später erfuhr ich von meinen Eltern, dass die Kirschen viel zu alt und längst verdorben gewesen waren, aufgrund mangelnder Alkoholerfahrung hatte ich den schlechten Geschmack aber nicht bemerkt, sondern geglaubt, das sei bei Alkohol nun mal so, Bier schmeckte schließlich auch bitter.

In irgendeiner winterlichen Oberstufenfreistunde kam ich mit zwei Gesellen auf die merkwürdige Idee, Wodka und andere fragwürdige Dinge zu kaufen und an Ort und Stelle zu verzehren. Die Teilnahme an der Geschichtsstunde sparten wir uns dann, holten lediglich unter entschuldigendem Gemurmel unser Gepäck aus dem Unterrichtsraum und wurden dabei von den Mitschülern belustigt angesehen (später erzählten sie uns, dass mit den ersten durch uns getätigten Atemzügen der ganze Raum penetrant nach Sprit gerochen habe). Wir waren ernsthaft angeschlagen und versuchten, den leicht ansteigenden und auch noch vereisten Weg Richtung Bushaltestelle zu nehmen, stürzten jedoch immer wieder und rutschten hilflos hinunter. Beim dritten Versuch sah ich zufällig zum Schulgebäude zurück. Die Besucher des Geschichtskurses standen ans Fenster gedrängt und bogen sich vor Lachen.

Wir erreichten irgendwann in den Bus, es ging mir inzwischen besser (ich muss ja jetzt nicht alle Einzelheiten, nicht wahr, und es ist ja auch immer dasselbe), der Bus fuhr bergauf, und irgendwann bekam ich einen Ellenbogen in die Rippen. Einer meiner Begleiter, dem es noch nicht wieder ganz so gut ging, saß auf der anderen Seite des Gangs, den Kopf auf die vordere Lehne aufgestützt, und völlig geräuschlos hatte er das im Bus erledigt, was andere, nicht wahr, schon hinter sich hatten, was ich hier jetzt auch gar nicht groß thematisieren würde, wäre der Anblick nicht so ein schöner gewesen. Denn der Bus fuhr ja bergauf, und aufgrund der Steigung, sie können sich das sicher bildlich vorstellen, umfloss die Bescherung nicht nur seine, sondern vor allem die Schuhe der hinter ihm sitzenden und in diesem Moment noch völlig ahnungslosen Dame, ein Paar wirklich bildhübscher Wildlederstiefel.

Ekelhaft, höre ich sie sagen, nun langt's aber, und nichts liegt mir ferner, als hier nun mit weiteren Kotzgeschichten aus meiner Jugend anzukommen. Kotzgeschichten aus der frühen Adoleszenz hingegen, die muss ich noch loswerden. Nehmen wir das Studentenwohnheim. Dort lebte ich in einer Achter-WG, hatte also sieben Mitbewohner und auch -innen, und reihum wurde für alle gekocht, so war jedenfalls die Absprache, die manchmal auch eingehalten wurde. Ich kochte oft Suppen, die auch recht gut angenommen wurden. Einmal probierte ich aus dem Studentenkochbuch ("Billig satt werden", hätte der Untertitel lauten können) ein neues Rezept: Käsesuppe. Im wesentlichen bestand diese aus Unmengen Schmelzkäse, etwas Milch, ein paar Gewürzen und einem Kilo Suppennudeln. "Hmm, die schmeckt!", sprach die blasse, seit Tagen für ihre Prüfung lernende Mitbewohnerin und nahm noch eine Portion. Die mir dann am nächsten Tag erzählte, sie habe die ganze Nacht, na ja, Sie wissen schon, und es sei ihr noch nie so elend gewesen, bestimmt sei das die Prüfungsangst gewesen, und doch wisse sie eines genau: Sie werde im Leben nie wieder Käsesuppe essen, schon das Aussprechen des Wortes rufe einen kaum beherrschbaren Würgereflex hervor.

Zu jener Zeit tönte aus meinem Zimmer regelmäßig zu bester nachmittäglicher Stunde die Titelmelodie einer TV-Serie. Ich erntete damit völlig entgeisterte Blicke, hatte mir jedoch angewöhnt, die vielen schlechten Folgen zu erdulden, um die guten nicht zu versäumen. Und zu denen gehört jene, in der die stets bereite Ehefrau des armen Schuhverkäufers eine komplizierte Erbschaftsgeschichte zu ihrem Gunsten ausnutzt. Kurz gesagt sieht sich Al Bundy genötigt, schnellstmöglich Nachwuchs zu zeugen, die Gattin hingegen ist lediglich auf die mit dem Zeugungsversuch verbundenen Vorgänge aus, will jedoch auf keinen Fall noch einmal schwanger werden (sie schildert einer Freundin sehr drastisch die schlimme Übelkeit bei ihren früheren Schwangerschaften) und nimmt deshalb heimlich die "Pille". Man sieht nun, wie Al sich in den kommenden Wochen abmüht und dabei immer schwächer und grauer wird, während seine Frau (natürlich) nicht schwanger wird, dafür aber immer mehr aufblüht - bis Al eines Tages hinter ihr Geheimnis kommt und Rache schwört. Er fälscht deshalb den Schwangerschaftstest, tropft etwas Tinte hinein und ruft: "Oh Freude, wir sind gesegnet!", was seine Frau entsetzt zur Kenntnis nimmt. Natürlich wird ihr sofort furchtbar übel - und nun kommt der Satz, für den ich das hier alles so umständlich erzähle, der Satz, den Al Bundy seiner Frau hinterherruft:

"Möchtest du einen Teller Muscheln mit Erbsen?"

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