Das ist typisch für den McCartney der frühen 70er, das klingt wie ein Popsong und trotzdem aus der Zeit gefallen. Wieder so ein irreführendes Albumcover, es wusste ja eh nie jemand, wer oder was genau die Wings gerade waren, und hier sieht man also acht Menschen unter dem Titel "Band on the Run", da denkt man doch: Ah, so sehen die aus! Sehen sie aber nicht, bzw. nur zum Teil, denn aufgenommen haben das Album nur drei davon: Paul, Linda und Denny Laine. In Nigeria unter seltsamen Umständen, die dem Werk guttaten, denn sie führten zu einer Konzentration aufs Wesentliche. Weil Drummer und Leadgitarrist kurz vor der Abreise abgesprungen sind, setzt sich Paul mal wieder ans Schlagzeug, und Leistungsschaugitarrensoli sucht man zum Glück vergeblich.
Mir gefällt der Refrain gar nicht besonders, der Gesang im Hauptteil ist insgesamt nicht mein Fall. Ich mag ganz andere Dinge an diesem Stück, vor allem den unendlich langen Einstieg, der einen dreimal auf die falsche Spur führt: 1) Stuck inside these for walls, 2) If I ever get out of here, 3) die Fanfare, die noch mal abstoppt, bis endlich nach fast zweieinhalb Minuten 4) der eigentliche Song losgeht. In dem wieder fantastisch Bass gespielt wird.
Eine Pflichtnummer auf den Konzerten, die ich dann eher hinnehme, ich meine: "Band on the run / Band on the run", da gibt es Besseres. Trotzdem ein gutes Lied.
Platz 14: Band on the Run (1973)
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Oh, denke ich, so weit oben hast du das einsortiert, denke ich, bist du dir sicher. Dann höre ich es mir an und weiß gleich wieder, warum - Sie erinnern sich natürlich auch.
Und wo wir gerade dabei sind: Auch dieses Lied findet sich momentan nicht so leicht. Der ambitionierte Amateur da oben hat sich aber recht nahe ans Original gehalten.
Platz 15: Riding To Vanity Fair (2005)*
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Langsam wird es ärgerlich: Ich kann schon wieder den Song nicht verlinken, und Sie sollen sich ihn doch anhören können! Aber die GEMA.
Kennt ja wieder keiner, das Lied, dabei ist das eine schöne Spätblüte. Stellen wir uns doch mal vor, wir werden bald 60, haben vor einer Weile die Ehefrau beerdigt und ausgiebig getrauert. Was machen wir dann? Genau: Ab in die Garage und drauflosrocken.
Beim Text hätte man ein wenig variieren, aus dem Jam ein paar Minuten herauseditieren können, dann wäre das eine richtig runde Sache geworden. Statt dessen wie frisch aus dem Proberaum: Ein toller Einstieg, ein wunderbares Zwischenspiel, bei dem ich der immer an die Doors und ihre elektrische Orgel denken muss, dann erst verzettelt man sich ein wenig.
Und was für ein großartiger Rocksänger er ist: Raaaaaanse the raindrops from your head! So kann man 60 werden, oder 74.
Platz 16: Rinse The Raindrops (2001)*
--
*Da die Suche aktuell nichts bringt, hier der Link zu einem Schnipsel.
Kennt ja wieder keiner, das Lied, dabei ist das eine schöne Spätblüte. Stellen wir uns doch mal vor, wir werden bald 60, haben vor einer Weile die Ehefrau beerdigt und ausgiebig getrauert. Was machen wir dann? Genau: Ab in die Garage und drauflosrocken.
Beim Text hätte man ein wenig variieren, aus dem Jam ein paar Minuten herauseditieren können, dann wäre das eine richtig runde Sache geworden. Statt dessen wie frisch aus dem Proberaum: Ein toller Einstieg, ein wunderbares Zwischenspiel, bei dem ich der immer an die Doors und ihre elektrische Orgel denken muss, dann erst verzettelt man sich ein wenig.
Und was für ein großartiger Rocksänger er ist: Raaaaaanse the raindrops from your head! So kann man 60 werden, oder 74.
Platz 16: Rinse The Raindrops (2001)*
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*Da die Suche aktuell nichts bringt, hier der Link zu einem Schnipsel.
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Well I know how hard it is for young girls these days
In the face of everything to stay on the right track
Mister Marks can you find for me / Someone strong and sweet fitting on my knee, das ist wieder so ein seltsamer Hybrid: Synthesizer-Experimente plus Lagerfeuergitarre, der Sequencer wiederholt endlos sein nervöses Motiv, dazu klopft ganz manuell Pauls simples Schlagzeug. Irgendwie unbeholfen, da wussten Jean Michel Jarre und Alan Parsons schon ganz andere elektronische Landschaften zu erzeugen - bloß dass die eben auch sehr clean klingen. Hier dagegen sprudeln die Ideen mehr als die Schaltungen, und selten habe ich so viel Spaß an McCartneys Lyrics: She can be a neurosurgeon / If she's doing nothing urgent, das war von Anfang an ein Spalter, jedoch immer schon ein Fan-Favorit. Und urplötzlich doch noch im Liveprogramm, ich hab's zuerst letztes Jahr gehört und war hocherfreut. Nicht nötig, dieses Stückchen im nachhinein mit irgendeiner Kraftwerk-Symbolik aufzuladen, bloß weil die Tour eines Tages auch durch Düsseldorf führt, da müssen hinter der Bühne gar keine grünen Schreibmaschinen an die Leinwand gelasert werden: Das ist ein originelles Heimstudioliedchen in its own right, und den Elektropop hat er nicht erfunden, wozu auch.
Platz 17: Temporary Secretary (1980)*
--
*Momentan hat jemand die Originalversion wohl aus dem Internet gefegt, deshalb hier der Link zu einem Schnipsel.
In the face of everything to stay on the right track
Mister Marks can you find for me / Someone strong and sweet fitting on my knee, das ist wieder so ein seltsamer Hybrid: Synthesizer-Experimente plus Lagerfeuergitarre, der Sequencer wiederholt endlos sein nervöses Motiv, dazu klopft ganz manuell Pauls simples Schlagzeug. Irgendwie unbeholfen, da wussten Jean Michel Jarre und Alan Parsons schon ganz andere elektronische Landschaften zu erzeugen - bloß dass die eben auch sehr clean klingen. Hier dagegen sprudeln die Ideen mehr als die Schaltungen, und selten habe ich so viel Spaß an McCartneys Lyrics: She can be a neurosurgeon / If she's doing nothing urgent, das war von Anfang an ein Spalter, jedoch immer schon ein Fan-Favorit. Und urplötzlich doch noch im Liveprogramm, ich hab's zuerst letztes Jahr gehört und war hocherfreut. Nicht nötig, dieses Stückchen im nachhinein mit irgendeiner Kraftwerk-Symbolik aufzuladen, bloß weil die Tour eines Tages auch durch Düsseldorf führt, da müssen hinter der Bühne gar keine grünen Schreibmaschinen an die Leinwand gelasert werden: Das ist ein originelles Heimstudioliedchen in its own right, und den Elektropop hat er nicht erfunden, wozu auch.
Platz 17: Temporary Secretary (1980)*
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*Momentan hat jemand die Originalversion wohl aus dem Internet gefegt, deshalb hier der Link zu einem Schnipsel.
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When you're crying like a poor little child
And you're feeling like you never could be reconciled
Wieder so ein Lichtchen unter dem Scheffel: Gut versteckt auf dem sowieso irgendwie untergegangenen 97er Album Flaming Pie findet sich diese R&B-Nummer, wenn man nur danach sucht. Für mich kaum zu glauben, dass ein solcher Song keine Beachtung findet: Souverän und relaxt geht es da zu, man fühlt sich sofort zu Hause. Das Stück lebt vor allem von dem dreckigen Gitarrenriff (jeweils beginnend unter: "If you want me, tell me now ..."), und wäre die Produktion nicht so dünn und flach, könnte es ein richtiger Reißer sein. Man stelle sich nur mal James Brown damit vor!
Manchmal, ganz selten, mag man den Eindruck bekommen haben, dass McCartney wie als Fingerübung auch noch jede Stilrichtung abdecken wollte: Seht, das kann ich auch! Meist aber, und auch bei diesem Lied, halte ich es mit einem freundlichen Kommentator, der McCartney kürzlich als "jemand[en], der Stile und Ideen so wie ein Schwamm aufsaugt" bezeichnet hat. Das ist kein plattes Imitieren, das ist etwas Echtes und Eigenes, auch wenn man die Einflüsse deutlich spürt. Und so klingen nicht mal die Lyrics nach Klischee: Everybody's got a handful of fear / But tomorrow it may only be a souvenir / Of the way it was 'til it went away. Großartig.
Platz 18: Souvenir (1997)
And you're feeling like you never could be reconciled
Wieder so ein Lichtchen unter dem Scheffel: Gut versteckt auf dem sowieso irgendwie untergegangenen 97er Album Flaming Pie findet sich diese R&B-Nummer, wenn man nur danach sucht. Für mich kaum zu glauben, dass ein solcher Song keine Beachtung findet: Souverän und relaxt geht es da zu, man fühlt sich sofort zu Hause. Das Stück lebt vor allem von dem dreckigen Gitarrenriff (jeweils beginnend unter: "If you want me, tell me now ..."), und wäre die Produktion nicht so dünn und flach, könnte es ein richtiger Reißer sein. Man stelle sich nur mal James Brown damit vor!
Manchmal, ganz selten, mag man den Eindruck bekommen haben, dass McCartney wie als Fingerübung auch noch jede Stilrichtung abdecken wollte: Seht, das kann ich auch! Meist aber, und auch bei diesem Lied, halte ich es mit einem freundlichen Kommentator, der McCartney kürzlich als "jemand[en], der Stile und Ideen so wie ein Schwamm aufsaugt" bezeichnet hat. Das ist kein plattes Imitieren, das ist etwas Echtes und Eigenes, auch wenn man die Einflüsse deutlich spürt. Und so klingen nicht mal die Lyrics nach Klischee: Everybody's got a handful of fear / But tomorrow it may only be a souvenir / Of the way it was 'til it went away. Großartig.
Platz 18: Souvenir (1997)
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It's just a silly phase I'm going through
(10cc, I'm Not in Love)
Wo waren wir stehengeblieben - ach ja! Wenn man mal überlegt, mit wem McCartney nach den Beatles musikalisch wirklich zusammengearbeitet hat, denkt man wahrscheinlich zuerst an den Wings-Gitarristen Denny Laine. Das war in den 70ern, und womöglich fällt einem noch ein, dass in den späteren 80ern Elvis Costello völlig verfrüht als "neuer Lennon" ausgerufen wurde, weil er einige brauchbare Songs mit Paul geschrieben hatte.
Was unser Kandidat aber nicht weiß: Es gab dazwischen den Herrn Stewart, Eric, der auf vier McCartney-Alben der frühen bis mittleren 80er Jahre an der Gitarre und teilweise eben auch als Songwriting-Partner in Erscheinung getreten ist. Und damit verbleibt der Hauptpreis auch diese Woche im Jackpot, nicht traurig sein, danke fürs Mitmachen und Sie bekommen eine dufte Bürotasse von Radio MAD.
Was aber will uns dieser Random Fact sagen? Nicht so voreilig da hinten, denn: Wie ja jeder weiß, war Eric Stewart einer der Köpfe der Band 10cc und somit ganz heißer Scheiß in den 70ern. Wer hat damals nicht seinen bekifften Liebeskummmer mit diesem Schmachtfetzen genährt! Es gibt Geschichten darüber, dass die Plattenbosse sich damals vor Begeisterung über den neuartigen Sound fast entleibt hätten, damals wurde ja noch richtig Geld gezahlt, und man der Band einen fantastischen Plattenvertrag aufnötigte, praktisch Blankoscheck.
Erinnern Sie sich an weitere Hits von 10cc? Ich auch nicht, also keine Ahnung, ob die Plattenfirma da ein gutes Geschäft gemacht hat. Aber was mich schon immer gewundert hat, waren eben diese vielstimmigen Chöre, die es bei McCartney in einer Phase seit den frühen 80ern gegeben hat. Nehmen wir das heutige Stückchen, 1982 als Single erschienen und damals durchaus im Radio gespielt: Da gibt es Mitschnitte von frühen Proben, bei denen man sich die Ohren zuhalten möchte und denkt, herrje, das wird doch nichts (nichts für ungut, Linda).
Und doch ist kurz darauf ein knackiges Stück Pop daraus geworden, sicher: Mehr Handwerk als Kunst, aber hier sieht man mal, was eine gute Produktion und ein wenig Mühe beim Arrangieren ausmachen können. Der Einstieg mit dem Bass, das galoppierende Schlagzeug beim Refrain, die knackigen Bläser und eben die vielspurigen Hintergrundchöre gegen Ende sind keineswegs Zierrat, sondern heben das harmlose Liedchen für mich qualitativ auf eine ganz andere Ebene.
Eric Stewart soll enttäuscht gewesen sein, als nicht er, sondern Hugh Padgham das (sagenhaft unbeliebte und später von McCartney geflissentlich ignorierte) Album Press to Play produzieren durfte, für das er mehrere Titel co-komponiert hat, und so ging man danach wieder auseinander. Mindestens soundmäßig hat Mr. Stewart aber deutliche Spuren hinterlassen.
Platz 19: Take It Away (1982)
(10cc, I'm Not in Love)
Wo waren wir stehengeblieben - ach ja! Wenn man mal überlegt, mit wem McCartney nach den Beatles musikalisch wirklich zusammengearbeitet hat, denkt man wahrscheinlich zuerst an den Wings-Gitarristen Denny Laine. Das war in den 70ern, und womöglich fällt einem noch ein, dass in den späteren 80ern Elvis Costello völlig verfrüht als "neuer Lennon" ausgerufen wurde, weil er einige brauchbare Songs mit Paul geschrieben hatte.
Was unser Kandidat aber nicht weiß: Es gab dazwischen den Herrn Stewart, Eric, der auf vier McCartney-Alben der frühen bis mittleren 80er Jahre an der Gitarre und teilweise eben auch als Songwriting-Partner in Erscheinung getreten ist. Und damit verbleibt der Hauptpreis auch diese Woche im Jackpot, nicht traurig sein, danke fürs Mitmachen und Sie bekommen eine dufte Bürotasse von Radio MAD.
Was aber will uns dieser Random Fact sagen? Nicht so voreilig da hinten, denn: Wie ja jeder weiß, war Eric Stewart einer der Köpfe der Band 10cc und somit ganz heißer Scheiß in den 70ern. Wer hat damals nicht seinen bekifften Liebeskummmer mit diesem Schmachtfetzen genährt! Es gibt Geschichten darüber, dass die Plattenbosse sich damals vor Begeisterung über den neuartigen Sound fast entleibt hätten, damals wurde ja noch richtig Geld gezahlt, und man der Band einen fantastischen Plattenvertrag aufnötigte, praktisch Blankoscheck.
Erinnern Sie sich an weitere Hits von 10cc? Ich auch nicht, also keine Ahnung, ob die Plattenfirma da ein gutes Geschäft gemacht hat. Aber was mich schon immer gewundert hat, waren eben diese vielstimmigen Chöre, die es bei McCartney in einer Phase seit den frühen 80ern gegeben hat. Nehmen wir das heutige Stückchen, 1982 als Single erschienen und damals durchaus im Radio gespielt: Da gibt es Mitschnitte von frühen Proben, bei denen man sich die Ohren zuhalten möchte und denkt, herrje, das wird doch nichts (nichts für ungut, Linda).
Und doch ist kurz darauf ein knackiges Stück Pop daraus geworden, sicher: Mehr Handwerk als Kunst, aber hier sieht man mal, was eine gute Produktion und ein wenig Mühe beim Arrangieren ausmachen können. Der Einstieg mit dem Bass, das galoppierende Schlagzeug beim Refrain, die knackigen Bläser und eben die vielspurigen Hintergrundchöre gegen Ende sind keineswegs Zierrat, sondern heben das harmlose Liedchen für mich qualitativ auf eine ganz andere Ebene.
Eric Stewart soll enttäuscht gewesen sein, als nicht er, sondern Hugh Padgham das (sagenhaft unbeliebte und später von McCartney geflissentlich ignorierte) Album Press to Play produzieren durfte, für das er mehrere Titel co-komponiert hat, und so ging man danach wieder auseinander. Mindestens soundmäßig hat Mr. Stewart aber deutliche Spuren hinterlassen.
Platz 19: Take It Away (1982)
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Neulich, auf dem Konzert, wurde mir noch mal klar, dass er jetzt deutlich über 70 Jahre alt ist. Was für ein feiner, bescheiden gebliebener Mann, dachte ich, und wie unglaublich lange das alles her ist: Hamburg. Kaiserkeller. Star Club. Er hat mit den ganz Großen zusammengespielt: John Lennon. George Harrison. Ringo Starr. Und macht überhaupt kein Aufhebens davon.
Als Bassist ist er wirklich nicht schlecht, und viele wissen ja gar nicht, wie oft er auch in den 70er Jahren noch mit John, George und Ringo zusammengespielt hat - eigentlich sogar mehr als zu seiner Zeit mit den Beatles.
Ich stand an der Bühne und glaubte zu spüren, wie er sich freute: Eleanor Rigby. Here, There and Everywhere. Was für schöne Lieder das sind! Die Leute schauten und waren glücklich. Er schaute zurück und sah glücklich aus.
Ich war ihm näher als je zuvor und hätte endlich fragen können, wie es sich eigentlich anfühlt, an einem so unbegreiflichen Album wie Revolver mitgewirkt zu haben. Ach was, buchstäblich anfassen hätte ich ihn können, aber so einer bin ich ja nicht und genoss also den Abend im Olympiastadion zu München still und mit geschlossenen Augen, d.h. wenn ich nicht gerade laut jubelte oder die Freudentränen wegwischte.
Ob ich diesmal nicht doch nach einem Autogramm frage, überlegte ich, und das ist doch nicht zu glauben, dass du mit so jemandem am gleichen Ort bist. Und wenn ich schon nicht nach Lennon oder Harrison fragen mag, dachte ich, denn das kommt ihm bestimmt zu den Ohren raus, dann vielleicht nach Behrens oder Krawinkel, die verdanken ihm ja ebenfalls eine Menge, und auch das weiß längst nicht jeder. Dann ließ ich ihn lieber in Ruhe.
Das Konzert schien ihm echte Freude zu bereiten, doch gegen Ende begann es ihn anzustrengen, das war unverkennbar, und mir selbst fällt es auch nicht mehr so leicht, stundenlang zu stehen: Kein Wunder, dass er sich zwischendurch auch mal hinsetzte. Zum Finale aber war er wieder voll da, alle waren glücklich, und es mag komisch klingen, denn er hat in seinem Leben bestimmt schon genug Autogramme gegeben - trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er sich über meine Frage gefreut hat.
Als Bassist ist er wirklich nicht schlecht, und viele wissen ja gar nicht, wie oft er auch in den 70er Jahren noch mit John, George und Ringo zusammengespielt hat - eigentlich sogar mehr als zu seiner Zeit mit den Beatles.
Ich stand an der Bühne und glaubte zu spüren, wie er sich freute: Eleanor Rigby. Here, There and Everywhere. Was für schöne Lieder das sind! Die Leute schauten und waren glücklich. Er schaute zurück und sah glücklich aus.
Ich war ihm näher als je zuvor und hätte endlich fragen können, wie es sich eigentlich anfühlt, an einem so unbegreiflichen Album wie Revolver mitgewirkt zu haben. Ach was, buchstäblich anfassen hätte ich ihn können, aber so einer bin ich ja nicht und genoss also den Abend im Olympiastadion zu München still und mit geschlossenen Augen, d.h. wenn ich nicht gerade laut jubelte oder die Freudentränen wegwischte.
Ob ich diesmal nicht doch nach einem Autogramm frage, überlegte ich, und das ist doch nicht zu glauben, dass du mit so jemandem am gleichen Ort bist. Und wenn ich schon nicht nach Lennon oder Harrison fragen mag, dachte ich, denn das kommt ihm bestimmt zu den Ohren raus, dann vielleicht nach Behrens oder Krawinkel, die verdanken ihm ja ebenfalls eine Menge, und auch das weiß längst nicht jeder. Dann ließ ich ihn lieber in Ruhe.
Das Konzert schien ihm echte Freude zu bereiten, doch gegen Ende begann es ihn anzustrengen, das war unverkennbar, und mir selbst fällt es auch nicht mehr so leicht, stundenlang zu stehen: Kein Wunder, dass er sich zwischendurch auch mal hinsetzte. Zum Finale aber war er wieder voll da, alle waren glücklich, und es mag komisch klingen, denn er hat in seinem Leben bestimmt schon genug Autogramme gegeben - trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er sich über meine Frage gefreut hat.
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Zäpfel Kern hatte, wie wir wissen, ein paar nette, sehr niedliche Ohren erhalten, und er war immer etwas eitel auf seine kleinen Öhrchen gewesen. Und nun, entsetzlich, erblickte er an deren Stelle zwei ungeheure haarige Ungetüme, von denen er nichts anderes sagen konnte, als daß es zwei ausgewachsene Eselsohren waren.Wie ja jeder weiß, erzählte der Schriftsteller Otto Julius Bierbaum zu Beginn des 20. Jahrhunderts mal eben die Abenteuer Pinocchios nach, änderte ein paar Namen und gab seinem Buch den Titel Zäpfel Kern. Als mir mein Freund A. eine Pinocchio-Hörspielcassette zum Geburtstag schenken wollte, dann aber Zäpfel Kern auf dem Tisch lag, war ich zunächst enttäuscht, denn ich hatte die Figuren und Stimmen aus der bekannten Zeichentrickserie erwartet. Später begann ich das Hörspiel dennoch zu mögen, in dem der alte Tischler statt Gepetto eben Väterchen Zorntiegel hieß, und besonders beeindruckt hat mich das Kapitel "Bei Dr. Schlaumeier im Spiel-Immer-Land": Da geht es um Kinder, denen ein sorgloses Leben in einer Art ewigem Freizeitpark versprochen wird, und um den hohen Preis, den sie eines Tages dafür zahlen müssen, indem sie sich zu Eseln verwandeln und als solche für Dr. Schlaumeier arbeiten müssen oder von ihm verkauft werden.
(Otto Julius Bierbaum, Zäpfel Kern)
Mich hat der Wind vor einigen Tagen nach Westen geweht, erst wunderte ich mich noch über die hohen Berge und tiefen Täler, Ennepetal, Neviges, Velbert, Wuppertal, das ist ein ewiges Auf und Ab und mit Rollator bestimmt noch anstrengender, und irgendwann fand ich mich in Düsseldorf wieder, einer Stadt, zu der ich jetzt immerhin sagen kann: Nu ja, und dann zeigte ein Pfeil zum Spiel-Immer-Land.
Mit ein paar anderen Kindern durfte ich schon vorher rein, als die Kapelle ein Stündchen probte. Vor Freude weinte ich auf meine Zuckerwatte, denn statt "Test-Test-1-2-3" wurden ganze Songs gespielt, und der Mann auf der Bühne war lieb zu uns und hatte sichtlich Freude an seinem Tun. Als er uns verabschiedete und viel Spaß für die Show am Abend wünschte, ging es noch mal raus ins Helle. Durch den Schleier sah ich den glücklichen Japaner, der neben mir gestanden und einen inneren Kulturkampf ausgefochten hatte: Man ist ja eher der zurückhaltende Typ und von außen betrachtet kein Kind mehr, aber, Herrgott, das kann doch gar nicht wahr sein, Konnichiwa Sayonara!
Einige Stunden träumte ich auf meinem Sitz vor mich hin, begleitet von angenehmer Musik, ein DJ kam drin vor und elektronisch verfremdete Versionen meiner musikalischen DNA. Dann erscholl ein Akkord, der mich 50 Jahre jünger machte, gleich konnte ich wieder stehen, und das kann doch gar nicht wahr sein, Domo Arigato!
Es gab ordentlich was auf die Ohren, und irgendwann begann ich mich zu fragen, ob das vielleicht wirklich nicht ganz wahr ist. Hinterher konnte man lesen, dass es Probleme mit dem Klang in der Arena gegeben habe. Vielleicht war es das. Vielleicht auch etwas anderes. Ich denke dabei nicht an Playback, der Mann singt wirklich, das habe ich aus der Nähe gesehen. Aber irgendwas klang fremd für mich, als ob da technisch getrickst und nachgeholfen würde, nicht schlimm und roboterhaft, aber auch nicht mehr pur und unverfälscht.
Und wen würde das wundern, mit fast 74, bei dem Dreistundenprogramm an der Gitarre, am Bass, am Klavier, und alle wollen das hören, alle wollen rein in das Spiel-Immer-Land und glücklich sein, und das waren sie, das waren wir, nur beim Rausgehen musste ich mir prüfend an die Ohren fassen.
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I wish I was a baby
I wish I was dead
(John Lennon, Cold Turkey)
So etwas würde Paul nie schreiben, und schon gar nicht damals, als er sich in immer hektischeren Bewegungen zwischen alle Stühle setzte: Als hätte es nicht genug rechtliche Streitigkeiten mit den ehemaligen Bandkollegen gegeben, kamen noch welche dazu, weil nicht jeder Medienmogul gleich einsehen wollte, dass aus der Fotografin Linda Eastman plötzlich eine professionelle Songschreiberin geworden war. OK, sagte Paul, bevor wir uns hier um die zusätzlichen Tantiemen streiten, mache ich euch noch eine Fernsehshow, dann kriegen wir aber das Geld, Deal?
Ich habe davon nur Ausschnitte gesehen, aber schon diese und oberflächliches Lesen machen klar, dass sich hier jemand seine Reputation auf Jahre hinaus kaputtmachen würde. Gotta Sing, Gotta Dance, die alte Hut-und-Stock-Nummer, der Entertainer für die ganze Familie, dazwischen Pub-Gesinge mit den Großtanten und musikalisch schlechte Wings-Auftritte: Ganz unschuldig an seinem zweifelhaften Ruf war er damals sicher nicht.
Und dabei konnte er's doch! Im selben Jahr erschien z.B. dieser Slowie. Sparsam instrumentiert mit einem grandiosen Gitarrenriff, lediglich von der Wings-Kernbesetzung mit Paul, Linda und Denny Laine aufgenommen, fegt der Song mühelos allen Kitsch vom Kamin und rockt relaxt, ohne irgendwas beweisen zu wollen. Wunderbar auch die leere Strophe gegen Ende: Alles wartet auf ein Instrumentalsolo (und bei Livekonzerten gibt es das leider auch), aber nein, man darf schlicht dem Riff und der Bassbegleitung lauschen, bis der Refrain wieder einsetzt. Seit dem "Drumsolo" in Birthday wurden meine Erwartungen nicht so schön unterlaufen!
Echoes of Lennon, na klar, und die Gelehrten streiten sich, ob das eher Parodie oder eher Hommage war: Zünglein an der Waage ist für mich das kurze "Ooh-oh-ohaho" ganz am Schluss, in dem für mich punktgenau und überhaupt nicht bösartig so viel Plastic-Urschrei-Lennon konzentriert ist, dass ich lächeln und nach draußen rufen möchte: Jungs, nun hört mal auf zu streiten, in Wahrheit liebt ihr euch doch!
Platz 20: Let Me Roll It (1973)
I wish I was dead
(John Lennon, Cold Turkey)
So etwas würde Paul nie schreiben, und schon gar nicht damals, als er sich in immer hektischeren Bewegungen zwischen alle Stühle setzte: Als hätte es nicht genug rechtliche Streitigkeiten mit den ehemaligen Bandkollegen gegeben, kamen noch welche dazu, weil nicht jeder Medienmogul gleich einsehen wollte, dass aus der Fotografin Linda Eastman plötzlich eine professionelle Songschreiberin geworden war. OK, sagte Paul, bevor wir uns hier um die zusätzlichen Tantiemen streiten, mache ich euch noch eine Fernsehshow, dann kriegen wir aber das Geld, Deal?
Ich habe davon nur Ausschnitte gesehen, aber schon diese und oberflächliches Lesen machen klar, dass sich hier jemand seine Reputation auf Jahre hinaus kaputtmachen würde. Gotta Sing, Gotta Dance, die alte Hut-und-Stock-Nummer, der Entertainer für die ganze Familie, dazwischen Pub-Gesinge mit den Großtanten und musikalisch schlechte Wings-Auftritte: Ganz unschuldig an seinem zweifelhaften Ruf war er damals sicher nicht.
Und dabei konnte er's doch! Im selben Jahr erschien z.B. dieser Slowie. Sparsam instrumentiert mit einem grandiosen Gitarrenriff, lediglich von der Wings-Kernbesetzung mit Paul, Linda und Denny Laine aufgenommen, fegt der Song mühelos allen Kitsch vom Kamin und rockt relaxt, ohne irgendwas beweisen zu wollen. Wunderbar auch die leere Strophe gegen Ende: Alles wartet auf ein Instrumentalsolo (und bei Livekonzerten gibt es das leider auch), aber nein, man darf schlicht dem Riff und der Bassbegleitung lauschen, bis der Refrain wieder einsetzt. Seit dem "Drumsolo" in Birthday wurden meine Erwartungen nicht so schön unterlaufen!
Echoes of Lennon, na klar, und die Gelehrten streiten sich, ob das eher Parodie oder eher Hommage war: Zünglein an der Waage ist für mich das kurze "Ooh-oh-ohaho" ganz am Schluss, in dem für mich punktgenau und überhaupt nicht bösartig so viel Plastic-Urschrei-Lennon konzentriert ist, dass ich lächeln und nach draußen rufen möchte: Jungs, nun hört mal auf zu streiten, in Wahrheit liebt ihr euch doch!
Platz 20: Let Me Roll It (1973)
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Momentan muss ich heimlich Rockmusik hören, wenn der Gastschüler nicht da ist. In Australien hat er in vier Chören gesungen, hier sind es bislang zwei, und kürzlich wohnte ich im Dom einer wirklich gelungenen Aufführung von Antonín Dvořáks Stabat Mater bei: Gar nicht mal schlecht, musste ich denken und bin auch nicht mittendrin aufgesprungen, um an besonders griffigen Stellen mitzugröhlen. Das ist einer der Unterschiede von diesen klassischen Konzerten zu den normalen, bei denen man mich sonst antrifft, und es gibt noch mehr: Man jubelt z.B. nicht nach jedem Lied und es gibt keine Stehplätze, nicht mal im Innenraum, deshalb vermutlich auch die eher verhaltene Stimmung.
Schon immer habe ich Probleme, mir bei den Klassikern, und ich meine jetzt nicht The Who, irgendwelche Bezüge, Namen oder Reihenfolgen zu merken. Während es völlig normal für mich ist, mich darüber zu unterhalten, dass Peter Gabriel Anfang der 70er ausgerechnet auf einer Cat-Stevens-Platte mal Querflöte gespielt und ein anderer Progressive-Held, der Yes-Keyboarder Rick Wakeman, das schöne und prägende Klaviermotiv zu dessen 1971er Welterfolg Morning Has Broken beigesteuert hat, welches an sich ja schon keine Komposition des Sängers, sondern 40 Jahre früher von einer Engländerin geschrieben worden ist, komme ich bei Mozarts, Bachs und Beethovens zuverlässig durcheinander: Wer hat wann gelebt, ist wofür bekannt, baut auf wen auf - ah, ja, so ist das also, und gleich wieder vergessen.
Es muss etwas mit dem emotionalen Stellenwert zu tun haben. Unser Gast lebt dermaßen tief in und mit seiner klassischen Musik, dass er sie einem pausenlos und wochenlang vorspielen würde: Hier, das ist dieses Stück. Und hier, dasselbe von einem anderen Orchester. Hier ein späteres Stück von dem Komponisten. Und lass uns mal hören, wie das 100 Jahre früher klang. Ich dagegen wundere mich noch heute, dass die australische Band Real Life 1983 ihrem ersten großen Hit "Send Me an Angel" viel zu früh den Nachfolger "Catch Me I'm Falling" nachfolgen ließ: Da war der erste Song noch gar nicht durch, schon kannibalisierte ihn der zweite, und danach: Nichts! Oder nehmen wir die australische Band Icehouse mit ihrem wirklich sehr aparten Stück "Hey Little Girl", das für mich über die Jahre nur dazugewinnt: Klingen die nicht unverkennbar nach Roxy Music, hören Sie doch nur mal das auch ganz tolle "Street Café": Erstaunlich, oder?
Ja, ja, würde er abwesend nicken und auf seinem Mobilfon herumscrollen, um mir seine Lieblingsaufnahme von einem ganz bestimmten Stück dieses einen Komponisten mit diesem einen Chor zu zeigen: Sen-sa-tio-nell, und dann summt er mit und singt er mit und schaut so ergriffen, dass man sich mitfreut.
"Ich mochte die Stimmen nicht", hat McCartney mal über Opernsänger gesagt, und so ist es mir oft gegangen: Wie künstlich so ein Sopran klingen kann, wie angestrengt ein Tenor, und die Knabenchöre, und die Krawatten, und dieses Scheißpublikum, und das steife Gehabe, da möchte man die E-Gitarre rausholen und mal frische Luft unter die Talare blasen.
Ich werde aber nun älter (vgl. Wein, Uhren, Urlaub gerne auch mal in Deutschland), und zwischendurch kann ich sagen: Der frühe Mozart geht mir zwar auf den Sack, aber der späte klingt nicht uninteressant. Oder einmal, im Auto, hörte ich was von Schostakowitsch und dachte: Oh! Vielleicht gehe ich demnächst doch mal in so ein Musical.
Scheaz! Ohne Fremdmotivation werde ich so schnell kein klassisches Konzert aufsuchen. Aber Weihnachten z.B., darauf freut er sich jetzt schon, werden sie im Dom das Weihnachtsoratorium aufführen, so heißt das glaube ich, da gehe ich auf jeden Fall hin, und das ist von diesem einen, na, diesem Komponisten, diesem Johann Amadeus Beethoven, und es stammt aus einem Jahrhundert.
Na, was ich eigentlich nur erzählen wollte: 1991 kam dann plötzlich Paul McCartney's Liverpool Oratorio mit einem schlimmen Covermotiv, und der klassisch ausgebildete Komponist Carl Davis muss nach all der Arbeit wohl ziemlich gezuckt haben, als da stand: Paul McCartney's Liverpool Oratorio. Die beiden haben was klassisch Klingendes komponiert, in den Kritiken hieß es damals: Na ja, und ich hab' es mir tatsächlich ein paar Mal angehört und sogar eine Aufführung besucht.
Mir ist das Werk zu lang mit zu wenig Substanz, was gegen Ende immer deutlicher wird, so dass ich geneigt bin zu sagen: Schuster, bleib bei deiner Bassgitarre. Aber ein paar schöne Melodiesprengsel sind gar nicht zu vermeiden, wenn McCartney beteiligt ist, und diese knapp fünf Minuten mit künstlichem Sopran und angestrengtem Tenor und Kinderchor und Krawatten finde ich wirklich schön.
Platz 21: Tres Conejos / Not For Ourselves (aus dem Liverpool Oratorio von 1991)
Schon immer habe ich Probleme, mir bei den Klassikern, und ich meine jetzt nicht The Who, irgendwelche Bezüge, Namen oder Reihenfolgen zu merken. Während es völlig normal für mich ist, mich darüber zu unterhalten, dass Peter Gabriel Anfang der 70er ausgerechnet auf einer Cat-Stevens-Platte mal Querflöte gespielt und ein anderer Progressive-Held, der Yes-Keyboarder Rick Wakeman, das schöne und prägende Klaviermotiv zu dessen 1971er Welterfolg Morning Has Broken beigesteuert hat, welches an sich ja schon keine Komposition des Sängers, sondern 40 Jahre früher von einer Engländerin geschrieben worden ist, komme ich bei Mozarts, Bachs und Beethovens zuverlässig durcheinander: Wer hat wann gelebt, ist wofür bekannt, baut auf wen auf - ah, ja, so ist das also, und gleich wieder vergessen.
Es muss etwas mit dem emotionalen Stellenwert zu tun haben. Unser Gast lebt dermaßen tief in und mit seiner klassischen Musik, dass er sie einem pausenlos und wochenlang vorspielen würde: Hier, das ist dieses Stück. Und hier, dasselbe von einem anderen Orchester. Hier ein späteres Stück von dem Komponisten. Und lass uns mal hören, wie das 100 Jahre früher klang. Ich dagegen wundere mich noch heute, dass die australische Band Real Life 1983 ihrem ersten großen Hit "Send Me an Angel" viel zu früh den Nachfolger "Catch Me I'm Falling" nachfolgen ließ: Da war der erste Song noch gar nicht durch, schon kannibalisierte ihn der zweite, und danach: Nichts! Oder nehmen wir die australische Band Icehouse mit ihrem wirklich sehr aparten Stück "Hey Little Girl", das für mich über die Jahre nur dazugewinnt: Klingen die nicht unverkennbar nach Roxy Music, hören Sie doch nur mal das auch ganz tolle "Street Café": Erstaunlich, oder?
Ja, ja, würde er abwesend nicken und auf seinem Mobilfon herumscrollen, um mir seine Lieblingsaufnahme von einem ganz bestimmten Stück dieses einen Komponisten mit diesem einen Chor zu zeigen: Sen-sa-tio-nell, und dann summt er mit und singt er mit und schaut so ergriffen, dass man sich mitfreut.
"Ich mochte die Stimmen nicht", hat McCartney mal über Opernsänger gesagt, und so ist es mir oft gegangen: Wie künstlich so ein Sopran klingen kann, wie angestrengt ein Tenor, und die Knabenchöre, und die Krawatten, und dieses Scheißpublikum, und das steife Gehabe, da möchte man die E-Gitarre rausholen und mal frische Luft unter die Talare blasen.
Ich werde aber nun älter (vgl. Wein, Uhren, Urlaub gerne auch mal in Deutschland), und zwischendurch kann ich sagen: Der frühe Mozart geht mir zwar auf den Sack, aber der späte klingt nicht uninteressant. Oder einmal, im Auto, hörte ich was von Schostakowitsch und dachte: Oh! Vielleicht gehe ich demnächst doch mal in so ein Musical.
Scheaz! Ohne Fremdmotivation werde ich so schnell kein klassisches Konzert aufsuchen. Aber Weihnachten z.B., darauf freut er sich jetzt schon, werden sie im Dom das Weihnachtsoratorium aufführen, so heißt das glaube ich, da gehe ich auf jeden Fall hin, und das ist von diesem einen, na, diesem Komponisten, diesem Johann Amadeus Beethoven, und es stammt aus einem Jahrhundert.
Na, was ich eigentlich nur erzählen wollte: 1991 kam dann plötzlich Paul McCartney's Liverpool Oratorio mit einem schlimmen Covermotiv, und der klassisch ausgebildete Komponist Carl Davis muss nach all der Arbeit wohl ziemlich gezuckt haben, als da stand: Paul McCartney's Liverpool Oratorio. Die beiden haben was klassisch Klingendes komponiert, in den Kritiken hieß es damals: Na ja, und ich hab' es mir tatsächlich ein paar Mal angehört und sogar eine Aufführung besucht.
Mir ist das Werk zu lang mit zu wenig Substanz, was gegen Ende immer deutlicher wird, so dass ich geneigt bin zu sagen: Schuster, bleib bei deiner Bassgitarre. Aber ein paar schöne Melodiesprengsel sind gar nicht zu vermeiden, wenn McCartney beteiligt ist, und diese knapp fünf Minuten mit künstlichem Sopran und angestrengtem Tenor und Kinderchor und Krawatten finde ich wirklich schön.
Platz 21: Tres Conejos / Not For Ourselves (aus dem Liverpool Oratorio von 1991)
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