Keine Ahnung, was ihn Anfang der 80er dazu gebracht hat: Knast in Japan, John erschossen, Wings auf Grund gelaufen, das Heimstudioalbum mit schlechten Kritiken - zum ersten Mal seit Beatles-Zeiten, sieht man mal von der 73er Auftragsarbeit Live and Let Die ab, suchte Paul die Zusammenarbeit mit George Martin. Das klingt schon so bedeutungsschwanger und erfüllt natürlich längst nicht alle Erwartungen: Fragen Sie mal Armin Veh, wie schwierig so etwas ist.
Bedeutungsschwanger in Zeiten des Kalten Krieges war natürlich auch alles mit War im Titel, und dass "Tug of War" eigentlich "Tauziehen" heißt, wusste ich damals nicht, erklärt aber die dräuenden Ächz- und Schnaufgeräusche zu Beginn: Ganz schön ernste Sache, das alles, mit der Liedermachergitarre und der edel-sparsamen Harfenbegleitung und den irgendwie total tiefsinnigen Lyrics ("We expected more / But with one thing and another / We were trying to outdo each other ..."), oder ist das vielleicht ziemlich prätentiöser Quark?
Lass uns mal ernsthaft klingen, mach es mal wertig, und wenn man schon so supertiefsinnig und irgendwie echt schwermütig "Iiiits a tuuug of waaaar" zu dem Geklimper gesungen hat, darf der Hintergrundchor noch ein paar Bedeutungsgirlanden drehen und antworten ("A tug of war, a tug of war!"): Das wissen wir ja, was für ein fähiger Arrangeur der George ist, und "Pushing and pulling", und "In another world", ja, klar, man merkt die Absicht.
Und ist verstimmt: Es gibt genügend Gründe, warum einem so etwas auf die Nerven gehen kann, und dann kommt die Stelle, für die sich alles gelohnt hat. Das sind bloß ein paar Sekunden, die E-Gitarre setzt ein, Pauls hohe Stimme wird ein wenig kräftiger, und meinetwegen soll der Chor auf "But it won't be soon enough" auch mit "Soon enough" antworten: Diese halbe Minute habe ich mir schon tagelang auf Repeat angehört.
Dann geht's zurück zu Streichern und Tiefsinn, und man will gerade genervt das Handtuch werfen und sagen: Schön und gut, Paul, aber lass doch mal diesen orchestralen Kram weg und den bedeutungsschwangeren Gesang, Pushing, Pulling, Pushing, Pulling - schon kniet man ergriffen nieder und leistet Abbitte. Denn was für einen wunderschönen und zutiefst geschmackvollen Abschluss setzt das Orchester da bitteschön unter das Lied!? Das beruhigt die Nerven, streichelt die Seele und berührt das Herz. Und so etwas kann nur McCartney. Mit George Martin.
Platz 22: Tug of War (1982)*
--
*Verlinkt ist ein sogenannter Remix von 2015, tatsächlich aber eher ein Remaster: Klanglich verbessert und etwas differenzierter, ansonsten gegenüber dem ursprünglichen Mix aber nahezu unverändert.
Bedeutungsschwanger in Zeiten des Kalten Krieges war natürlich auch alles mit War im Titel, und dass "Tug of War" eigentlich "Tauziehen" heißt, wusste ich damals nicht, erklärt aber die dräuenden Ächz- und Schnaufgeräusche zu Beginn: Ganz schön ernste Sache, das alles, mit der Liedermachergitarre und der edel-sparsamen Harfenbegleitung und den irgendwie total tiefsinnigen Lyrics ("We expected more / But with one thing and another / We were trying to outdo each other ..."), oder ist das vielleicht ziemlich prätentiöser Quark?
Lass uns mal ernsthaft klingen, mach es mal wertig, und wenn man schon so supertiefsinnig und irgendwie echt schwermütig "Iiiits a tuuug of waaaar" zu dem Geklimper gesungen hat, darf der Hintergrundchor noch ein paar Bedeutungsgirlanden drehen und antworten ("A tug of war, a tug of war!"): Das wissen wir ja, was für ein fähiger Arrangeur der George ist, und "Pushing and pulling", und "In another world", ja, klar, man merkt die Absicht.
Und ist verstimmt: Es gibt genügend Gründe, warum einem so etwas auf die Nerven gehen kann, und dann kommt die Stelle, für die sich alles gelohnt hat. Das sind bloß ein paar Sekunden, die E-Gitarre setzt ein, Pauls hohe Stimme wird ein wenig kräftiger, und meinetwegen soll der Chor auf "But it won't be soon enough" auch mit "Soon enough" antworten: Diese halbe Minute habe ich mir schon tagelang auf Repeat angehört.
Dann geht's zurück zu Streichern und Tiefsinn, und man will gerade genervt das Handtuch werfen und sagen: Schön und gut, Paul, aber lass doch mal diesen orchestralen Kram weg und den bedeutungsschwangeren Gesang, Pushing, Pulling, Pushing, Pulling - schon kniet man ergriffen nieder und leistet Abbitte. Denn was für einen wunderschönen und zutiefst geschmackvollen Abschluss setzt das Orchester da bitteschön unter das Lied!? Das beruhigt die Nerven, streichelt die Seele und berührt das Herz. Und so etwas kann nur McCartney. Mit George Martin.
Platz 22: Tug of War (1982)*
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*Verlinkt ist ein sogenannter Remix von 2015, tatsächlich aber eher ein Remaster: Klanglich verbessert und etwas differenzierter, ansonsten gegenüber dem ursprünglichen Mix aber nahezu unverändert.
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Ein ganz feiner Mensch, das sieht man auf Anhieb: Der korrekte Seitenscheitel auf den frühen Schwarzweißfotos, die langen Haare des älteren Herren. Seine genaue und völlig unversnobte Sprache. Und bis zum Schluss diese Freude an dem, woran er mitwirken durfte: Es hätte keinen besseren dafür gegeben, und meine Welt wäre eine andere ohne ihn.
George Martin ist tot, und ich verneige mich traurig.
George Martin ist tot, und ich verneige mich traurig.
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Im Windschatten des großen Anthology-Hypes Mitte der 90er kam McCartney 1997 mit dem Album Flaming Pie auf den Markt, auf dem sich ein paar feine Songs tummeln. Die meisten Stücke sind durch Akustikgitarren geprägt und klingen damit deutlich anders als der Poprock auf den beiden Vorgängern.
Ehrlich gesagt ist die Produktion sogar ein wenig dünn, was zwar besser ist, als wenn Jeff Lynne als Produzent hier noch den x-ten Aufguss seines ELO-Sounds (nach George Harrison, Roy Orbison, Tom Petty, den Traveling Wilburys etc.) abgeliefert hätte; aber gewundert hat es mich schon, denn auch akustische Gitarren können ganz wunderbar voll klingen.
Dieser Minnegesang hat mich damals nicht unmittelbar ergriffen: Nettes Liedchen, dachte ich, schön gezupft, dachte ich, und die Gitarre dürfte gerne präsenter klingen.
Es gab dann keine Tour zur neuen Platte, da sich privat Trauriges ereignete, und als er Jahre später doch wieder loszog, war längst ein anderes Album aktuell. Von dem wurden reichlich Titel gespielt, nicht jeder davon hätte sein müssen, und das schöne Album Flaming Pie schien in in eine Zeitfalte gerutscht und vergessen worden zu sein.
Es war mir deshalb eine besondere Freude, diesem Stück doch noch live zu begegnen, mit akustischer Bandbegleitung und wunderbarem Harmoniegesang. Mir wird 's ja schnell zu folkig, aber das hier finde ich einfach großartig sentimental, souverän unkitschig und weitaus schöner als das sparsame Original.
Statt wie üblich auf die Originalversion verweise ich also auf eine Liveaufnahme von 2002:
Platz 23: Calico Skies (1997)
Ehrlich gesagt ist die Produktion sogar ein wenig dünn, was zwar besser ist, als wenn Jeff Lynne als Produzent hier noch den x-ten Aufguss seines ELO-Sounds (nach George Harrison, Roy Orbison, Tom Petty, den Traveling Wilburys etc.) abgeliefert hätte; aber gewundert hat es mich schon, denn auch akustische Gitarren können ganz wunderbar voll klingen.
Dieser Minnegesang hat mich damals nicht unmittelbar ergriffen: Nettes Liedchen, dachte ich, schön gezupft, dachte ich, und die Gitarre dürfte gerne präsenter klingen.
Es gab dann keine Tour zur neuen Platte, da sich privat Trauriges ereignete, und als er Jahre später doch wieder loszog, war längst ein anderes Album aktuell. Von dem wurden reichlich Titel gespielt, nicht jeder davon hätte sein müssen, und das schöne Album Flaming Pie schien in in eine Zeitfalte gerutscht und vergessen worden zu sein.
Es war mir deshalb eine besondere Freude, diesem Stück doch noch live zu begegnen, mit akustischer Bandbegleitung und wunderbarem Harmoniegesang. Mir wird 's ja schnell zu folkig, aber das hier finde ich einfach großartig sentimental, souverän unkitschig und weitaus schöner als das sparsame Original.
Statt wie üblich auf die Originalversion verweise ich also auf eine Liveaufnahme von 2002:
Platz 23: Calico Skies (1997)
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Bei diesem Song hätte ich darauf gewettet, dass er ihn alleine aufgenommen hat: Das mäandert und klingt dabei irgendwie unscharf, so dass ich ihn vor meinem geistigen Auge mal wieder Spur für Spur vor sich hinbasteln sehe. Auch das Schlagzeug ist sparsam und typisch McCartney, da merkt man nichts von den Fähigkeiten des exzellenten Drummers, den Paul seit vielen Jahren in seiner Liveband hat: Ab und zu ein einzelner Schlag aufs Becken und ansonsten so harmlos den Takt gespielt, dass man glauben will, das könnte man doch selber.
Jedoch, es spielen tatsächlich andere Musiker mit, auch der überirdische Drummer, so behauptet zumindest das Booklet (ich bin nicht restlos überzeugt), und das Lied war die erste Single vom ansonsten ziemlich knackrockigen Album Driving Rain: Also ich mag das Liedchen ja, aber als Single bietet es sich nicht gerade an, oder?
Gefühlt müsste das eine der unterschätzten B-Seiten sein, und als solche hat es einen festen Platz in meinem Herzen, suchend, tastend, zerbrechlich gesungen: Ganz anders als das brachiale Freedom, das dann hektisch die nächste Single wurde, was sich nur als spontane Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse des Herbstes 2001 entschuldigen lässt.
Platz 24: From a Lover to a Friend (2001)
Jedoch, es spielen tatsächlich andere Musiker mit, auch der überirdische Drummer, so behauptet zumindest das Booklet (ich bin nicht restlos überzeugt), und das Lied war die erste Single vom ansonsten ziemlich knackrockigen Album Driving Rain: Also ich mag das Liedchen ja, aber als Single bietet es sich nicht gerade an, oder?
Gefühlt müsste das eine der unterschätzten B-Seiten sein, und als solche hat es einen festen Platz in meinem Herzen, suchend, tastend, zerbrechlich gesungen: Ganz anders als das brachiale Freedom, das dann hektisch die nächste Single wurde, was sich nur als spontane Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse des Herbstes 2001 entschuldigen lässt.
Platz 24: From a Lover to a Friend (2001)
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Piss off, eyy! Ich weiß, ihr könnt es alle kaum erwarten, deshalb geht das hier auch Schlag auf Schlag, und schon betreten wir die Top 25 dieser beliebten kleinen Serie.
Paul würde das so nie ausdrücken, der würde einfach "Piece of cake" über ein paar verstimmte Gitarrenakkorde singen, mit ebensolcher Stimme, und über seine vielen Stimmen denkt ja sowieso niemand hinreichend nach. Und was für ein abwechslungsreicher Song das hier schon wieder ist! Nicht nur durch seine Stimme, die nach Belieben im Falsett säuseln (That was your first mistake), aggressiv shouten (Too many hungry people losing weight), beinahe vergeistigt (Ooohoo-ooh, nach den ersten paar Sekunden) oder komplett weggetreten (Piece of cake) klingen kann.
Man hört so ein Lied und denkt, na ja, das läuft so geradeaus, dabei sind eine Menge kleine Rafinessen darin verborgen, das beginnt mit dem kleinen Kuchenstückvorspiel und geht weiter mit den zahlreichen Breaks, einem grandiosen E-Gitarrensolo und einem ziemlich wilden Finale.
Der Song stammt im übrigen von der einzigen Platte des berühmten Musikerduos Paul & Linda McCartney, und das ist wirklich schade, dass die nur diese eine Scheibe veröffentlicht haben, denn sie ist einer meiner liebsten.
Und was die japanischen Jungs da oben mit ihrer großen Pause anstellen, finde ich sehr löblich. Üben, Boys, dann gibt's auch ein Stück Kuchen!
Platz 25: Too Many People (1971)
Paul würde das so nie ausdrücken, der würde einfach "Piece of cake" über ein paar verstimmte Gitarrenakkorde singen, mit ebensolcher Stimme, und über seine vielen Stimmen denkt ja sowieso niemand hinreichend nach. Und was für ein abwechslungsreicher Song das hier schon wieder ist! Nicht nur durch seine Stimme, die nach Belieben im Falsett säuseln (That was your first mistake), aggressiv shouten (Too many hungry people losing weight), beinahe vergeistigt (Ooohoo-ooh, nach den ersten paar Sekunden) oder komplett weggetreten (Piece of cake) klingen kann.
Man hört so ein Lied und denkt, na ja, das läuft so geradeaus, dabei sind eine Menge kleine Rafinessen darin verborgen, das beginnt mit dem kleinen Kuchenstückvorspiel und geht weiter mit den zahlreichen Breaks, einem grandiosen E-Gitarrensolo und einem ziemlich wilden Finale.
Der Song stammt im übrigen von der einzigen Platte des berühmten Musikerduos Paul & Linda McCartney, und das ist wirklich schade, dass die nur diese eine Scheibe veröffentlicht haben, denn sie ist einer meiner liebsten.
Und was die japanischen Jungs da oben mit ihrer großen Pause anstellen, finde ich sehr löblich. Üben, Boys, dann gibt's auch ein Stück Kuchen!
Platz 25: Too Many People (1971)
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Weeeeeelll come into this house / Stop all that yackety yack!
Wenn etablierte Künstler in der Spätphase ihrer Karriere versuchen, back to the roots zu gehen, ist das schnell peinlich. Oder langweilig. Meist beides.
Denen fällt nichts mehr ein, die sind durch, die suchen sich eine Ladung Standards zusammen und surfen auf dem Nostalgietrip. Versuchen vergeblich, eine gute alte Zeit heraufzubeschwören, klingen hohl und abgeschmackt.
McCartney hat das einmal getan, 1987 mit dem sogenannten "Russischen Album", welches eines der wenigen von ihm ist, die ich tatsächlich nie höre. Leblos und langweilig, einzig vielleicht erklärbar als panisch-regressive Korrekturbewegung nach dem Misserfolg von Press To Play: Keiner mag die elektronisch-kühle Produktion mit diesen 80er-Sounds? Dann nehmen wir schnell ein Rock'n'Roll-Album auf und klingen wie die Altherrenband beim Frühschoppen.
Ebenso stark gähnen muss ich bei manchem Lied, das er allzu offensichtlich im Stil der 50er oder frühen 60er schreiben wollte: Sachen wie Get Out of My Way von 1993 vergisst man gleich wieder, und das ist auch gut so.
Dann kommt er 1999 mit einem Rock'n'Roll-Album an, beendet sein Trauerjahr, lädt ein paar alte Säcke ein, nimmt eine Ladung Stücke aus den 50ern auf und komponiert nebenbei Songs, die sich exakt einfügen: Knackfrisch klingt das, unprätentiös und energisch, All Shook Up von Elvis Presley wie mit einer Ladung Pepperoni im Arsch, manches wie im Pub aufgenommen und anderes wie im Bierkeller, immer aber zügig voran und auf den Punkt. Gefällt mir sehr.
Ein Lied herauszuheben ist nicht ganz leicht, Honey Hush ist es geworden, vielleicht auch deshalb, weil ich es einmal unter besonderen Bedingungen live erleben konnte. Und wenn ich daran nur denke, wird mir so warm ums Herz, wie ihr es euch nicht vorstellen könnt.
Komischerweise findet man nur ein paar Liveversionen im Internet, die sind nicht schlecht, aber die Power der Studioaufnahme erreichen sie nicht ganz. Von dieser kann ich also leider nur einen Schnipsel verlinken:
Platz 26: Honey Hush (1999)
Wenn etablierte Künstler in der Spätphase ihrer Karriere versuchen, back to the roots zu gehen, ist das schnell peinlich. Oder langweilig. Meist beides.
Denen fällt nichts mehr ein, die sind durch, die suchen sich eine Ladung Standards zusammen und surfen auf dem Nostalgietrip. Versuchen vergeblich, eine gute alte Zeit heraufzubeschwören, klingen hohl und abgeschmackt.
McCartney hat das einmal getan, 1987 mit dem sogenannten "Russischen Album", welches eines der wenigen von ihm ist, die ich tatsächlich nie höre. Leblos und langweilig, einzig vielleicht erklärbar als panisch-regressive Korrekturbewegung nach dem Misserfolg von Press To Play: Keiner mag die elektronisch-kühle Produktion mit diesen 80er-Sounds? Dann nehmen wir schnell ein Rock'n'Roll-Album auf und klingen wie die Altherrenband beim Frühschoppen.
Ebenso stark gähnen muss ich bei manchem Lied, das er allzu offensichtlich im Stil der 50er oder frühen 60er schreiben wollte: Sachen wie Get Out of My Way von 1993 vergisst man gleich wieder, und das ist auch gut so.
Dann kommt er 1999 mit einem Rock'n'Roll-Album an, beendet sein Trauerjahr, lädt ein paar alte Säcke ein, nimmt eine Ladung Stücke aus den 50ern auf und komponiert nebenbei Songs, die sich exakt einfügen: Knackfrisch klingt das, unprätentiös und energisch, All Shook Up von Elvis Presley wie mit einer Ladung Pepperoni im Arsch, manches wie im Pub aufgenommen und anderes wie im Bierkeller, immer aber zügig voran und auf den Punkt. Gefällt mir sehr.
Ein Lied herauszuheben ist nicht ganz leicht, Honey Hush ist es geworden, vielleicht auch deshalb, weil ich es einmal unter besonderen Bedingungen live erleben konnte. Und wenn ich daran nur denke, wird mir so warm ums Herz, wie ihr es euch nicht vorstellen könnt.
Komischerweise findet man nur ein paar Liveversionen im Internet, die sind nicht schlecht, aber die Power der Studioaufnahme erreichen sie nicht ganz. Von dieser kann ich also leider nur einen Schnipsel verlinken:
Platz 26: Honey Hush (1999)
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Es gibt Dinge, die wird man anscheinend nicht los. Bei mir gehört dazu eine gewisse Empfänglichkeit für die Musik einer weithin mit Inbrunst gehassten Band. Coolnesspunkte sammelt man damit keine, aber wir sind ja nicht zum Spaß hier; und da es mich regelmäßig überkommt, muss ich mich dem Thema schließlich und endlich einmal stellen.
Fangen wir so an: Als alles längst vorbei war, auch für mich persönlich, kamen sie wiedervereint und gewohnt bombastisch für eine letzte Tour zurück. 2007 war das und mithin gute 15 Jahre nach der letzten gemeinsamen Platte. Da stand ich in Hamburg im Regen mit meiner Skepsis gegenüber der Maschinerie und dachte über den Zynismus nach, der auf dieser Veranstaltung zu liegen schien. Denn gerade der Sänger machte auf mich einen wirklich abgewichsten Eindruck: Ich ertappte mich jedenfalls zweidreimal bei dem Gedanken, dass der seine Zuschauer verachtet und seine Bandkollegen nicht mehr leiden kann, aber einmal noch Heu einfahren und vielleicht auch das gefledderte Ego des ehemaligen Superstars gestreichelt haben wollte, dessen Namen zu dem Zeitpunkt schon keiner mehr aussprechen mochte.
Ich stand da aber auch mit meinem lieben Sohn, und der erzählt mir bis heute, wie froh er ist, dass er dabeisein konnte und wie sehr er bedauert, dass dies das einzige Mal geblieben ist, denn, so seine Wahrnehmung, das war eins seiner besten Konzerte.
Ein bestimmtes Album habe ich gar nicht auf CD, sagte ich ihm neulich, und das war die Scheibe, mit der es für mich so richtig losgegangen ist: Mama, dieser totgespielte Song, hat bei mir damals etwas in Gang gesetzt, jahrelange Obsession und wildes Sammeln. Noch kam einem der Phil-Collins-Drumsound ja nicht zu den Ohren raus, und die dunkle Stimmung des Songs mit der leicht irren Lache war mir ein willkommener Gegenpol zur sonstigen Hitparadenmusik. (Dass sie die Hitparaden bald und für Jahre komplett kapern würden, bis alle nur noch kotzten, war noch nicht unbedingt abzusehen.)
Jetzt hat er mir das Album zu Weihnachten geschenkt und mich getriggert: Durchaus skeptisch legte ich es ins Abspielgerät. Erschreckend, dachte ich, wie nahe das nach über 30 Jahren noch ist, schon klebte ich fest und ließ die Scheibe nicht mehr aus dem Gerät. Und dann geht es wieder los, dann muss ich noch mehr Lieder anhören und endlos in den Fanforen herumlesen, eine sehr ambivalente Geschichte, da ich mich in diesem erstarrten Universum zwar sofort wieder heimisch, aber nie lange glücklich fühle.
Dennoch, ich war jetzt wieder ein paar Tage da drinnen und habe Ihnen etwas mitgebracht:
10 Gründe, diese verdammte Band zu mögen, die immerhin sechs Studioalben aufnehmen musste, bevor zum ersten Mal die Worte "I love you" in einem Lied vorkamen (und dann auch nur als Zitat!)
Fangen wir so an: Als alles längst vorbei war, auch für mich persönlich, kamen sie wiedervereint und gewohnt bombastisch für eine letzte Tour zurück. 2007 war das und mithin gute 15 Jahre nach der letzten gemeinsamen Platte. Da stand ich in Hamburg im Regen mit meiner Skepsis gegenüber der Maschinerie und dachte über den Zynismus nach, der auf dieser Veranstaltung zu liegen schien. Denn gerade der Sänger machte auf mich einen wirklich abgewichsten Eindruck: Ich ertappte mich jedenfalls zweidreimal bei dem Gedanken, dass der seine Zuschauer verachtet und seine Bandkollegen nicht mehr leiden kann, aber einmal noch Heu einfahren und vielleicht auch das gefledderte Ego des ehemaligen Superstars gestreichelt haben wollte, dessen Namen zu dem Zeitpunkt schon keiner mehr aussprechen mochte.
Ich stand da aber auch mit meinem lieben Sohn, und der erzählt mir bis heute, wie froh er ist, dass er dabeisein konnte und wie sehr er bedauert, dass dies das einzige Mal geblieben ist, denn, so seine Wahrnehmung, das war eins seiner besten Konzerte.
Ein bestimmtes Album habe ich gar nicht auf CD, sagte ich ihm neulich, und das war die Scheibe, mit der es für mich so richtig losgegangen ist: Mama, dieser totgespielte Song, hat bei mir damals etwas in Gang gesetzt, jahrelange Obsession und wildes Sammeln. Noch kam einem der Phil-Collins-Drumsound ja nicht zu den Ohren raus, und die dunkle Stimmung des Songs mit der leicht irren Lache war mir ein willkommener Gegenpol zur sonstigen Hitparadenmusik. (Dass sie die Hitparaden bald und für Jahre komplett kapern würden, bis alle nur noch kotzten, war noch nicht unbedingt abzusehen.)
Jetzt hat er mir das Album zu Weihnachten geschenkt und mich getriggert: Durchaus skeptisch legte ich es ins Abspielgerät. Erschreckend, dachte ich, wie nahe das nach über 30 Jahren noch ist, schon klebte ich fest und ließ die Scheibe nicht mehr aus dem Gerät. Und dann geht es wieder los, dann muss ich noch mehr Lieder anhören und endlos in den Fanforen herumlesen, eine sehr ambivalente Geschichte, da ich mich in diesem erstarrten Universum zwar sofort wieder heimisch, aber nie lange glücklich fühle.
Dennoch, ich war jetzt wieder ein paar Tage da drinnen und habe Ihnen etwas mitgebracht:
10 Gründe, diese verdammte Band zu mögen, die immerhin sechs Studioalben aufnehmen musste, bevor zum ersten Mal die Worte "I love you" in einem Lied vorkamen (und dann auch nur als Zitat!)
- 10: You Might Recall (1982). Noch vor der großen Hitparadenzeit, testen Sie hiermit mal, ob Sie Phil Collins' Stimme prinzipiell ertragen: Für mich ein sehr geschmackvolles Liedchen, eingängig, aber nicht anbiedernd, mit einer Drumspur, die noch nicht alles plattwalzt, aber viel von seinem Können an diesem Instrument erkennen lässt. Eine leichte Mollstimmung liegt über den ganzen Akkordwechseln, Gitarren und Synthesizer drängen sich nicht auf, sondern grundieren den Song aufs Angenehmste.
9: Harold the Barrel (1971). Durch exzessiven Konsum der bleischweren, sperrigen Siebenminutenstücke der ersten Genesis-Alben habe ich vermutlich bleibende Schäden davongetragen, und ich weiß noch, wie eine Freundin meine Begeisterung so gar nicht teilen wollte: "Da wird man ja depressiv!" Wie ein Brausebonbon zwischen all dem Schwarzbrot erquickte mich aber schon damals dieser kleine Song über Harold, der vom Fenstersims auf eine erboste Menge herunterschaut: "We're all your friends, if you come on down and talk to us, son". Vollkommen untypisch für die Band in dieser Epoche, sparsam instrumentiert und trotz der suizidalen Szenerie mit Witz und Schwung dargeboten, macht das Liedchen mit den jungen Stimmen von Gabriel und Collins mich immer wieder lächeln.
8: The Lamia (1974). Mich gruselt von heute aus, dass ich mir diese Scheibe damals so oft angehört habe: Lang, schwerfällig und schon vom Sound her schlicht deprimierend. Als Jugendlicher sollte man Punk hören oder Beastie Boys, gesünder ist das bestimmt. Aber wenn die Synapsen sich erst ihre Bahnen gefräst haben, hilft anscheinend alles nichts, dann trifft auch ein freudloses Stück wie dieses vom überbewerteten Doppelalbum The Lamb Lies Down On Broadway die richtigen Rezeptoren. "With their tongues, they test, taste and judge / All that is mine / They move in a series of caresses / That glide up and down my spine / As they nibble the fruit of my flesh / I feel no pain / Only a magic that a name would stain / With the first drop of my blood in their veins / Their faces are convulsed in mortal pains ...", ja fuck, warum konnte ich nicht einfach Sexual Healing hören? Bei diesem Lied jedenfalls gehören die surrealen Lyrics über Schlangen mit Frauengesichtern, die den nackten Helden im Pool anknabbern, ebenso zu meinem perversen Vergnügen wie Peter Gabriels entrückter Gesang zu der leblosen Musik.
7: Entangled (1976). Völlig entrückt auch dieses Lied ohne Drums, das durch den Harmoniegesang irgendwie folkig klingt und, Strophe-Refrain-Strophe-Refrain, fast ein konventionelles Lied werden möchte. Wie bei vielen Stücken aus dieser Zeit wird das aber verhindert, indem ein langer Instrumentalteil eingebaut wird, der mit wunderbaren Akustikgitarren und ebenso schönen 70er-Jahre-Synthesizerchören wahrscheinlich direkte Ursache für das Aufkommen des Punk war.
6: Fading Lights (1991). Eben waren wir bei der ersten Platte mit Phil Collins als Sänger, dieses hier stammt von der letzten. Nicht alles, was dazwischen lag, mag ich verteidigen, und speziell gilt das für die ganz brachialen Kracher wie Land of Confusion oder I Can't Dance. Bei diesem Abschiedsstück hier schreit Phil nicht alles nieder, sondern singt angenehm zurückgenommen. Dazu Progressive-Elemente, wie man sie von Genesis kennt: Ein ausufernder instrumentaler Mittelteil mit Schlagzeuggewittern, Synthie- und Gitarrensoli, die langsame Rückkehr zur melancholischen Anfangsmelodie, mehr braucht es gar nicht, um den nnier glücklich zu machen. Sagen wir zufriedenzustellen. Oder jedenfalls seine Nerven zu beruhigen. Ach was soll's, ich finde das wirklich schön.
5: Watcher of the Skies (1972). Halten Sie durch: Das Mellotron-Intro klingt erst mal etwas pompös und leer, aber es etabliert eine Stimmung, die ebenso zu dem Lied gehört wie die komplizierte rhythmische Figur, die sich bald zu dazugesellt und im Lied immer wieder aufgegriffen wird: Mal vom Bass, mal vom Synth, mal vom Schlagzeug. Tickiti-tick-tick-tick-tick-ti-tickiti-tickiti/tickiti-tick-tick-tick-tick-tititckiti-tickiti, das verfolgt mich schon mehr als mein halbes Leben, und so krude das Lied manchmal klingt, ich liebe es schon vor dem Break (bei knapp 6:00 min: Tickiti-tick-tick-tick-tick-ti-tickiti-tickiti ...) Was dann folgt, dieses Mellotron über der kontrolliert verrückt spielenden Rhythmussektion, ist die Mühen des Einstiegs absolut wert.
4: Duke's Travels / Dukes End (1980): Wer Fading Lights (Nr. 6) tatsächlich gehört hat, dem wird einiges bekannt vorkommen, bloß dass dies hier deutlich früher entstanden ist. Duke war das zweite Album in der Dreierbesetzung Banks/Collins/Rutherford, darauf sind schon (zu) viele konventionelle Popsongs zu finden. Mich macht das Ende glücklich, dieses ausgedehnte Stück Bombast, das man am Lagerfeuer nur schwer nachspielen kann. Und - beliebter Trick bei Genesis - man nimmt am Ende Melodiefragmente von anderen Stücken der Platte wieder auf. (Warum ich auf so etwas stehe? Keine Ahnung.)
3: The Fountain of Salmacis (1971): Einige der frühen Langstücke sind wirklich schwer verdaulich, das gilt vor allem musikalisch, aber auch textlich kommt man oft kaum hinterher vor lauter altenglischer Szenerie und mythologischer Anspielungen. Hier ein zwar langes, aber vergleichsweise zugängliches Stück von der zweiten "richtigen" LP, bei dem die künstlichen Streicher vom Mellotron mich sofort einfangen. Kleine Zwischenspiele mit E-Gitarre, Querflöte und Orgel brechen das Lied auf und halten das Interesse wach, bevor das Streichermotiv alle wieder einsammelt und die Vereinigung der zwei Liebenden an der Quelle mit dramatischen Chören und sehr schönem E-Gitarrensolo gefeiert wird. Dann noch mal ein Streicherakkord: Das endet wie ein kurzes Bühnenstück, ich warte jedes Mal auf den Applaus.
2: Los Endos (1976). Ja, ja - ich weiß auch nicht, schon wieder so ein Instrumentalstück, schon wieder vom Ende eines Albums. Darin ist vieles verdichtet, was mich an dieser Musik damals so angesprochen hat (und es teilweise bis heute tut): Langsamer Einstieg, Spannungsaufbau, dynamische Wechsel, fantastische Instrumentenbeherrschung (der Bass! Die Drums!), am Ende noch eine kleine Verzögerung: Nach etwa 4 Minuten haben sie einen so weit, dass man um Erlösung bettelt, ein paar Sekunden noch, obacht, gleich ...
1: Supper's Ready (1972). Darüber müsste man Bücher schreiben, und Sie können ohnehin nicht mehr. Also heben Sie es sich für einen anderen Tag auf, denn das ist eine ganze Plattenseite. Oder, ach, vergessen Sie's, Generation YouPorn will ja immer alles jetzt gleich sofort, dann springen Sie halt an eine Stelle, die eigentlich mühsam vorbereitet wird, die Apocalypse in 9/8: Mein Gott, hat mich das damals erwischt! Dieser Neunachteltakt, das Zusammenspiel der Instrumente, dazu singt Peter Gabriel so gut, wie er davor und danach nie wieder gesungen hat: Das alles läuft natürlich auf einen musikalischen Höhepunkt hinaus, der erst so richtig wirkt, wenn man vorher durch die Ebenen dieses Dreiundzwanzigminutenstücks gewandert ist. Aber das sollte man besser freiwillig tun.
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Man kann das Lied gut 30 Jahre später, wenn man also deutlich über 70 ist, natürlich einfach live spielen: Nach den hohen Tönen muss man sich gesanglich inzwischen strecken, aber der knackige Bass und das funkige Gitarrenriff bringen den Song ganz locker nach Hause. Echt nicht schlecht, sage ich da, und auch deutlich besser als die mit Samples und Drum-Gepose aufgeblasene 89/90er-Version, an der ich mich auf dieser Tour bald überhörte: So klingt das doch nach einem brauchbaren Stück Rockmusik!
Dabei ist das ganze Stück ein Witz, eine dieser Heimstudiospielereien ohne jede ernstzunehmende Produktion: Mikrophon einstöpseln und einen monotonen Schlagzeugtakt aufnehmen - klingt wie ein Schuhkarton, aber man weiß ja, wie es gemeint ist. Dann diese eine Idee, das gute Riff, mit der E-Gitarre einspielen: Es wird schon ein Song draus werden, am Bass ist man ja ohnehin Weltklasse, also den gleich hinterher und ein wenig dünnes Gedudel auf dem "Synthesizer", das ist so ein neuartiges Gerät zur künstlichen Klangerzeugung. Jetzt mit Kopfstimme und VariSpeed-Bandmaschine einen möglichst unscharfen, körperlosen und verhallten Gesang darüber, fertig ist das Mondgesicht.
Es ist eine lustige Idee, ausgerechnet zu diesem Song ein professionelles Video State of the art drehen zu lassen - muss man sich mal vorstellen, das sieht aus wie ganz viele Menschen und dabei ist es immer ein- und derselbe! Was da inzwischen elektronisch möglich ist: Der Hammer, ich hab mir sagen lassen, die machen das irgendwie mit einer blauen Wand.
Auch das natürlich ein Witz: Als bräuchte man zehn Personen, um diesen dünnen Sound hervorzubringen! Allein vier virtuelle Blechbläser stehen da und pusten leer in ihre Saxo- und sonstigen Phone, während doch nur kläglich das Keyboard klimpert.
Angeblich war es dieser Song, der Lennon sagen ließ: Wenn Paul jetzt wieder gute Musik macht, dann fange ich auch wieder an. Das Lied ist ein Witz, aber ein guter.
Platz 27: Coming Up (1980)
Dabei ist das ganze Stück ein Witz, eine dieser Heimstudiospielereien ohne jede ernstzunehmende Produktion: Mikrophon einstöpseln und einen monotonen Schlagzeugtakt aufnehmen - klingt wie ein Schuhkarton, aber man weiß ja, wie es gemeint ist. Dann diese eine Idee, das gute Riff, mit der E-Gitarre einspielen: Es wird schon ein Song draus werden, am Bass ist man ja ohnehin Weltklasse, also den gleich hinterher und ein wenig dünnes Gedudel auf dem "Synthesizer", das ist so ein neuartiges Gerät zur künstlichen Klangerzeugung. Jetzt mit Kopfstimme und VariSpeed-Bandmaschine einen möglichst unscharfen, körperlosen und verhallten Gesang darüber, fertig ist das Mondgesicht.
Es ist eine lustige Idee, ausgerechnet zu diesem Song ein professionelles Video State of the art drehen zu lassen - muss man sich mal vorstellen, das sieht aus wie ganz viele Menschen und dabei ist es immer ein- und derselbe! Was da inzwischen elektronisch möglich ist: Der Hammer, ich hab mir sagen lassen, die machen das irgendwie mit einer blauen Wand.
Auch das natürlich ein Witz: Als bräuchte man zehn Personen, um diesen dünnen Sound hervorzubringen! Allein vier virtuelle Blechbläser stehen da und pusten leer in ihre Saxo- und sonstigen Phone, während doch nur kläglich das Keyboard klimpert.
Angeblich war es dieser Song, der Lennon sagen ließ: Wenn Paul jetzt wieder gute Musik macht, dann fange ich auch wieder an. Das Lied ist ein Witz, aber ein guter.
Platz 27: Coming Up (1980)
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Ich habe zwei liebe Kinder, und so seltsam das ist, sie mochten von je her meine Musik.
Ich will gar nicht leugnen, dass mich das rührt. Denn auch wenn ich mir einbilde, ich wäre gegenüber japanischem Punkrock natürlich wahnsinnig tolerant gewesen, muss ich doch zugeben, dass die gemeinsame Freude an den schönen Liedern mein Herz weitet. Weihnachten diesmal ohne die Tochter: Kannst du mir einen USB-Stick mit Beatlesliedern schicken, ich will die endlich mal wieder in Ruhe hören? Da muss ich mir den Augenwinkel wischen, so freut mich das.
Es kommt ein neues McCartney-Album, erklärte ich mein mehrtägiges Lächeln vor nun auch schon wieder acht Jahren, und sie lächelten mit mir. Das erste Lied auf dem Album hat etwas Kindliches an sich, und ich meine nicht kindisch: Das ist der typische "No Fuss" - McCartney, der mir oft so viel näher ist als der perfektionierte und überproduzierte. Er ist es wieder mal alleine, hat also Spur für Spur selber eingespielt, und es klingt so, als habe er das nach dem Frühstück mit der jüngsten Tochter angefangen und abends fertig gehabt: Spaß am Klang der Mandoline, im Text keine großen Experimente, zwischendurch wird ein paar Takte gepfiffen, der seltsame Akkord* bringt ein wenig Textur, und das "Solo", drei Töne auf der E-Gitarre, ist auf eine Art und Weise unverschämt, die mich immer wieder grinsen lässt.
Bis dahin ein nett geklampftes Liedchen, das ich so schön mögen würde. Er wäre aber nicht der Paul, würde er sich nicht ans Schlagzeug setzen und zum Schluss noch etwas Dampf machen: Warte mal kurz, Kleine, das waren schon mal die Drums, jetzt legt der Papa grad noch ein paar Akkorde mit Bass und E-Gitarre unter das Ende, dann hab ich wieder Zeit für dich!
Spaß am Neuen, immer noch: Mandoline habe ich noch nie gespielt, mal ausprobieren - und dann einfach drauf los, statt sich von der eigenen Bedeutsamkeit lähmen zu lassen. Trivial? Harmlos? Ganz bestimmt, und ich freue mich, dass er's macht,
Platz 28: Dance Tonight (2007)
--
*Zu den Zeilen
You can come on to my place if you want to /
You can do anything you want to do"
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Oft habe ich mich gefragt, ob das musikalische Empfinden etwas Gelerntes oder von der Natur schon Eingebautes ist. Da ich Noten nicht beherrsche und von Musiktheorie keine Ahnung habe, muss ich laienhaft vor mich hinspekulieren: Bestimmte Akkorde, so heißt es, die für "uns" heute rein und sauber klingen, waren vor hundert Jahren noch Missklänge. Also gelernt? Aber Moll klingt traurig und Dur klingt fröhlich, da kannst du jedes Kleinkind fragen: Also eingebaut? Was passiert, wenn man rein pentatonisch aufwächst? Oder nur mit Zwölftonmusik? Ich muss mal ein paar Zwillingsversuche machen.
Was geschieht, wenn man mit einem verstimmten Klavier aufwächst - empfindet man das dann als richtig? Aber es gibt doch physikalische Beziehungen, Schwingungsvielfache, und wenn man mit kleinen Kindern Lieder singt, transponieren sie traumwandlerisch und nichts tönt miss.
Im Stimmbruch fällt die männliche Stimme um eine Oktave, lerne ich ("Frequenzverhältnis 2:1"), das ist doch erstaunlich: Welcher Mechanismus sorgt denn dafür, dass es gerade dieses Verhältnis ist? Verlängern sich die Stimmbänder genau um einen bestimmten Faktor?
Was wäre gewesen, hätte ich als Kind nicht das Rote Album zur Verfügung gehabt, meine musikalische Prägung statt dessen durch Mozart oder Modern Talking erfahren?
Bei einer Oktave scheint es nicht zu bleiben, sonst müssten älterwerdende Künstler ihre Lieder nicht heruntertransponieren: McCartney war lange stolz darauf, das nicht zu tun und bei seinen Konzerten in der ursprünglichen Tonlage zu singen. Man fragte sich immer stärker, wie das eigentlich ging, so tief und rauh wie seine Sprechstimme geworden war: Die klang nicht eine, die klang zwei Oktaven tiefer als Yesterday.
Es ging dann mit einzelnen Titeln los, We Can Work It Out war so ein Fall, als es 2003 langsam eng wurde und man bangte und litt, wenn die hohen Töne noch irgendwie erreicht wurden oder eben nicht mehr ganz. Und auch wenn er noch heute die meisten Stücke gut bewältigen kann, hilft auf den Konzerten nicht nur die Woge der Begeisterung, sondern auch der stimmliche Einsatz der Begleitband über schwächere Gesangsmomente hinweg. Und im Studio lässt sich sowieso vieles machen.
Es war deshalb eine Überraschung, zum ersten Mal seine "alte" Stimme klar und ungeschönt in einem neuen Lied zu hören. Gerade im Kontrast zu dem nahöstlich-ätherischen Hintergrundgesang merkt man dem seinen hier jedes Lebensjahr an. Wie einfach es gewesen wäre, das zu verdecken, zeigt dieser Herr mit seinem parallelen Harmoniegesang: Auch schön, aber ich bin froh um den raren Moment, denn so verletzlich und ungeschützt hat sich McCartney selten gezeigt. Den Uptempo-Teil am Schluss hätte es deshalb für mich auch nicht gebraucht.
Gelernt oder angeboren? You tell me. Wenn man Katzen in einer Umgebung aufwachsen lässt, die nur vertikal strukturiert ist, knallen sie in der echten Welt gegen jede Querstange. Durchaus grausam die Vorstellung, diese rote Platte wäre waagerecht einsortiert gewesen.
Platz 29: My Soul (2008)
[Anmerkung: Thematische Überschneidung hiermit]
Was geschieht, wenn man mit einem verstimmten Klavier aufwächst - empfindet man das dann als richtig? Aber es gibt doch physikalische Beziehungen, Schwingungsvielfache, und wenn man mit kleinen Kindern Lieder singt, transponieren sie traumwandlerisch und nichts tönt miss.
Im Stimmbruch fällt die männliche Stimme um eine Oktave, lerne ich ("Frequenzverhältnis 2:1"), das ist doch erstaunlich: Welcher Mechanismus sorgt denn dafür, dass es gerade dieses Verhältnis ist? Verlängern sich die Stimmbänder genau um einen bestimmten Faktor?
Was wäre gewesen, hätte ich als Kind nicht das Rote Album zur Verfügung gehabt, meine musikalische Prägung statt dessen durch Mozart oder Modern Talking erfahren?
Bei einer Oktave scheint es nicht zu bleiben, sonst müssten älterwerdende Künstler ihre Lieder nicht heruntertransponieren: McCartney war lange stolz darauf, das nicht zu tun und bei seinen Konzerten in der ursprünglichen Tonlage zu singen. Man fragte sich immer stärker, wie das eigentlich ging, so tief und rauh wie seine Sprechstimme geworden war: Die klang nicht eine, die klang zwei Oktaven tiefer als Yesterday.
Es ging dann mit einzelnen Titeln los, We Can Work It Out war so ein Fall, als es 2003 langsam eng wurde und man bangte und litt, wenn die hohen Töne noch irgendwie erreicht wurden oder eben nicht mehr ganz. Und auch wenn er noch heute die meisten Stücke gut bewältigen kann, hilft auf den Konzerten nicht nur die Woge der Begeisterung, sondern auch der stimmliche Einsatz der Begleitband über schwächere Gesangsmomente hinweg. Und im Studio lässt sich sowieso vieles machen.
Es war deshalb eine Überraschung, zum ersten Mal seine "alte" Stimme klar und ungeschönt in einem neuen Lied zu hören. Gerade im Kontrast zu dem nahöstlich-ätherischen Hintergrundgesang merkt man dem seinen hier jedes Lebensjahr an. Wie einfach es gewesen wäre, das zu verdecken, zeigt dieser Herr mit seinem parallelen Harmoniegesang: Auch schön, aber ich bin froh um den raren Moment, denn so verletzlich und ungeschützt hat sich McCartney selten gezeigt. Den Uptempo-Teil am Schluss hätte es deshalb für mich auch nicht gebraucht.
Gelernt oder angeboren? You tell me. Wenn man Katzen in einer Umgebung aufwachsen lässt, die nur vertikal strukturiert ist, knallen sie in der echten Welt gegen jede Querstange. Durchaus grausam die Vorstellung, diese rote Platte wäre waagerecht einsortiert gewesen.
Platz 29: My Soul (2008)
[Anmerkung: Thematische Überschneidung hiermit]
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