Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 9. Juni 2010
980 Sendai
nnier | 09. Juni 2010 | Topic In echt
Mein Herz wurde früh gebrochen. In der Grundschule hatte ich einen japanischen Mitschüler, T., dessen Vater beim Max-Planck-Institut arbeitete. T. sprach wohl nicht besonders gut Deutsch, aber aus irgendeinem Grund verstand ich ihn problemlos. Ich erinnere mich, dass ich einige Male sozusagen übersetzen musste, was T. gesagt hatte - dabei kam es mir so klar vor: Wenn er z.B. fragte "Kannst du zu mir", dann klang das "Kannst" etwa so, wie man das Fantasiewort "canste" auf Französisch aussprechen würde, also irgendwie nasaliert - ansonsten sah ich kein Problem und freute mich, ihm nützlich sein zu können; auch sprach er oft sehr leise, was zu seiner zurückhaltenden Art passte, während ich gelegentlich heiser von der Schule nach Hause kam.

T. hatte zwei Brüder, einen jüngeren und einen älteren, die fast genau so hießen wie er, lediglich durch minimale Vokalvertauschungen unterschieden sich die drei Vornamen. Den ersten Teil des Nachhausewegs gingen T. und ich oft gemeinsam, und manchmal traute ich mich, den nicht ganz öffentlichen Weg über das Max-Planck-Gelände mitzugehen, wo man auf einem niedrigen Metallzaun entlangbalancieren konnte oder eigentlich musste.

Bei aller japanischen Bescheidenheit merkte man, wie ehrgeizig T. war, und da ich auch gerne rechnete, lieferten wir uns begeistert mathematische Wettbewerbe. Wir hetzten durch die Aufgabenzettel, um als erster "fertig!" rufen zu können und stellten nebenbei noch beeindruckende Rechnungen auf. So schrieben wir z.B. jeder eine karierte Heftseite voll mit Gleichungen folgender Art:

100000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 - 9999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999999 = 1

Das fand in einer großen Pause statt und musste natürlich entschieden werden. "Gleichstand", behauptete ich, da wir gleichviele Zeilen verbraucht hatten, das begeisterte Publikum ("Könnt ihr aber gut rechnen!") allerdings entschied am Ende gegen mich: "Du hast in jedes Kästchen nur eine Null geschrieben, bei T. sind die viel enger zusammen!"

Eine gemeinsame Leidenschaft war auch die Fernsehserie Kimba, der weiße Löwe. Mir ist erst später klargeworden, wie populär diese Serie dort gewesen ist und wie alt sie damals aus japanischer Sicht schon war. T. besaß drei Folgen der Hörspielcassetten, und ich lieh sie mir begeistert aus. Diese Cassetten kosteten bei Karstadt unerschwingliche 12,50 DM, und es dauerte lange, bis ich auch welche bekam (ich besitze sie heute noch und kann die meisten Folgen mitsprechen.)

Aber da war er schon nicht mehr da, denn das Unglück brach am Ende der zweiten Klasse herein. "Der T. geht zurück nach Japan", verkündete unser Lehrer, Herr R., eines Tages, und mir stieg das Wasser in die Augen. Auch Herr R. mochte T. ganz besonders gerne, das merkte man, und hatte sich gleich zu Anfang einen sehr netten Kurz- oder auch Kosenamen für ihn ausgedacht, den dann auch alle verwendeten. In diesem Sommer spielten wir noch sehr viel miteinander, und immer öfter lieh ich mir sein orangefarbenes Klapprad aus, ein tolles Gefährt, das über eine Rücktritt-Zweigangschaltung verfügte, während T. freiwillig auf meinem immer kleiner werdenden Kinderfahrrad herumfuhr. Es gibt Fotos aus diesen Tagen, auf denen man uns im Garten spielen sieht, und ich weiß noch, wie schlimm es für mich war, wenn mir zwischendurch einfiel, dass das bald vorbeisein würde.

An einem der letzten Tage vor den Ferien kam T. mit seinem Vater zur Schule, sie hatten Süßigkeiten dabei und verteilten diese, mir war elend in dem Trubel und ich griff mir die größte Süßigkeit, die es an unserem Tisch gab, einen Fritt-Streifen, obwohl T. ihn gerne selber gehabt hätte. Der Vater machte Fotos, sie schickten mir später eines mit dem ersten Brief aus Japan, darauf sehe ich bleich und unglücklich aus.

Vor der Abreise, in den Sommerferien, kamen sie noch mal bei uns vorbei und verabschiedeten sich. Das orange Fahrrad ließen sie mir da.

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Montag, 7. Juni 2010
It's all too much
nnier | 07. Juni 2010 | Topic Brainphuq
Der Spieler zieht den Stein
Und Gott zieht den Spieler
Welcher Gott von welchem Gotte
Fing mit dieser Scheiße an?
Am Samstag habe ich eindeutig zu viel Sonne abbekommen. Vielleicht hätte ich auch das 13:0 nicht so ausgiebig begießen dürfen - seit Samstagabend jedenfalls fiebriere ich so vor mich hin. Die innere Begleitmusik dazu besteht aus zwei übereinandergelegten Liedern.

Um das Jahr 1980 herum schenkte mir meine Schwester zum Geburtstag das Album Yellow Submarine, die Beatles-Scheibe also, die laut dem so angenehm zurückhaltenden George Martin über die von allen am wenigsten gespielte B-Seite verfügt* - und die nach Ansicht der Chronisten der einzige Fall ist, in dem die Beatles ihren Fans minderwertige Ware andrehten.

Man muss diese Einschätzung aus dem Kontext heraus verstehen, dass sie mit ganz wenigen Ausnahmen (... with Love Me Do and 12 other songs) nicht ihre Singles auf ihre Langspielplatten packten oder umgekehrt welche "auskoppelten", wie es ja spätestens in den 80ern Usus wurde: Die Hit-Single zieht das ganze Album mit hoch und aus erfolgreichen Alben kann man prima Singles verkaufen - aus Michael Jacksons Thriller wurde dann ja auch so ziemlich jedes einzelne Lied als Single veröffentlicht. Und als Maxi. Und noch mal mit einer anderen B-Seite. (Eventuelle Leser aus der Plattenindustrie nehmen jetzt bitte eine kalte Dusche.)

Auch wenn natürlich mit den Beatles sehr viel Geld gemacht wurde und immer noch mehr gemacht wird - die Aussage, man habe damals die Fans nicht für das gleiche Material mehrfach zur Kasse bitten wollen, war mir nicht nur sympathisch, sondern auch glaubhaft. Wie anders wäre zu erklären, dass bedeutende Singles wie Lady Madonna, Strawberry Fields Forever oder als frühes Beispiel She Loves You erst viel später auf Kompilationen wie etwa den berühmten Roten und Blauen Alben erschienen sind? Umgekehrt: Lieder wie Yesterday oder Eleanor Rigby einfach nicht als Single zu veröffentlichen - wer käme auf die Idee? Man muss sich so etwas natürlich leisten können, in jedem Fall ist es aber sympathisch, wie wenig sich die Inhalte überschnitten, so dass man ja auch heute noch problemlos den Werkskern mit den 13 Originalalben plus zwei Past Masters-Scheiben, welche eben im wesentlichen die Singles umfassen, erschlagen kann.

Versucht man, die 13 Alben aufzuzählen, ist das eigentlich kein Problem - außer, dass man meist nur bis zur 12 kommt, da man das Album Yellow Submarine vergisst, denn es passt dann doch nicht ganz in die Reihe mit Revolver, Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band und Abbey Road. 1969 im Zusammenhang mit diesem Zeichentrickfilm erschienen, chronologisch also nach dem Weißen Album und vor Abbey Road einzuordnen, sind gerade mal sechs Beatles-Stücke darauf, von denen das U-Boot-Lied ja bereits drei Jahre früher auf Revolver erschienen und All You need Is Love 1967 als Single veröffentlicht worden war. Die restlichen vier Lieder werden oft als, nun ja, Reste bezeichnet: Ein (weiterer) nölender Northern Song von George, bereits zu Pepper-Zeiten aufgenommen und liegengelassen, ein (weiteres) Kinderlied von Paul, ein Standardrocker von John, ein langgezogenes und zielloses Lied von George, das war's. Ich muss auch zugeben, dass ich diese Platte nicht so furchtbar oft gehört habe.

Nun habe ich mir doch auch die Stereo-Box gekauft, und so ergab es sich, dass ich nach langer Zeit wieder Yellow Submarine einlegte. Und seither das Piano-Riff aus Hey Bulldog nicht mehr loswerde, höchstens dann, wenn sich das Gitarrenriff aus It's all too much darüberlegt.

Ebenfalls um 1980 herum sah ich im Spätprogramm, vermutlich auf dem Dritten, mit meiner Mutter einen Film, der mich sehr beeindruckt hat. Bruno Ganz gibt einen Schachspieler, der schon als Junge obsessiv und gut Schach spielt, allerdings bei Niederlagen schon mal seinen Gegner erwürgen will, so dass man ihm, dem offenbar der Wahnsinn droht, lieber das Brett wegnimmt. Später, er spielt halt doch wieder, kommt es zum Schachduell mit einem Russen, den er mit Psychospielchen terrorisiert. Eine Glasmurmel spielt dabei eine entscheidende Rolle, die der Spieler während der Partie zwischen seinen Fingern rollt, so dass der Russe sich nicht mehr konzentrieren kann und schließlich aufgibt.

Besonders gesund lebt er allerdings immer noch nicht, sondern verhält sich immer öfter antisozial, verprellt Freunde und Förderer, verdächtigt seine Frau, ihn vergiften zu wollen etc., bis er nach einem besonders nervenaufreibenden Schachspiel einen Zusammenbruch erleidet und in eine Klinik eingeliefert wird. Wo er, wenn ich mich nicht täusche, am Ende dann doch wieder heimlich zu spielen beginnt.

Ich habe diesen Film nie wieder gesehen, aber wenn ich mich nicht ganz täusche, wird vor dem Abspann etwa folgende Frage eingeblendet:
Der Spieler zieht den Stein
Und Gott zieht den Spieler
Welcher Gott von welchem Gotte
Fing mit diesem Spiele an?
Eine gute Frage, finde ich, über die ich noch ein Weilchen nachdenken werde, während ich die Glaskugel zwischen den Fingern rolle und es innerlich "toooo much, toooo much, toooo much, toooo much" tönt.

--
*George Martin, Produzent der Beatles, schrieb den "Score" fürs Orchester, und die zweite Seite der Platte enthält diese instrumentale Filmmusik.

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Mittwoch, 2. Juni 2010
Demnächst nichts auf diesem Bildschirm
nnier | 02. Juni 2010 | Topic Margaretha
War klar jewesn, oder?

[Video nicht mehr auffindbar]

Kleine Pause. Und treten Sie nicht alle zurück inzwischen.

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Waaaah!
nnier | 02. Juni 2010 | Topic Ja nee


Puh. Hui. Ohauerha. Uff. Gott. Mann. Hust. Jungejunge. Hust. Meineherrn.

He he. Sodele.

Erst mal eine rauchen.

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Gleich
nnier | 02. Juni 2010 | Topic Ja nee

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Ich komme aus der Nummer nicht mehr raus
nnier | 02. Juni 2010 | Topic Ja nee

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Nicht mehr lange
nnier | 02. Juni 2010 | Topic Ja nee

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Dienstag, 1. Juni 2010
Es kann sich nur noch um Stunden handeln
nnier | 01. Juni 2010 | Topic Ja nee

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Ich ziehe das durch
nnier | 01. Juni 2010 | Topic Ja nee

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Es droht eine Inflation
nnier | 01. Juni 2010 | Topic Ja nee

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Es war mir eine Ehre
nnier | 01. Juni 2010 | Topic Margaretha
Ich kann Sie ja schlecht darüber hinwegtäuschen, dass die Inhalte meiner letzten Beiträge ins Oberflächliche, Ichferne tendieren. [Blick vom Kärtchen hoch in die Kameras. Blick nach unten. Umsortieren der Kärtchen für den nächsten Satz.]

Ich bedaure diese Entwicklung zutiefst. [Blick vom Kärtchen hoch in die Kameras. Blick nach unten. Umsortieren der Kärtchen für den nächsten Satz.]

Manchmal fällt einem mehr ein, manchmal weniger. [Blick vom Kärtchen hoch in die Kameras. Blick nach unten. Umsortieren der Kärtchen für den nächsten Satz.]

Man könnte ja auch einfach mal die Schnauze halten. [Blick vom Kärtchen hoch in die Kameras. Blick nach unten. Umsortieren der Kärtchen für den nächsten Satz.]

Und dann denkt man wieder: Die wollen aber jeden Tag was. [Blick vom Kärtchen hoch in die Kameras. Blick nach unten. Umsortieren der Kärtchen für den nächsten Satz.]



Ich habe Ihnen jedenfalls meine Doppelten mitgebracht. [Blick vom Kärtchen hoch in die Kameras. Blick nach unten. Umsortieren der Kärtchen für den nächsten Satz.]



Können Sie haben. [Blick vom Kärtchen hoch in die Kameras. Blick nach unten. Umsortieren der Kärtchen für den nächsten Satz.]



Können Sie sich jeder eins mitnehmen, oder zwei. Ich brauche die nicht mehr. Wiedersehen.

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Montag, 31. Mai 2010
kwitt facebook day
nnier | 31. Mai 2010 | Topic Ja nee
Erst wird Frau Käßmann "zufällig" kontrolliert, bloß weil sie eine "rote"(!) Ampel überfährt; dann tritt Roland Koch "zurück" - Nachtigall, wollte ich schon sagen, da "tritt" der Köhler auch noch aus Farcebook aus. Muss ich mehr sagen? Käßmann, Koch, Köhler - jemand hat das Dossier K entwendet. (Auch der 80. "Geburtstag" von Dr. Helmut Kohl fand ja unter nicht ganz astreinen Umständen statt - und wenn das so weitergeht ... )

8< --------- Schnipp! -------------

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Meine Doppelten
nnier | 31. Mai 2010 | Topic Ja nee

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