Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Donnerstag, 14. Juli 2016
Olymp
nnier | 14. Juli 2016 | Topic Musiq
Neulich, auf dem Konzert, wurde mir noch mal klar, dass er jetzt deutlich über 70 Jahre alt ist. Was für ein feiner, bescheiden gebliebener Mann, dachte ich, und wie unglaublich lange das alles her ist: Hamburg. Kaiserkeller. Star Club. Er hat mit den ganz Großen zusammengespielt: John Lennon. George Harrison. Ringo Starr. Und macht überhaupt kein Aufhebens davon.



Als Bassist ist er wirklich nicht schlecht, und viele wissen ja gar nicht, wie oft er auch in den 70er Jahren noch mit John, George und Ringo zusammengespielt hat - eigentlich sogar mehr als zu seiner Zeit mit den Beatles.

Ich stand an der Bühne und glaubte zu spüren, wie er sich freute: Eleanor Rigby. Here, There and Everywhere. Was für schöne Lieder das sind! Die Leute schauten und waren glücklich. Er schaute zurück und sah glücklich aus.

Ich war ihm näher als je zuvor und hätte endlich fragen können, wie es sich eigentlich anfühlt, an einem so unbegreiflichen Album wie Revolver mitgewirkt zu haben. Ach was, buchstäblich anfassen hätte ich ihn können, aber so einer bin ich ja nicht und genoss also den Abend im Olympiastadion zu München still und mit geschlossenen Augen, d.h. wenn ich nicht gerade laut jubelte oder die Freudentränen wegwischte.

Ob ich diesmal nicht doch nach einem Autogramm frage, überlegte ich, und das ist doch nicht zu glauben, dass du mit so jemandem am gleichen Ort bist. Und wenn ich schon nicht nach Lennon oder Harrison fragen mag, dachte ich, denn das kommt ihm bestimmt zu den Ohren raus, dann vielleicht nach Behrens oder Krawinkel, die verdanken ihm ja ebenfalls eine Menge, und auch das weiß längst nicht jeder. Dann ließ ich ihn lieber in Ruhe.

Das Konzert schien ihm echte Freude zu bereiten, doch gegen Ende begann es ihn anzustrengen, das war unverkennbar, und mir selbst fällt es auch nicht mehr so leicht, stundenlang zu stehen: Kein Wunder, dass er sich zwischendurch auch mal hinsetzte. Zum Finale aber war er wieder voll da, alle waren glücklich, und es mag komisch klingen, denn er hat in seinem Leben bestimmt schon genug Autogramme gegeben - trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er sich über meine Frage gefreut hat.



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Mittwoch, 1. Juni 2016
Zäpfel in Dü
nnier | 01. Juni 2016 | Topic Musiq
Zäpfel Kern hatte, wie wir wissen, ein paar nette, sehr niedliche Ohren erhalten, und er war immer etwas eitel auf seine kleinen Öhrchen gewesen. Und nun, entsetzlich, erblickte er an deren Stelle zwei ungeheure haarige Ungetüme, von denen er nichts anderes sagen konnte, als daß es zwei ausgewachsene Eselsohren waren.
(Otto Julius Bierbaum, Zäpfel Kern)
Wie ja jeder weiß, erzählte der Schriftsteller Otto Julius Bierbaum zu Beginn des 20. Jahrhunderts mal eben die Abenteuer Pinocchios nach, änderte ein paar Namen und gab seinem Buch den Titel Zäpfel Kern. Als mir mein Freund A. eine Pinocchio-Hörspielcassette zum Geburtstag schenken wollte, dann aber Zäpfel Kern auf dem Tisch lag, war ich zunächst enttäuscht, denn ich hatte die Figuren und Stimmen aus der bekannten Zeichentrickserie erwartet. Später begann ich das Hörspiel dennoch zu mögen, in dem der alte Tischler statt Gepetto eben Väterchen Zorntiegel hieß, und besonders beeindruckt hat mich das Kapitel "Bei Dr. Schlaumeier im Spiel-Immer-Land": Da geht es um Kinder, denen ein sorgloses Leben in einer Art ewigem Freizeitpark versprochen wird, und um den hohen Preis, den sie eines Tages dafür zahlen müssen, indem sie sich zu Eseln verwandeln und als solche für Dr. Schlaumeier arbeiten müssen oder von ihm verkauft werden.

Mich hat der Wind vor einigen Tagen nach Westen geweht, erst wunderte ich mich noch über die hohen Berge und tiefen Täler, Ennepetal, Neviges, Velbert, Wuppertal, das ist ein ewiges Auf und Ab und mit Rollator bestimmt noch anstrengender, und irgendwann fand ich mich in Düsseldorf wieder, einer Stadt, zu der ich jetzt immerhin sagen kann: Nu ja, und dann zeigte ein Pfeil zum Spiel-Immer-Land.

Mit ein paar anderen Kindern durfte ich schon vorher rein, als die Kapelle ein Stündchen probte. Vor Freude weinte ich auf meine Zuckerwatte, denn statt "Test-Test-1-2-3" wurden ganze Songs gespielt, und der Mann auf der Bühne war lieb zu uns und hatte sichtlich Freude an seinem Tun. Als er uns verabschiedete und viel Spaß für die Show am Abend wünschte, ging es noch mal raus ins Helle. Durch den Schleier sah ich den glücklichen Japaner, der neben mir gestanden und einen inneren Kulturkampf ausgefochten hatte: Man ist ja eher der zurückhaltende Typ und von außen betrachtet kein Kind mehr, aber, Herrgott, das kann doch gar nicht wahr sein, Konnichiwa Sayonara!

Einige Stunden träumte ich auf meinem Sitz vor mich hin, begleitet von angenehmer Musik, ein DJ kam drin vor und elektronisch verfremdete Versionen meiner musikalischen DNA. Dann erscholl ein Akkord, der mich 50 Jahre jünger machte, gleich konnte ich wieder stehen, und das kann doch gar nicht wahr sein, Domo Arigato!

Es gab ordentlich was auf die Ohren, und irgendwann begann ich mich zu fragen, ob das vielleicht wirklich nicht ganz wahr ist. Hinterher konnte man lesen, dass es Probleme mit dem Klang in der Arena gegeben habe. Vielleicht war es das. Vielleicht auch etwas anderes. Ich denke dabei nicht an Playback, der Mann singt wirklich, das habe ich aus der Nähe gesehen. Aber irgendwas klang fremd für mich, als ob da technisch getrickst und nachgeholfen würde, nicht schlimm und roboterhaft, aber auch nicht mehr pur und unverfälscht.



Und wen würde das wundern, mit fast 74, bei dem Dreistundenprogramm an der Gitarre, am Bass, am Klavier, und alle wollen das hören, alle wollen rein in das Spiel-Immer-Land und glücklich sein, und das waren sie, das waren wir, nur beim Rausgehen musste ich mir prüfend an die Ohren fassen.

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Montag, 9. Mai 2016
71@71:#20
nnier | 09. Mai 2016 | Topic Musiq
I wish I was a baby
I wish I was dead

(John Lennon, Cold Turkey)

So etwas würde Paul nie schreiben, und schon gar nicht damals, als er sich in immer hektischeren Bewegungen zwischen alle Stühle setzte: Als hätte es nicht genug rechtliche Streitigkeiten mit den ehemaligen Bandkollegen gegeben, kamen noch welche dazu, weil nicht jeder Medienmogul gleich einsehen wollte, dass aus der Fotografin Linda Eastman plötzlich eine professionelle Songschreiberin geworden war. OK, sagte Paul, bevor wir uns hier um die zusätzlichen Tantiemen streiten, mache ich euch noch eine Fernsehshow, dann kriegen wir aber das Geld, Deal?

Ich habe davon nur Ausschnitte gesehen, aber schon diese und oberflächliches Lesen machen klar, dass sich hier jemand seine Reputation auf Jahre hinaus kaputtmachen würde. Gotta Sing, Gotta Dance, die alte Hut-und-Stock-Nummer, der Entertainer für die ganze Familie, dazwischen Pub-Gesinge mit den Großtanten und musikalisch schlechte Wings-Auftritte: Ganz unschuldig an seinem zweifelhaften Ruf war er damals sicher nicht.

Und dabei konnte er's doch! Im selben Jahr erschien z.B. dieser Slowie. Sparsam instrumentiert mit einem grandiosen Gitarrenriff, lediglich von der Wings-Kernbesetzung mit Paul, Linda und Denny Laine aufgenommen, fegt der Song mühelos allen Kitsch vom Kamin und rockt relaxt, ohne irgendwas beweisen zu wollen. Wunderbar auch die leere Strophe gegen Ende: Alles wartet auf ein Instrumentalsolo (und bei Livekonzerten gibt es das leider auch), aber nein, man darf schlicht dem Riff und der Bassbegleitung lauschen, bis der Refrain wieder einsetzt. Seit dem "Drumsolo" in Birthday wurden meine Erwartungen nicht so schön unterlaufen!

Echoes of Lennon, na klar, und die Gelehrten streiten sich, ob das eher Parodie oder eher Hommage war: Zünglein an der Waage ist für mich das kurze "Ooh-oh-ohaho" ganz am Schluss, in dem für mich punktgenau und überhaupt nicht bösartig so viel Plastic-Urschrei-Lennon konzentriert ist, dass ich lächeln und nach draußen rufen möchte: Jungs, nun hört mal auf zu streiten, in Wahrheit liebt ihr euch doch!

Platz 20: Let Me Roll It (1973)

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Mittwoch, 6. April 2016
71@71:#21
nnier | 06. April 2016 | Topic Musiq
Momentan muss ich heimlich Rockmusik hören, wenn der Gastschüler nicht da ist. In Australien hat er in vier Chören gesungen, hier sind es bislang zwei, und kürzlich wohnte ich im Dom einer wirklich gelungenen Aufführung von Antonín Dvořáks Stabat Mater bei: Gar nicht mal schlecht, musste ich denken und bin auch nicht mittendrin aufgesprungen, um an besonders griffigen Stellen mitzugröhlen. Das ist einer der Unterschiede von diesen klassischen Konzerten zu den normalen, bei denen man mich sonst antrifft, und es gibt noch mehr: Man jubelt z.B. nicht nach jedem Lied und es gibt keine Stehplätze, nicht mal im Innenraum, deshalb vermutlich auch die eher verhaltene Stimmung.

Schon immer habe ich Probleme, mir bei den Klassikern, und ich meine jetzt nicht The Who, irgendwelche Bezüge, Namen oder Reihenfolgen zu merken. Während es völlig normal für mich ist, mich darüber zu unterhalten, dass Peter Gabriel Anfang der 70er ausgerechnet auf einer Cat-Stevens-Platte mal Querflöte gespielt und ein anderer Progressive-Held, der Yes-Keyboarder Rick Wakeman, das schöne und prägende Klaviermotiv zu dessen 1971er Welterfolg Morning Has Broken beigesteuert hat, welches an sich ja schon keine Komposition des Sängers, sondern 40 Jahre früher von einer Engländerin geschrieben worden ist, komme ich bei Mozarts, Bachs und Beethovens zuverlässig durcheinander: Wer hat wann gelebt, ist wofür bekannt, baut auf wen auf - ah, ja, so ist das also, und gleich wieder vergessen.

Es muss etwas mit dem emotionalen Stellenwert zu tun haben. Unser Gast lebt dermaßen tief in und mit seiner klassischen Musik, dass er sie einem pausenlos und wochenlang vorspielen würde: Hier, das ist dieses Stück. Und hier, dasselbe von einem anderen Orchester. Hier ein späteres Stück von dem Komponisten. Und lass uns mal hören, wie das 100 Jahre früher klang. Ich dagegen wundere mich noch heute, dass die australische Band Real Life 1983 ihrem ersten großen Hit "Send Me an Angel" viel zu früh den Nachfolger "Catch Me I'm Falling" nachfolgen ließ: Da war der erste Song noch gar nicht durch, schon kannibalisierte ihn der zweite, und danach: Nichts! Oder nehmen wir die australische Band Icehouse mit ihrem wirklich sehr aparten Stück "Hey Little Girl", das für mich über die Jahre nur dazugewinnt: Klingen die nicht unverkennbar nach Roxy Music, hören Sie doch nur mal das auch ganz tolle "Street Café": Erstaunlich, oder?

Ja, ja, würde er abwesend nicken und auf seinem Mobilfon herumscrollen, um mir seine Lieblingsaufnahme von einem ganz bestimmten Stück dieses einen Komponisten mit diesem einen Chor zu zeigen: Sen-sa-tio-nell, und dann summt er mit und singt er mit und schaut so ergriffen, dass man sich mitfreut.

"Ich mochte die Stimmen nicht", hat McCartney mal über Opernsänger gesagt, und so ist es mir oft gegangen: Wie künstlich so ein Sopran klingen kann, wie angestrengt ein Tenor, und die Knabenchöre, und die Krawatten, und dieses Scheißpublikum, und das steife Gehabe, da möchte man die E-Gitarre rausholen und mal frische Luft unter die Talare blasen.

Ich werde aber nun älter (vgl. Wein, Uhren, Urlaub gerne auch mal in Deutschland), und zwischendurch kann ich sagen: Der frühe Mozart geht mir zwar auf den Sack, aber der späte klingt nicht uninteressant. Oder einmal, im Auto, hörte ich was von Schostakowitsch und dachte: Oh! Vielleicht gehe ich demnächst doch mal in so ein Musical.

Scheaz! Ohne Fremdmotivation werde ich so schnell kein klassisches Konzert aufsuchen. Aber Weihnachten z.B., darauf freut er sich jetzt schon, werden sie im Dom das Weihnachtsoratorium aufführen, so heißt das glaube ich, da gehe ich auf jeden Fall hin, und das ist von diesem einen, na, diesem Komponisten, diesem Johann Amadeus Beethoven, und es stammt aus einem Jahrhundert.

Na, was ich eigentlich nur erzählen wollte: 1991 kam dann plötzlich Paul McCartney's Liverpool Oratorio mit einem schlimmen Covermotiv, und der klassisch ausgebildete Komponist Carl Davis muss nach all der Arbeit wohl ziemlich gezuckt haben, als da stand: Paul McCartney's Liverpool Oratorio. Die beiden haben was klassisch Klingendes komponiert, in den Kritiken hieß es damals: Na ja, und ich hab' es mir tatsächlich ein paar Mal angehört und sogar eine Aufführung besucht.

Mir ist das Werk zu lang mit zu wenig Substanz, was gegen Ende immer deutlicher wird, so dass ich geneigt bin zu sagen: Schuster, bleib bei deiner Bassgitarre. Aber ein paar schöne Melodiesprengsel sind gar nicht zu vermeiden, wenn McCartney beteiligt ist, und diese knapp fünf Minuten mit künstlichem Sopran und angestrengtem Tenor und Kinderchor und Krawatten finde ich wirklich schön.

Platz 21: Tres Conejos / Not For Ourselves (aus dem Liverpool Oratorio von 1991)

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Samstag, 2. April 2016
71@71:#22
nnier | 02. April 2016 | Topic Musiq
Keine Ahnung, was ihn Anfang der 80er dazu gebracht hat: Knast in Japan, John erschossen, Wings auf Grund gelaufen, das Heimstudioalbum mit schlechten Kritiken - zum ersten Mal seit Beatles-Zeiten, sieht man mal von der 73er Auftragsarbeit Live and Let Die ab, suchte Paul die Zusammenarbeit mit George Martin. Das klingt schon so bedeutungsschwanger und erfüllt natürlich längst nicht alle Erwartungen: Fragen Sie mal Armin Veh, wie schwierig so etwas ist.

Bedeutungsschwanger in Zeiten des Kalten Krieges war natürlich auch alles mit War im Titel, und dass "Tug of War" eigentlich "Tauziehen" heißt, wusste ich damals nicht, erklärt aber die dräuenden Ächz- und Schnaufgeräusche zu Beginn: Ganz schön ernste Sache, das alles, mit der Liedermachergitarre und der edel-sparsamen Harfenbegleitung und den irgendwie total tiefsinnigen Lyrics ("We expected more / But with one thing and another / We were trying to outdo each other ..."), oder ist das vielleicht ziemlich prätentiöser Quark?

Lass uns mal ernsthaft klingen, mach es mal wertig, und wenn man schon so supertiefsinnig und irgendwie echt schwermütig "Iiiits a tuuug of waaaar" zu dem Geklimper gesungen hat, darf der Hintergrundchor noch ein paar Bedeutungsgirlanden drehen und antworten ("A tug of war, a tug of war!"): Das wissen wir ja, was für ein fähiger Arrangeur der George ist, und "Pushing and pulling", und "In another world", ja, klar, man merkt die Absicht.

Und ist verstimmt: Es gibt genügend Gründe, warum einem so etwas auf die Nerven gehen kann, und dann kommt die Stelle, für die sich alles gelohnt hat. Das sind bloß ein paar Sekunden, die E-Gitarre setzt ein, Pauls hohe Stimme wird ein wenig kräftiger, und meinetwegen soll der Chor auf "But it won't be soon enough" auch mit "Soon enough" antworten: Diese halbe Minute habe ich mir schon tagelang auf Repeat angehört.

Dann geht's zurück zu Streichern und Tiefsinn, und man will gerade genervt das Handtuch werfen und sagen: Schön und gut, Paul, aber lass doch mal diesen orchestralen Kram weg und den bedeutungsschwangeren Gesang, Pushing, Pulling, Pushing, Pulling - schon kniet man ergriffen nieder und leistet Abbitte. Denn was für einen wunderschönen und zutiefst geschmackvollen Abschluss setzt das Orchester da bitteschön unter das Lied!? Das beruhigt die Nerven, streichelt die Seele und berührt das Herz. Und so etwas kann nur McCartney. Mit George Martin.

Platz 22: Tug of War (1982)*

--
*Verlinkt ist ein sogenannter Remix von 2015, tatsächlich aber eher ein Remaster: Klanglich verbessert und etwas differenzierter, ansonsten gegenüber dem ursprünglichen Mix aber nahezu unverändert.

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Mittwoch, 9. März 2016
The news today, oh boy
nnier | 09. März 2016 | Topic Musiq
Ein ganz feiner Mensch, das sieht man auf Anhieb: Der korrekte Seitenscheitel auf den frühen Schwarzweißfotos, die langen Haare des älteren Herren. Seine genaue und völlig unversnobte Sprache. Und bis zum Schluss diese Freude an dem, woran er mitwirken durfte: Es hätte keinen besseren dafür gegeben, und meine Welt wäre eine andere ohne ihn.

George Martin ist tot, und ich verneige mich traurig.

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Mittwoch, 17. Februar 2016
71@71:#23
nnier | 17. Februar 2016 | Topic Musiq
Im Windschatten des großen Anthology-Hypes Mitte der 90er kam McCartney 1997 mit dem Album Flaming Pie auf den Markt, auf dem sich ein paar feine Songs tummeln. Die meisten Stücke sind durch Akustikgitarren geprägt und klingen damit deutlich anders als der Poprock auf den beiden Vorgängern.

Ehrlich gesagt ist die Produktion sogar ein wenig dünn, was zwar besser ist, als wenn Jeff Lynne als Produzent hier noch den x-ten Aufguss seines ELO-Sounds (nach George Harrison, Roy Orbison, Tom Petty, den Traveling Wilburys etc.) abgeliefert hätte; aber gewundert hat es mich schon, denn auch akustische Gitarren können ganz wunderbar voll klingen.

Dieser Minnegesang hat mich damals nicht unmittelbar ergriffen: Nettes Liedchen, dachte ich, schön gezupft, dachte ich, und die Gitarre dürfte gerne präsenter klingen.

Es gab dann keine Tour zur neuen Platte, da sich privat Trauriges ereignete, und als er Jahre später doch wieder loszog, war längst ein anderes Album aktuell. Von dem wurden reichlich Titel gespielt, nicht jeder davon hätte sein müssen, und das schöne Album Flaming Pie schien in in eine Zeitfalte gerutscht und vergessen worden zu sein.

Es war mir deshalb eine besondere Freude, diesem Stück doch noch live zu begegnen, mit akustischer Bandbegleitung und wunderbarem Harmoniegesang. Mir wird 's ja schnell zu folkig, aber das hier finde ich einfach großartig sentimental, souverän unkitschig und weitaus schöner als das sparsame Original.

Statt wie üblich auf die Originalversion verweise ich also auf eine Liveaufnahme von 2002:

Platz 23: Calico Skies (1997)

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Freitag, 12. Februar 2016
71@71:#24
nnier | 12. Februar 2016 | Topic Musiq
Bei diesem Song hätte ich darauf gewettet, dass er ihn alleine aufgenommen hat: Das mäandert und klingt dabei irgendwie unscharf, so dass ich ihn vor meinem geistigen Auge mal wieder Spur für Spur vor sich hinbasteln sehe. Auch das Schlagzeug ist sparsam und typisch McCartney, da merkt man nichts von den Fähigkeiten des exzellenten Drummers, den Paul seit vielen Jahren in seiner Liveband hat: Ab und zu ein einzelner Schlag aufs Becken und ansonsten so harmlos den Takt gespielt, dass man glauben will, das könnte man doch selber.

Jedoch, es spielen tatsächlich andere Musiker mit, auch der überirdische Drummer, so behauptet zumindest das Booklet (ich bin nicht restlos überzeugt), und das Lied war die erste Single vom ansonsten ziemlich knackrockigen Album Driving Rain: Also ich mag das Liedchen ja, aber als Single bietet es sich nicht gerade an, oder?

Gefühlt müsste das eine der unterschätzten B-Seiten sein, und als solche hat es einen festen Platz in meinem Herzen, suchend, tastend, zerbrechlich gesungen: Ganz anders als das brachiale Freedom, das dann hektisch die nächste Single wurde, was sich nur als spontane Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse des Herbstes 2001 entschuldigen lässt.

Platz 24: From a Lover to a Friend (2001)

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Montag, 8. Februar 2016
71@71:#25
nnier | 08. Februar 2016 | Topic Musiq
Piss off, eyy! Ich weiß, ihr könnt es alle kaum erwarten, deshalb geht das hier auch Schlag auf Schlag, und schon betreten wir die Top 25 dieser beliebten kleinen Serie.



Paul würde das so nie ausdrücken, der würde einfach "Piece of cake" über ein paar verstimmte Gitarrenakkorde singen, mit ebensolcher Stimme, und über seine vielen Stimmen denkt ja sowieso niemand hinreichend nach. Und was für ein abwechslungsreicher Song das hier schon wieder ist! Nicht nur durch seine Stimme, die nach Belieben im Falsett säuseln (That was your first mistake), aggressiv shouten (Too many hungry people losing weight), beinahe vergeistigt (Ooohoo-ooh, nach den ersten paar Sekunden) oder komplett weggetreten (Piece of cake) klingen kann.

Man hört so ein Lied und denkt, na ja, das läuft so geradeaus, dabei sind eine Menge kleine Rafinessen darin verborgen, das beginnt mit dem kleinen Kuchenstückvorspiel und geht weiter mit den zahlreichen Breaks, einem grandiosen E-Gitarrensolo und einem ziemlich wilden Finale.

Der Song stammt im übrigen von der einzigen Platte des berühmten Musikerduos Paul & Linda McCartney, und das ist wirklich schade, dass die nur diese eine Scheibe veröffentlicht haben, denn sie ist einer meiner liebsten.

Und was die japanischen Jungs da oben mit ihrer großen Pause anstellen, finde ich sehr löblich. Üben, Boys, dann gibt's auch ein Stück Kuchen!

Platz 25: Too Many People (1971)

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Mittwoch, 20. Januar 2016
71@71:#26
nnier | 20. Januar 2016 | Topic Musiq
Weeeeeelll come into this house / Stop all that yackety yack!

Wenn etablierte Künstler in der Spätphase ihrer Karriere versuchen, back to the roots zu gehen, ist das schnell peinlich. Oder langweilig. Meist beides.

Denen fällt nichts mehr ein, die sind durch, die suchen sich eine Ladung Standards zusammen und surfen auf dem Nostalgietrip. Versuchen vergeblich, eine gute alte Zeit heraufzubeschwören, klingen hohl und abgeschmackt.

McCartney hat das einmal getan, 1987 mit dem sogenannten "Russischen Album", welches eines der wenigen von ihm ist, die ich tatsächlich nie höre. Leblos und langweilig, einzig vielleicht erklärbar als panisch-regressive Korrekturbewegung nach dem Misserfolg von Press To Play: Keiner mag die elektronisch-kühle Produktion mit diesen 80er-Sounds? Dann nehmen wir schnell ein Rock'n'Roll-Album auf und klingen wie die Altherrenband beim Frühschoppen.

Ebenso stark gähnen muss ich bei manchem Lied, das er allzu offensichtlich im Stil der 50er oder frühen 60er schreiben wollte: Sachen wie Get Out of My Way von 1993 vergisst man gleich wieder, und das ist auch gut so.

Dann kommt er 1999 mit einem Rock'n'Roll-Album an, beendet sein Trauerjahr, lädt ein paar alte Säcke ein, nimmt eine Ladung Stücke aus den 50ern auf und komponiert nebenbei Songs, die sich exakt einfügen: Knackfrisch klingt das, unprätentiös und energisch, All Shook Up von Elvis Presley wie mit einer Ladung Pepperoni im Arsch, manches wie im Pub aufgenommen und anderes wie im Bierkeller, immer aber zügig voran und auf den Punkt. Gefällt mir sehr.

Ein Lied herauszuheben ist nicht ganz leicht, Honey Hush ist es geworden, vielleicht auch deshalb, weil ich es einmal unter besonderen Bedingungen live erleben konnte. Und wenn ich daran nur denke, wird mir so warm ums Herz, wie ihr es euch nicht vorstellen könnt.

Komischerweise findet man nur ein paar Liveversionen im Internet, die sind nicht schlecht, aber die Power der Studioaufnahme erreichen sie nicht ganz. Von dieser kann ich also leider nur einen Schnipsel verlinken:

Platz 26: Honey Hush (1999)

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