Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Montag, 16. Februar 2009
Barfuß zum Nordpol: Krieg
nnier | 16. Februar 2009 | Topic In echt
[Fortsetzung]

Irgendwie kommen wir manchmal auch voran, z.B. an dem Tag nach der komatösen Nacht in Valence, als wir von einer freundlichen, jungen Frau mitgenommen werden. Diese unterhält sich recht ausführlich mit uns und zeigt sogar Verständnis für unsere Irritation über gewisse Praktiken der Exekutive, im Gegensatz zu den anderen Franzosen, die das bisher alle schulterzuckend ganz normal fanden. Der einsetzende Regen und die leise Musik aus dem Autoradio lullen mich ein, ich bringe meine schmerzenden Knie in eine erträgliche Haltung, auf der Straße bildet sich ein Schmierfilm, die Fahrerin erzählt von einer Stelle, an der wir gut weiterkommen müssten, sie werde uns hinbringen, da das doch ein gutes Stück abseits ihrer eigentlichen Route sei, ach nein, lehnen wir ab, das sei nun wirklich nicht nötig, oh doch, lächelt sie, huch!, hier müssen wir ja schon abbiegen,

whack!,

macht ihr Kleinwagen, als er gegen die ca. 50 cm hohe Betonwand, welche die Schnellstraße begrenzt, knallt, das ist doch inzwischen ziemlich glatt, oh Mensch, das tut uns ja echt leid, Mist, können wir irgendwie helfen, nein, nein, geht zu der Tramperstelle, ich komme schon klar, bis zur Werkstatt werde ich noch irgendwie kommen. Wenn es einen Gott gibt, warum lässt er so etwas zu?

Psychisch zerrüttet und körperlich, na ja, das habe ich inzwischen ja deutlich gemacht, schleppt man sich durchs Niemandsland, die Erinnerung wird hier auch wirklich neblig, am Ende dieses Tages, es wird schon dunkel, stehen wir wirklich vollkommen verloren und ohne Hoffnung am Rande eines Bauerndorfs, da hält ein Wagen und nimmt uns mit. Unglaublich! Der freundliche Mann spricht einen starken südfranzösischen Dialekt, hört sich unsere Polizeigeschichten an, ist mit uns empört und beginnt dann seinerseits mit einer Erzählung.

Er ist schon oft im Gefängnis gewesen, in Spanien während des Bürgerkriegs, seine Eltern waren im Widerstand, man hat seine Mutter geholt und dann ihn geholt und die Knäste in Spanien und Südfrankreich sind nicht so erholsam wie die mitteleuropäischen, die sind ja Luxus, am Mittelmeer ist es anders, dreckig, es gibt viel Gewalt und die Wärter sind korrupt und die Gefangenen pervers und die Zellen überfüllt, sie warten dort nur auf so harmlose Touristen wie euch und damals, les tanks, die Panne-zeurs, im Bürgerkrieg, hat er angegriffen als Partisan, les armes, die Waffen, damit kennt er sich aus, im Knast haben sie ihn gefoltert, torturé, ein Messer muss man unbedingt haben, ich bringe euch lieber bis narr Montpellier, aber das ist gefährlich da, man mag da solche Leute nicht wie euch, mit Rucksäcken und ohne Geld, und die Polizei will euch nicht sehen da, und die Kriminellen am Bahnhof sind gefährlich, er macht diese Bewegung mit der Hand entlang seiner Kehle, reicht einem eine Zigarette nach hinten, man zündet sie zitternd an und bekommt einen Schock, als das Menthol sich in der Lunge ausbreitet, so runter sind die Nerven, ein bisschen Geld müssen sie schon bekommen, wenn sie euch überfallen, sie werden euch durchsuchen, vous comprenez, packt also einen Teil eures Geldes in die Jackentaschen und den Rest dans le slip, versteht ihr, und der Knast ist kein Spaß in Südfrankreich, es ist schon spät, hoffentlich kommt ihr noch in den Bahnhof, es ist nicht lustig sonst, so erzählt der gute Mann, und langsam formt sich der Gedanke, dass man sein Geld vielleicht in ein Zugticket investieren sollte. Todgeweiht laufen wir in Montpellier zum Bahnhof, hektische Blicke in alle Richtungen, ich kaufe, da es jetzt auch nicht mehr drauf ankommt, eine Packung schwarzer Gitanes ohne Filter, die sich wie glühende Nägel in die Lunge bohren, bis man sich auch daran gewöhnt hat, und dann sitzen wir im Zug und fahren so weit nach Süden, wie es nur geht.

[Rest kommt auch noch]

Link zu diesem Beitrag (4 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Samstag, 14. Februar 2009
I showed ya, Wolfram S.!
nnier | 14. Februar 2009 | Topic In echt
Altes Brot kleinschneiden
Milch, Zucker, Prise Salz
Aufkochen
Brotbrocken zerdrücken
(DeLuxe-Version für etepetete: Ein Ei reinrühren)

Hm, legger! Diesmal muss es einfach klappen.

Zeit Kochwettbewerb 2009 (... denn das Auge isst mit!)

Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Freitag, 13. Februar 2009
Wieder was weggeschafft
nnier | 13. Februar 2009 | Topic Brainphuq
Ansonsten sitze ich meine 41 Stunden in der Woche regelrecht ab ... Zeit absitzen im "Sterbezimmer" ... Flachwalzstrategie (Arbeit auf eine viel längere Zeit verteilt, als dafür eigentlich nötig ware) ... Komprimierungsstrategie ... vom Chef gesetzte Deadline sogar zu unterschreiten. Das wird dem Vorgesetzten allderdings nicht mitgeteilt. So hat man bis zum eigentlichen Abgabetermin genügend Zeit ... entwickeln gelangweilte Arbeitnehmer Techniken, um gestresst zu erscheinen ... innerlich längst gekündigt ...
Nee, ist gerade schlecht, ich muss dringend dieses Formular ... Ja, Montag, Dienstag, ich schreib dir eine Mail.
10 von 10 Punkten erreicht

Link zu diesem Beitrag (2 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Donnerstag, 12. Februar 2009
Barfuß zum Nordpol: Euphorisches
nnier | 12. Februar 2009 | Topic In echt
Mediziner beschreiben auch subjektives Wohlbefinden Schwerkranker als Euphorie.
[Fortsetzung]

Valence! Nördliches Tor der Provence! (Steht da, wo auch alle anderen abschreiben). Tatsächlich der erste Ort, der ein wenig südliches Flair verbreitet, das Klima milder, es gibt Palmen, der Boden ist sandig, aber, ach!, die Begeisterung meines Reisegefährten vermag ich nur partiell zu teilen.

Ich weiß. Jammern macht unattraktiv und so. Bleiben wir also einfach bei den Fakten. Es gibt ein Schild. Es gibt eine Art Jugendherberge. Der Weg dorthin ist nicht mal weit. Jedenfalls für gesunde Erwachsene. Ich hingegen werde ständig von Omas mit Rollatoren überholt, beiße die Zähne zusammen, schleppe mich stumpfsinnig vorwärts, wir erreichen die ersehnte Herberge, sie wirkt seltsam unbewohnt, erste Panikgefühle kommen auf, bis schließlich doch ein Angestellter erscheint, uns den Preis nennt und, da nicht genügend Francs zur Hand und alle Wechselstuben geschlossen, nach kurzer Diskussion unsere Deutschmarks akzeptiert, wir werden in einen leeren Schlafsaal geführt, die warme Dusche kommt kaum gegen die Freudentränen an, die sie auslöst, ich schaffe es irgendwie noch bis zum Bett und verarzte notdürftig meine zerschundenen Füße, doch all das erlebe ich nur noch wie im Nebel, die Sprache versagt, endgültig übernehmen nun die Grundbedürfnisse die Herrschaft, es ist 20:00h und bis zum nächsten Morgen ist da nur noch ein tiefes, schwarzes Loch, wahrscheinlich spielen die Beatles vor der Herberge auf, während Außerirdische an uns Experimente durchführen - nur schlafen, endlich schlafen, in einem Bett, mit einer Decke, im Warmen, unbedroht von Gendarmerie und Zoll, und wenn ich zu einer Empfindung fähig gewesen wäre, ja, dann hätte man diese Euphorie nennen müssen.

[Geht irgendwann weiter]

Link zu diesem Beitrag (9 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Mittwoch, 11. Februar 2009
Barfuß zum Nordpol: Es geht voran
nnier | 11. Februar 2009 | Topic In echt
[Fortsetzung]

Früh am Morgen erreichen wir mit dem Zug Lyon. Dort auszusteigen fällt schwer, am liebsten wäre man einfach sitzengeblieben, so warm und weich sind die Sitze, aber wir können uns das ja nicht leisten. Weder nach Römischen Theatern noch nach Kathedralen fragen wir deshalb in der Tourist Info, sondern nach einer guten Stelle für faire l'autostop. Seltsamerweise ernten wir nur verständnislose Blicke und werden unwirsch abgefertigt. Liegt das an meinem schlechten Französisch? Meinem doch langsam etwas heruntergekommenen Äußeren? Immerhin haben wir uns doch gerade in einer dieser herrlichen öffentlichen Toiletten ausgiebig frischgemacht! Gut, ohne Rasur und Parfum. Und so besonders viele frische Klamotten hat man ja auch nicht dabei, wenn man nur eben kurz nach Spanien trampen will.

Natürlich mag es auch an meinem inzwischen sehr deutlichen Hinken (die Knie! Die Schuhe!), diesem leicht gebückten, schleppenden Gang gelegen haben, denn wie man weiß, dient es ja der Erhaltung der Art, das ist evolutionär einfach so einprogrammiert, die Kranken und Schwachen auszusortieren, siehe Raben und Krähen und Eskimos und Indianer. Mitleid ist da lediglich eine kulturelle Überformung. Deshalb mögen auch die mutlose Aura und der flackernd-irrlichternde Blick aus rotgeäderten, übermüdeten Augen eben keine spontanen karitativen Instinkte, sondern deutlich ablehnende Reaktionen hervorgerufen haben. "Schleicht euch!", so schienen die Damen und Herren uns zuzuzischen, und nach Einnahme eines Kaffees und einem Blick auf die - immerhin! - ergatterte Umgebungskarte der Stadt entschieden wir, erneut Geld zu investieren und per Bus in einen südlichen Vorort namens Vienne zu fahren. Dort sollte man nun wirklich gut wegkommen.

Aus dem Bus auszusteigen tat ernsthaft weh, nicht nur in den Knien; es bedurfte dazu einer sehr ausgeprägten Willensanstrengung. Und irgendwann nahm uns tatsächlich jemand mit, brachte uns jedoch von der Strecke nach Süden ab, wir standen plötzlich im Niemandsland - aber einen Hypermarché gab's dort, in dem wir einkauften, ich konnte wirklich nicht mehr normal gehen, die Strecken in dem Riesensupermarkt erschienen mir endlos, wir aßen und tranken und saßen stundenlang herum. Und dann wurden wir doch noch mitgenommen, bis nach Valence, zurück auf die Strecke, immerhin, aber es war schon Abend. Ich kam kaum aus dem Auto heraus. Wir mussten irgendwo übernachten.

"Nimm keine Rücksicht auf mich, lass mich hier einfach liegen. Hauptsache, du überlebst. Sag meiner Familie, dass ich sie liebe", flüsterte ich meinem Reisegefährten zu, er aber schulterte mich und marschierte mit mir ins Zentrum des Städtchens, in dem er die ersten Palmen seines Lebens sah. "Reiß dich zusammen, wir sind heute doch gut vorangekommen. Fast hundert Kilometer!"

[Wird irgendwann fortgesetzt.]

Link zu diesem Beitrag (2 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





... hier geht's zu den --> älteren Einträgen *
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!

Letzte Kommentare
Kalender
Juni 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
12
13
14
15
16
17
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 
Über
Who dis?
Erstgespräch