Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Kopfgeburt
nnier | 12. März 2010 | Topic In echt
Wie es in meinem Kopf aussieht, darüber sind Sie ja inzwischen umfassend informiert, zumindest Sie da in K., der Sie sich neulich stundenlang bis in die Anfangstage dieses Blögchens zurückgewühlt haben; ich kann aber auch verstehen, dass einige von Ihnen sich regelmäßig schlaflos wälzen und sagen: Wir wüssten gerne noch mehr über diese schwarze Frau in Tucson, Arizona.



Nun habe ich mich hier schon des öfteren bis auf die Knochen entblößt und lang und breit von meiner steckengebliebenen Entwicklung berichtet - der regelmäßige Leser kennt also meine ans Obsessive grenzende Begeisterung für John Lennon (überhaupt die Stones), Kampfstern Galactica usw.; andererseits möchte ich den verschlissenen und ohnehin hauchdünnen Tarnschleier auch nicht gänzlich fallenlassen.



Bei Ausgrabungen jedenfalls* fand man kürzlich nahe der Stadt G. diese Tonscherbe. Nach Ansicht amerikanischer Wissenschaftler stammt sie aus voreuropäischer Zeit und wurde vermutlich in der Gegend um Südgrönland bei rituellen Sonnenwendbeschneidungen auf hoher See zur navalen Positionsbestimmung eingesetzt.

Einer umstrittenen, alternativen Theorie zufolge handelt es sich hingegen um die frühe Darstellung eines menschlichen(?) Kopfes. Und mit etwas Phantasie - nun, entscheiden Sie selbst.



Als die Kunstlehrerin damals die Noten verteilte, stellte sie meinen Kopf demonstrativ ganz nach links, um die untere Grenze zu markieren. Ich hatte mich wohl mehr auf die Statik konzentriert und einen Zylinder mit Kreuzverstrebungen getöpfert. Nase dran, fertig.



Mein Sitznachbar und ich waren genervt von dem eitlen Ehrgeiz einiger Kursteilnehmer, die eine eher naturalistische Darstellung anstrebten und nicht nur mit aus verschiedenen Winkeln aufgenommenen Polaroid-Fotos, sondern teilweise sogar mit Gipsmasken gearbeitet hatten. Einer dieser Narzisten stand vorne an einem Pult, nahe der aufgeklappten Tafel, und kratzte ganz verliebt noch ein Stäubchen von seinem tönernen Schädel, der gleich gebrannt werden sollte.

"Mach mal die Tafel zu, bitte, wir können so nichts sehen", sprachen wir - und der Moment, als er mit Schwung die Tafel einklappte, der Moment, als er plötzlich verstand, der Moment, in dem er aber schon nicht mehr reagieren konnte, war auf eine zeichentrickhafte, ja: Tex-Avery-eske Weise wunderschön.

"Ach, Herrje. Den kann man bestimmt noch retten, sollen wir dir helfen?", fragten wir, doch er antwortete nicht und sprang wie wahnsinnig auf seinem Tonklumpen herum.

--
*Klasse Überleitung!

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vert, Freitag, 12. März 2010, 16:17
ein schönes souvenir von den osterinseln, diese blumenvase.

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jean stubenzweig, Freitag, 12. März 2010, 16:46
Dort werden die nachempfundenen fast urzeitigen Steinmetzereien aber doch mittels Styropor nachgeschnitzt. Das hier scheint mir doch eher Antike, und klassisches Handwerk obendrein, das dann die heutige Kunst gebar.

Nennen Sie, bester Nnier, eigentlich eine Großlagerhalle ihr eigen? Was Sie so alles aufheben! Da können die von mir in Beschlag genommenen vierhundert Quadratmeter Dachboden nicht mithalten.

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nnier, Freitag, 12. März 2010, 19:37
Es gibt hier durchaus Lagerraum, und ich bin nicht sicher, was besser ist: Keinen Platz zu haben, damit man gezwungen ist, sich von Überflüssigem (z.B. den ganzen Simplify-Your-Life-Büchern) zu trennen - oder Platz zu haben und sich mit den automatisch entstehenden Verklumpungen und der ewigen Sucherei abzuplagen. Die zuletzt präsentierten Exponate allerdings lagern extern - mein Glück.

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kid37, Freitag, 12. März 2010, 16:34
Vielleicht für vier dünne Baguettes?

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vert, Freitag, 12. März 2010, 16:37
für flûtes! die sensation auf dem kalten buffet, zwischen käsehäppchen und mettigel.

(engramme zum kilopreis:
das systematische vernichten von (auch immateriellen) werten durch schwenkbare gegenstände scheint sie aber derzeit schon schwer zu beschäftigen, oder täusche ich mich da?)

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kid37, Freitag, 12. März 2010, 17:22
(Link kapott?)

[Edit nnier: Nicht mehr]

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monnemer, Freitag, 12. März 2010, 17:36
(darin angerührt, kann er gleich 4 Liter Ovomaltine umschmeißen)

Der Kopf ist übrigens sehr schön.

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nnier, Freitag, 12. März 2010, 18:42
Damals auf Klassenfahrt (<-- Hier! Aufpassen! Killerphrase, wenn man Frauen kennenlernen will!) hat die Herbergsmutter willkürlich ein Papierschnipselchen versteckt, und wehe, das war nach dem Putzen noch da! Und was ist schon so ein Schnipselchen gegen den wahrlich homöopathischen Zusammenhang, den ich hier willkürlich eingestreut habe, denn er war mir dann doch zu esoterisch, um ihn noch irgendwie herauszuarbeiten. Und Sie haben ihn dennoch bemerkt. Nun bin ich ganz gerührt.

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ein nachbar, Freitag, 12. März 2010, 18:12
Oder der Prototyp eines Golem mit multipler (quadrupler) Persönlichkeit?

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nnier, Freitag, 12. März 2010, 18:33
Tafelspitz, Nuss, Oberschale, Aggressivität, Libido. Selig die Zeiten, als man Hirnarealen einfach mal Persönlichkeitseigenschaften zugewiesen hat - das sah dann immer aus wie diese Schnittmuster beim Schlachter. Beim obigen Modell könnte man allerdings auch einen übereifrigen Herrn Freeman vermuten.

(In der Pratchett-Welt kenne ich mich nicht so aus, auch wenn ich schon zwei oder drei sehr lustige Bücher von ihm gelesen habe.)

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g., Samstag, 13. März 2010, 08:18
Alles eine Frage der Betrachtungsweise. Ich sollte mal im Kunstunterricht einen fetten Buddha töpfern, der aber eher waschbrettbäuchig geriet. Zum Ausgleich habe ich seine Beine etwas dicker gemacht, mein Gott, man kann den Ton doch nicht einfach wegwerfen. Der Kunstlehrerazubi, der meine lehmgestalterischen Fähigkeiten nicht kannte, fragte mich angesichts des Machwerks: „Ah, sie orientieren sich an Hrdlicka?“

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jean stubenzweig, Samstag, 13. März 2010, 11:54
Ihr Kunstlehrelehrling war dann allerdings ein Avantgardist. Ich will Sie ja nicht älter machen als Sie sind. Aber wenn der damals schon Hrdlicka kannte – denn kennen die meisten noch nichtmal, seit er tot ist.

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nnier, Samstag, 13. März 2010, 14:37
Hoffentlich war er kein Franzose. "Hrdlicka", das ist ja ein Kunstwerk für sich.

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g., Sonntag, 14. März 2010, 08:38
Hrdlicka, Hrdlicka, Hrdlicka - tolles Wort nicht? Wenn man es nach einer viertel Stunde üben, fehlerfrei aufsagen kann, kriegt man einen Preis. (Berühmt wurde Hrdlicka viel später dadurch, dass er es schaffte, zwei Professuren zur gleichen Zeit wahrzunehmen. Die Studenten an der einen Kunsthochschule wurden vom Geist des Herrn Professors Hrdlicka aus der Wiener Ferne unterrichtet.) Hrdlicka! Hrdlicka! Hrdlicka! (Wenn Sie heute Nacht schwer träumen, bin ich es auf jeden Fall nicht gewesen.) Hrdlicka! Hrdlicka! Hrdlicka!

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jean stubenzweig, Montag, 15. März 2010, 17:12
Ach du meine Güte – ich kenne Kunstprofessoren, die haben unterrichten an fünf und mehr Akademien weltweit gleichzeitig unterrichtet. Und das bereits zu Zeiten, als es noch keine dieser neumodischen Techniken gab.

Außerdem ist das gar nicht so schwierig auszusprechen. Einfach so, wie's geschrieben steht: Hrdlitschka. Österreicher halt.

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