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Ich hatte keinerlei Vorstellung von der Größe dieser Stadt. Der Stadtplan wirkte auch nicht größer als andere, gut, nur dass die Straßen darauf deutlich kleiner aussahen, und wahrscheinlich war es nur die Patentfaltung, die es ermöglichte, so viel darauf unterzubringen - wer weiß! Ich hätte womöglich aufmerksam werden können, auch durch die langen Fahrzeiten der Busse und U-Bahnen, in denen ich stundenlang erst in die eine und dann wieder in die andere Richtung gefahren war. Allerdings war ich noch etwas mitgenommen, und schließlich war das mein erster Flug alleine gewesen, und ich war ja so froh, als ich endlich angekommen war, spät am Abend, in jener Straße, nach der ich den U-Bahn-Mitarbeiter gefragt hatte. Dort hatte ich über eine private Verbindung ein Zimmer gemietet, und als ich müde und verfroren dort auftauchte, wollte ich ins Bett, ich hatte kein Ohr mehr für die vielen Ratschläge der Vermieterin, welche Fahrscheine kaufen solle und wo ich am besten entlangfahren könne und was ich sonst noch unbedingt beachten solle.
Als ich am nächsten Vormittag erwachte, war außer mir niemand im Haus, dabei pflegte, so war mir erzählt worden, das mittelalte Ehepaar zahlreiche Zimmer an Jugendliche und junge Erwachsene zu vermieten, es sei ein internationales Haus, die Abende immer lustig, da hatte ich womöglich etwas verpasst am Vorabend, aber nun hieß es erst einmal frühstücken, der altertümliche Toaster sengte die Weißbrotscheiben aus der Packung mit dem abgelaufenen Haltbarkeitsdatum ordentlich an, ich aß einen Berg Marmeladentoast und suchte dann auf dem Stadtplan das Bankenviertel heraus, wo ich die Person treffen sollte, der ich eine größere Geldsumme überwiesen hatte, damit sie mir die Eintrittskarten besorge.
Wie ich dort schließlich hinfand, weiß ich nicht, erinnere mich aber an das aufsteigende Gefühl leichter Panik, als man mir zu verstehen gab, sie habe heute frei und, nein, ihre Adresse könne man mir nicht nennen, sorry. Es folgten ein internationales Telefonat aus der Telefonzelle und diverse fernmündliche Ratschläge, wo ich es eventuell versuchen könne, der Tag ging ins Land, ich fuhr in der Gegend herum und suchte die erste der Adressen auf, die zu probieren man mir geraten hatte, klingelte also irgendwo, ging mutlos die Treppe hinauf und wollte schon verzweifeln, als mir statt der erwarteten jungen Frau ein älterer Herr die Tür öffnete, dem ich, da ich ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte, klarzumachen versuchte, dass ich doch extra hergeflogen sei und nun nicht an meine Tickets käme, ich malte mir schon die tristen, sinnlosen Tage aus, die folgen würden, als er mich anlächelte und, "Wait a minute", in seiner Wohnung verschwand und mit den Tickets in der Hand wieder herauskam. "Have fun!", ich konnte nur debil grinsen, ich weiß nicht, ob ich mich bedankt habe, ich rannte die Treppe hinunter und musste mich ganz schön beeilen, denn schließlich wollte ich rechtzeitig zur Wembley Arena kommen!
Nach dem Konzert ließ ich mir wie üblich Zeit, stürmte nicht mit den Massen hinaus, sondern blieb in der Halle, sammelte mich, ging dann als einer der letzten hinaus und schlenderte zur U-Bahn-Station. Dort verriegelte gerade ein Uniformierter den Eingang: "We're closing!"
"You're what!?", fragte ich entsetzt und musste feststellen, dass meine Vorstellungen von der Weltstadt, in der rund um die Uhr Betrieb herrsche, und erst recht nach einem Konzert in der berühmten Wembley Arena, genauso naiv gewesen waren wie ich die ganze Unternehmung angegangen hatte.
Zwar hatte ich noch 20 Pfund in der Tasche, doch bildeten diese nach den erheblichen Ausgaben, die ich für Flug, Unterkunft, Eintrittskarten usw. getätigt hatte, schon einen Gutteil meines Restvermögens, das mich durch die Woche bringen sollte. Unschlüssig lief ich durch die Gegend, sah aber irgendwann ein, dass mich dies in der großen, großen Stadt, die viel größer war, als ich es mir hatte vorstellen können, nicht weiterbrachte und steuerte einen Taxistand an. Hoffentlich, so dachte ich, muss ich nicht mehr als zehn Pfund ausgeben, nannte dem unfreundlichen Fahrer die Zieladresse und konnte es zum zweiten Mal an diesem Tag nicht fassen: Er kannte die Straße nicht. Und so etwas wollte ein Taxifahrer sein! Ich faltete meinen Stadtplan auseinander, zeigte ihm das Ziel, er schien zu begreifen und fuhr los. Und fuhr. Und fuhr. Die zehn Pfund waren schon fast erreicht, ich wurde unruhig, zwölf Pfund, 15 Pfund, ich fragte, wie weit es noch sei, 18 Pfund, das sei noch ein gutes Stück, 20 Pfund, nun hätte ich Farbe bekennen müssen, aber ich blieb einfach sitzen. Zu lang war der Tag gewesen, zu kalt die winterliche Stadt, ich nahm mir vor, einfach ganz überrascht zu tun, wenn der Fahrpreis verkündet würde, und bei 28 Pfund standen wir schließlich, es war weit nach Mitternacht, vor dem Haus, in dem es stockdunkel war.
Ich erklärte dem Fahrer meine Situation, beruhigte ihn, er könne die 20 Pfund sofort haben und den Rest würde ich jetzt gleich aus meinem Zimmer holen, er zog die Augenbrauen noch höher, ich suchte den Schlüssel in meiner Jackentasche, ich bekam das Schloss im Dunkeln nicht auf, ich fand den Lichtschalter nicht, ich stolperte auf der Treppe, ich öffnete die falsche Zimmertür, fand schließlich meines, griff ins Innenfach meines Rucksacks, erwischte einen Zehnpfundschein, rannte die Treppe hinunter, die Tür knallte hinter mir, glücklich streckte ich dem Fahrer den Schein hin, der mich vorwurfsvoll ansah, das habe aber lange gedauert und, oh, das sei aber zu wenig Geld. Ich war geschockt. Die Anzeige des Taxameters zeigte inzwischen 32 Pfund. Konsterniert machte ich kehrt, fummelte den Schlüssel heraus, Türschloss, Treppe, Licht, Zimmertür, allerletztes Geld, Treppe runter, Haustür knallt, Taxameter zeigt 34 Pfund, hier, bitte, noch 5 Pfund, stimmt so, der Taxifahrer fuhr wortlos ab und ich schloss zum dritten Mal die Haustür auf, ächzte die Treppe hoch, ließ mich ins Bett fallen und hasste die Londoner.
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Das schränkt dann auch ganz stark die Einwahl aus!Es irritiert mich doch langsam, wenn ständig vom Wahl-O-Mat die Rede ist. Lange hielt ich das für ein kleines Scherzprogramm, so wie das hier, oder für irgendeine alberne PR-Aktion (Bundesministerium X oder Stiftung Y hat eine Million übrig und will unheimlich modern rüberkommen, Internetagentur Z nimmt das Geld gerne und programmiert halt irgendwas zusammen.) Dann kann noch jemand schlau daherreden und davon faseln, man wolle Jugendliche so "an die Politik heranführen", fertig.
(Schulungsleiter, dieser Tage)
Aber es scheint sich zu etablieren. Ernstzunehmende Menschen aus meinem Bekanntenkreis reden davon, vor der Wahl den Wahl-O-Mat zu befragen, und zwar ohne das ironisch-distanzierte Grinsen einzuschalten.
Man muss sich mal überlegen, wie so etwas zustande kommt: Irgendwelche sog. "Thesen" werden aufgestellt, die Parteien sagen "ja" oder "nein", der Benutzer sagt ebenfalls "ja" oder "nein" - und hinterher werden die Übereinstimmungen ausgezählt. Ja Wahnsinn.
"Die Laufzeit der Atomkraftwerke soll verlängert werden."
"Handelsbeziehungen mit Staaten, die Menschenrechte missachten, sollen eingestellt werden."
"Einführung von Volksentscheiden auch auf Bundesebene!"
"Die Vermögenssteuer soll wieder eingeführt werden."
"Die Praxisgebühr soll abgeschafft werden."
Besteht Politik aus einfachen Multiple-Choice-Optionen? Gibt es keine Auswirkungen, hat das alles keine Zusammenhänge? Was passiert denn, wenn die Atomkraftwerke (nicht) länger laufen, wenn die Praxisgebühr (nicht) abgeschafft wird? Was soll statt dessen passieren? Was ist denn der Grund, dieses zu fordern oder jenes abzulehnen?
Das ganze Format kümmert sich nicht ansatzweise um Zusammenhänge und Gründe - kann es auch nicht. Es geht aber nun mal nicht darum, eine Pizza mit Wunschzutaten zu belegen. Ob durch die Klickerei irgend jemand für Politik interessiert wird (Kids! Das könnt ihr sogar auf dem Handy machen!) oder seine Wahlentscheidung besser treffen kann, mag ich nicht beurteilen. Aber mir scheint das mindestens so trivial wie die komplett sinnentleerten Frage- und Antwort- Spiele bei Anne Will, Maybrit Illner und so weiter, wo ständig und willkürlich zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten hin- und hergehüpft wird und Kanzlerkandidaten bitte, und zwar in 90 Sekunden, sowohl die Massenarbeitslosigkeit als auch die ganz persönliche Jobsuche von Herrn Meier ("Da finden wir was für Sie, ich kümmere mich gleich Montag drum!") behandeln.
Übrigens, Sie sind gegen längere Laufzeiten der Atomkraftwerke und gegen die Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel? Die NPD auch.
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Aber es ist einfach so, ich muss mir die kurzen Momente erschleichen, mal eben etwas länger beim Händewaschen bleiben (Laptop macht's möglich), mal eben auf das Mittagessen (Mandelhörnchen) verzichten, mal eben in den Keller zur Wäsche gehen, das sind so die raren Gelegenheiten, bei denen man für ein paar Minuten heimlich ins Internet gehen kann und sich dann, jetzt aber schnell!, mal eben was ausdenken will.
Ich habe schon vor Jahren ein perfektes Wäschelogistiksystem erdacht. Es erfordert sechs (6) Wäschetonnen, in die man das anfallende Waschgut nach bestimmten Kriterien genau differenziert einsortieren kann. Mein System besteht nun darin, diese Tonnen zur Seite zu stellen und sie nicht zu verwenden. Statt dessen bedecke man den Fußboden des Waschkellers komplett mit Schmutzwäsche und sorge dafür, dass stets ausreichend Nachschub angeliefert wird. Somit entfällt erstens die Notwendigkeit, Knieschoner zu tragen, wenn man zweitens täglich ein- bis zweimal das vorhandene Material sichtet und es anhand der Parameter
- Farbe
- Waschtemperatur
- Verschmutzungsgrad
- Knittereigenschaften
- Morgen ist aber Sport und ich brauche unbedingt meine Turnhose
möglichst trommelfüllend der Waschmaschine übereignet, souverän das richtige Waschprogramm mit dem geeigneten Pulver kombiniert und in seiner ausgefeilten Fuzzy-Logic-Formel auch noch bedenkt, dass die Handtücher gerne mal die farblich passende Niedrigtemperaturwäsche auffüllen dürfen, jedoch in gewissen Intervallen auch mal bei hoher Temperatur gewaschen werden und also gelegentlich extra gesammelt werden müssen.
Während andere Väter den Keller nur zum Bierholen oder Heimwerken aufsuchen, bin ich eigentlich kaum je ohne Wäschewanne anzutreffen, denn es gibt echte Massen zu bewältigen und dabei auch noch Themen wie den Trockner, die Wäscheleine, das Zusammenlegen mit und ohne Bügeln etc. zu berücksichtigen, aber Sie als Hausfrauen wissen das ja alles. Und Sie wissen natürlich auch, dass man gelegentlich, z.B. am Abendbrottisch, milde lächelnd darauf hinweist, dass eventuelle Reißverschlüsse an Pullovern und Sweatjacken bitte geschlossen werden sollen. Finden sich trotzdem täglich solche Kleidungsstücke in geöffnetem Zustand, dann schmunzeln Sie gewiss in sich hinein und holen liebevoll das von anderen Versäumte nach, denn nicht zum Glücklichwerden, zum Glücklichmachen sind Sie da, und kaum sind zwei Stunden vergangen, schon hören Sie die Maschine schleudern, treten also den Weg nach unten an, nehmen dabei einen Korb Schmutzwäsche mit, leeren zunächst den Trockner und nehmen daraufhin die zur besonders schonenden Trocknung hängende Wäsche so punktgenau von der Leine, dass mit dem letzten Kleidungsstück, welches Sie sanft dem Plastikkorb übereignen, das Klick des Sicherheitsverschlusses am Bullauge erklingt und Sie der Waschmaschine souverän die saubere Wäsche entnehmen. Während die Gedanken abschweifen und ein munter Liedchen gepfiffen wird, sortiert sich die Wäsche praktisch wie von selbst in jenen Teil, der für den Trockner geeignet ist (ganz unbewusst haben Sie dessen Flusensieb schon gereinigt und wieder eingesetzt), und jene Stücke, die mit Wäscheklammern oder aber auf Bügeln an die Leine gehängt werden.
Sie erreichen diesen tranceartigen Zustand, Sie haben gerade Ihr Flow-Erlebnis, hierhin die trockene Wäsche von der Leine, dorthin die feuchte direkt aus der Maschine, zack!, ein kleiner Schwung, man sollte dies unbedingt vor dem Aufhängen berücksichtigen, das routinierte Schütteln, es glättet die Wäsche ungemein, doch halt! Was ist das für ein Klumpen?
Neugierig betrachten Sie das rote Pullöverchen, es hat sich verknüllt, ah, hier guckt der Ärmel aus dem Halsausschnitt, ziehen wir ihn hinaus, oh, nun ist er auf links, einen Moment, drehen wir ihn wieder um, nanu, wo ist denn jetzt der andere, jetzt aber mal ganz in Ruhe, ah, hier hinein und da hinaus, nun müsste es, ach, jetzt hast du es doch wieder anders - ja, gibt's denn das?
Ich habe ihn mit nach oben genommen. Ich habe ihn gründlich untersucht. Ich habe fast zehn Minuten lang (man hat ja seinen Ehrgeiz) versucht, das Knäuel zu entwirren. Ich habe es nicht geschafft.
Zum Schluss ertastete ich den Reißverschluss, öffnete ihn und löste den Gordischen Knoten. Aber ich fühlte mich dabei wie ein Betrüger.
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Wie die Billig-Supermarktketten A*** und N**** mitteilen, werden unter anderem Käse, Joghurt und Champagner günstiger.Das Volk hungert? Dann soll es doch Kaviar fressen!
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