Rechts daneben ein schmales Schubladenelement, Breite: 40 cm, Anzahl der Schubladen: 4. Den Abschluss der unteren Reihe bildete wiederum ein Holztürenelement wie zu Beginn beschrieben. Die Tiefe dieser unteren Elemente betrug meiner Schätzung nach 50 cm, und auf jedes dieser sagenwirmal gut hüfthohen Schrankteile war ein sagenwirmal 35 cm tiefer Oberschrank gesetzt, der die Höhe des Schranks ungefähr verdoppelte. Fangen wir wieder links an, obere Reihe:
Ein Oberschrank mit Holztüren wie unten. Folgend eine schmale Einheit ohne Tür oder Schubladen! Hier gab es lediglich Einlegeböden, so dass man dieses Element mit Fug als eine Art Regal bezeichnen könnte. Hier wurden die geschlossenen Fronten einmal aufgebrochen, so dass das Ensemble insgesamt weniger massiv wirkte. Diesem Gedanken folgte dann auch der ganz rechte Oberschrank, der zwar wiederum zwei Türen besaß, diese allerdings waren verglast und eigneten sich hervorragend, um eine Streichholzschachtelsammlung mit so Hunden drauf zu präsentieren.
Übrigens saßen die Oberschränke nicht plump und stumpf auf den unteren auf, sondern die Rück- und Seitenwände der unteren waren gut und gerne 10 cm nach oben verlängert. Was jetzt kommt, wissen Sie: Die Rück- und Seitenwände der Oberschränke waren gleichermaßen nach unten verlängert. Aufeinandergestellt ergab sich dadurch nicht nur eine größere Schrankhöhe, sondern auch noch eine hervorragende Ablagefläche über die gesamte Breite und Tiefe der Unterschränke (die ja ca. 15 cm tiefer als die Oberschränke waren). Und natürlich überlegen Sie bereits, ob das nicht ein wenig "hart" ausgesehen haben müsse, so ein rechtwinkliger Vorsprung, ich kann Sie da allerdings beruhigen: Dem wurde Rechnung getragen, indem der bereits beschriebene Überstand der Unterschränke im 45-Grad-Winkel auf die geringere Tiefe der Oberschränke zurückgeführt wurde, so dass sich insgesamt ein harmonisches Bild ergab.
Ich hatte einige Jahre zuvor in der Schweiz das schokoladenhaltige Getränk Ovomaltine kennen- und schätzen gelernt. Zwar unterstellte man mir noch lange, ich sei lediglich auf die dort relativ präsente, für schweizerische Verhältnisse womöglich geradezu aufdringliche Werbung angesprungen, die ganz wesentlich aus leichtfertigen Fitnessversprechen bestand. Ich aber weiß noch heute, wie ich erstmals in einem Café neben dem fantastischen Rübenkuchen auch ein Glas Ovomaltine bestellte, da es keinen Kakao gab, und von dem malzig-herben Bei- und Nachgeschmack wirklich hingerissen war.
Eines Sommertags, die Schweiz war längst Geschichte, gerade wollte ich ein bestimmtes Asterix-Heft aus meinem Schrank holen, die Hefte waren in dem linken Unterschrank mit den zwei Türen, gelüstete es mich heftig nach dem genannten Getränk. Ich nahm den größten Humpen, den ich in der Küche finden konnte, goss einen knappen Liter Milch hinein und dosierte vorschriftsmäßig etwa 1/2 Dose Ovomaltine. Die Dosierungsangaben auf schokoladenhaltigen Getränkepulvern mögen oft arg übertrieben sein, was jedoch Ovomaltine angeht, kann ich nur sagen: Halten Sie sich daran. Ich weiß, es tut weh, das Zeug ist teuer, man will dann wenigstens an der Menge sparen - aber, so mein Rat, dann lieber selten und dafür richtig.
Glücklich lief ich mit dem gefüllten Trinkgefäß zurück und freute mich auf ein gemütliches Lesestündchen, dazu fehlte nur noch das Heft mit diesem Gallier, einen Moment, stell das Glas doch kurz hier auf den Boden und hol es aus dem Schrank -
Boden! Verstehen Sie?
Wo waren noch mal meine Asterix-Hefte?
Der Radius der Schranktür reichte problemlos aus, um das Glas frontal zu erwischen. Kostbare Ovomaltine ergoss sich über meinen Jugendzimmerboden. Die nächste Stunde verbrachte ich damit, den Putzeimer mit Wasser zu befüllen, verzweifelt mit dem Wischlappen über den Teppich zu rubbeln, das Wasser wegzubringen und frisches zu holen.
Als ich der Ansicht war, alles Menschenmögliche getan zu haben, hockte ich mich erschöpft auf den Boden. Mein Getränk fiel mir ein, das ich nicht hatte genießen können, und die Milch war nun alle - aber das Comic-Heft, das konnte ich nun doch noch lesen, meinte ich und öffnete die Schranktür. Davor stand der Eimer.
All dies fiel mir heute, nach so vielen Jahren, plötzlich wieder ein. Komisch manchmal - vielleicht war es, weil ich beim Fensterputzen den vollen Eimer mit dem saudreckigen Wasser von der Fensterbank gestoßen habe, über Sofa, Gardinen, Stereoanlage und so weiter.
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Da gibt es einen Sortieralgorithmus namens Bubblesort, der geht so: Fang ganz vorne an, vergleiche das erste Element mit dem zweiten. Ist das erste größer als das zweite, dann vertausche die beiden, andernfalls tue nichts. Dann gehe einen Schritt weiter, vergleiche das zweite mit dem dritten und so fort bis zum Ende der Liste - host mi.
Am Ende dieses ersten Durchgangs haben wir was? Sie da hinten? Jawoll, wir haben das größte Element am Ende der Liste. Nur das ist sicher. Deshalb fangen wir wieder von vorne an. Und Sie ahnen schon, warum der Algorithmus "Bubblesort" heißt: Weil die Elemente darin nach oben steigen wie die Perlen im Sektglas.
Jetzt höre ich die ganz vorlauten unter Ihnen schon quaken: "Ja, aber man kann den Algorithmus noch verbessern, man muss ja gar nicht jedes Mal bis ganz zum Ende laufen, weil nämlich beim zweiten Durchgang ist ja vorher schon klar, dass das letzte Element das größte ist, also braucht man da nur noch bis zum vorletzten zu laufen und dann nur bis zum drittletzten und so weiter."
Ihnen sei gesagt: Erstens haben Sie recht, zweitens sind Leute wie Sie tendenziell unbeliebt, ich spreche da aus leidvoller Erfahrung. Die einen jedenfalls verbessern schon Algorithmen, während die anderen ganz verstockt auf den Tisch starren und irgendwann in vorwurfsvoll-pampigem Ton fragen: "Und wozu brauche ich das? Wozu soll ich überhaupt Zahlen sortieren, und dann noch so umständlich? Ich verstehe das alles nicht."
Es macht dann wenig Vergnügen, solchen Menschen auch noch den Quicksort darzulegen, denn dieser ist weniger anschaulich zu beschreiben und dazu noch rekursiv. Die Rekursion, einerseits ganz zauberhaft, ist andererseits auch ein wenig unheimlich, denn wenn eine Funktion sich selber aufruft, na, das passt nicht so einfach in unser begrenztes, lineares Denken. Aber versuchen wir's, auch wenn mich Ihre verstockten Gesichter nicht gerade zuversichtlich stimmen. Wir haben wieder eine Liste von zufällig gemischten Zahlen. Wir denken uns eine Zahl als Grenzstein aus und zerhacken die ursprüngliche Liste in zwei Teile. Alles, was kleiner als der Grenzstein ist, kommt in die linke Liste, und was größer als der Grenzstein ist, kommt in die rechte Liste. Dann zerhacken wir jede dieser Teillisten wiederum auf die gleiche Weise und immer so weiter. Am Ende ist alles sortiert - ist doch logisch, oder? Und wenn Sie jetzt noch wissen wollen, was mit Elementen ist, die genau so groß sind wie der Grenzstein oder andere Schlaumeierfragen stellen wollen, dann wenden Sie sich an ihn hier vorne, der weiß ja eh alles besser und ich geh erst mal eine rauchen.
Gott - manche Teilnehmer sind echt anstrengend. Ich meine (hat mal jemand Feuer), die dummen sind anstrengend, das macht auch keinen Spaß, da redest du gegen die Wand, aber diese superschlauen, die alles besser wissen und gleich am Anfang mit Ideen ankommen - nee, do. Am besten sind so durchschnittlich bis leicht überdurchschnittlich interessierte und begabte Teilnehmer, man merkt die Fortschritte, aber die lassen einen in Ruhe erklären und stellen nicht permanent diese oberschlauen Fragen. Na, gehen wir wieder rein.
Was man jedenfalls auch gut sortieren kann: Socken. Es bleiben ja stets ein paar einzelne übrig, dagegen lässt sich einfach nichts machen, und alle paar Monate schütte ich die auf einen Haufen. Hier sehen Sie z.B. den Haufen, wie er sich heute darstellte, nachdem ich bereits etwa 35 Paar Socken wiedervereint und ihrer eigentlichen Verwendung zugeführt habe - dies also ist der harte Kern, dies sind die überzeugten Single-Socken:
Eine besondere Herausforderung sind die schwarzen. Denn auch wenn man sagen könnte: Schwarz ist Schwarz - Sie glauben ja nicht, wie viele unterschiedliche Schwarztöne es gibt, und der eine Stoff ist doch ein wenig dünner als der andere, bzw. hat eine andere Struktur, bzw. der Sockenschaft ist etwa 1 cm kürzer! Und wenn Sie dennoch zu der oberflächlichen Auffassung "Sieht eh kein Mensch" neigen, dann lassen Sie sich bitte gesagt sein: Sobald man zwei nicht ganz sicher zusammengehörende Socken zu einem "Paar" zusammenfügt, verhindert man effektiv, dass die jeweiligen tatsächlichen Partner auch nur den Hauch einer Chance haben, jemals wieder zueinander zu finden. Es kann also nicht nur darum gehen, möglichst viele Einzelsocken zu Paaren zusammenzufügen, drum prüfe, wer sich ewig bindt, ob sich nicht noch was Bessres findt, will sagen: Dann sind da halt noch ein paar einzelne, wir haben doch extra diese einen Meter breite Schublade, dann müssen die da eben noch auf die Zusammenführung warten, das mit der Wiedervereinigung dauerte doch auch seine Zeit und ging dann plötzlich ganz schnell.
Irgendwann allerdings ist durchaus zu überlegen, was man mit den hartnäckigen Restanten so anfängt. Ich weiß übrigens nicht, ob es das Wort "Restanten" tatsächlich gibt, ich hörte es erstmals im Jahre 2006 aus dem Munde eines Aquarienbesitzers, aber das führt jetzt zu weit. Man muss allerdings anmerken, dass das Wort irgendwie plausibel klingt, denn auf Französisch heißt "rester" ja nichts anderes als "bleiben", und von daher.
(Finden Sie eigentlich auch, dass es geradezu unverschämt ist, einen Satz mit "und von daher" zu beenden? Daraus spricht doch die pure Denk- und Formulierungsfaulheit.)
Die übriggebliebenen Socken jedenfalls lassen sich prima weiterverarbeiten. Ich zum Beispiel fertige regelmäßig Schlangen daraus. Ja, regelmäßig - einmal 1978 und dann wieder 2010, mithin also alle 32 Jahre ist es soweit, dass ich einzelne Socken heranziehe, um daraus Schlangen zu basteln. Und wohl dem, der über einen so reichlichen Fundus verfügt! Da kann man dann auch mal einen wirklich schönen gestreiften hernehmen, oder diesen braunen da mit den orangegelben Rosen, der nun schon seit Jahren einzeln in der Schublade herumliegt. Und dann braucht man bloß noch etwas Pappe und Klebstoff, nicht wahr, und kann zusammen mit seinen Kindern aus ausrangierten Gegenständen noch etwas wirklich Sinnvolles herstellen, denn so ein paar Schlangen, die kann man immer mal gebrauchen.
P.S.: "Wie - du hast meinen braunen Socken mit den orangegelben Rosen genommen!? Spinnst du!? Das finde ich jetzt total doof von dir! Der andere taucht bestimmt noch auf!!"
P.P.S.: "Hier, Papa, guck mal! Da ist ja doch noch genau so ein geringelter Socken!"
P.P.P.S.: Der schönste Sortieralgorithmus heißt übrigens Bogosort. Er funktioniert folgendermaßen: Wirf einfach alle Elemente durcheinander. Dann schau nach, ob sie sortiert sind. Wenn nicht, wirf sie erneut durcheinander.
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"A.! A.!". rief ich und rannte auf ihn zu, und meine Schwester, die ihn noch gar nicht kennen konnte, rief auch einfach "A.!" und lief hinter mir her. Er duckte sich, als er uns kommen sah, wir liefen über die Straße zu ihm und fragten: "Was machst du denn da?"
"F.s ärgern!", antwortete er, als sei das selbstverständlich. Allerdings fand ich das nicht, zumal ich nicht wusste, wer F.s waren. Auf meine Frage deutete er über die Straße. Dort war das "Lädchen". In einem Eckhaus war es untergebracht und in der gesamten Gegend, wenn mal vom einmal wöchentlich vorfahrenden "Eiermann" und dem doch schon etwas weiter weg befindlichen Konsum absieht, die einzige fußläufig erreichbare Einkaufsmöglichkeit. Es ging vor dem Haus eine Treppe hinauf, unter der sich immer mal wieder verlorene Geldmünzen fanden, und im Laden selbst, der wirklich klein und doch kein reines Kiosk war (ein Kiosk war in unsere Gegend sächlich), gab es einen Tresen, hinter der Herr oder Frau F. standen. Wir Kinder kauften dort hauptsächlich Süßigkeiten, allerdings kam es durchaus vor, dass man, wenn's schnell gehen musste, nach Milch, Wurst oder Käse zu F. geschickt wurde. Wobei die netten F.s keineswegs die reine Profitmaximierung anstrebten, das weiß ich bestimmt, denn eines Tages sollte jemand ein paar Scheiben Salami kaufen gehen. Wieviel Gramm denn wohl ein Kilo seien, wieviel ein Pfund (und was dergleichen mit Grundschülern bei solchen Gelegenheiten gerne mal nebenbei besprochen wird) hatte sie offenbar unterwegs zu memorieren versucht, war durcheinandergekommen und hatte statt der eigentlich benötigten 100 satte 500 g verlangt und nach Hause gebracht. Dachten wir. Als ich jedoch das nächste Mal in den Laden kam, sagte mir Herr F.: "Deine Schwester wollte neulich 500 Pfund Salami, ich habe ihr erst mal 500 Gramm gegeben."
Wo er denn wohne, fragte ich A., der gerade eine Kastanie in die Hand genommen hatte und sie treffsicher gegen die Eingangstür des Lädchens warf. "Ha! Ha!", lachte er und duckte sich. Dann wies er schräg hinter sich und antwortete: "Na, da hinten!", als sei das selbstverständlich. Wir warfen dann auch ein paar Kastanien.
Kurz darauf und für die nächsten Jahre waren A. und ich die besten Freunde. Morgens vor der Schule holte er mich jeden Tag ab, auch wenn es für ihn ein gewisser Umweg war, und wenn es klingelte und man den Summer drückte, wenn es dann zuverlässig von unten rief: "Ich bin's! A.!", schnappte ich mir meinen Schulranzen und wir liefen los. Dabei kamen wir auch am Lädchen vorbei, kauften auf dem Hin- oder Rückweg Saure Zungen oder Lakritzschnecken und schmiedeten Pläne für den Rest des Tages. Denn in diesen Jahren sahen wir uns praktisch täglich, oft kam A. schon zum Mittagessen zu uns und blieb bis zum Abend.
Eines Tages, wir liefen ohne besonders Ziel durch die Gegend, machte A. einen routinemäßigen Umweg hinter einer bestimmten Mauer entlang und kam mit einer leeren Bierflasche wieder hervor, die er triumphierend vor mir schwenkte. Wir suchten dann die ganze Gegend ab, sämtliche Straßen und Sträßchen, schließlich auch das matschige Leineufer und fanden insgesamt noch vier weitere Pfandflaschen. Beim Einlösen runzelte Frau F. zwar die Stirn: "Na, A., wo hast du die denn wieder aufgetrieben?", zahlte dann aber anstandslos den Erlös in Form von Süßigkeiten aus. Überhaupt war sie stets freundlich. Nur einmal wurden wir etwas durchdringender angeguckt: Nachdem jemand, wir waren's wirklich nicht, um die Jahreswende einen Kubischen Kanonenschlag in das Ausgabefach eines Kaugummiautomaten, der sich an der Außenwand des Lädchens befand, gesteckt hatte, untersuchten wir abends den Tatort und stellten fest, dass man durch die Klappe ("THANK YOU") nach oben fassen und die Geldstücke einzeln herausfummeln konnte.
Wir mühten uns ab, es war einfach zu verlockend, und schließlich hatten wir eine Menge Zehnpfennigstücke erbeutet, die allerdings ölig und ganz schwarz verschmiert waren. Auch eine gründliche Reinigung mit der Nagelbürste und viel Seife im Waschbecken konnte daran nichts Entscheidendes ändern. Und es mag Einbildung sein, aber ich meine, dass Frau F.s Augen sich stets ein wenig verengten, wenn wir in den darauffolgenden Tagen mit den schmutzigen Händen voller verschmierter Zehnpfennigstücke den Umsatz des Lädchens in ungewohnte Höhen trieben.
Ich hatte in dieser Zeit begonnen, regelmäßig die Micky Maus zu kaufen. Von meinem wöchentlichen Taschengeld blieb damit kaum etwas übrig, für ein Hanuta reichte es gerade noch, aber ich musste einfach wissen, wie der Wettkampf zwischen Dagobert und Mac Moneysac ausgehen würde, der in dieser aufregenden Fortsetzungsgeschichte stattfand. Und dass wir in den Sommerferien lange wegfahren würden, war ja eigentlich in Ordnung, aber, so zerbrach ich mir den Kopf, wie könnte ich in dieser Zeit an meine Hefte kommen?
Ich nahm all meinen Mut zusammen, lief zum Lädchen und erklärte der Angestellten, die dort immer öfter statt des alten Ehepaares F. hinterm Tresen stand, mein Problem. "Können Sie die Hefte für mich aufheben?", fragte ich, und sie versprach es mir, nachdem ich meinerseits fest zugesagt hatte, die Hefte nach den Ferien auch wirklich zu kaufen. Nun konnte ich beruhigt in den Urlaub fahren.
Wo ich eisern mein Geld zusammenhielt, denn die vier Hefte würden nach dem Urlaub auf mich warten, und kaum waren wir endlich in die Einfahrt gebogen, stieg ich auch schon aus und rannte zum Lädchen. Darin traf ich auf Herrn F. "Ich wollte meine Hefte holen!", sagte ich voller Vorfreude und hielt ihm das Geld entgegen. Er sah mich verständnislos an, und ein Abgrund tat sich auf. Ich erklärte ihm verzweifelt, worum es sich handelte, er aber sprach: "Davon weiß ich nichts. Hier liegt nichts. Ich kann dir nur das neue Heft verkaufen."
Betäubt gab ich ihm das Geld, nahm das neueste Heft entgegen und schlich mit hängenden Schultern aus dem Laden. "Erst zu Hause heulen!", dachte ich auf dem Weg die Treppe hinunter, als die Ladentür wieder aufging und Frau F. mir hinterherrief: "Warte mal!"
Ich ging wieder hinauf, und als ich ihr auf Nachfrage noch einmal erklärte, worum es ging, sagte sie zu ihrem Mann: "Hinten liegen doch vier Hefte. Das hat der Junge doch mit Frau X besprochen. Du hast das doch mit so einer schwarzen Frau besprochen, nicht wahr?", wandte sie sich an mich, und ich wunderte mich zwar ein wenig über die Formulierung, aber, so dachte ich, wenn es "blonde" Frauen gibt, dann soll's eben auch "schwarze" Frauen geben. Und als mir Frau F. den Heftstapel in die Hand drückte, konnte ich sowieso nicht mehr vernünftig denken, da konnte ich nur noch blöd lächeln und mit einem fiebrigen Gefühl nach Hause gehen.
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Hat der Mann sein Werk getan und man kocht freudig ein Premierensüppchen, dessen feinstverwirbelte Moleküle man nicht unbedingt im Sofa wiederfinden will, stellt man jedoch fest, dass erhebliche Teile der neblig aufsteigenden Schwaden vollkommen unbeeindruckt an der Esse vorbeiziehen, Powerstufe hin oder her. Der Mann vom DAH*-Kundendienst sieht sich das an, findet das vollkommen normal, hält zum Beweis ein DIN-A-4-Blatt unter den Lufteinlass und verkündet: Sehen Sie - fällt nicht runter! Aber ich sehe schon, Sie haben höhere Ansprüche. Was Ihr Küchenmann hier montiert hat, entspricht allerdings absolut den Regularien, dem Manne können Sie nix, aber, Tipp, wenn Sie wollen, dann erhöhen Sie doch den Querschnitt des Abzugsrohrs, auf Wiedersehen!
Man montiert das stählerne Ding also ab, kauft dicke Rohre und Übergangsstücke und alles, baut den Ablufttrakt neu zusammen und beschließt, bei dieser Gelegenheit auch die ganze Haube tiefer, am besten so tief wie nur möglich zu hängen, und man kommt seitlich mit dem Kochlöffel trotzdem noch ganz gut an die Töpfe. Nach kaum einem Tag ist die Sache erledigt - und ein gewisser Fortschritt zu spüren. Lediglich das Rohr, das neue, noch dickere, das man sicherheitshalber an allen Verbindungsstellen auch noch mit dickem Reparaturband umklebt hat, will sich da oben unter der Küchendecke auf seinem Weg von der DAH zur Außenwand ästhetisch nicht so recht ins Küchenensemble einfügen. Aber man kann ja einen Kasten drum herum bauen, denkt man.
Und gerade mal vier Jahre später will man den Plan in die Tat umsetzen, nimmt Maß, fährt zum Baumarkt, um ein paar Möbelbauplatten erstehen, man kann sie dort gleich zuschneiden lassen. Auf geht's also, über den Fluss, am total originellen Weser Tower vorbei, von diesem berühmten Architekten, der auf die außergewöhnliche Idee gekommen ist, einen Glasklotz zu bauen. Also wenn man zu einem Kind sagt: Mal mal ein Hochhaus, dann malt es einfach einen rechteckigen Klotz, aber so ein Architekt, der überlegt ja erst mal, wie er gleich die ganze Stadt aufwerten kann und entwirft dann also einen rechteckigen Klotz. Und nichts anderes will ich ja auch, denke ich so im Vorüberfahren, ich will auch einen rechteckigen Klotz bauen, zwei Seitenteile à 107,5 cm * 20 cm und eine Bodenplatte 107,5 cm * 30 cm. Schwierigkeiten gibt's überall, schmunzelt man, wenn am Baumarkt ein Schild hängt: "Wegen Arbeiten an unserer coolen Säge heute keine Zuschnitte", nun ja, wenigstens konnte man mal wieder über die neue und echt voll hohe Autobahn brausen, die ist 2 km lang, man kann auf ihr zwar nicht beschleunigen und ein enormer Umweg ist es auch, aber dafür kann man ganz gut Straßenbahnen darunter abstellen.
Fährt man weiter zum nächsten Baumarkt, ist es ratsam, auch auf der freien Rechtsabbiegerspur nicht allzu sorglos an den vor der Geradeausampel zurückgestauten Fahrzeugen vorbeizuziehen. Manchmal lässt nämlich jemand plötzlich ein Kleinkind aussteigen, das fröhlich auf die freie Spur rennt, und wenn man dann glücklich und rechtzeitig gebremst hat und die gemütlich aussteigende Mutter mit aufgeblasenen Backen ansieht, schlendert diese ungerührt gen Bürgersteig. Wo ein vorbeiradelnder Herr der Mutter ein paar wohlmeinende Ratschläge erteilen möchte. Dass diese ihn böse anpöbelt und eine obszöne Geste macht, sieht man dann nur noch im Rückspiegel, denn das Adrenalin, es treibt einen fort und es ist ja nichts passiert.
Beim Ausladen allerdings, da merkt man seine wackligen Knie, und mit rechten Winkeln ist an so einem Tag nichts mehr zu wollen. Aber immerhin! Das Material ist schon mal da, andere werden auch nicht so schnell fertig, und jetzt erst mal den Fisch braten, denn ein Teil des fettigen Nebels wird wirklich schön nach draußen geleitet.
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*Diese Abkürzung kennt ja nun jeder.
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Aus der erfolgreichen Bastei-Romanserie Vrooooom! Heiße Kisten, Coole Cops diese Woche Band 1067: Spannung und Spaß wie noch nie, echt jetzt. Alle kaufen!
Nehmen wir mal diesen alten Ford Capri, mit dem wir zum Badesee, dem sogenannten "Grünen See" nahe einer Kleinstadt, die "Witzighausen" zu nennen der Mann mit dem Hut sich doch tatsächlich nicht hatte nehmen lassen, ich meine: auf manche Witze hat man seit Beendigung der Grundschule dann doch lieber verzichtet, fahren wollten. Alles klar auf der Andrea Doria jedenfalls - zu fünft ging es los, die ersten Kilometer auch durchaus problemlos, bis es vernehmlich knackte, der Besitzer und Fahrer des Wagens laut zu lachen begann und uns Beifahrern den abgebrochenen Schalthebel präsentierte. Sauber am untersten Ende abgetrennt präsentierte sich das stählerne Stängchen, und während ich überlegte, wie man nun zurück nach Hause käme, stellten die anderen fest: Wegen so etwas muss man doch noch lange nicht umkehren, der dritte und der vierte Gang funktionieren doch einwandfrei! Man musste lediglich bei getretener Kupplung mit der abgebrochenen Stange fest und präzise gegen das kleine, übriggebliebene Reststück derselben schlagen, um zwischen diesen beiden Gängen zu wechseln. Nach einem Stopp in Witzighausen bei der Eisdiele, die auch Ende der 80er noch lediglich 30 Pfennig pro Kugel Eis verlangte, demnach mit 5 mal 10 = 50 Kugeln zu insgesamt 15.- DM ausreichend versorgt, erreichte man den Badesee und konnte sich dort vom Gestank der abgehobelten Kupplungsscheiben erst mal ein Weilchen erholen.
[Werbung für proteinhaltige Aufbaunahrung]
Ich selbst war keiner von denen, die den Führerschein unbedingt schon vor dem 18. Geburtstag erwerben und dann pünktlich mit Erreichen der Volljährigkeit ein Auto kaufen und losfahren mussten. Das lag an finanziellen Realitäten mindestens ebenso wie daran, dass ich als Stadtbewohner praktisch alle Ziele zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen konnte. Und ein Schrauber oder Bastler war ich, was motorisierte Fahrzeuge angeht, nie; zwar wechsele ich die Glühbirnen selber (bei den heutigen Fahrzeugen auch keine ganz leichte Übung mehr) und habe sogar einige Jahre lang den Wechsel von Winter- und Sommerbereifung eigenhändig vorgenommen, und wenn ich einen Drehmomentschlüssel gehabt hätte, dann wäre es mir auch erspart geblieben, eines Tages mit den durchgedrehten Bolzen bei der Werkstatt ankommen zu müssen und mir vorrechnen zu lassen, dass ich für die fälligen Reparaturkosten locker 25 Jahre lang zweimal jährlich die Reifen in der Werkstatt hätte wechseln lassen können. Aber im Rahmen meiner Möglichkeiten tue ich, was ich kann - Öl und Scheibenwischwasser nachfüllen, Reifendruck prüfen, Autoradio einbauen; der Motor hingegen ist und bleibt mir ein geheimnisvolles Ding. Gutgemeinte Ratschläge wie etwa der, mit einem Hammer auf den Anlasser zu hauen, scheitern bei mir jedenfalls schon daran, dass ich den gar nicht finden würde.
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Als der schaltknüppelamputierte Ford Capri ersetzt werden musste, denn es war allemal günstiger, ein neues Fahrzeug zu erwerben, mein Bekannter hatte dies schon mehrere Male getan, allein in seinem ersten Führerscheinjahr waren meiner Erinnerung nach sieben oder acht Fahrzeuge durch seine Hände gegangen, fragte er mich um meinen Beistand beim Erwerb eines alten Fiat 500. Als Käufer von Gebrauchtwaren und Flohmarkthändler hatten wir schon einige gute Erfahrungen mit unserem gemeinsamen, rollenverteilten Auftreten gesammelt, so konnte z.B. einer ein mehr als unverschämtes Angebot unterbreiten, welches im Fall eintretenden Widerspruchs ("Waaas? Ich höre wohl nicht richtig!") der andere dann relativierend zurücknehmen konnte ("Nein, das finde ich auch zu wenig. Ich würde durchaus mehr bezahlen.")
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Das kleine rote Autochen stand auf dem Parkplatz vor dem großen Mietshaus in der Satellitenstadt, es sah gut aus, es hatte ein Schiebedach, die Besitzerin hatte es für mehr als angemessene 450.- DM inseriert, und wir spulten unser Programm ab. "Ach, ich weiß nicht ..."; "Ich habe ja eigentlich auch gar nicht so viel Geld"; "Ich kann dir ja was leihen", "Nein, ich mache es lieber doch nicht, mein Vater wird dann sauer", all diese wohldosiert eingestreuten Konversationsstückchen trugen vermutlich dazu bei, dass die Verkäuferin auf das selbst für unsere Verhältnisse ziemlich freche erste Angebot von 200.- DM sofort einging.
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Wir stiegen in das Wägelchen ein, knatterten davon, und während ich, nicht mehr ganz minderjährig und trotzdem noch führerscheinlos, mich auf ein paar Runden auf dem angesteuerten Kiesplatz freute, testete der Fahrer und neue Besitzer des Wagens mit einer Hand das Schiebedach, denn es war ein heißer Sommertag. Mit offenen Fenstern und aufgekurbeltem Schiebedach erreichten wir so den Schützenplatz, auf dem ich dann auch endlich ans Steuer durfte.
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Ich hatte schon einige Male im ersten Gang ein paar Meter zurücklegen dürfen, ich wusste grundsätzlich etwas darüber, wofür Kupplung, Bremse und Gas gedacht waren, doch nun wollte ich mein Wissen auch mal ernsthaft praktisch anwenden und schaltete also forsch in den zweiten Gang, gab Gas, sah zur Rechten meinen Beifahrer mit lässig aus dem Fenster gelehntem Ellbogen, von oben schien die Sonne herein, es machte Spaß und ich schaltete in den dritten Gang, kurz bevor ich der riesigen Schlaglöcher gewahr wurde, die da vor mir lagen und denen ich mit einer beherzten Linksdrehung des kleinen Lenkrades ausweichen wollte.
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Der Wagen lag auf der Seite, und wie ich da so hektisch wie erfolglos versuchte, mich aus dem Gurt zu befreien, denn das wusste man ja aus zahlreichen Filmen, dass so ein Auto nach dem Umkippen umgehend explodieren und in einem Feuerball aufgehen würde, fiel mir das Bild des aus dem Fenster lehnenden Beifahrerellbogens wieder ein, denn, wer in Physik (UE: Zentrifugalkraft) aufgepasst hat, weiß es bereits, die Beifahrerseite war es natürlich, auf die wir gekippt waren. Allerdings war meine Sorge zum Glück unbegründet, denn er hatte den Arm offensichtlich rechtzeitig hineingezogen und sich bereits aus dem Gurt befreit. Jedenfalls verließ er das Auto gerade seitlich durch das Schiebedach. "Bleib du mal drin sitzen", hörte ich, und mit einem kräftigen Schubser gegen das Dach stand der Wagen dann auch schon wieder auf seinen vier Rädern, so dass wir weiterfahren konnten.
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Wahrscheinlich nicht direkt aufs Dorf, aber auch auch dorthin führte uns in jenen Tagen manchmal eine Kleinanzeige. Wir hatten uns auf den Handel mit Comics verlegt und die Annonce eines jungen Erwachsenen gelesen, der seine Sammlung veräußern wollte. Also fuhren wir in das von ihm genannte Dorf, kamen in dem randlagigen* Siedlungsgebiet aber vom Weg ab und bewegten uns plötzlich nicht mehr auf Asphalt, sondern auf einem Feldweg, der einen weiten Bogen um ein Rapsfeld beschrieb. "Dann fahren wir eben außenrum", beschlossen wir, erblickten dann allerdings am Ende dieses Weges mehrere blaulichtbewehrte Fahrzeuge, die die Durchfahrt versperrten, so dass wir lieber kehrt machen wollten. Dazu hieß es allerdings erst ein Stück rückwärts fahren, und schnell saßen wir in einer Bodenvertiefung fest, aus der herauszukommen wir schon einige Minuten lang versucht hatten, als eines der Blaulichtfahrzeuge herangefahren kam und zwei Polizisten ausstiegen.
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Sie untersuchten den festgefahrenen Wagen aufs eindringlichste (TÜV, Wagenheber, Verbandskasten etc.), sie behandelten uns, wie es Schwerverbrechern auf der Flucht gebührte ("Sie haben uns gesehen und sind dann sofort umgekehrt! Die Ausweise!"), sie überhörten geflissentlich unsere Bitte um Hilfe und verabschiedeten sich schließlich mit den unfreundlichen Worten: "Sehen Sie zu, dass Sie den Wagen hier wegbekommen."
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Etwas abgekämpft erreichten wir zu Fuß das Haus des potentiellen Comicverkäufers, der unsere zweistündige Verspätung nicht weiter erwähnte und den wir mit städtischer Ignoranz "mal eben" um Hilfe bei der Autobefreiung fragten, denn in den Dörfern fuhren doch alle Traktor. Wortlos tippte er daraufhin eine dreistellige Nummer (Dorf!) in sein Telefon, ich war wirklich dankbar, doch als er zu sprechen begann: "Hier ist Jens, ist Jens da?", war's schon wieder um mich geschehen. Ich konnte nur noch lachen. Dieses verzweifelt unterdrückte, dann umso schlimmer doch hervorbrechende Lachen, dieses Lachen, das man nicht möchte, und je mehr man sich bemüht, es in Schach zu halten, desto unvorhersehbarer verhält es sich, man hustet dann oder heult, es spritzen die Tränen, man macht zwischendurch ein betont ernstes Gesicht, man sieht zu Boden, man versucht in normalem Tonfall etwas zu sagen, Sie kennen das, in der Schule ist mir das auch dauernd passiert, und man weiß dann wirklich nicht, wie man aus der Nummer wieder rauskommen will, so wie ich aus diesem Beitrag hier.
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*In der Geographie geht der Trend eindeutig zur Adjektivierung.
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Dieses Auto, es war ja noch nicht die Zeit der spätjapanischen Dekadenz, man hatte seine Brems- und Gaspedale also durchaus unter Kontrolle, war unser erster Japaner - und ein Phänomen. Erstanden unter eher dramatischen Umständen, da nach einem schlimmen Unfall schnell ein neues Auto hermusste, entpuppte sich das gute Stück als Kauf des Jahrzehnts. Ich war mit meinem Vater eher der Vollständigkeit halber zum Toyota-Händler gefahren, wo man uns den überraschend flott aussehenden roten Diesel anbot, einen jungen Gebrauchten, und recht schnell entschieden wir nach einer Probefahrt, dieses Fahrzeug zu erstehen. Als Führerscheinneuling fuhr ich den Wagen stolz wie Bolle nach Hause und nahm schon bei der ersten Einmündung jemandem die Vorfahrt, der allerdings dankenswerterweise bremste, so dass Auto und ich heile zu Hause ankamen. Es war der Beginn einer langen Beziehung. Die ich ziemlichen Belastungen aussetzte.
So z.B. nur wenige Wochen darauf am Tag der mündlichen Abiturprüfung, anlässlich welcher ich den Wagen nehmen durfte, denn als diese überstanden war, steuerte ich das vollbesetzte Fahrzeug auf einen Parkplatz in Innenstadtnähe, von wo aus eine ausgiebige Tour durch die Kneipen begann. In einem meiner letzten lichten Momente sprach ich zu mir: Das Auto lässt du auf dem Parkplatz stehen, es sind ja nur ein paar Meter nach Hause.
Kaum waren ein paar Stunden vergangen, man hatte inzwischen den Plan gefasst, den Tag in unserem Garten mit einem kleinen Tischtennisturnier zu beschließen, sprach ich zu mir: Es sind ja nur ein paar Meter nach Hause, die kannst du auch fahren.
"Ich ruf dann mal die Polizei", sprach der Fahrer des gegnerischen Fahrzeugs und rannte zur Telefonzelle. Ich stand da und sah ungläubig auf die völlig zerfetzte Frontpartie des Wagens, dessen Lack gerade noch so schön neu geglänzt hatte. Während man noch die Autos von der Kreuzung schob und ein paar Scherben zusammenfegte, kam einer meiner Passagiere mit einer Stange Vivil vom nahen Kiosk gelaufen und nötigte mich, diese in erhöhter Dosis einzunehmen.
Als der grünweiße VW-Bus mit den zwei Uniformierten kam und diese mich an ihren Klapptisch ins Auto baten, setzte ich mich vollkommen natürlich mit den Backen voller Pfefferminzbonbons hinein und atmete flach nach unten. Endlos wurde protokolliert, und als ich zum Unfallhergang befragt wurde, schilderte ich umständlich, wie ich zuerst dachte ich muss noch warten und dann sagte der hinter mir nach dem Golf und dann war doch nicht frei und ich dachte er meint den anderen Golf aber da war noch ein Golf und den ersten hatte ich ja gesehen und dann hatte der aber gesagt nach dem roten Golf kannst du fahren und es gibt so viele rote Gölfe auf der Welt das ist das Problem Herr Wachtmeister, und während ich kräftig weiterlutschte und -faselte, wissend, dass ich meinen Führerschein jetzt natürlich wieder los war, fürchtend, dass noch wesentlich unangenehmere Folgen auf mich zukämen, sah mich einer der beiden plötzlich an und sagte: "Ich seh die Sache so. Sie wollten um die Insel rum wenden, Sie hams nicht gepackt, ihr Unfallgegner konnte nicht ausweichen. Da sind Sie als Linksabbieger schuld, als Neuling passiert einem sowas mal."
"Ja, genau", sagte ich, und es gab dann nur noch den einen kritischen Moment, als ich gefragt wurde, ob ich dem Unfallgegner denn irgendetwas vorzuwerfen hätte. "NA KLAR WERFE ICH DEM DAS VOR, DASS DER MIR VOLLE KANNE DA REINBRETTERT!", rief es in meinem Kopf, und nur der pure Selbsterhaltungstrieb war es, der den hysterischen Lachanfall knapp hinter dem Kehlkopf zurückhielt.
Sparsam im Verbrauch, das hatte man gehört, sollte so ein Diesel sein, es war unser erster, und es stimmte. Dabei erstaunlich spritzig! (Sorry, es geht hier um Autos. Da kann man sich nicht originell ausdrücken. Ähnlich wie beim Fußball ist es hier geradezu unmöglich, sich originell auszudrücken. Spritzig. Ein Spritsparwunder. Ich kann nichts dafür.)
Der erstaunlich geringe Verbrauch wurde optisch noch überbetont durch die leicht unproportionale Spritstandanzeige, denn die ersten 150 km änderten rein gar nichts daran, dass die Nadel an der obersten Markierung anstieß, und hätte man den Verbrauch von dort oben bis hinunter zum angeblichen "1/2" hochgerechnet, so wäre man mit einer Tankfüllung fast bis nach Nordschweden gekommen. Aber auch wenn die Nadel sich von dort aus mit den letzten 100 km plötzlich doch rapide der "0" näherte und bald das gefürchtete Lämpchen aufleuchtete, kam man insgesamt auf phantastisch niedrige Verbrauchswerte.
Weshalb die junge Frau, welche per Mitfahrzentrale den Weg nach Südfrankreich mit antreten wollte, auch noch mal ganz genau nachfragte: "Wieviel wollt ihr haben? 25 Mark?"
Hach, Mensch - Südfrankreich, das wollte ich ja eigentlich erzählen, das schaffe ich jetzt gar nicht mehr.
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- Ja. Hör bloß auf.
- Zum Glück ist bald Wochenende.
- Ja. Ein Glück.
- Bring's hinter dich.
- Du auch. Bis dann.
- ...
- Die beiden Hochmotivierten. Hö hö.
- Hö hö.
(Emergenz am Morgen. Ich musste dann die ganze Zeit lachen.)
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Da so vieles neu und ungewohnt war, die Architektur des Gebäudes, die ganzen neuen Wörter, das Sitzen im Stuhlkreis, die Partner- oder Teamarbeit, das Mittagessen in der Schule, die langen Unterrichtstage, der weitgehende Verzicht auf leistungsbezogene Rückmeldungen, die Konzentration auf "soziales Verhalten" und vieles mehr, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass eine, wie man bald von den Mitschülern erfuhr, von diesem Guru, du weißt schon, als Lehrkraft tätig war und aus ihrem Glauben keinen Hehl machte. Was ihr Äußeres anging. Irgendwelche Versuche der Indoktrination habe ich dagegen nie mitbekommen. Jedenfalls nicht, was diese Frau und den Bhagwan von Poona anging.
In unserer Klasse unterrichtete sie Musik, das funktionierte so, wie es damals eben war: Einmal hörten wir das instrumentale Intro von Pink Floyds Shine on You Crazy Diamond und malten dazu psychedelische Bilder. Einmal versuchten wir, Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha von Trio auf dem Klavier zu spielen. Einmal holten wir die ganzen teuren Metallophone aus dem üppig ausgestatteten Instrumentenraum und schlugen darauf herum. Einmal sollten wir, Hacke, Spitze, 1,2,3, hüpf!, klatsch!, tanzen. Ich fand es grauenhaft. Ich fühlte mich wie in einer Parallelwelt, man nannte es Unterricht, aber ich fühlte mich wie in einem Labor. Jeden Tag konnte alles anders sein, meine Bezugssysteme waren hier weitgehend unbrauchbar, vieles schien willkürlich und chaotisch zu sein, aber da ich gerne an diese Schule gewollt hatte und man uns auch täglich erzählte, was für ein Glück wir hätten, dort hingehen zu dürfen, kreidete ich mir mein Unbehagen selbst an, denn wer hier nicht glücklich war, mit dem musste etwas nicht stimmen. Anderswo gab es Noten! Anderswo wurde nicht diskutiert! Anderswo musste man Hausaufgaben machen!, hieß es, wenn jemandem mal etwas nicht gefiel.
Also lief ich manchmal ziemlich desorientiert und mit einem Kloß im Hals durch das riesengroße Gebäude, in dem man so tolle Sachen machen konnte, ein Fotolabor gab es und einen Irrgarten und Theater-AGs. Und saß bockig auf meinem Stuhl, die Arme verschränkt, als Hacke, Spitze, 1,2,3, hüpf!, klatsch! gegeben werden sollte. Warum ich denn nicht mitmachte, fragte mich E. Weil das alles doof ist und Mist und Scheiße, antwortete ich und stierte böse auf den Boden.
Als die anderen in die Pause gingen, musste ich noch dableiben. Und nun geschah etwas Wunderbares.
Statt mir zu erklären, wie toll das ist, was hier gemacht wird, und wie falsch von mir, dabei nicht mitzumachen, statt mich zu fragen, ob ich denn wohl lieber auf eine böse andere Schule mit Noten gehen wolle, statt mir zu sagen, dass gerade ich meinen Mitschülern gegenüber eine ganz besondere Verantwortung trüge und mich an ihrem weiteren Schicksal für immer schuldig machen würde, wenn ich jetzt nicht meine Haltung änderte, statt mich zu fragen, ob das vielleicht meine ganz besondere Form der Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenfächern sei, statt mir nahezulegen, es müsse mir doch klar sein, welch negatives Vorbild ich mit meinem Verhalten gegenüber X, Y und Z abgäbe, die sich eine solche Haltung im Gegensatz zu mir gar nicht leisten könnten, statt mir zu verstehen zu geben, dass ich sie mit meinem Verhalten auch ganz persönlich sehr traurig machte, statt mir also zu erklären, wie wichtig und richtig hier alles sei und dass mit mir wohl etwas nicht stimme, sah sie mich einfach nur freundlich an und sagte: "Du hast so einen Brast, hm?"
Sie war es auch, die sich um mich kümmerte, als ich auf einer Klassenfahrt krank wurde und fiebernd in einem Hauszelt lag, gegen dessen Stirnwand den ganzen Tag Elfmeter geschossen wurden. Und die einem ihrer Kollegen, der fürchterlich geschafft aussah und den man vormittags in seiner Klasse laut und ausdauernd hatte herumbrüllen hören, einen kalten Waschlappen auf die Stirn legte. "Na, Kranker?", sagte sie und ich beobachtete, wie er kurz die Augen schloss, ihre Hand nahm und für wenige Sekunden entspannt und friedlich aussah.
Wir machten ständig Witze über sie, die Worte Bhagwan und Poona und Rolls Royce fielen immer öfter, und es gab ein zwinkerndes Einverständns mit manchen ihrer Kollegen, die selbst ab und zu durchblicken ließen, für wie unsinnig sie es hielten, dass "eine erwachsene Frau" an diesen "Quatsch" glauben könne. Wenn ich mich recht erinnere, kam sie nach den Sommerferien äußerlich noch einmal deutlich verändert zurück, sie musste bei den Sannyasin gewesen sein, man merkte ihr an, dass sie an dieser Schule nicht mehr am richtigen Platz war, und als ihr ein Schüler gehässig entgegenrief: "Ha! Ha! Ha! Dein Guru ist verhaftet worden! Ha! Ha! Ha! Was sagst du jetzt zu deinem Guru!", schlug sie die Hände vor die Augen und rief: "Ihr wisst nicht, was ihr sagt!"
Sie verließ dann die Schule. Wir blieben noch jahrelang da.
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Es gab diese Freibadclique, sie bestand aus einer Gruppe junger und nicht so junger Erwachsener, die immer dort waren. Sie saßen in der prallen Sonne, tranken Bier und kommentierten die Sprünge vom "Zehner". Im Wasser sah man sie nie. Eine Ausnahme war der stets tiefrot gefärbte Koffer. Freund A., der im Gegensatz zu mir seine Jahreskarte stets ordentlich ausnutzte, rief bei jedem Vorbeilaufen: "Hallo, Koffer!" bzw. nur "Koffer!", woraufhin Koffer grinste und die Hand hob, jedesmal.
Koffer erklomm gelegentlich den Sprungturm und führte Naturgesetze ad absurdum. Nicht nur mit seinem Ganzkörpersonnenbrand schien er der Natur den gestreckten Mittelfinger zeigen zu wollen - auch Mahn- und Warnungen wie "erst mal abkühlen", "nicht mit vollem Bauch" bzw. schon gar nicht nach Alkoholgenuss zu schwimmen, ignorierte er stoisch und pladauzte ab und zu nach ein paar Bier und einer guten Portion Pommes vom Sprungturm ins kalte Becken, schwamm ein paar Bahnen, gelegentlich hörte man auf den Nebenbahnen ein geblubbertes "Koffer!", bis er das Becken wieder verließ, und das eine oder andere "Koffer", geraunt oder gerufen, seinen Weg zurück zu den anderen Freibadbewohnern säumte, blasse Raucher, die gar nicht erst Schwimmkleidung trugen.
Ich war kein besonders guter Schwimmer, hielt mich aber ganz gerne im Wasser auf. Hier begegnete ich eines Tages einer Schildkröte. Um den Körper hatte man ihr eine Schnur gebunden. Ich suchte meine Gedanken zu sortieren: Färbte das Chlor schon meine Augen stets zuverlässig rot und sorgte für dieses unvergleichliche Freibadgefühl im Nasen-Rachen-Raum, so mochte ein solches Tier sich vermutlich umso stärker durch das aggressive und hochreaktive Element belästigt fühlen, konnte dies aber nicht zum Ausdruck bringen, da ihm lautliche Äußerungen aus anatomischen Gründen noch schwerer fielen als mir - und selbst wenn sie, so überlegte ich weiter, über ihren Schatten spränge, mochte man doch nicht so recht an die Einsichtsfähigkeit des potentiell angesprochenen Menschen glauben, der das andere Ende der Schnur in der Hand hielt und angesichts dessen geblümter Badehose, Zahnlücke und entrückt schielenden Grinsens ich nur sehr zögernd geantwortet hätte, hätte er mich um meine Prognose bezüglich seiner persönlichen Chancen auf künftige Nobelpreisgewinne gefragt.
Ich hatte mir angewöhnt, am Samstagnachmittag meinen batteriebetriebenen Radiorecorder mit ins Schwimmbad zu nehmen. Ich lag dann auf meinem Handtuch und hörte die Berichterstattung zur Fußballbundesliga. Einige Jugendliche spielten zwischen den Badegästen wild und rücksichtslos Fußball. Sie schossen mir die Antenne kaputt. Ein Mann lief zu den Jugendlichen, schnappte sie sich, kam mit ihnen zu mir und fragte: Wer bringt das nun in Ordnung? "Ist gar nichts passiert, ist schon in Ordnung", sagte ich und lief traurig nach Hause, weil ich wusste, dass ich die neue Antenne selbst würde bezahlen müssen.
Zwei Wochen darauf lag ich wieder auf meinem Handtuch, hörte Fußball, es war die Schlussphase, und aus irgendeinem Impuls heraus packte ich Handtuch und Radiorecorder, um mir einen anderen Liegeplatz zu suchen. Ich ging mit dem laufenden Gerät in der Hand los und bemerkte plötzlich den traurigen Blick des Mannes, der mir damals hatte helfen wollen. Er hatte wieder ganz in meiner Nähe gelegen und anscheinend der Fußballübertragung gelauscht. Nun ging ich einfach weg mit meinem Radio - und schon während ich an ihm vorbeilief, wusste ich, dass ich mir deshalb schäbig vorkommen würde, und ich konnte doch nicht einfach wieder umdrehen, andererseits müsste ich nicht seit 30 Jahren dran denken, ein Mist ist das immer.
Zwischen den Becken war diese blaue Mauer, zuerst aus blau angestrichenem Zement. Ich ekelte und fürchtete mich vor dieser Mauer genauso wie vor dem zementenen Becken, denn man konnte sich leicht an den scharfen Kanten und unregelmäßigen Abplatzungen aufschürfen, man konnte wegrutschen, dann brannte es unter den Füßen oder am Schienbein. Es war deshalb in meinen Augen ein Riesenfortschritt, als die Becken mit einem gummiartigen Kunststoffüberzug versehen wurden, und auch die Mauer, die Nichtschwimmer- von Schwimmerbecken trennte, war nun nicht mehr scharfkantig und roh, sondern hatte eine leicht gewölbte und von blauem Kunststoff überzogene Oberkante bekommen.
Wir spielten Fangen im Wasser, ich hatte keine Chance, da ich nicht schnell schwamm, aber die Regeln sahen vor, dass man auf der Mauer auch laufen durfte. So kam es, dass ich öfter als jeder andere Freibadbesucher auf dieser Mauer entlanglief, ich entwickelte Routine und Geschick, die Mauer war mein Freund. Bis zu dem Tag, als ich während eines wilden Sprints ausrutschte. Ein Bein ins Nichtschwimmerbecken. Ein Bein zu den Schwimmern. Ich tauchte dann lieber erst mal unter, bis es wieder ging, so nach einer Viertelstunde. Und das war alles noch unter Helmut Schmidt.
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Einige Wochen zuvor waren wir aufgebrochen, jung, unerfahren, minderjährig, um zu zweit eine Fahrradtour entlang der französischen Atlantikküste zu unternehmen. Die erste Etappe hatte irgendwo am Strand geendet, wo man mit anderen deutschen Jugendlichen den Abend verbracht und sich später irgendwie zum Schlafen zusammengerollt hatte. Zwar war in der Nähe deutliches Gejammer zu hören ("Meine Mutter hat mir gar keinen Schlafsack eingepackt! Die hat mir meine Federdecke eingepackt! Die ist so gemein!"), doch man lieh sich gegenseitig Zeltplanen und Isomatten, und trotz des Nieselregens schlief man irgendwann ein - um im Morgengrauen durch den Ruf: "Die Bullen!" geweckt zu werden. Zwei Polizisten waren mit ihrem Auto herangefahren, hatten ihre Waffen präsentiert und riefen fröhlich: "Aufstehn! Aufstehn! Vite, vite! Ah, ah , ah!!", wedelten mit ihrem Tränengas und fragten grinsend: "Vous voulez un peu?". Dann sammelten sie alle Ausweise ein und setzten sich gemütlich ins Auto, während wir stundenlang im Regen standen. Das ging doch schon mal gut los.
Die Wege durch die Pinienwälder, schmale Betonpisten, von der Wehrmacht gezogen, früher brausten die Motorräder hier entlang. Die Betonbunker, schräg im Atlantiksand steckend.
"Wild campen", immer wieder, "los, komm", und ich ließ mich ein. Regelmäßig gab es Ärger. Einmal hatten wir, ohne es zu merken, das Zelt auf einer öffentlichen Grünfläche aufgebaut, die weit weniger abgelegen war, als es im Dunkeln den Anschein hatte. Mit bösen Worten wurden wir morgens vertrieben. Ein anderes Mal hatten wir uns nachts auf einen Campingplatz geschlichen. Früh morgens weckte mich der Reisegefährte: "Los, lass uns abhauen", wir schoben leise die Räder weg, stiegen auf, traten in die Pedale. Nach einer halben Stunde fuhr ein Auto an mir vorbei. Jemand hatte die Scheibe heruntergekurbelt und schrie mich minutenlang, auf der Gegenfahrbahn neben mir herfahrend, in unverständlichen Worten böse an. "Mir reicht's langsam", meinte ich, Kollege aber lachte nur.
Überhaupt entfremdeten wir uns bei dieser Tour, und die Margarine schmolz und floss über die Klamotten in den Satteltaschen, der eine lacht, der andere kotzt, aber noch waren wir aufeinander angewiesen.
Langer Weg durch dunklen Tann, viel länger als geplant, die Piste unvollständig, Sand in der Fahrradkette, tiefe Nacht. "Lass uns wild campen! Hier irgendwo!", doch gerade lichtete sich der Wald und die Betonpiste mündete in eine breitere Straße. Ich fror und sprach: "Warte kurz", öffnete meine Satteltaschen, suchte ein margarinedurchtränktes Sweatshirt und ebensolche Jeans heraus, der Rest der Wäsche fiel auf die Straße, ich bückte mich und suchte das Zeug zusammen. Irgendwoher kam Licht, Motoren brummten. "Die Bullen!", schrie er, "los! Abhauen!", schnappte sich sein Fahrrad und verschwand in der Dunkelheit. Die grellen Scheinwerfer des Konvois hielten auf mich zu, und ich stand wie gelähmt einfach da. "Erwischt", dachte ich, "selber schuld. Nun holen sie dich."
Gegen das Scheinwerferlicht, gegen das pulsierende Blaulicht sah seine Silhouette äußerst beeindruckend aus. Schwerer Ledermantel. Stahlhelm. Er trat direkt auf mich zu. "Woher kommen Sie?" - "Aus, äh, Deutschland." - "Woher kommen Sie genau?"
Ich nannte meine Heimatstadt. Er schien sie nicht zu kennen. Mein Französisch hatte ich verlernt und brachte kein anständiges Wort heraus. Wer waren diese Männer?
"Woher kommen Sie? Heute!", ich hatte doch gewusst, dass das mit dem ewigen Wildcampen eine blöde Idee gewesen war, ich hatte es die ganze Zeit gewusst, und nun schlug das Schicksal erbarmungslos zu. Ich deutete auf den dunklen Wald: "Daher." - "Haben Sie etwas gesehen da im Wald?" - "N-nein!", ich hatte mich längst aufgegeben. "Haben Sie Feuer gesehen da drin? Nein?", er ging zum Fahrzeug zurück, kletterte ins Führerhaus und der Konvoi machte kehrt. Ich stand noch eine Weile da, hörte das leiserwerdende Brummen der Motoren, dann das Tickern eines sich nähernden, geschobenen Fahrrads und schließlich die Worte: "Los, lass uns hier irgendwo campen."
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