Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Love and Marriage
nnier | 21. Juni 2009 | Topic In echt
Mir fällt gerade auf, dass ich das Thema schon mal hatte, aber für eine entspannte Wochenendplauderei eignet es sich allemal, so facettenreich, oh, oder ich hatte es schon zweimal, bzw. noch öfter, fangen wir einfach an, da hat ja anscheinend jeder seinen Kaiserschmarren, seinen Eierlikör, seinen kaiserlichen Salat in angenehmer Erinnerung, ein Thema also, das Begeisterung und Identifikation, äh, z.B. war ich mal alleine zu Hause, so dreizehn, vierzehn zarte Jahre alt, und in dem dunklen Schrank, der die Brett- und sonstigen (Malefiz, Scrabble, Scotland Yard, Hase und Igel, Superhirn, Poch, Kniffel, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, Schach, Avalanche) beherbergte, befand sich ganz hinten auch ein großes Glas Rum- oder Weinbrandkirschen. Ich genoss dieses freie Wochenende in vollen Zügen, las, sah fern, schlief, las weiter, und eines abends beim Fernsehen erinnerte ich mich an das Glas, das da schon seit Jahren gestanden hatte, holte mir ein Schälchen mit Vanilleeis und übergoss dieses, wie ich es bei den Erwachsenen gesehen hatte, mit den Kirschen, die zwar etwas bitter, aber doch insgesamt süß genug schmeckten, so dass ich noch ordentlich nachnahm und mehrere Portionen Eis mit Kirschen verdrückte.

Die Strafe war fürchterlich. Ich übergab mich die halbe Nacht und schlief irgendwann im Flur ein. Später erfuhr ich von meinen Eltern, dass die Kirschen viel zu alt und längst verdorben gewesen waren, aufgrund mangelnder Alkoholerfahrung hatte ich den schlechten Geschmack aber nicht bemerkt, sondern geglaubt, das sei bei Alkohol nun mal so, Bier schmeckte schließlich auch bitter.

In irgendeiner winterlichen Oberstufenfreistunde kam ich mit zwei Gesellen auf die merkwürdige Idee, Wodka und andere fragwürdige Dinge zu kaufen und an Ort und Stelle zu verzehren. Die Teilnahme an der Geschichtsstunde sparten wir uns dann, holten lediglich unter entschuldigendem Gemurmel unser Gepäck aus dem Unterrichtsraum und wurden dabei von den Mitschülern belustigt angesehen (später erzählten sie uns, dass mit den ersten durch uns getätigten Atemzügen der ganze Raum penetrant nach Sprit gerochen habe). Wir waren ernsthaft angeschlagen und versuchten, den leicht ansteigenden und auch noch vereisten Weg Richtung Bushaltestelle zu nehmen, stürzten jedoch immer wieder und rutschten hilflos hinunter. Beim dritten Versuch sah ich zufällig zum Schulgebäude zurück. Die Besucher des Geschichtskurses standen ans Fenster gedrängt und bogen sich vor Lachen.

Wir erreichten irgendwann in den Bus, es ging mir inzwischen besser (ich muss ja jetzt nicht alle Einzelheiten, nicht wahr, und es ist ja auch immer dasselbe), der Bus fuhr bergauf, und irgendwann bekam ich einen Ellenbogen in die Rippen. Einer meiner Begleiter, dem es noch nicht wieder ganz so gut ging, saß auf der anderen Seite des Gangs, den Kopf auf die vordere Lehne aufgestützt, und völlig geräuschlos hatte er das im Bus erledigt, was andere, nicht wahr, schon hinter sich hatten, was ich hier jetzt auch gar nicht groß thematisieren würde, wäre der Anblick nicht so ein schöner gewesen. Denn der Bus fuhr ja bergauf, und aufgrund der Steigung, sie können sich das sicher bildlich vorstellen, umfloss die Bescherung nicht nur seine, sondern vor allem die Schuhe der hinter ihm sitzenden und in diesem Moment noch völlig ahnungslosen Dame, ein Paar wirklich bildhübscher Wildlederstiefel.

Ekelhaft, höre ich sie sagen, nun langt's aber, und nichts liegt mir ferner, als hier nun mit weiteren Kotzgeschichten aus meiner Jugend anzukommen. Kotzgeschichten aus der frühen Adoleszenz hingegen, die muss ich noch loswerden. Nehmen wir das Studentenwohnheim. Dort lebte ich in einer Achter-WG, hatte also sieben Mitbewohner und auch -innen, und reihum wurde für alle gekocht, so war jedenfalls die Absprache, die manchmal auch eingehalten wurde. Ich kochte oft Suppen, die auch recht gut angenommen wurden. Einmal probierte ich aus dem Studentenkochbuch ("Billig satt werden", hätte der Untertitel lauten können) ein neues Rezept: Käsesuppe. Im wesentlichen bestand diese aus Unmengen Schmelzkäse, etwas Milch, ein paar Gewürzen und einem Kilo Suppennudeln. "Hmm, die schmeckt!", sprach die blasse, seit Tagen für ihre Prüfung lernende Mitbewohnerin und nahm noch eine Portion. Die mir dann am nächsten Tag erzählte, sie habe die ganze Nacht, na ja, Sie wissen schon, und es sei ihr noch nie so elend gewesen, bestimmt sei das die Prüfungsangst gewesen, und doch wisse sie eines genau: Sie werde im Leben nie wieder Käsesuppe essen, schon das Aussprechen des Wortes rufe einen kaum beherrschbaren Würgereflex hervor.

Zu jener Zeit tönte aus meinem Zimmer regelmäßig zu bester nachmittäglicher Stunde die Titelmelodie einer TV-Serie. Ich erntete damit völlig entgeisterte Blicke, hatte mir jedoch angewöhnt, die vielen schlechten Folgen zu erdulden, um die guten nicht zu versäumen. Und zu denen gehört jene, in der die stets bereite Ehefrau des armen Schuhverkäufers eine komplizierte Erbschaftsgeschichte zu ihrem Gunsten ausnutzt. Kurz gesagt sieht sich Al Bundy genötigt, schnellstmöglich Nachwuchs zu zeugen, die Gattin hingegen ist lediglich auf die mit dem Zeugungsversuch verbundenen Vorgänge aus, will jedoch auf keinen Fall noch einmal schwanger werden (sie schildert einer Freundin sehr drastisch die schlimme Übelkeit bei ihren früheren Schwangerschaften) und nimmt deshalb heimlich die "Pille". Man sieht nun, wie Al sich in den kommenden Wochen abmüht und dabei immer schwächer und grauer wird, während seine Frau (natürlich) nicht schwanger wird, dafür aber immer mehr aufblüht - bis Al eines Tages hinter ihr Geheimnis kommt und Rache schwört. Er fälscht deshalb den Schwangerschaftstest, tropft etwas Tinte hinein und ruft: "Oh Freude, wir sind gesegnet!", was seine Frau entsetzt zur Kenntnis nimmt. Natürlich wird ihr sofort furchtbar übel - und nun kommt der Satz, für den ich das hier alles so umständlich erzähle, der Satz, den Al Bundy seiner Frau hinterherruft:

"Möchtest du einen Teller Muscheln mit Erbsen?"

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jean stubenzweig, Sonntag, 21. Juni 2009, 02:49
Meine Güte! Wie wird das, wenn Sie beginnen, aus Ihrer Zeit der späteren Postadoleszenz zu erzählen?

Übrigens: am Ende dieses – ob das jetzt paßt? – köstlichen Beitrages mußte ich ein wenig an Frau Herzbruch denken, als deren Beebie noch Erbse hieß – auch eine wunderschöne Serie.

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mark793, Montag, 22. Juni 2009, 16:17
Ich habe diese bewusste Serie nur sporadisch gesehen. Entweder schwankte meine Tagesform bei der Rezeption zu sehr oder das Niveau kratzte nach gelegentlichen Sternstunden plötzlich wieder von unten an der Kellertreppe.

Es gab da aber eine Episode, die mich wirklich königlich amüsiert hat, das war die Folge, in der Al alle verrückt machte, weil _sein_ Lied im Radio gelaufen war und er ums Verrecken nicht rauskriegen konnte, wie der Titel hieß (wer hat das noch nicht selber erlebt?). Aufgefordert, doch mal eine Zeile aus diesem ominösem Lied zum besten zu geben, fiel dem Schuhverkäufer dann immer nur ein: "La, la - him..."

Kann nicht mal genau sagen, was ich daran so lustig fand, aber zumindest ist dieses "La. la - him" in meinen aktiven Sprachschatz übergegangen als Synonym für Lied aus dem Radio oder sonstwoher, dessen Titel man gerne wüßte.

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nnier, Montag, 22. Juni 2009, 18:19
Wenn man das jemandem erzählt, eine Sitcom, Suburbia, der Mann sitzt auf dem Sofa mit der Hand im Schritt, die Frau kann nicht kochen, die Tochter Sexbombe, der Sohn Niete, einen Hund gibt's und eine Nachbarin namens Marcy D'Arcy, dann hört sich das exakt so schlimm an, wie viele Folgen sind. Und doch, Sie sagen es, ...

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monnemer, Sonntag, 21. Juni 2009, 14:42
"Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend". Der Romantitel von Charles Bukowski kommt mir bei der Lektüre in den Sinn. Ich bin gespannt.

Die Überschrift ließ mich sofort an Al Bundy denken.
"This, I tell you brother...."*träller*
Von Fernsehserien konditioniert, mannmannmann.

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nnier, Sonntag, 21. Juni 2009, 14:54
Ich habe da ein paar von Robert Crumb illustrierte Bukowski-Bände herumliegen, die sollte ich tatsächlich mal wieder aufschlagen. Wäre das nur nicht alles in diesen Kisten auf dem Dachboden ..!

(Bei dieser Titelsequenz, sowohl bei den Bildern als auch bei der musikalischen Untermalung, kann einem ja schon das Grausen kommen. Sitcom, eingespieltes Zuschauerlachen, teilweise strunzdumme Witze - und doch gab es da auch echte Sternstunden. Ich war mir übrigens nie sicher, ob da Sinatra singt oder nur ein Epigone - wissen Sie's zufällig?)

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monnemer, Sonntag, 21. Juni 2009, 15:11
Uiiii, von Crumb illustriert? Auf dem DACHBODEN?

(Nein, ich weiß nur, dass die Melodie mich heute durch den Tag begleiten wird.)

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nnier, Sonntag, 21. Juni 2009, 16:17
Die sind hauptsächlich aus dem Zweitausendeins-Verlag, wo man zeitweilig wirklich die international schönsten Crumb-Bände publizierte. So z.B. auch die wirklich großartigen Skizzenbücher. Auf dem Dachboden befinden sich Schätze und Schund einträchtig beieinander. Ich habe die blöden Glasvitrinen irgendwann auf den Müll gehauen und weiß noch nicht, wohin die Sachen statt dessen sollen. Irgendwann, ich sag' es Ihnen, irgendwann nehme ich mir mal die Zeit und bin dann bestimmt vollkommen überrascht, was ich alles besitze - und hoffentlich nicht überrascht, was alles fehlt: Ich hatte doch diese signierte Erstausgabe, verdammt!

(Mich auch)

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monnemer, Sonntag, 21. Juni 2009, 21:58
"...try, try, try and you will only come to this conclusion:..."

Nehmen Sie doch Ihren Fotoapparat mit auf den Dachboden, das wäre doch mal was. Keller war gestern!

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nnier, Montag, 22. Juni 2009, 10:35
Kommt alles. Ich muss dann nur aufpassen, dass das Evangeliar Heinrichs des Löwen in dieser einen Bananenkiste nicht zu deutlich ins Bild rutscht, sonst klettern plötzlich wieder diese Russen auf unserem Dach rum.

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jean stubenzweig, Montag, 22. Juni 2009, 15:47
Als das Gespräch auf Bücher kommt, erwähnt der eingeladene Gast aus den USA, er habe viele Jahre lang eine alte Bibel im Haus gehabt; sie habe aber so gestunken, daß er sie einer Tante geschenkt habe. Der Gastgeber stutzt: «Wie alt war das Buch?» – «Weiß nicht, gedruckt von einem gewissen Gurkenberg oder Guggenheim in Mainz.» Der Gastgeber läßt die Gabel fallen: «Gutenberg?» – «Ja, so hieß er!» Der Gastgeber springt auf: «Los, wir chartern ein Flugzeug. Wo wohnt Ihre Tante?» Der Amerikaner winkt ab. «Lassen Sie nur! Der Schinken ist völlig verdorben. Er muß ursprünglich einem gewissen Mack Lutter gehört haben – und der hat ihn total verkritzelt!»

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nnier, Montag, 22. Juni 2009, 16:04
Ein grausiges Übel, dieses Hineinkritzeln. Aber trösten Sie sich, heben Sie Ihre Gabel wieder auf, denn man bekommt neue, druckfrische Exemplare schon für unter 10.- EUR, das macht einen Kilopreis von gerade mal 4.- EUR.
Kai Diekmann, BILD-Chefredakteur: "[...] Daß Bibel und BILD zusammengehen, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Denn auch BILD zeigt jeden Tag die guten und fröhlichen wie die dunklen und traurigen Seiten des Lebens. Das ganze Spektrum unserer Gesellschaft, lebensnah, anschaulich und fern aller Theorie."

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