Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 23. November 2010
Klaus Müller
nnier | 23. November 2010 | Topic In echt






















































Mein Vorname ist heute kein ungewöhnlicher mehr. Als Kind aber wurde ich häufig, nach meinem Geschmack: Viel zu oft, gefragt: Wie heißt du? Was ist das für ein Name? Und wie heißt du richtig?

Das brauchten gar nicht die schwerhörigen Cousinen meiner Uroma zu sein, von denen mich eine immer wieder fragte: Wie heißt du denn? Und ich gab Antwort. Ja, wie heißt du denn? Und ich gab laut Antwort. Wie heißt du? Und ich schrie Antwort. "Heißt du vielleicht Oliver?", fragte sie, und ich wandte mich verzweifelt ab, weil von allen Namen der Welt, wäre meiner der Nordpol, "Oliver" der Südpol wäre.

Ich heiße eigentlich so wie ich heiße, im Ausweis aber steht ein längerer Name, da meiner oft als Kurz- oder Spitzname verstanden wurde, auch wenn das heute keiner mehr so sieht. Folglich kam ich regelmäßig in die Situation, dass ich mit diesem langen Namen angesprochen wurde, auch von meinem Grundschullehrer, in dessen Liste ich natürlich so geführt wurde, und ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen, bis es eine Mitschülerin tat, die mich nach einigen Wochen zu Hause besucht und ganz erstaunt gefragt hatte: Wie nennen deine Eltern dich?

Es hat mich damals oft gestört, keinen "normalen" Namen zu haben, und oft wünschte ich mir, ich hieße Klaus Müller oder dergl., damit ich einfach einmal ohne Nachfrage meinen Namen nennen könnte.

Vor der Geburt meines Sohnes sprach ich mit der Oma, die ihre Meinung kundtat, wir sollten unserem Kind "nicht so einen komplizierten Namen geben, den keiner aussprechen kann", und während ich an indianisch-indisch-esoterische Kreationen wie Cosma Shiva, Vishnu oder Gopal Venu dachte, fuhr sie fort: "... so wie Sven."

"Hier oben heißen Sie alle Sven", entgegnete ich, aber mein sprachliches Einfühlungsvermögen ins Süddeutsche reicht weit genug, um zu erahnen, wie seltsam ein solcher Name für dortige Ohren klingt, wo man Hermann, Josef oder Eduard heißt.

Es ist kein "normaler" Name geworden, soviel sei verraten, es ist ein Name geworden, den ich schön finde und den man aussprechen kann, nach dessen Herkunft gelegentlich gefragt wird, über den er sich noch nicht beschwert hat, und überhaupt wünscht sich mancher Klaus Müller vielleicht, er hieße Gopal Venu.

Seit kurzem kenne ich übrigens einen Herrn, der ungefähr in meinem Alter ist und dessen Vorname dem Künstlernamen des Schlagzeugers einer bekannten Liverpooler Beat-Gruppe entspricht. Ohne nachzudenken fragte ich neulich seine Tochter: Heißt dein Vater eigentlich wirklich so - oder ist das sein Spitzname?

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Sonntag, 21. November 2010
Mein Wochenende in Essen
nnier | 21. November 2010 | Topic In echt
















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Montag, 15. November 2010
Mitziehen
nnier | 15. November 2010 | Topic In echt
"Sie haben doch gesagt, an dieser Schule ziehen die Starken die Schwachen mit."

Das sind so die Situationen auf Elternabenden, wo man weiß, man könnte jetzt anfangen zu diskutieren, was heißt das denn, wer zieht wen mit und um welchen Preis und mit wieviel Kraft, und was haben die Gezogenen vielleicht auch beizutragen. Das Thema war diesmal die zweite Fremdsprache, die man zur sechsten Klasse hinzuwählen konnte, aber nicht musste. Und die dann eben doch von fast allen Kindern bzw. deren Eltern hinzugewählt worden war, auch gegen die ausdrückliche Empfehlung der Lehrer, wenn das Kind schon mit der ersten Fremdsprache übermäßig zu kämpfen hat.

Ich verzichte in einer so großen Runde regelmäßig auf Wortmeldungen, zu schlecht sind meine Erfahrungen und zu groß meine Befürchtungen, in eine Ecke gedrängt zu werden, in der ich mich nicht sehe. Und wenn die Lehrerin sich dann geradezu überschlägt, um zu betonen, dass sie doch "auf der Seite der Schwachen" sei, denn die starken Schüler, die kämen ja schon zurecht, aber die schwachen, an denen hänge doch ihr Herz, wenn dann aufgebrachte Eltern auf ihr Recht pochen, ihre Kinder für die zweite Fremdsprache anzumelden, und es habe am Anfang doch geheißen, hier würden die schwächeren Schüler "mitgezogen", dann weiß ich, dass ich besser nicht anfange, in das Thema einzusteigen. Nicht in diesem Rahmen, nicht dort, wo es so schnell gegeneinander geht und wo ich erst wieder lang und breit ausholen muss, um bloß klarzustellen, dass ich sehr fürs gegenseitige Helfen bin und mir keine Einzelkämpferschule wünsche, in der die Ellbogen ausgefahren werden, um dann irgendwie zu formulieren, dass das mit dem "Mitziehen" nun auch nicht alles sein kann, und schon gar nicht aus einer Anspruchshaltung heraus.

"An der Oberschule* haben wir nun mal eine Leistungsspannbreite von ganz schwach bis ganz stark", wurde ich heute belehrt, "und da kann man nicht hier die guten und da die schwachen Schüler zusammensetzen. An dieser Schule profitieren die Starken von den Schwachen und die Schwachen von den Starken", und ein unglückliches kleines Mädchen saß neben mir und hatte sich gewünscht, nicht immer nur von anderen gefragt und um Hilfe gebeten zu werden, sondern auch mal jemanden in der Nähe sitzen zu haben, von dem es selbst Hilfe bekommen kann. "Wenn ich zur Lehrerin gehe, sagt sie immer: Hast du denn schon deine Nachbarn gefragt?", und, man mag es ja kaum aussprechen, wie sieht das denn dann aus, wenn die Starken von den Schwachen profitieren, so ganz konkret?

Man kann sich die Nöte und Sorgen der "schwachen" Schüler und von deren Eltern schon vorstellen, das sind ja dagegen alles Luxusproblemchen, die "starken" kommen schon irgendwie klar, und da sehe ich die schmalen Schultern von diesem Mädchen, das eine große Last aufgebürdet bekommt, das von seinem ganzen Wesen her so lieb und hilfsbereit und offen ist und dem man dann als einzigen Satz ins Zeugnis schreibt: "Du bist eine gute Schülerin, könntest deine Mitschülerinnen und Mitschüler aber noch mehr an deinen Fähigkeiten teilhaben lassen", das am Wochenende zu Hause für die Schule arbeitet, weil es in der Ganztagsschule trotz all der "Lernzeit"-Stunden nicht fertig wird, und man erzählt ihm in Politikerdeutsch was vom gegenseitigen Profitieren und Spannbreite.

--
*So nennt man gerade das, was nicht Gesamtschule heißen soll und auch keine ist, aber irgendwie doch.

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Freitag, 5. November 2010
Beengungen mit Penis-Orakel
nnier | 05. November 2010 | Topic In echt
Es ist schon ganz sinnvoll, genug Zeit einzuplanen, wenn man über Deutschlands gefährlichste Straße von der kleinen in die große Hansestadt fährt, um dem Penis-Orakel zu lauschen. Das beginnt schon damit, dass man sich als Kamel bei Nässe und einsetzender Dunkelheit erst mal durch das aufgehübschte Nadelöhr zwängen muss, um bei laufendem Motor eine halbe Stunde lang über den Sinn der Umweltzone nachzudenken, die einem jenen Umweg aufnötigt. Immerhin, ein sechsarmiger Kreisel, umringt von einer Radfahrerspur und durchquert von einer Straßenbahnlinie, man freute sich also auf den 400000-EUR-Umbau, und tatsächlich, der neue Asphalt sieht gar nicht mal übel aus, man ist fast versucht, eine Extrarunde zu drehen, wenn man dann endlich drin ist und, puh!, wieder keinen Radfahrer erwischt hat. Der Taxifahrer neulich hat ganz heiser gelacht, als ich meine Vermutung äußerte, mit dem Geld werde etwas an der Verkehrsführung geändert.

Mit immerhin 80 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit rauscht man dann zwischen den LKW auf beengter Spur in die große Hafenstadt, findet in Bahnhofsnähe ein sog. Parkhaus, das aber tatsächlich mal ein Wohnhaus gewesen ist, so eng geht es darin zu, so niedrig sind die Decken, so unfassbar knapp die Auffahrrampen, aber es ist aus Vermietersicht einfach lohnender, viel zu viele Stellplätze zu Stundenhotelpreisen an ortsfremde Autofahrer zu vermieten.

Inzwischen hat sich auch die Menschentraube vor dem Schauspielhaus verflüchtigt, so dass man ungehindert zu seinem Platz durchgehen kann, just in time um dem plötzlich direkt vor einem stehenden Strunker von unten in die Nasenlöcher schauen zu können, der das nun folgende Theaterstück ankündigt.

Welches ein wirklich empfehlenswertes ist, das sage ich nicht nur durch die braune Fanbrille. Die drei Herren machen Quatsch, das ist auch gut und schön so, doch drängen sie sich nicht übermäßig in den Vordergrund, sondern lassen dem wirklich großartigen (und tapfer seine Beinverletzung ertragenden) Fabian Hinrichs genügend Raum, um auf wirklich beeindruckende Weise den durchgeknallten Herrn mit der Tropfenbrille zu geben. Den unsereins ohnehin nie vergessen hatte.

In so einer großen Stadt sollte es doch möglich sein, nach einem Theaterbesuch noch ein Kaltgetränk einzunehmen, denkt der naive Provinzler, das Thema des Tages allerdings heißt: Beengungen, und so sind die zwei einzigen Lokalitäten auch hoffnungslos überfüllt, während überall anders, bedaure, gerade geschlossen wird. Man landet dann gezwungenermaßen in einer Art Opiumhöhle, in der man schon aufgrund von Äußerlichkeiten skeptische Seitenblicke erntet - ordert man statt der obligatorischen Wasserpfeife jedoch eine Kola, outet man sich natürlich endgültig als Tourist.

Es ist allerdings auch schon spät, der Heimweg wird nicht kürzer werden, so dass man im vorgeblichen Parkhaus schwindelerregende Summen in den Automaten schiebt, den Weg nach oben nimmt, dann lässig um die inzwischen bekannten engen Kurven braust und kaum zwei Stunden später die Heimat erreicht, wo man auch irgendwann eine - enge - Parklücke entdeckt und beim Aussteigen etwas bemerkt, das einen zum Schmunzeln bringt.

Das Theaterstück kann ich wie gesagt empfehlen, Frau Lorilo, und wenn Sie schon mal da sind: Bleiben Sie doch einfach! Sie könnten mir dann bei Gelegenheit übrigens einen Gefallen tun, es geht um dieses Parkhaus. Da müsste so ein Stück hintere Stoßstange liegen.

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Sonntag, 17. Oktober 2010
Etz wead da Wadschnbaam glei umfoin!
nnier | 17. Oktober 2010 | Topic In echt
Merke: Wenn man das Piepen der Backofenuhr ausschaltet, ist damit noch lange nicht die Hitzezufuhr beendet.



Aber fangen wir vorne an, beim letztmaligen Besteigen der Leiter für dieses Jahr, beim Herumkraxeln auf dem Flachdach, beim Pflücken der verbliebenen Zwetschgen, nach denen man sich erstens ganz schön strecken muss und die zweitens zum größten Teil schon runzlig sind. Für ein Blech Kuchen soll's noch reichen, bitteschön, dafür gehen wir auch ganz nah an den Rand und ziehen die Zweige vom Nachbargrundstück herüber, hoppla, festhalten.

Schmuckstücke sind es nur noch wenige, ein paar suchen wir heraus und legen sie in eine Schale, wir nehmen dafür natürlich nur die Früchte mit Stiel, um Drosophila gegenüber gleich Flagge zu zeigen - bisher haben wir ja sorgfältig jede Zwetschge samt Stiel vom Baum gezupft, es mag ein Aberglaube sein, aber bei den Johannisbeeren soll man ja auch die gesamte Rispe abzwicken und nicht bloß die Beeren herunterstreifen, auf dass es auch im kommenden Jahr eine reiche Beerenernte gebe. Und schließlich ist so eine Zwetschge durch den Stiel gleichsam fest verschlossen, man zupft ihn erst direkt vor dem Verzehr heraus und hat keine unappetitlich matschige oder eben drosophilabevölkerte Stelle an der Frucht, die man, solchermaßen entkorkt, mit geübtem Fingerdruck aufplatzen lässt und entkernt.

Bei den heutigen Streckübungen auf dem Dach allerdings, es herrschte ja Endzeitstimmung, ging es nur noch um Masse, wenigstens ein Dreivierteleimer sollte doch noch zusammenkommen und auch direkt zu Kuchenbelag verarbeitet werden, und so griff ich mühsam nach den weit entfernten Früchten und riss sie irgendwie herunter, Stiel hin, Stiel her.

Den Eimer nicht ganz gefüllt hieß es also die Leiter hinabsteigen, routiniert die Früchte waschen, eine Zeitung ausbreiten und mit einem scharfen Messer das Steinobst öffnen, entkernen und je Hälfte mit dem zusätzlichen kleinen Längsschnitt versehen, der den ambitionierten Zwetschgenkuchenbäcker vom Husch-Husch-halbe-gehen-doch-auch-Halodri trennt.

Auch in der letzten Ladung dieses Jahres, und bitte glauben Sie mir: Auch im neuen Zeit-Magazin, diesem dicken Jubiläumsheft, das mit 40 verschiedenen Claudia-Schiffer-Titelbildern ankommen zu müssen glaubt, die langweiliger und überflüssiger nicht sein könnten, in dem aber die kleine Abbildung eines ganz großartigen frühen Titelbildes zu sehen ist, das von Tomi Ungerer gezeichnet wurde und das ich verrückterweise im Internet nicht finde, auch in diesem Heft steht irgendwo wieder "seit Beginn diesen Jahres", was für ein Unsinn, auch in der letzten Ladung Zwetschgen dieses Jahres jedenfalls fand sich buchstäblich und wortwörtlich kein einziger Wurm. Es irritert mich vor allem, weil ich in anderen Jahren schon ganze Eimer wegwerfen musste, eine Zwetschge nach der anderen war erst gepflückt und später dann hoffnungsfroh aufgeschnitten und auseinandergezogen worden, einmal war dann wirklich jede einzelne Frucht vom störenden Parasiten befallen, dieses Jahr hingegen nicht eine.

Das mit dem Mürbeteig muss ich nächstes Jahr noch weiter üben, ich mag ja das Rezept und das Ergebnis, man mischt das Mehl schon mit dem Zucker und dem Backpulver, dann schneidet man Butter in kleine Stückchen und bröselt diese hinein, gibt ein paar Eier und etwas Milch hinzu und soll alles zusammen kurz mit den Händen zu einem Teig verkneten. An dieser Stelle bin ich schon regelmäßig gescheitert, heute allerdings war es bisher am ärgsten: Ich stand ziemlich genau so da und bekam die Masse dann auf eher archaische Weise aufs Blech, wo ich sie auf ebenso archaische Weise auch nur leidlich in Form brachte.

Kaum zwei Stunden waren also vergangen, da war das belegte Blech in den Ofen geschoben und ich konnte mich mit diesem wirklich wunderschönen Quiz vergnügen, und auch Sie sollten meiner Meinung nach nicht darauf verzichten, diese vom Leitmayr Franz gelesenen akustischen Zuckerstücke gelegentlich in Ihren Sonntagskaffee plumpsen zu lassen. (Disclosure: Einer meiner ersten Kinofilme war dieser). Zwischendurch piepte die Uhr vom Ofen, der Kuchen war fertig, ich stellte das Piepen ab und ging meiner Wege. Die mich zum Glück eine Viertelstunde später noch einmal in die Küche führten.



Es war sehr, sehr knapp. Ich habe gerade probiert.

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Donnerstag, 14. Oktober 2010
It's life, Jim, but not as we know it
nnier | 14. Oktober 2010 | Topic In echt


Doch, gut, wirklich! Prima! Und auch mal erholsam, für beide. Man kann dann auch einfach mal abschalten, ganz für sich sein, oder wie früher die Puppen tanzen lassen. Was kost' die Welt, eh! Gestern z.B. war's nach 23h - gut, das geht dann auch nicht jeden Tag, aber war mal eine Abwechslung. Wer weiß, vielleicht gehe ich sogar mal ins Kino!

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Dienstag, 12. Oktober 2010
Hektik
nnier | 12. Oktober 2010 | Topic In echt








(Ich arbeite daran, Herr Stubenzweig.)

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Montagmorgen, da fällt mir ein
nnier | 11. Oktober 2010 | Topic In echt
Ich war noch nicht oft an der Hochschule gewesen, es wird eines meiner ersten Seminare gewesen sein, und mir war schon entsetzlich langweilig. Nachdem ich eine Weile vor mich hingestarrt hatte, wurde es mir zu bunt. "Scheiße!", rief ich in den Seminarraum, der Dozent sah mich überrascht an und ging wortlos zur Tür hinaus. Nach einer Weile kam er mit einer Handvoll Buntstifte und einem Stapel Papier zurück.

~

Kurz darauf saß ich mit meiner Oma am Tisch, sie hatte eine Zeitschrift aufgeschlagen. "Was sieht man da", "Was macht der Mann", so wurde ich befragt, "Ein großes Haus", "Der gräbt ein Loch", antwortete ich, und es wurde weitergeblättert zu einer ganzseitigen Vierfarbanzeige, in der man, vielleicht hatte Frau Sommer persönlich eingedeckt, Menschen an einer festlichen Kaffeetafel sitzen sah. "Was machen die da", lautete die Frage, und das wusste ich nun ganz genau: "Die arbeiten!"

~

Zwar ging ich, besonders am Anfang, gerne zur Schule, dennoch hielt ich die Zeit der Schulpflicht lediglich für eine wenn auch lang dauernde, irgendwann aber definitiv endende Unterbrechung des paradiesischen Urzustands. Mit zunehmender Irritation lauschte ich deshalb in der achten oder neunten Klasse den Antworten meiner Mitschüler auf die Frage, was sie denn "nach der Schule" zu tun gedächten. Diese Ausbildung, jenes Studium, gab es da zu hören, und als die Reihe an mir war, sprach ich: "Na, erst mal gar nichts, erst mal in Ruhe gar nichts!"

~

Zum Glück kam dann erst mal der Zivildienst.

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Donnerstag, 7. Oktober 2010
Spaß mit Outbound
nnier | 07. Oktober 2010 | Topic In echt
Etwas muss passiert sein, vielleicht hat jemand in einer Datenbank herumgespielt oder sich einfach durch ein paar Telefonbücher gefräst - zumindest werde ich seit zwei Wochen verstärkt von Telefon­schweine­firmen belästigt.

Die Gesprächseröffnung lautet standardmäßig: "Spreche ich mit Herrn nnier?", und zu Beginn entwickelten sich Dialoge der folgenden Art:

- Spreche ich mit Herrn nnier?
- Jou.
- Sie haben im Internet dies und das ausgefüllt
- Da irren Sie sich
- Steht hier aber
- Mir doch egal
- Ich habe aber die genaue Uhrzeit
- Machen Sie sich doch nicht lächerlich
- Ich habe aber Ihre IP-Adresse
- (Klick)

Oder, nachdem ich schon dazugelernt hatte:

- Spreche ich mit Herrn nnier?
- Worum geht's?
- Spreche ich mit Herrn nnier?
- Ich möchte wissen, worum es geht
- Und ich möchte wissen, ob ich mit Herrn nnier spreche!
- Dann tschüs! (Klick)

Oft genug habe ich mich über derartige Zudringlichkeiten geärgert, inzwischen bin ich allerdings routiniert genug, um mir einen Spaß daraus zu machen. So z.B. gestern:

- Spreche ich mit Herrn nnier?
- Ja-ha! Was gibt's denn?
- Schönen guten Tag, Herr nnier, hier Unverständlich von Firma Unverständlich. Sie haben ja vor ein paar Tagen im Internet eine Umfrage ausgefüllt zum Thema Sicherheit. Sie haben deshalb ... bla ... bla ... [2-3 min Gerede ohne Pause] und zu einem Preis von nur ... , das klingt doch erst mal interessant, oder?
- ...
- Hallo? Herr nnier? Hallo?
- Oh, äh, was, was haben Sie da gerade gesagt? Ich habe gar nicht richtig zugehört.
- Dann will ich Ihnen gerne noch mal sagen, worum es geht. [Wortgleiche Wiederaufzählung der grandiosen Vorteile einer Krankenhaustagegeld­zusatz­versicherung]. Das klingt doch erst mal interessant, oder?
- ...
- Hallo? Hallo? Herr nnier?
- Hm? Was? Ich will gar nicht ins Krankenhaus!
- Ja, das ist schnell passiert, gerade fährt man noch mit dem Fahrrad und [wortreiche Wiederholung], das ist doch sicher von Interesse für Sie?
- [Geräusch von Dunstabzugshaube]
- Herr nnier?
- Hm? Was?
- Ist das von Interesse für Sie?
- [Geräusch von Bratwurstgebrutzel]
- Herr nnier, anscheinend können Sie mich gerade nicht hören, ich melde mich dann später noch einmal. (Klick)

Au ja! (Und ich muss unbedingt herausfinden, ob mein Anrufbeantworter eine Aufnahmefunktion besitzt).

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Montag, 4. Oktober 2010
Nerven, Nena und Bundespräsident Karges
nnier | 04. Oktober 2010 | Topic In echt
Mein Nachbar hatte sich mit Thilo Sarrazin verabredet, auf ein "vierer" Bier, wie er mehrfach betonte, und auch wenn ich nicht genau wusste, wie ich zu meiner Vermittlerrolle gekommen war, akzeptierte ich sie ohne weiteres, so dass ich den Herrn, es war der echte mit dem original zusammengekniffenen Auge, konspirativ durch unsere Kopftuchnachbarschaft und hin zu einer Eckkneipe führte. Mich interessierte der Anlass dieses Zusammentreffens, doch war ich zu höflich, nach demselben zu fragen und hoffte stattdessen, immerhin betätigte ich mich hier unentgeltlich als Scout, auf eine freiwillige Auskunft, bekam aber nur noch zweimal mitgeteilt, dass man sich "auf ein vierer Bier" treffe, das werde es in dieser Kneipe doch wohl geben, und obgleich ich die Kneipe nur von außen kannte, versicherte ich, dass es solches dort auf jeden Fall gebe - hundert Pro!



So begann mein Wochenende. Beim Aufwachen brauchte ich einige Minuten, bis ich mit einer gewissen Erleichterung begriff, dass ich nur geträumt hatte - womit der Ohrwurm des Tages definiert war. Überhaupt, wie alles mit allem zusammenhängt - ein Wahnsinn!

So hatte auch ich mein altersentsprechendes Schlüsselreizerlebnis, wer dabei war, weiß bescheid, Musikladen 1982, eh, roter Minirock, und auch wenn mir der vom Ehrgeiz zerfressene Uwe Fahrenkrog-Petersen schon an jenem ersten Abend unangenehm auffiel und die Sängerin sich über die Jahre zu einer, na ja, unsäglich dumm daherplappernden und dabei reichlich eingebildeten Bratze entwickelt hat, falls sie das nicht damals schon war - aber da wäre trotzdem der Minirock vor gewesen - also vor der entsprechenden Erkenntnis - doch!, so sagt man hier in Bremen: Da wäre der Minirock vor gewesen, man sagt auch: Da kann ich nichts für, es wird da vermutlich einen linguistischen Fachausdruck für geben, dass man solcherlei Konjunktionen auseinanderreißt, ohne da was bei zu finden - auch wenn es also gute Gründe gibt, die Dame peinlich zu finden, hat sich unter allen negativen Überformungen eine nicht gänzlich negativ getönte emotionale Grundierung gehalten.



Während die Stadt in freudiger Erwartung vibrierte, der Hubschrauber kreiste, Straßenbahnen sich zurückstauten und allüberall Martinshörner erschallten, riffte das simple Synthesizer-Opening dieses Liedes schon wieder durch mein inneres Gehör, da ich an der Stadthalle entlangradelte und darüber nachsann, ob jener Musikladen-Auftritt wohl in dieser stattgefunden habe.



Aus heiterem Himmel fiel mir dann ein, wie ich einmal gelesen hatte, dass ausgerechnet die hier diskutierte Chanteuse einen Höhepunkt-Auftritt bei den hiesigen Einheitsfeiern geben sollte, die Bremer haben ja vor 20 Jahren die Mauer eingerissen, es war eine friedliche Revolution, und wer hätte noch ein paar Monate vorher geglaubt, dass so etwas möglich wäre - Wahnsinn, oder!



Trotz intensiver Nachforschungen in Print- und elektronischen Medien war allerdings lediglich herauszufinden, dass die Sängerin irgendwie, irgendwo, irgendwann auftreten solle, so dass ich mir den weiten Weg (immerhin gut und gerne fünf Minuten mit dem Fahrrad) zur Feiermeile nach reiflicher Überlegung doch lieber sparte, womit eigentlich alles gesagt wäre. Jedoch und allerdings: Jede Kritik am Web ist nichts weiter als pure Selbstkritik. Jede Verbesserung des Web dadurch aber auch ein Stück gelungene Arbeit am Ich und Wir (01. Oktober 09:30 - um diese Tageseit führe ich ja Bundesbankvorstände zur Kneipe, statt esoterische Kalendersprüche von Nena in fremde Weblogs einzutragen).



Wie sich manchmal alles fügt! Kaum ist es Nacht, kaum sind die Martinshörner verklungen, kaum hat Herr Sandmann (das mit der Einheit hat auch Grenzen) reichlich verspätet seinen Job getan, da krakeelt und keift und kreischt es durch massives Mauerwerk und geschlossene Fenster hindurch mehrstimmig sowie dermaßen laut und dabei vollkommen unartikuliert, dass man schmunzelnd die Augen wieder öffnet und auf die andere Seite des Hauses schlendert, wo man, und jetzt halten Sie sich fest: vor der Eckkneipe, betrunkene Menschen schreien, weinen, weglaufen und wiederkommen, sich hin- und herstoßen, dann wieder umarmen und überhaupt so vollumfänglich und in allen Facetten Mensch sein sieht, dass man beim Anblick der aus drei Richtungen heransausenden Streifenwagen fast so etwas wie Enttäuschung empfindet.



Lucid in the Sky With Diamonds dann der Rest jener Nacht, eine tiefempfundene Reue ob der verpassten Nena, deren Schwester lt. Bravo sich damals tatsächlich Nane nannte, so dass sich zur Prävention weiterer Versäumnisse ein Entschluss formt: Am nächsten Tag wenigstens einmal durchs Brandenburger Tor, komme was da wolle, evtl. auch Bundespräsident Koch, sowie Bratwurst oder Flammkuchen.



Sonntag dann tatsächlich Wetter, so dass die Fahrradtour nachgeholt werden kann, und wie sich manchmal alles einschwingt und miteinander in Resonanz kommt! Kaum denkt man z.B. darüber nach, dass Nena ja vor einigen Jahren dieses eine Lied mit der übrigens immer noch entzückenden Kim Wilde neu aufgenommen hat, Fahrenkrog-Carstensen hin oder her, da schallt einem, druckvoll gegeben von einer dieser Coverbands, das Lied Kids in America entgegen. Wahnsinn! Hätten Sie noch vor ein paar Monaten gedacht, dass so etwas möglich wäre?



Kaum versucht man im Saarland mit einem Flammkuchen die vibrierenden Nerven zu beruhigen (Zeichen! Überall Zeichen!) und geht durchs Brandenburger Tor - einfach so, hätten Sie das noch vor ein paar Monaten für möglich gehalten? - weiter nach Rheinland-Pfalz, schon tritt Bundespräsident Mappus einem erst auf die Füße und dann auf die Bühne, wo er folgende Frage an sein Publikum richtet:



"Moin! Wissen Sie, was der Unterschied zwischen England und Rheinland-Pfalz ist?" - man denkt gerade angestrengt nach, es will einem aber partout nichts einfallen -



"Die Engländer haben bloß eine Königin, aber wir in Rheinland-Pfalz haben vier, und hübscher sind unsere auch noch, und sie wollen Königinnen auch der Muslime sein!"



Man stößt mit Moselwein an, zufällig sind auch ein paar Fotografen da, gerne hätte man sich zwanglos dazugestellt und mit den Monarchinnen sowie Herrn Köhler über die Zerlegbarkeit von Konjunktionen u. dergl. diskutiert, da hätte man einiges zu sagen können, doch ein Reiter aus einem benachbarten Königreich hat sich an der Stirn verletzt und offenbar ein sehr dringendes Anliegen. "Mesdames", hebt man bedauernd an, "bedaure, aber dies sieht entschieden nach einen Henrico-Frank-Moment aus, nicht mein Fall - schauen'S, wenn selbst die Loreley ihren Kamm sinken lässt und sich abwendet, ist's auch für mich an der Zeit zu gehen."



Henrico Frank, das klingt beinahe so wie Carlo Karges, wurde mir dann noch bewusst, und ein Schauer lief über meinen Rücken, so dass ich schnellstens zurück zu meinem Kokon radelte, wo ich mich einem liebgewonnenen Ritual widmen konnte. Noch steht alles prächtig im Saft, wer weiß, wie lange noch.





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