Während ich weiter Bücher aussortiere, am Straßenrand Kartons mit der Aufschrift "zum Mitnehmen" abstelle und bei den gelegentlichen Verkäufen auch mal einen Euro einnehme, "Verdienen" kann man das ja nun nicht nennen, dieses umständliche Einpacken und Beschriften und Frankieren und Kon-, Kontro-, Kontokontrollieren, beginne ich, über elektronische Lesegeräte bzw. "E-Books" ein wenig anders zu denken als bisher. Zwar hatte ich noch keines in der Hand, werde mir sicher so schnell keines kaufen und lieber in Ruhe abwarten, bis die Frühadoptierer die ersten Generationen dieser garantiert noch unpraktischen und mängelbehafteten Geräte wegverbraucht haben, ich werde die Sache beobachten, bis es genügend Erfahrungswerte gibt, bis Standards existieren, auf die man sich halbwegs verlassen kann; zwar werde ich bestimmte Werke immer in gebundener Form besitzen, anfassen und lesen wollen; zwar werde ich im Wanderrucksack und auf der Urlaubsliege wohl stets das zerfledderte Taschenbuch vorziehen. Aber es gibt eben auch einen sehr großen Rest.
Was ich da aussortiere, ist zum großen Teil Massenware, irgendwelches Zeug, das ich einmal weglese und dann im Leben nicht noch einmal zur Hand nehmen werde, das nicht in meinem Regal stehen muss, keinen sentimentalen oder ästhetischen Wert für mich hat - sondern schlichtes Lesefutter ist. Neben dem typischen Urlaubskrimi ist das auch gerne mal ein Sachbuch wie z. Z. etwa der Titel Die Suppe lügt (ein Werk übrigens, bei dessen Beurteilung ich mich Anke Gröner aber sowas von anschließen möchte: "Die Fakten, die Grimm über Industrienahrung und wie sie unseren Körper überlistet, präsentiert, sind sicher alle richtig und spannend und supi, aber meine Güte! geht mir der Spiegel-Stil nach 50 Seiten auf die Nerven"), und ich werde es durchlesen und zur Seite legen und nie wieder anfassen. Und da komme ich ins Grübeln: Ich bestelle mir einen solchen Titel durchaus mal gebraucht, in diesem Fall habe ich lediglich ein paar Euro plus gleichermaßen günstige Versandkosten bezahlt und dafür ein nach Küchendunst bzw. Aromastoff oder Sägespänen duftendes, jedenfalls deutlich gilbes Gebrauchttaschenbuch erhalten. Ich könnte es meinerseits vielleicht wieder für ein paar Euro verkaufen, vielleicht aber auch nicht; bis dahin hätte ich es herumliegen, müsste mir die damit verbundene Arbeit machen, begonnen mit der Dateneingabe - und man sollte lieber nicht darüber nachdenken, was man (wie oben beschrieben) alles tun muss, um dieses Taschengeld vielleicht irgendwann einzunehmen, während sich die ausgelesenen Werke in der Zimmerecke bis zur Zimmerdecke stapeln. In jedem Fall bleibt aber selbst bei diesem sehr günstigen Fall eine Differenz, nämlich die gezahlten Versandkosten und die Verkaufsprovision im Erfolgsfall.
Viel häufiger kommt es natürlich vor, dass ich Bücher neu kaufe, der Verlust bei einem eventuellen Wiederverkauf ist also entsprechend größer - und die meisten Bücher verkaufe ich nun mal gar nicht, sondern lasse sie herumliegen oder verschenke sie. Und das sind die Fälle, in denen ich merke, dass ich nicht jedes Buch unbedingt "als Buch" in der Hand halten muss - ich hätte ein Werk wie das oben genannte, ein brauchbares Lesegerät vorausgesetzt, auch in anderer Form zu mir nehmen können. Und ich behaupte, dass ich auch in immaterieller Form dafür gezahlt hätte.
Wieviel? Das ist eine sehr schwere Frage. Mehr als einen Euro hätte ich für dieses Buch in digitaler Version wohl nicht ausgegeben. Was wäre mir ein Urlaubskrimi wert? Zwei, drei Euro könnte ich mir wohl vorstellen. Wenn's mehr werden soll, wird's für mich schwierig, da bin ich doch zu sehr an die materielle Form gebunden - gehöre ich doch auch noch zu den Leuten, die ganz gerne einen physikalischen Tonträger besitzen, auch wenn das emotional immer schwieriger wird, zumindest was digitale Formate wie CDs angeht, da diese so dramatisch zum reinen Datenträger entwertet worden sind.
Was daraus für mich folgt, kann ich noch gar nicht richtig benennen - und erst recht möchte ich nicht gleich großartige Prognosen über die Zukunft des Buchhandels und des Verlagswesens darauf begründen. Mir liegt das Buch als kulturelles Gut enorm am Herzen, und ich habe starke Zweifel daran, dass mir das Gewische auf irgendwelchen Lesegräten jemals so viel Spaß bereiten kann wie das Umblättern einer Seite; auch würde ich Kindern niemals das schöne Erlebnis nehmen wollen, ein Buch zu besitzen, es sich anzueignen, darin herumzumalen, den Namen vorne hineinzuschreiben, es physisch im Regal stehen zu haben und drei Jahre später in einer Stunde der Langeweile plötzlich wiederzuentdecken. (Gerade bei den Kindern fürchte ich ja, dass denen ganz schnell die lustig blinkende, bunte, Melodien dudelnde und mit animierten Illustrationen aufwartende Blenderversion auf dem rosa Mattel-Gerät angedreht werden wird.) Auch würde ich das Konzept eines "fertigen" Buches vermissen, denn ich bin mir sicher, dass umso schneller redigiert und verändert und erweitert wird, je einfacher das technisch möglich ist. Und noch ein Gedanke dazu, wieder in Analogie zu der MP3-Flut: Es hört sich vielleicht ganz toll an, wenn man quasi unbegrenzt immer und auf alles Zugriff hat - zigtausend Musikstücke in der Hosentasche, der Rest nur einen Internetklick entfernt. Genauso werden wir in naher Zukunft statt zweier Bücher eben zehntausend mit in den Urlaub nehmen können. Es mag sich für die Vorkämpfer der digitalen Grenzenlosigkeit anhören wie eine freiwillige Selbstkastration, aber ich bin mir keineswegs sicher, ob ich das so toll finde.
Das hat zu tun mit Erfahrungen wie der, sich eine langersehnte Schallplatte endlich kaufen zu können, sie in Ruhe und ganz bewusst anzuhören (gibt es das noch, dass man sich hinsetzt und "eine Platte hört"?), sich die Hülle anzusehen und die Angaben auf der bedruckten Innehülle durchzulesen, sich über die Gestaltung der Labels zu freuen und so weiter; was ist dagegen eine Ladung MP3-Dateien?
Im Urlaub nur zwei, drei Bücher dabeizuhaben, dicke zumal, schwierige vielleicht, und sich vorher entscheiden zu müssen, welche es sein sollen, und dann mit dieser Entscheidung zu leben und sich endlich, endlich auch mal an dieses eine, schwierige Lesestück heranzuwagen und hindurchzukämpfen, das sind eben auch wertvolle Erfahrungen.
Dreck - angefangen hatte ich mit der Überlegung, dass so ein elektronisches Dingens vielleicht doch ganz sinnvoll sein kann, und je länger ich schreibe, umso unsympathischer wird mir das alles. Und es ist zwar erst Freitag, aber ich werde diese Woche wieder nichts weiter loswerden als ein paar Bücher, das dürfen Sie ruhig schon wissen.
Was ich da aussortiere, ist zum großen Teil Massenware, irgendwelches Zeug, das ich einmal weglese und dann im Leben nicht noch einmal zur Hand nehmen werde, das nicht in meinem Regal stehen muss, keinen sentimentalen oder ästhetischen Wert für mich hat - sondern schlichtes Lesefutter ist. Neben dem typischen Urlaubskrimi ist das auch gerne mal ein Sachbuch wie z. Z. etwa der Titel Die Suppe lügt (ein Werk übrigens, bei dessen Beurteilung ich mich Anke Gröner aber sowas von anschließen möchte: "Die Fakten, die Grimm über Industrienahrung und wie sie unseren Körper überlistet, präsentiert, sind sicher alle richtig und spannend und supi, aber meine Güte! geht mir der Spiegel-Stil nach 50 Seiten auf die Nerven"), und ich werde es durchlesen und zur Seite legen und nie wieder anfassen. Und da komme ich ins Grübeln: Ich bestelle mir einen solchen Titel durchaus mal gebraucht, in diesem Fall habe ich lediglich ein paar Euro plus gleichermaßen günstige Versandkosten bezahlt und dafür ein nach Küchendunst bzw. Aromastoff oder Sägespänen duftendes, jedenfalls deutlich gilbes Gebrauchttaschenbuch erhalten. Ich könnte es meinerseits vielleicht wieder für ein paar Euro verkaufen, vielleicht aber auch nicht; bis dahin hätte ich es herumliegen, müsste mir die damit verbundene Arbeit machen, begonnen mit der Dateneingabe - und man sollte lieber nicht darüber nachdenken, was man (wie oben beschrieben) alles tun muss, um dieses Taschengeld vielleicht irgendwann einzunehmen, während sich die ausgelesenen Werke in der Zimmerecke bis zur Zimmerdecke stapeln. In jedem Fall bleibt aber selbst bei diesem sehr günstigen Fall eine Differenz, nämlich die gezahlten Versandkosten und die Verkaufsprovision im Erfolgsfall.
Viel häufiger kommt es natürlich vor, dass ich Bücher neu kaufe, der Verlust bei einem eventuellen Wiederverkauf ist also entsprechend größer - und die meisten Bücher verkaufe ich nun mal gar nicht, sondern lasse sie herumliegen oder verschenke sie. Und das sind die Fälle, in denen ich merke, dass ich nicht jedes Buch unbedingt "als Buch" in der Hand halten muss - ich hätte ein Werk wie das oben genannte, ein brauchbares Lesegerät vorausgesetzt, auch in anderer Form zu mir nehmen können. Und ich behaupte, dass ich auch in immaterieller Form dafür gezahlt hätte.
Wieviel? Das ist eine sehr schwere Frage. Mehr als einen Euro hätte ich für dieses Buch in digitaler Version wohl nicht ausgegeben. Was wäre mir ein Urlaubskrimi wert? Zwei, drei Euro könnte ich mir wohl vorstellen. Wenn's mehr werden soll, wird's für mich schwierig, da bin ich doch zu sehr an die materielle Form gebunden - gehöre ich doch auch noch zu den Leuten, die ganz gerne einen physikalischen Tonträger besitzen, auch wenn das emotional immer schwieriger wird, zumindest was digitale Formate wie CDs angeht, da diese so dramatisch zum reinen Datenträger entwertet worden sind.
Was daraus für mich folgt, kann ich noch gar nicht richtig benennen - und erst recht möchte ich nicht gleich großartige Prognosen über die Zukunft des Buchhandels und des Verlagswesens darauf begründen. Mir liegt das Buch als kulturelles Gut enorm am Herzen, und ich habe starke Zweifel daran, dass mir das Gewische auf irgendwelchen Lesegräten jemals so viel Spaß bereiten kann wie das Umblättern einer Seite; auch würde ich Kindern niemals das schöne Erlebnis nehmen wollen, ein Buch zu besitzen, es sich anzueignen, darin herumzumalen, den Namen vorne hineinzuschreiben, es physisch im Regal stehen zu haben und drei Jahre später in einer Stunde der Langeweile plötzlich wiederzuentdecken. (Gerade bei den Kindern fürchte ich ja, dass denen ganz schnell die lustig blinkende, bunte, Melodien dudelnde und mit animierten Illustrationen aufwartende Blenderversion auf dem rosa Mattel-Gerät angedreht werden wird.) Auch würde ich das Konzept eines "fertigen" Buches vermissen, denn ich bin mir sicher, dass umso schneller redigiert und verändert und erweitert wird, je einfacher das technisch möglich ist. Und noch ein Gedanke dazu, wieder in Analogie zu der MP3-Flut: Es hört sich vielleicht ganz toll an, wenn man quasi unbegrenzt immer und auf alles Zugriff hat - zigtausend Musikstücke in der Hosentasche, der Rest nur einen Internetklick entfernt. Genauso werden wir in naher Zukunft statt zweier Bücher eben zehntausend mit in den Urlaub nehmen können. Es mag sich für die Vorkämpfer der digitalen Grenzenlosigkeit anhören wie eine freiwillige Selbstkastration, aber ich bin mir keineswegs sicher, ob ich das so toll finde.
Das hat zu tun mit Erfahrungen wie der, sich eine langersehnte Schallplatte endlich kaufen zu können, sie in Ruhe und ganz bewusst anzuhören (gibt es das noch, dass man sich hinsetzt und "eine Platte hört"?), sich die Hülle anzusehen und die Angaben auf der bedruckten Innehülle durchzulesen, sich über die Gestaltung der Labels zu freuen und so weiter; was ist dagegen eine Ladung MP3-Dateien?
Im Urlaub nur zwei, drei Bücher dabeizuhaben, dicke zumal, schwierige vielleicht, und sich vorher entscheiden zu müssen, welche es sein sollen, und dann mit dieser Entscheidung zu leben und sich endlich, endlich auch mal an dieses eine, schwierige Lesestück heranzuwagen und hindurchzukämpfen, das sind eben auch wertvolle Erfahrungen.
Dreck - angefangen hatte ich mit der Überlegung, dass so ein elektronisches Dingens vielleicht doch ganz sinnvoll sein kann, und je länger ich schreibe, umso unsympathischer wird mir das alles. Und es ist zwar erst Freitag, aber ich werde diese Woche wieder nichts weiter loswerden als ein paar Bücher, das dürfen Sie ruhig schon wissen.
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Zum Spaß und zum Ausprobieren kaufte ich vor etwa zwei Jahren noch mal ein Keyboard. Ich bin wie üblich daran gescheitert, mir selber irgend etwas Musikalisches beizubringen und kann mir heute noch nicht vorstellen, wie man erstens Noten lesen und zweitens mit seinen Fingern irgendwas machen soll, drittens gleichzeitig und viertens noch mit beiden Händen unterschiedliche Dinge, und es macht mich traurig, dass ich da so gar nichts kann. Einmal, mit 15 oder 16, kaufte ich einen Synthesizer von Yamaha, spielte mit den Sounds herum, klimperte mir etwas auf dem Fostex-Vierspurrekorder zusammen, klopfte den Takt mit Töpfen und Deckeln und brachte so einige Lo-Fi-Stückchen zusammen, schwer avantgardistisch mit Soundbits versetzt wie z.B. dem fragenden "Hallo!? Hallo!???" der Mutter einer Mitschülerin, die ich angerufen hatte, das Mikrofon an den Hörer gepresst. Diese Aufnahmen sind heute übrigens verschollen, genau wie jene, die ich dann noch mal ein paar Jahre später mit Freunden fabrizierte, die über für damalige Verhältnisse geradezu unglaubliches Equipment verfügten: Einen DX 7 brachte der eine, das war übrigens jemand, der richtig spielen konnte, einen sündteuren Kawai K1 sowie einen Sequenzer und furchtbar teure "Plugins" der andere, mein Freund A., der sich ebenso wie ich rein autodidaktisch versucht hatte und dabei über Soundspielereien auch nicht so recht hinausgekommen war. Aber wir hatten Spaß, stöpselten alles mit MIDI-Kabeln hintereinander und ich versuchte, mir ein paar Tastenkombinationen zu merken.
Mein Blockflötenkind hatte sich immer wieder einmal für das Klavierspielen interessiert, und als ich nun das Bontempi-Ding für so wenig Geld da herumstehen sah, dachte ich: Tasten hat es immerhin, und wir wollen doch mal sehen, ob das für jemanden aus der Familie etwas ist. Natürlich verfügen diese Billigdinger in ihren klapprigen Gehäusen heute über ebensoviele Sounds wie damals die unerschwinglichen Traumgeräte, Metronom und Sequenzer sind selbstverständlich eingebaut und man könnte sie mit dem USB-Kabel auch an den Computer anschließen, um fröhlich Studio zu spielen. Dass ich wie damals schon an den absoluten Grundvoraussetzungen gescheitert bin, habe ich oben erwähnt, das Flötenkind aber hatte doch immer wieder Spaß daran, stöpselte das Keyboard ein und klimperte fröhlich drauflos, und seit einem halben Jahr spielt sie Klavier statt Flöte, inzwischen steht auch eines (elektrisch) im Haushalt, und schon jetzt entlockt sie diesem Tasteninstrument so schöne Klänge, wie ich es wohl im Leben nicht zustandebringen werde.
Das Bontempiding kann nun weg, ich inserierte es für einen geringen Betrag und wurde von einem Herrn angerufen, der sich schon ganz genau informiert hatte: "Das gab es laut Internet vor zwei Jahren bei * für * EUR", verkündete er, wobei er meiner Ansicht nach den damaligen Ladenpreis künstlich heruntersetzte, "ich gehe mal davon aus, dass das komplett ist", und ich erklärte, ja, das sei komplett, bis auf diesen spiddeligen Pseudo-Notenhalter, der mit zwei Plastikzapfen hinten eingesteckt werden konnte und natürlich gleich abgebrochen ist. "Die Internethändler haben da die Restbestände aufgekauft und vertreiben die jetzt für nur * EUR", belehrte er mich dann weiter, wobei sich der genannte Betrag kaum noch über dem von mir aufgerufenen befand. Und nach viel Gerede seinerseits und freundlichem "Mhm, mhm" meinerseits kam er dann endlich zum Punkt: "Ist da preislich noch etwas zu machen?", ich hatte darauf gewartet und nannte einen noch niedrigeren Preis, worauf er mir wortreich erklärte, dass er nun erst mit dem Sohn und der Frau und er wohne ja da und dort und da müsse man natürlich erst mal wissen. Ich riet ihm freundlich, sich die Sache zu überlegen und ggf. wieder anzurufen.
Was er einige Stunden darauf auch tat: Er habe da mal bei Bontempi angefragt, dieser Notenhalter, den könne man nachbestellen, der koste aber 10 EUR, und das Keyboard solle ja komplett sein, und dann wäre das ja fast der Preis für ein neues beim Internetresteversender, und ich wurde langsam ungeduldig und teilte ihm mit, der von mir genannte Preis sei mein letzter, er solle sich das in Ruhe überlegen, er aber heulte mir die Ohren voll, dass man bei einem Gebrauchtkauf ja keine Gewährleistung habe, und er habe gedacht, man könne sich ja bei * EUR treffen, und ich sagte nein, das will ich nicht machen, und er greinte, dass er ja auch noch die Spritkosten habe, und für * EUR würde er es ja vielleicht nehmen, und ich sagte, dass er SEIN SCHEISS-KEYBOARD GEFÄLLIGST BEI SEINEM VERWICHSTEN INTERNETVERSAND BESTELLEN UND MICH BLOSS NICHT WEITER MIT SEINEM UNERTRÄGLICHEN GEJAMMER BELÄSTIGEN SOLL, aber ich habe es ihm freundlich gesagt.
Ich bin diese Woche leider nicht richtig vorangekommen mit meiner Agenda, das Keyboard steht nun auch noch hier, und das Handeln macht mir eigentlich selber Spaß, aber solche Leute - nee, doo.
Mein Blockflötenkind hatte sich immer wieder einmal für das Klavierspielen interessiert, und als ich nun das Bontempi-Ding für so wenig Geld da herumstehen sah, dachte ich: Tasten hat es immerhin, und wir wollen doch mal sehen, ob das für jemanden aus der Familie etwas ist. Natürlich verfügen diese Billigdinger in ihren klapprigen Gehäusen heute über ebensoviele Sounds wie damals die unerschwinglichen Traumgeräte, Metronom und Sequenzer sind selbstverständlich eingebaut und man könnte sie mit dem USB-Kabel auch an den Computer anschließen, um fröhlich Studio zu spielen. Dass ich wie damals schon an den absoluten Grundvoraussetzungen gescheitert bin, habe ich oben erwähnt, das Flötenkind aber hatte doch immer wieder Spaß daran, stöpselte das Keyboard ein und klimperte fröhlich drauflos, und seit einem halben Jahr spielt sie Klavier statt Flöte, inzwischen steht auch eines (elektrisch) im Haushalt, und schon jetzt entlockt sie diesem Tasteninstrument so schöne Klänge, wie ich es wohl im Leben nicht zustandebringen werde.
Das Bontempiding kann nun weg, ich inserierte es für einen geringen Betrag und wurde von einem Herrn angerufen, der sich schon ganz genau informiert hatte: "Das gab es laut Internet vor zwei Jahren bei * für * EUR", verkündete er, wobei er meiner Ansicht nach den damaligen Ladenpreis künstlich heruntersetzte, "ich gehe mal davon aus, dass das komplett ist", und ich erklärte, ja, das sei komplett, bis auf diesen spiddeligen Pseudo-Notenhalter, der mit zwei Plastikzapfen hinten eingesteckt werden konnte und natürlich gleich abgebrochen ist. "Die Internethändler haben da die Restbestände aufgekauft und vertreiben die jetzt für nur * EUR", belehrte er mich dann weiter, wobei sich der genannte Betrag kaum noch über dem von mir aufgerufenen befand. Und nach viel Gerede seinerseits und freundlichem "Mhm, mhm" meinerseits kam er dann endlich zum Punkt: "Ist da preislich noch etwas zu machen?", ich hatte darauf gewartet und nannte einen noch niedrigeren Preis, worauf er mir wortreich erklärte, dass er nun erst mit dem Sohn und der Frau und er wohne ja da und dort und da müsse man natürlich erst mal wissen. Ich riet ihm freundlich, sich die Sache zu überlegen und ggf. wieder anzurufen.
Was er einige Stunden darauf auch tat: Er habe da mal bei Bontempi angefragt, dieser Notenhalter, den könne man nachbestellen, der koste aber 10 EUR, und das Keyboard solle ja komplett sein, und dann wäre das ja fast der Preis für ein neues beim Internetresteversender, und ich wurde langsam ungeduldig und teilte ihm mit, der von mir genannte Preis sei mein letzter, er solle sich das in Ruhe überlegen, er aber heulte mir die Ohren voll, dass man bei einem Gebrauchtkauf ja keine Gewährleistung habe, und er habe gedacht, man könne sich ja bei * EUR treffen, und ich sagte nein, das will ich nicht machen, und er greinte, dass er ja auch noch die Spritkosten habe, und für * EUR würde er es ja vielleicht nehmen, und ich sagte, dass er SEIN SCHEISS-KEYBOARD GEFÄLLIGST BEI SEINEM VERWICHSTEN INTERNETVERSAND BESTELLEN UND MICH BLOSS NICHT WEITER MIT SEINEM UNERTRÄGLICHEN GEJAMMER BELÄSTIGEN SOLL, aber ich habe es ihm freundlich gesagt.
Ich bin diese Woche leider nicht richtig vorangekommen mit meiner Agenda, das Keyboard steht nun auch noch hier, und das Handeln macht mir eigentlich selber Spaß, aber solche Leute - nee, doo.
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- Spülst du auch immer nach dem GV?
- Nein, ich rauche.
- Oh! Darauf habe ich noch gar nicht geachtet.
Dieser Witz hat mir gleich in mehrfacher Hinsicht gefallen, damals, denn da ist ja nicht nur die offensichtliche Pointe (die auch schon ziemlich komisch ist), sondern recht eigentlich ist es die Antwort "Nein, ich rauche!", die mich erheitert, auch ein Vierteljahrhundert später. Es gab also gute Gründe, in dieser Unterrichtsstunde wieder mal unterdrückt zu glucksen, dann verzweifelt und mit tränenden Augen in Richtung Boden zu starren, nebenbei den Kameraden zu ignorieren, der pantomimisch den aus der Körpermitte aufsteigenden Qualm darstellte, um dann verzweifelt einen Zettel zu kritzeln, auf dem stand: "Die denkt, dass die andere Geschirr spült!"
Vielleicht ist das aber auch ganz normal, was weiß ich denn, was die Menschen nach dem GV alle so tun. Ich jedenfalls habe heute ein paar Messwerte erfahren, die "alle im grünen Bereich" liegen, gut, das Cholesterin liegt minimal über dem - allerdings sehr strengen! - Grenzwert, und die Frage, ob ich Sport treibe, verneinte ich ebenso wahrheitsgemäß wie die, ob ich jemals welchen getrieben hätte - doch dann kam die Frage aufs Rauchen, und während ich schon automatisch "ja, doch" murmelte, schoss es mir durch den Kopf: Nein, schon einige Wochen nicht mehr!
Ich kenne das - wenn ich erkältet bin, ekelt mich schon der Gedanke, und dann muss ich mir plötzlich vorstellen, wie viele Kippen alleine in diesem hohlen Alugeländer stecken, das hat so ein kleines Bohrloch, wie dafür gemacht!, und die rutschen dann innendrin bis ganz nach unten, und wenn ich das eines Tages endlich abbaue, denn so etwas Schlankes, Schmiedeeisernes gefiele mir gleich viel besser, dann wird mir eine unvorstellbare Menge an ekelhaften Zigarettenstummeln entgegenkommen, und ich werde denken: Igitt! Und das sind nur die, die ich abends gemütlich auf der Treppe vorm Haus geraucht habe!, und es genügt an solchen Tagen ein einzelnes, über drei Stockwerke durchs gekippte Fenster hineingewehtes Molekül, um mich angewidert erschaudern zu lassen.
Womöglich ist meine derzeitige Abstinenz also lediglich ein Indikator für einen langgezogenen Infekt. Das würde auch zu dieser frühabendlichen Müdigkeit passen, die mir in den letzten Wochen zu einer treuen Gefährtin geworden ist: Wenn's dunkel wird, will ich ins Bett! Ich muss nur noch eben das Geschirr spülen.
- Nein, ich rauche.
- Oh! Darauf habe ich noch gar nicht geachtet.
Dieser Witz hat mir gleich in mehrfacher Hinsicht gefallen, damals, denn da ist ja nicht nur die offensichtliche Pointe (die auch schon ziemlich komisch ist), sondern recht eigentlich ist es die Antwort "Nein, ich rauche!", die mich erheitert, auch ein Vierteljahrhundert später. Es gab also gute Gründe, in dieser Unterrichtsstunde wieder mal unterdrückt zu glucksen, dann verzweifelt und mit tränenden Augen in Richtung Boden zu starren, nebenbei den Kameraden zu ignorieren, der pantomimisch den aus der Körpermitte aufsteigenden Qualm darstellte, um dann verzweifelt einen Zettel zu kritzeln, auf dem stand: "Die denkt, dass die andere Geschirr spült!"
Vielleicht ist das aber auch ganz normal, was weiß ich denn, was die Menschen nach dem GV alle so tun. Ich jedenfalls habe heute ein paar Messwerte erfahren, die "alle im grünen Bereich" liegen, gut, das Cholesterin liegt minimal über dem - allerdings sehr strengen! - Grenzwert, und die Frage, ob ich Sport treibe, verneinte ich ebenso wahrheitsgemäß wie die, ob ich jemals welchen getrieben hätte - doch dann kam die Frage aufs Rauchen, und während ich schon automatisch "ja, doch" murmelte, schoss es mir durch den Kopf: Nein, schon einige Wochen nicht mehr!
Ich kenne das - wenn ich erkältet bin, ekelt mich schon der Gedanke, und dann muss ich mir plötzlich vorstellen, wie viele Kippen alleine in diesem hohlen Alugeländer stecken, das hat so ein kleines Bohrloch, wie dafür gemacht!, und die rutschen dann innendrin bis ganz nach unten, und wenn ich das eines Tages endlich abbaue, denn so etwas Schlankes, Schmiedeeisernes gefiele mir gleich viel besser, dann wird mir eine unvorstellbare Menge an ekelhaften Zigarettenstummeln entgegenkommen, und ich werde denken: Igitt! Und das sind nur die, die ich abends gemütlich auf der Treppe vorm Haus geraucht habe!, und es genügt an solchen Tagen ein einzelnes, über drei Stockwerke durchs gekippte Fenster hineingewehtes Molekül, um mich angewidert erschaudern zu lassen.
Womöglich ist meine derzeitige Abstinenz also lediglich ein Indikator für einen langgezogenen Infekt. Das würde auch zu dieser frühabendlichen Müdigkeit passen, die mir in den letzten Wochen zu einer treuen Gefährtin geworden ist: Wenn's dunkel wird, will ich ins Bett! Ich muss nur noch eben das Geschirr spülen.
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- 1 Sack Altkleider*
- 1 Stehlampe
- 2 Tintenstrahldrucker
Wie ja jeder weiß, sind ehemalige Nikotinsüchtige die intolerantesten Nichtraucher, Exstalinisten predigen Gottes Wort besonders fanatisch und die ganz radikalen Klassenkämpfer tragen irgendwann Businessanzüge und beraten BMW. Wenn ich also hier Verzicht predige, reihe ich mich ein in die Menge der Konvertiten, die früher selber am schlimmsten waren. Nehmen wir nur mal die technischen Geräte: Wer musste von seiner Zivildienstvergütung gleich einen Videorecorder kaufen, dann die Boxen seiner Stereoanlage durch größere ersetzen, diese wiederum durch andere, welche kurz darauf mit zwei zusätzlichen ergänzt wurden? Wer musste "zum Spaß" ein zweites Tapedeck erstehen? Wer kaufte einen hochmodernen Computer für ein Schweinegeld (einen 386er, dessen Lüfter unzumutbar laut und der auch sonst nahezu unbrauchbar war), dazu einen Scanner und zuerst einen Schwarzweiß-, bald aber auch einen Farbmonitor, kurz darauf eine Soundkarte - und einen Laserdrucker, alles übrigens unfassbar teuer? Wer wurde in dieser Zeit von den Freunden nur halb im Scherz gefragt, warum "seit letzter Woche noch gar kein neues Gerät" im Zimmer stehe?
Ich habe eine schlimme Altlast zu tragen, denn jahrelang wurden die Dinge für mich erst erschwinglich, weil ich endlich Geld hatte, und dann wurden sie immer billiger, so dass die "Gelegenheiten" immer verlockender wurden, mein Gott! Weißt du noch, was du für deinen ersten CD-Player bezahlt hast!, und nun sieh dir diesen hier an, nimm mit!, und noch einen tragbaren!, und einen Henkelmann!, es ist schon eine grausame Spur, die ich da hinterlassen habe. Und wenn man plötzlich einfach so in Farbe drucken kann, kommt zu dem schwarzweißen eben noch ein Farbdrucker dazu. Und wenn der kaputt ist, kommt ein neuer, die kosten ja nicht viel Geld, verglichen mit der Tinte, die sie brauchen. Und dieses Lasermultifunktionsding spart eine Menge Platz, aber eigentlich waren diese DeskJets von HP wirklich robuste, gute Drucker, stell sie doch erst mal in den Keller.

Sie standen jahrelang da unten und staubten ein. Ich habe sie inseriert (zum Verschenken), es hat sich niemand gemeldet, ich brachte sie zum Recyclinghof, ihr weiterer Weg ist vermutlich vorgezeichnet. Euch aber sage ich: Schwöret ab diesem wahnsinnigen Konsum, denn er ist ein Irrweg. Legt einen Kräutergarten an und sät Möhren, Kresse und Schnittlauch, auf dass ihr glücklich werdet und innerlich reich.
--
*Ja, noch einer.
- 1 Stehlampe
- 2 Tintenstrahldrucker
Wie ja jeder weiß, sind ehemalige Nikotinsüchtige die intolerantesten Nichtraucher, Exstalinisten predigen Gottes Wort besonders fanatisch und die ganz radikalen Klassenkämpfer tragen irgendwann Businessanzüge und beraten BMW. Wenn ich also hier Verzicht predige, reihe ich mich ein in die Menge der Konvertiten, die früher selber am schlimmsten waren. Nehmen wir nur mal die technischen Geräte: Wer musste von seiner Zivildienstvergütung gleich einen Videorecorder kaufen, dann die Boxen seiner Stereoanlage durch größere ersetzen, diese wiederum durch andere, welche kurz darauf mit zwei zusätzlichen ergänzt wurden? Wer musste "zum Spaß" ein zweites Tapedeck erstehen? Wer kaufte einen hochmodernen Computer für ein Schweinegeld (einen 386er, dessen Lüfter unzumutbar laut und der auch sonst nahezu unbrauchbar war), dazu einen Scanner und zuerst einen Schwarzweiß-, bald aber auch einen Farbmonitor, kurz darauf eine Soundkarte - und einen Laserdrucker, alles übrigens unfassbar teuer? Wer wurde in dieser Zeit von den Freunden nur halb im Scherz gefragt, warum "seit letzter Woche noch gar kein neues Gerät" im Zimmer stehe?
Ich habe eine schlimme Altlast zu tragen, denn jahrelang wurden die Dinge für mich erst erschwinglich, weil ich endlich Geld hatte, und dann wurden sie immer billiger, so dass die "Gelegenheiten" immer verlockender wurden, mein Gott! Weißt du noch, was du für deinen ersten CD-Player bezahlt hast!, und nun sieh dir diesen hier an, nimm mit!, und noch einen tragbaren!, und einen Henkelmann!, es ist schon eine grausame Spur, die ich da hinterlassen habe. Und wenn man plötzlich einfach so in Farbe drucken kann, kommt zu dem schwarzweißen eben noch ein Farbdrucker dazu. Und wenn der kaputt ist, kommt ein neuer, die kosten ja nicht viel Geld, verglichen mit der Tinte, die sie brauchen. Und dieses Lasermultifunktionsding spart eine Menge Platz, aber eigentlich waren diese DeskJets von HP wirklich robuste, gute Drucker, stell sie doch erst mal in den Keller.

Sie standen jahrelang da unten und staubten ein. Ich habe sie inseriert (zum Verschenken), es hat sich niemand gemeldet, ich brachte sie zum Recyclinghof, ihr weiterer Weg ist vermutlich vorgezeichnet. Euch aber sage ich: Schwöret ab diesem wahnsinnigen Konsum, denn er ist ein Irrweg. Legt einen Kräutergarten an und sät Möhren, Kresse und Schnittlauch, auf dass ihr glücklich werdet und innerlich reich.
--
*Ja, noch einer.
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Wie ich der Faulheit halber mal eben im Internet nachlese, bezeichnete der Name Faulenstraße im Mittelalter eine "schmutzige, ungepflasterte Straße", und inzwischen ist es natürlich eine schmutzige, gepflasterte Straße, die erstaunlicherweise noch so heißen darf und nicht etwa in Ganz-Entspannt-Shoppen-Straße oder Cherryflow umbenannt wurde. Kein Wunder, dass Saturn damals dichtgemacht hat:
- Ich kaufe mir gleich ganz viel neue Unterhaltungselektronik!
- Wo denn?
- Bei Saturn!
- Igitt! Das ist doch in der Faulenstraße! Geht dir das psychoakustisch nicht voll gegen den Strich?
- Würg! "Faulenstraße" heißt die? Ist ja widerlich! Was soll ich jetzt bloß mit meinem Geld machen. Idee! Ich spende es dem Museum für neue Kunst Weserburg, das ist gleich um die Ecke.
In der Straßenbahn musste man täglich solchen Dialogen lauschen, und wenn aus dem Lautsprecher die gleichbleibend freundliche, global genormte weibliche Automatenstimme die Haltestelle "Faulenstraße" ankündigte, spürte man deutlich die Scham derjenigen, die dort aussteigen mussten. Mit ihren hochgeschlagenen Mantelkrägen sahen sie verlegen zu Boden wie jemand, der zu Intimchen wollte, diesem Erotikladen, der mir schon dadurch auffiel, dass er seine Angebote in derselben braunen Siebdruckschrift auf denselben gelben Pappen anpries wie die Mensa an der Universität ihr Stammessen 1. Die Mensa ist ja dann auch abgebrannt, ich sage "auch", weil in der Zeit wirklich blöde Sachen passiert sind, dauernd, da will man mal ein bisschen zündeln und später muss man hingehen und sagen: Papa, mir ist da was Blödes passiert. Und wo befand sich der Laden für Ehehygiene mit diesem knuffigen Kosenamen, Sie ahnen es bereits: In der Faulenstraße. Das kann doch alles kein Zufall mehr sein. Nachtigall!, hätte ich da gerne in den Laden reingerufen, ich weiß genau, wo ihr eure Schilder herhabt! Ich wollte die dann aber nicht in Verlegenheit bringen, das muss jeder selber entscheiden, ob er dazu stehen will, dass er Verbindungen zu jemandem hat, der an der Universität arbeitet.
Fährst du Jahre später mal wieder mit der Straßenbahn entlang, dort, wo die leeren Schaufensterfronten gähnen, dann sagt die globale Frauenstimme: "Nächster Halt: Radio Bremen."
[Jetzt irgendwie noch den Bogen zu google StretView
- Ich kaufe mir gleich ganz viel neue Unterhaltungselektronik!
- Wo denn?
- Bei Saturn!
- Igitt! Das ist doch in der Faulenstraße! Geht dir das psychoakustisch nicht voll gegen den Strich?
- Würg! "Faulenstraße" heißt die? Ist ja widerlich! Was soll ich jetzt bloß mit meinem Geld machen. Idee! Ich spende es dem Museum für neue Kunst Weserburg, das ist gleich um die Ecke.
In der Straßenbahn musste man täglich solchen Dialogen lauschen, und wenn aus dem Lautsprecher die gleichbleibend freundliche, global genormte weibliche Automatenstimme die Haltestelle "Faulenstraße" ankündigte, spürte man deutlich die Scham derjenigen, die dort aussteigen mussten. Mit ihren hochgeschlagenen Mantelkrägen sahen sie verlegen zu Boden wie jemand, der zu Intimchen wollte, diesem Erotikladen, der mir schon dadurch auffiel, dass er seine Angebote in derselben braunen Siebdruckschrift auf denselben gelben Pappen anpries wie die Mensa an der Universität ihr Stammessen 1. Die Mensa ist ja dann auch abgebrannt, ich sage "auch", weil in der Zeit wirklich blöde Sachen passiert sind, dauernd, da will man mal ein bisschen zündeln und später muss man hingehen und sagen: Papa, mir ist da was Blödes passiert. Und wo befand sich der Laden für Ehehygiene mit diesem knuffigen Kosenamen, Sie ahnen es bereits: In der Faulenstraße. Das kann doch alles kein Zufall mehr sein. Nachtigall!, hätte ich da gerne in den Laden reingerufen, ich weiß genau, wo ihr eure Schilder herhabt! Ich wollte die dann aber nicht in Verlegenheit bringen, das muss jeder selber entscheiden, ob er dazu stehen will, dass er Verbindungen zu jemandem hat, der an der Universität arbeitet.
Fährst du Jahre später mal wieder mit der Straßenbahn entlang, dort, wo die leeren Schaufensterfronten gähnen, dann sagt die globale Frauenstimme: "Nächster Halt: Radio Bremen."
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Lalla lalla.
7 Hosen, 8 Pullover, 3 Hemden, lalla lalla, 12 T-Shirts, 1 Duschvorhang, 2 Paar Kinderschuhe. Lalla lalla.

Das wollte auch erst mal gelernt sein, das mit den Hemden. Da hängen so ein paar im Schrank, die mir dann doch nie gefallen haben, und nachdem ein paar andere schon als Malkittel Verwendung gefunden hatten und aus einem weiteren im letzten Sommer die Segel für ein kleines Boot aus Holzstücken entstanden waren, übrigens waren das alles so blöde karierte, in kariert gibt's eigentlich kaum etwas, das mir steht, Streifen finde ich dagegen gar nicht übel, habe ich nun noch zwei weitere aussortiert und ein zerschlissenes kurzärmeliges gleich dazu. Kurzärmelige Hemden sind eigentlich ein Widerspruch in sich. Ich will keine.
Auf dem Gebiet der T-Shirts dagegen kenne ich mich aus, die Zeiten der lustigen Sprüche sind natürlich vorbei, aber so voll metaironisch eins vom Baumarkt mit Macho-Spruch und muskulösem Gay-Pin-up, das musste noch sein, vor ein paar Jahren, zumal die tierisch runtergesetzt waren und die sind ja schwarz zum Drunterziehen und guck mal, ich nehme gleich noch das da und das daneben auch, was guckst'n mich so an, natürlich ziehe ich die an! Lalla lalla.
Ich habe sie wirklich angezogen, immer wieder, sie haben bestimmt zweihundert Waschzyklen hinter sich oder noch mehr, jedes davon, und dann legte ich sie "erst mal" beiseite, weil, nämlich, falls ich wirklich mal wieder was mache, dann, he he, kann ich die ja noch mal, so als Heimwerker, he he. Lalla lalla.
Die Hosen! Jahrelang war ich der Ansicht, dass es außer blauen Jeans für mich nichts gibt. Dann aber wieder diese Stilheinis, sagen wir: Tillmann Prüfer von der Zeit, der immer diese grausam langweiligen Modesachen macht, die stehen dann affektiert herum und rufen: Haaach - Jeans! Das kann man maximal bis Mitte 30 machen! Und nehmen die Designerbrille von der Nase und verstauen sie im dämlichen Täschchen. Ich lasse mir von denen nichts vorschreiben, nicht mal das Gegenteil, und da gab es z.B. diese lässige, dunkelbeige Cordhose, die einen wirklich tollen Schnitt hatte, die trug ich, bis sie vor allem im Schritt nur noch indiskutabel aussah. Aber ich konnte sie doch nicht einfach wegwerfen! Lalla lalla. Dann noch die anderen, nicht immer so ganz geglückten Versuche, mal etwas anderes als blaue Jeans zu kaufen. Von welchen natürlich auch noch ein paar abgetragene "erst mal" in einem anderen Schrank gelandet waren, so als würde ich sie irgendwann tatsächlich wieder herausholen und Bermudashorts draus machen. Lalla lalla. Alles raus! Und die restlichen, verwaschenen T-Shirts, bei denen der runde Halsausschnitt nur noch eine Zumutung ist, und die im Trockner misshandelten gleich dazu, die immer breiter und kürzer geworden sind, und die zwei "Unterzieh-Shirts", deren Polyesteranteil eine so erstaunliche transpirative Wirkung zeitigt - raus damit, lalla lalla!
Klar, diese Pullover könnte man, also - falls es mal wirklich kalt wird und man dann nix zum Anziehen hätte, nicht wahr, und diese Rollkragendinger standen dir gar nicht schlecht, hättest dich halt rasieren müssen, dann wären die nicht so schlimm verfusselt oben am Rand, he he, das sieht aber nach nix mehr aus, guck mal, total aufgerubbelt, wie mit 'ner Feile, wie Filz! Gib dir einen Ruck, weg damit, lalla lalla.
Dieses Lied übrigens, das will mir nicht mehr aus dem Kopf.

7 Hosen, 8 Pullover, 3 Hemden, lalla lalla, 12 T-Shirts, 1 Duschvorhang, 2 Paar Kinderschuhe. Lalla lalla.

Das wollte auch erst mal gelernt sein, das mit den Hemden. Da hängen so ein paar im Schrank, die mir dann doch nie gefallen haben, und nachdem ein paar andere schon als Malkittel Verwendung gefunden hatten und aus einem weiteren im letzten Sommer die Segel für ein kleines Boot aus Holzstücken entstanden waren, übrigens waren das alles so blöde karierte, in kariert gibt's eigentlich kaum etwas, das mir steht, Streifen finde ich dagegen gar nicht übel, habe ich nun noch zwei weitere aussortiert und ein zerschlissenes kurzärmeliges gleich dazu. Kurzärmelige Hemden sind eigentlich ein Widerspruch in sich. Ich will keine.
Auf dem Gebiet der T-Shirts dagegen kenne ich mich aus, die Zeiten der lustigen Sprüche sind natürlich vorbei, aber so voll metaironisch eins vom Baumarkt mit Macho-Spruch und muskulösem Gay-Pin-up, das musste noch sein, vor ein paar Jahren, zumal die tierisch runtergesetzt waren und die sind ja schwarz zum Drunterziehen und guck mal, ich nehme gleich noch das da und das daneben auch, was guckst'n mich so an, natürlich ziehe ich die an! Lalla lalla.
Ich habe sie wirklich angezogen, immer wieder, sie haben bestimmt zweihundert Waschzyklen hinter sich oder noch mehr, jedes davon, und dann legte ich sie "erst mal" beiseite, weil, nämlich, falls ich wirklich mal wieder was mache, dann, he he, kann ich die ja noch mal, so als Heimwerker, he he. Lalla lalla.
Die Hosen! Jahrelang war ich der Ansicht, dass es außer blauen Jeans für mich nichts gibt. Dann aber wieder diese Stilheinis, sagen wir: Tillmann Prüfer von der Zeit, der immer diese grausam langweiligen Modesachen macht, die stehen dann affektiert herum und rufen: Haaach - Jeans! Das kann man maximal bis Mitte 30 machen! Und nehmen die Designerbrille von der Nase und verstauen sie im dämlichen Täschchen. Ich lasse mir von denen nichts vorschreiben, nicht mal das Gegenteil, und da gab es z.B. diese lässige, dunkelbeige Cordhose, die einen wirklich tollen Schnitt hatte, die trug ich, bis sie vor allem im Schritt nur noch indiskutabel aussah. Aber ich konnte sie doch nicht einfach wegwerfen! Lalla lalla. Dann noch die anderen, nicht immer so ganz geglückten Versuche, mal etwas anderes als blaue Jeans zu kaufen. Von welchen natürlich auch noch ein paar abgetragene "erst mal" in einem anderen Schrank gelandet waren, so als würde ich sie irgendwann tatsächlich wieder herausholen und Bermudashorts draus machen. Lalla lalla. Alles raus! Und die restlichen, verwaschenen T-Shirts, bei denen der runde Halsausschnitt nur noch eine Zumutung ist, und die im Trockner misshandelten gleich dazu, die immer breiter und kürzer geworden sind, und die zwei "Unterzieh-Shirts", deren Polyesteranteil eine so erstaunliche transpirative Wirkung zeitigt - raus damit, lalla lalla!
Klar, diese Pullover könnte man, also - falls es mal wirklich kalt wird und man dann nix zum Anziehen hätte, nicht wahr, und diese Rollkragendinger standen dir gar nicht schlecht, hättest dich halt rasieren müssen, dann wären die nicht so schlimm verfusselt oben am Rand, he he, das sieht aber nach nix mehr aus, guck mal, total aufgerubbelt, wie mit 'ner Feile, wie Filz! Gib dir einen Ruck, weg damit, lalla lalla.
Dieses Lied übrigens, das will mir nicht mehr aus dem Kopf.
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Es war nicht einfach, zum einen sicher krankheitsbedingt - und es geht mir übrigens auf die Nerven, wenn ich dieses blöde Gerede von "Männergrippe" höre, seit Jahren diese Leier: Hach, nur wir Frauen wissen, was echte Schmerzen sind, wir haben alle geboren, wir sind ja immer so duldsam, und kaum hat ein Mann mal einen Schnupfen, da jammert er rum - Arschlecken, es ist andersrum, wir Männer halten so lange den Mund, wie es geht, und wenn es dann so weit ist, dann labern wir nicht ewig: Ach, ich weiß nicht, ich müsste mal zum Sport gehen, aber ich fühle mich nicht so ganz, vielleicht sollte ich trotzdem, und vielleicht wäre das gerade gut, aber, ich weiß nicht, vielleicht bleibe ich doch lieber zu Hause, obwohl, manchmal muss man sich ja nur überwinden, ich glaube, ich gehe doch, oder soll ich es lieber nicht machen, am Ende verschleppe ich da noch was, aber ich würde ja so gerne, obwohl, wahrscheinlich lasse ich es doch besser bleiben, sag doch mal was - sondern wir sind still, machen das mit uns selber aus, sagen dann: Ich kriege Halsschmerzen, sagen später: Ich muss mich hinlegen, und dann legen wir uns hin, und wenn dann kommt: Vielleicht kannst du ja heute die Steuererklärung machen, dann sagen wir: Nein, denn ich bin krank und möchte mich ausruhen, und dann heißt es: Das Klo müsste mal geputzt werden, und wir sagen: Ja, allerdings bin ich krank und will mich ausruhen, das sagt auch der Arzt: Legen Sie sich hin, vermeiden Sie unnötige Anstrengungen, und dann tönt es: Vielleicht kannst du das große Bild ja in Ruhe andübeln, und man sagt: Gewiss, recht bald will ich das tun, bloß heute nicht, heute bin ich krank und will im Bett bleiben, und dann heißt es: Sei doch nicht gleich so aggressiv - es ist ja dermaßen als kulturelle Mainstreamfigur anerkannt, alleine das sollte einen doch misstrauisch machen, dass alle schmunzeln und sagen: Genau so ist es, hi hi, Männerschnupfen!, und wie peinlich ist das eigentlich, dass es in den Einkaufszentren jetzt manchmal so einen Männerhort gibt, wo die Frauen (Shopping! Kennt ihr doch! Ha! Ha! Meine Freundin auch immer so: Ich will shoppen gehen! Ha! Ha!) ihre Männer abgeben können, damit die da Bier trinken und Fußball gucken können, wie Männer halt so sind, hi hi, und wir gehen mal in Ruhe Geld ausgeben, und die Männer zücken seufzend die Brieftaschen und werfen sich Blicke zu, kennste doch, was willste machen, wenn die Damen mal wieder Schuhe "brauchen", da wird schicksalsergeben gegrinst und Augen gerollt und Arme ausgebreitet, gib erst mal ein Bier, wie steht's denn bei Werder, und die Tochter fängt auch schon so an, will mit den Freundinnen "shoppen", da reichen 20 Euro nicht, prost!, was willste machen - was für ein fauliges, verschorftes, verrottetes Geschlechterbild das ist, was für ein widerliches Menschenbild das ist, sind denn alle total verblödet inzwischen, und wie infantil kann man eigentlich noch werden, Männerhort im Shoppingcenter - mein Arsch! Und wenn ich mal krank bin, dann bin ich eben krank! Punkt!
Jedenfalls habe ich noch nicht viel abschmelzen können, zum anderen nämlich, weil ich auf die Idee kam: Guck doch mal die Bücher durch, wenigstens die aus dem einen Fach in deinem Zimmer, und es bildete sich ein Stapel von Lesestücken, die ich teilweise durchaus schätze, die ich aber trotzdem nicht mehr lebenslang besitzen möchte - sagen wir: Der gute Taschenbuchkrimi, die irgendwie ganz interessante Studie - und diese stellte ich nicht an die Straße, diese brachte ich nicht zum Altpapiercontainer, sondern ich stellte sie bei booklooker zum Verkauf, einer durchaus empfehlenswerten Handelsplattform für Bücher, die ich als Alternative zu den Platzhirschen ganz gerne nutze. Hinterher hatte ich 25 Bücher eingestellt, fast drei Stunden Zeit verbraucht - und die Stapel liegen hier immer noch.* Auf diese Art, fürchte ich, wird das nichts werden. Ich kann zwar nicht alles verschenken und wegwerfen, muss aber deutlich radikaler werden. Somit habe ich für diese Woche als echte Abgänge lediglich zu vermelden:
- 1 dreiteilige Klappmatratze
- 1 alten Schulranzen
(Und für diese Klappmatratze muss irgendwann Ersatz beschafft werden, leider, aber ich zähle sie jetzt mal mit.)
--
*Ha! Erste Bestellung eingegangen: "Mondscheintarif" von Ildikó von Kürthy, Preis: 0,25 EUR, allerdings geht davon noch die Provision ab. Und fragen Sie nicht, wieso ich dieses Buch hatte.
Jedenfalls habe ich noch nicht viel abschmelzen können, zum anderen nämlich, weil ich auf die Idee kam: Guck doch mal die Bücher durch, wenigstens die aus dem einen Fach in deinem Zimmer, und es bildete sich ein Stapel von Lesestücken, die ich teilweise durchaus schätze, die ich aber trotzdem nicht mehr lebenslang besitzen möchte - sagen wir: Der gute Taschenbuchkrimi, die irgendwie ganz interessante Studie - und diese stellte ich nicht an die Straße, diese brachte ich nicht zum Altpapiercontainer, sondern ich stellte sie bei booklooker zum Verkauf, einer durchaus empfehlenswerten Handelsplattform für Bücher, die ich als Alternative zu den Platzhirschen ganz gerne nutze. Hinterher hatte ich 25 Bücher eingestellt, fast drei Stunden Zeit verbraucht - und die Stapel liegen hier immer noch.* Auf diese Art, fürchte ich, wird das nichts werden. Ich kann zwar nicht alles verschenken und wegwerfen, muss aber deutlich radikaler werden. Somit habe ich für diese Woche als echte Abgänge lediglich zu vermelden:
- 1 dreiteilige Klappmatratze
- 1 alten Schulranzen
(Und für diese Klappmatratze muss irgendwann Ersatz beschafft werden, leider, aber ich zähle sie jetzt mal mit.)
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*Ha! Erste Bestellung eingegangen: "Mondscheintarif" von Ildikó von Kürthy, Preis: 0,25 EUR, allerdings geht davon noch die Provision ab. Und fragen Sie nicht, wieso ich dieses Buch hatte.
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Man dankt! Es ging aber auch wie von selber an diesem ganz besonderen Tag. Als die Sonne am höchsten stand, sah das so aus:
Der Nebel schluckte nicht nur das Licht, sondern dämpfte auch alle Geräusche. Bis auf dieses stete Schlickern der Gummireifen.
Später dann musste ich an Rudolf Scharping denken.


Schlicker schlicker!

Der Nebel schluckte nicht nur das Licht, sondern dämpfte auch alle Geräusche. Bis auf dieses stete Schlickern der Gummireifen.


Später dann musste ich an Rudolf Scharping denken.


Schlicker schlicker!
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Schafe gibt's nicht. Aber Löwen.
(Peter Härtling, Das war der Hirbel)




Das war einer der schönsten Tage im letzten Jahr, als es schon richtig Herbst geworden war, als man losfuhr in diesen Nebel, der alles einhüllte, als nur das leise Schlickern der Gummireifen zu hören war, die Nebeltröpfchen sich überall niederschlugen, und plötzlich fuhr man mitten durch die Schafe, die einem genauso unwirklich vorkamen wie alles andere. Gedämpfte Stille, die Tiere standen überall, am Deich, auf dem Weg, sie sahen einen still und ruhig an, man fuhr langsam und leise zwischen ihnen hindurch und mochte kein Geräusch von sich geben. Wattelandschaft.
(Peter Härtling, Das war der Hirbel)






Das war einer der schönsten Tage im letzten Jahr, als es schon richtig Herbst geworden war, als man losfuhr in diesen Nebel, der alles einhüllte, als nur das leise Schlickern der Gummireifen zu hören war, die Nebeltröpfchen sich überall niederschlugen, und plötzlich fuhr man mitten durch die Schafe, die einem genauso unwirklich vorkamen wie alles andere. Gedämpfte Stille, die Tiere standen überall, am Deich, auf dem Weg, sie sahen einen still und ruhig an, man fuhr langsam und leise zwischen ihnen hindurch und mochte kein Geräusch von sich geben. Wattelandschaft.
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Wenn Sie mich hier liegen sähen, mit meinen wirren Haaren, dem um den Hals geknoteten lila Handtuch, dem glasigen Blick, würden Sie sich übrigens nicht weiter wundern. Aber so ...
Fangen wir mal mit dem Orientierungssinn an. Zu behaupten, ich hätte gar keinen, wäre, so meinte vorhin die Tischgenossin, dann doch übertrieben, aber die will mich bestimmt nur aufbauen. Ich hatte von meinem Traum erzählt, der ging so:
Sie so: Wir müssen los
Ich so: Ist doch noch Zeit
Sie so: Doch, wir müssen los
Ich so: Na meinetwegen
In fremder Umgebung Schuhe anziehen, umständlich minutenlang schnüren und zubinden - das müssen unverarbeitete Traumata aus dem Kindergarten sein -, während sie unten ungeduldig wartet, Treppe hinunterrennen.
Sie so: Wir müssen zum Bahnhof
Ich so: Ist doch noch Zeit
Sie so: Trotzdem
Ich so: Na gut.
Hinaus auf die Straße, sie zielstrebig vorneweg.
Ich so (zu mir selber): Du hast die Tüte mit den Brötchen vergessen! Geh schnell noch mal hoch und hol sie! Dann ist immer noch massig Zeit, um zum Bahnhof zu laufen.
Treppe hoch, Schuhe aus, Tüte mit acht Brötchen holen, Schuhe umständlich wieder an, zurück auf die Straße. Wo sich alles verändert hat. Den simplen Weg zum Bahnhof finde ich nicht mehr. Statt dessen irre ich durch die Geschäfte, wo man mir umständlich den Weg zu ganz anderen Zielen erläutert, während meine Zeit abläuft und sich draußen schon wieder alles verändert hat.
Gut, womöglich habe ich nicht keinen, aber doch einen unterentwickelten Orientierungssinn, sagte ich, gerade vor ein paar Tagen wieder, als ich nur nach V. fahren wollte und hatte erst noch nachgesehen, wie ich innerhalb von V. zum Bahnhof komme, und wie ich dann stundenlang über die Autobahn fahre und mich zu fragen beginne, ob die Abfahrt nach V. nicht schon längst hätte kommen müssen, dann erst noch weiter fahre, um schließlich doch umzukehren, dann eine ganz andere Abfahrt nehme, aus dem Gedächtnis nach irgendwelchen Orten suche, die ich in der Nähe von V. wähne, mich immer tiefer verfranse, schließlich nach absurd langer Sucherei den Ort V. erreiche, allerdings aus ganz anderer Richtung, so dass ich den Bahnhof dann auch nicht so schnell finde - und es sei mir übrigens auch nach weit über zehn Jahren in diesem Haus noch nicht klar, wo Norden sei und wo Osten, wo Westen -
na, sagt sie, da ist Osten, da geht doch die Sonne auf, dann wandert sie nach da und geht da drüben unter -
ja, klar, ich kann mir das auch stundenlang herleiten und im Geiste mit dem Stadtplan übereinbringen, bloß kann ich mir nicht merken, wo die Sonne aufgeht, und in welcher Ausrichtung unsere Straße verläuft, und wie ich mich relativ zu ihr gerade im Haus befinde, und bereits jetzt, da ich dieses schreibe, habe ich es schon wieder vergessen, es ist fast so schlimm wie mit den Musiknoten, da muss ich auch immer erst fragen: Welche ist noch mal das "C", dann hangle ich mich CDEFGAHC irgendwie hoch, aber runter wirds schon schwieriger, und das mir, wo ich sofort höre, wenn es um einen Halbton danebengeht, aber ich finde den Zugang zu den Noten einfach nicht und bin schon mal, da ich mich nicht zurechtgefunden habe, stundenlang in einem riesigen Bogen um Berlin herumgefahren und hatte es doch so eilig, da wegzukommen, aber ich fand mich nicht zurecht, und bei meiner alten Arbeit brauchte ich bloß mal in eine andere Etage zu gehen, schon wusste ich überhaupt nicht mehr, wie ich jetzt wieder zum Fahrstuhl komme.
Das mit dem lila Handtuch kommt übrigens so, dass ich meinen Schal, den man auch als Halstuch bezeichnen könnte, bloß bei Männern macht man sowas nicht, das ist wie mit dem Rasierwasser, man hätte Männern nicht mit Parfüm ankommen dürfen, gut, heute löst sich das langsam auf, aber man brauchte was Männlich-Funktionales, einen rational klingenden Grund, um ein Duftwasser aufzulegen, und so ein richtiges Halstuch ist es auch nicht, es sieht schon aus wie ein Schal, ist aber doch sehr angenehm zu tragen, bloß halt nicht so kratzig wie ein Stück Wolle und etwas breiter, so dass man es erst ein wenig zusammendreht, und diesen Schal, bleiben wir bei dem Ausdruck, Baumwolle ist es vermutlich, aber nicht wie so ein Palästinensertuch, den will ich nicht Tag und Nacht am Hals haben, so verschwitzt wie ich bin, sondern da kam mir neulich im Erkältungsbad, vielleicht weil die Handtuchstapel so in meinem Blickfeld waren, diese Idee mit dem Handtuch, und es ist mir egal, wenn ich "aussehe wie ein Kindergartenkind", und vielleicht hat das auch wieder mit dieser Traumstelle zu tun und mit diesen Schuhen, Sie erinnern sich.
Aber die Sache mit den Schuhen hängt auch mit einem anderen Thema zusammen. Ich will ja mein Leben ändern, und ich gelobe hier und heute, Fieberwahn hin oder her, dass ich an dieser Stelle ein Jahr lang regelmäßig Rechenschaft über meine Fortschritte ablegen werde, denn eigentlich hätten wir in diesem Haus genug Platz, bloß ist alles voller Sachen, teils geordnet, teils ungeordnet, und die nehmen mir die Luft zum Atmen, es ist ja kein Wunder, dass ich mich immer gleich viel wohler fühle, wenn ich im Urlaub mal ein karges und leeres Zimmer zur Verfügung habe und sonst gar nichts.
Jahrelang arbeite ich mich daran schon ab, ohne entscheidend voranzukommen, und ich will mich hier nicht als Messie hinstellen, muss aber bekennen, dass es Räume und Gegenden gibt, auf die ich alles andere als stolz bin. Und was man alles machen könnte: Eine Staffelei aufstellen, ein Trampolin, ein Schlagzeug!
Gut, gestern habe ich erst mal die ganzen Pfandflaschen zusammengesammelt und das Altpapier, aber das zählt nicht, denn es kommt immer neues nach. Bloß war das alles, was ich mit einem lila Handtuch um den Hals zwischendurch erledigen konnte. Künftig jedoch werde ich allwöchentlich berichten, was ich verschenkt, weggeworfen oder verkauft habe.
Das mit den Schuhen hängt damit folgendermaßen zusammen: Ich bin ganz sicher kein Schuhfetischist, schon gar nicht bei meinen eigenen, deshalb hält es sich noch in Grenzen, trotzdem habe ich zuletzt gestaunt, wie viele Paare von mir hier herumfliegen, die ich ganz sicher nicht mehr anziehen werde. Höchstens für die Gartenarbeit, aber da geht es schon wieder los, vielleicht kann man sie ja noch mal brauchen, denk nicht drüber nach, es geht um das große Ziel!, und die meisten dieser Paare hatten eines gemein: Sie waren nicht abgelaufen, sie waren nicht kaputt, sondern sie gefielen mir nicht mehr. Denn ich hatte sie nicht gekauft, weil sie mir so gut gefielen, sondern weil ich sie "erst mal" ganz in Ordnung fand und weil sie ja nicht so teuer waren. Ganz im Gegenteil dazu gibt es zwei Paar, eins davon sind meine Wanderschuhe, die vergleichsweise viel Geld gekostet haben, die jetzt schon viele Jahre alt sind und die ich immer noch gerne und regelmäßig trage. Nun stand ich neulich im Schuhgeschäft und sah diese beiden Treter, sie gefielen mir, waren aber für meine Begriffe sehr, sehr teuer. Und ich kaufte sie und freue mich regelmäßig beim Anziehen und weiß schon jetzt, dass ich das viele Jahre lang tun werde. Auch wenn es Schnürschuhe sind, in die man gar nicht so leicht hineinkommt.
Alptraumhaft ist übrigens auch dieser Film, den ich nur jedem ans Herz legen kann, der mal eine Dreiviertelstunde erübrigen kann, denn man weiß das ja eigentlich alles und mag sich doch nur gegen den Kopf schlagen und alles ganz anders machen, und ich gehe jetzt zum Arzt und hoffe, dass ich den Weg finde.
Fangen wir mal mit dem Orientierungssinn an. Zu behaupten, ich hätte gar keinen, wäre, so meinte vorhin die Tischgenossin, dann doch übertrieben, aber die will mich bestimmt nur aufbauen. Ich hatte von meinem Traum erzählt, der ging so:
Sie so: Wir müssen los
Ich so: Ist doch noch Zeit
Sie so: Doch, wir müssen los
Ich so: Na meinetwegen
In fremder Umgebung Schuhe anziehen, umständlich minutenlang schnüren und zubinden - das müssen unverarbeitete Traumata aus dem Kindergarten sein -, während sie unten ungeduldig wartet, Treppe hinunterrennen.
Sie so: Wir müssen zum Bahnhof
Ich so: Ist doch noch Zeit
Sie so: Trotzdem
Ich so: Na gut.
Hinaus auf die Straße, sie zielstrebig vorneweg.
Ich so (zu mir selber): Du hast die Tüte mit den Brötchen vergessen! Geh schnell noch mal hoch und hol sie! Dann ist immer noch massig Zeit, um zum Bahnhof zu laufen.
Treppe hoch, Schuhe aus, Tüte mit acht Brötchen holen, Schuhe umständlich wieder an, zurück auf die Straße. Wo sich alles verändert hat. Den simplen Weg zum Bahnhof finde ich nicht mehr. Statt dessen irre ich durch die Geschäfte, wo man mir umständlich den Weg zu ganz anderen Zielen erläutert, während meine Zeit abläuft und sich draußen schon wieder alles verändert hat.
Gut, womöglich habe ich nicht keinen, aber doch einen unterentwickelten Orientierungssinn, sagte ich, gerade vor ein paar Tagen wieder, als ich nur nach V. fahren wollte und hatte erst noch nachgesehen, wie ich innerhalb von V. zum Bahnhof komme, und wie ich dann stundenlang über die Autobahn fahre und mich zu fragen beginne, ob die Abfahrt nach V. nicht schon längst hätte kommen müssen, dann erst noch weiter fahre, um schließlich doch umzukehren, dann eine ganz andere Abfahrt nehme, aus dem Gedächtnis nach irgendwelchen Orten suche, die ich in der Nähe von V. wähne, mich immer tiefer verfranse, schließlich nach absurd langer Sucherei den Ort V. erreiche, allerdings aus ganz anderer Richtung, so dass ich den Bahnhof dann auch nicht so schnell finde - und es sei mir übrigens auch nach weit über zehn Jahren in diesem Haus noch nicht klar, wo Norden sei und wo Osten, wo Westen -
na, sagt sie, da ist Osten, da geht doch die Sonne auf, dann wandert sie nach da und geht da drüben unter -
ja, klar, ich kann mir das auch stundenlang herleiten und im Geiste mit dem Stadtplan übereinbringen, bloß kann ich mir nicht merken, wo die Sonne aufgeht, und in welcher Ausrichtung unsere Straße verläuft, und wie ich mich relativ zu ihr gerade im Haus befinde, und bereits jetzt, da ich dieses schreibe, habe ich es schon wieder vergessen, es ist fast so schlimm wie mit den Musiknoten, da muss ich auch immer erst fragen: Welche ist noch mal das "C", dann hangle ich mich CDEFGAHC irgendwie hoch, aber runter wirds schon schwieriger, und das mir, wo ich sofort höre, wenn es um einen Halbton danebengeht, aber ich finde den Zugang zu den Noten einfach nicht und bin schon mal, da ich mich nicht zurechtgefunden habe, stundenlang in einem riesigen Bogen um Berlin herumgefahren und hatte es doch so eilig, da wegzukommen, aber ich fand mich nicht zurecht, und bei meiner alten Arbeit brauchte ich bloß mal in eine andere Etage zu gehen, schon wusste ich überhaupt nicht mehr, wie ich jetzt wieder zum Fahrstuhl komme.
Das mit dem lila Handtuch kommt übrigens so, dass ich meinen Schal, den man auch als Halstuch bezeichnen könnte, bloß bei Männern macht man sowas nicht, das ist wie mit dem Rasierwasser, man hätte Männern nicht mit Parfüm ankommen dürfen, gut, heute löst sich das langsam auf, aber man brauchte was Männlich-Funktionales, einen rational klingenden Grund, um ein Duftwasser aufzulegen, und so ein richtiges Halstuch ist es auch nicht, es sieht schon aus wie ein Schal, ist aber doch sehr angenehm zu tragen, bloß halt nicht so kratzig wie ein Stück Wolle und etwas breiter, so dass man es erst ein wenig zusammendreht, und diesen Schal, bleiben wir bei dem Ausdruck, Baumwolle ist es vermutlich, aber nicht wie so ein Palästinensertuch, den will ich nicht Tag und Nacht am Hals haben, so verschwitzt wie ich bin, sondern da kam mir neulich im Erkältungsbad, vielleicht weil die Handtuchstapel so in meinem Blickfeld waren, diese Idee mit dem Handtuch, und es ist mir egal, wenn ich "aussehe wie ein Kindergartenkind", und vielleicht hat das auch wieder mit dieser Traumstelle zu tun und mit diesen Schuhen, Sie erinnern sich.
Aber die Sache mit den Schuhen hängt auch mit einem anderen Thema zusammen. Ich will ja mein Leben ändern, und ich gelobe hier und heute, Fieberwahn hin oder her, dass ich an dieser Stelle ein Jahr lang regelmäßig Rechenschaft über meine Fortschritte ablegen werde, denn eigentlich hätten wir in diesem Haus genug Platz, bloß ist alles voller Sachen, teils geordnet, teils ungeordnet, und die nehmen mir die Luft zum Atmen, es ist ja kein Wunder, dass ich mich immer gleich viel wohler fühle, wenn ich im Urlaub mal ein karges und leeres Zimmer zur Verfügung habe und sonst gar nichts.
Jahrelang arbeite ich mich daran schon ab, ohne entscheidend voranzukommen, und ich will mich hier nicht als Messie hinstellen, muss aber bekennen, dass es Räume und Gegenden gibt, auf die ich alles andere als stolz bin. Und was man alles machen könnte: Eine Staffelei aufstellen, ein Trampolin, ein Schlagzeug!
Gut, gestern habe ich erst mal die ganzen Pfandflaschen zusammengesammelt und das Altpapier, aber das zählt nicht, denn es kommt immer neues nach. Bloß war das alles, was ich mit einem lila Handtuch um den Hals zwischendurch erledigen konnte. Künftig jedoch werde ich allwöchentlich berichten, was ich verschenkt, weggeworfen oder verkauft habe.
Das mit den Schuhen hängt damit folgendermaßen zusammen: Ich bin ganz sicher kein Schuhfetischist, schon gar nicht bei meinen eigenen, deshalb hält es sich noch in Grenzen, trotzdem habe ich zuletzt gestaunt, wie viele Paare von mir hier herumfliegen, die ich ganz sicher nicht mehr anziehen werde. Höchstens für die Gartenarbeit, aber da geht es schon wieder los, vielleicht kann man sie ja noch mal brauchen, denk nicht drüber nach, es geht um das große Ziel!, und die meisten dieser Paare hatten eines gemein: Sie waren nicht abgelaufen, sie waren nicht kaputt, sondern sie gefielen mir nicht mehr. Denn ich hatte sie nicht gekauft, weil sie mir so gut gefielen, sondern weil ich sie "erst mal" ganz in Ordnung fand und weil sie ja nicht so teuer waren. Ganz im Gegenteil dazu gibt es zwei Paar, eins davon sind meine Wanderschuhe, die vergleichsweise viel Geld gekostet haben, die jetzt schon viele Jahre alt sind und die ich immer noch gerne und regelmäßig trage. Nun stand ich neulich im Schuhgeschäft und sah diese beiden Treter, sie gefielen mir, waren aber für meine Begriffe sehr, sehr teuer. Und ich kaufte sie und freue mich regelmäßig beim Anziehen und weiß schon jetzt, dass ich das viele Jahre lang tun werde. Auch wenn es Schnürschuhe sind, in die man gar nicht so leicht hineinkommt.
Alptraumhaft ist übrigens auch dieser Film, den ich nur jedem ans Herz legen kann, der mal eine Dreiviertelstunde erübrigen kann, denn man weiß das ja eigentlich alles und mag sich doch nur gegen den Kopf schlagen und alles ganz anders machen, und ich gehe jetzt zum Arzt und hoffe, dass ich den Weg finde.
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