Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Freitag, 7. Mai 2010
Deep Throat / Bang
nnier | 07. Mai 2010 | Topic In echt
Die ganzen Urinprobengeschichten lasse ich weg, da kennt jeder einen, der einen kennt, aber ich z.B. habe mal einen tiefen, goldglänzenden Schluck aus der Flasche genommen, im Hochsommer, ich war halb verdurstet mit rotem Kopf nach oben gerannt und hatte mir diese verlockende Flasche geschnappt, und es dauerte eine Weile, bis ich die merkwürdigen Geschmacks- und Konsistenzsignale zu deuten wusste und dann noch eine Weile, bis ich die sich widersprechenden Schluck- und Würgebedürfnisse geordnet und zugunsten letzterer priorisiert hatte, so dass ich sie immerhin nicht ganz leertrank, die Flasche mit dem Pflanzenöl. Auch diese dunkelgrüne Apfelsaftflasche saugte ich nicht komplett aus, wir sollten ja eigentlich nicht aus der Flasche trinken und es waren immerhin ganze Literflaschen dieses ganz hervorragenden Apfelsafts, den man bei der Kelterei entweder kaufen oder gegen Ablieferung einiger Zentner Äpfel bzw. Öpfel eintauschen konnte. Die Flasche hatte auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer gestanden, der Durst war wiederum erheblich gewesen, so dass übliche Sicherheitsmaßnahmen ausnahmsweise unterblieben und der Inhalt sozusagen direkt in die Speiseröhre gepumpt wurde - etwa so, wie man es den Katalanen nachsagt, die ja angeblich über irgendeine anatomische Besonderheit im Rachenraum verfügen und den Rotwein ohne Schluckbewegungen direkt in den Magen laufen lassen können; wie bei einem Säugling stelle ich mir das vor, der gleichzeitig trinken und atmen kann. Ich hatte schon einen Gutteil des Flascheninhalts hinuntergestürzt, als mir, und zwar weniger geschmacklich als vielmehr visuell, etwas seltsam vorkam. Es waren durch das dunkelgrüne Glas einige merkwürdige, schwimmende Objekte an der Oberfläche der enthaltenen Flüssigkeit erkennbar, und dabei hatten wir doch den klaren, nicht den naturtrüben Apfelsaft genommen. Das schmeckt zu wässrig, dachte ich und rannte speiend ins Bad, um mich mit Domestos freizugurgeln, denn das hochsommerlich-angewärmte Gebräu aus veralgtem Blumengießwasser, Stubenfliegen und Wespen hatte im Abgang dann doch sehr ins Korkig-Faulige gespielt. An diese vergangenen Zeiten musste ich gerade denken, als ich das verheißungsvolle Gurgeln aus der betrieblichen Kaffeemaschine vernahm und mir endlich, endlich eine frisch gebrühte Tasse zapfen konnte, die mir dann schon wieder verdammt dünn vorkam. Meinem Verdacht ("Da wollte wieder jemand sparen") ging ich diesmal zum Glück umgehend nach und stellte fest: Papierfilter ja, Kaffeepulver nein. So ein Fall ist wenigstens eindeutig, während dem Kaffee oft genug vorgeworfen wird, nicht zu schmecken ("In eurer Firma schmeckt der Kaffee immer scheiße!" - "Ja!"), obwohl er gar nichts dafür kann. Ich habe es ausprobiert: Ignoriert man die Dosierungsvorgabe ("Für eine Kanne den Plastikbecher bis zum Edding-Strich mit Kaffeepulver füllen") und macht ihn ganz voll, dann fallen die Reaktionen ("Das ist Kaffee!", "Aaaargh! Mein Herz!") deutlich positiver aus. Jedenfalls positiver als die meine, damals, als ich am Montagmorgen aus der vollen Thermoskanne einen Becher zapfte, das Büro betrat, im Gehen einen tiefen Schluck nahm und dann sprühend losspie: "Bwuaäh! Was ist DAS DENN!", denn der Kaffee war kalt und von letzter Woche.

Man isst Joghurts mit exotischem Fruchtaroma, das sich am Ende als zu exotisch erweist, trinkt Fruchtsaft aus Tetrapacks, die den Zustand ihres Inhalts leider perfekt verbergen können, das gehört wohl dazu, und ich möchte eindringlich davor warnen, nach dem Malen die Gläser, in denen Pinsel ausgespült wurden, mit ihren durchaus appetitlich gefärbtem Inhalt einfach neben die Spüle zu stellen, so wie auch vor der Nummer mit dem Frostschutzmittel in der Limonadenflasche usw., na, Sie kennen das alles, aber bevor ich es mir hinterher vorwerfe: Rühren Sie nie, niemals Kleister in einer Schüssel an! Die Geschichte, die mir meine Oma damals erzählte, hat mich nämlich nie mehr losgelassen: Die Frau, die ihren Mann überraschen wollte, den Kleister anrührte und dann losfuhr, um Tapete zu kaufen. Der Mann, der ausnahmsweise mittags nach Hause kam und sich aufs Essen freute. Na, er hat dann wohl noch mit Zucker nachgewürzt und sich gierig sattgelöffelt, bevor er an Magenverklebung starb. Und das ist gar nicht so unrealistisch, wie jeder weiß, der sich schon mal tagelang auf Wasserhafer gefreut hat.

Andererseits waren wir zu Hause so arm, dass ich mir meine Scherzartikel selberbasteln musste. Jedenfalls die, bei denen das möglich war; Juckpulver z.B. kaufte ich nie, denn dazu brauchte man nur ein paar Hagebutten zu zerbröseln - diese kleinen Zigarettenknaller hingegen gab's nur kommerziell. Ich hatte mich schon wochenlang darauf gefreut und schließlich ein Päckchen dieser spitzen, kleinen Dreicke gekauft. Eines davon steckte ich in eine Camel, die ich der väterlichen Packung entnommen hatte, und schob sie wieder zurück. Und obwohl ich den ganzen Tag in der Wohnung verbrachte, um nichts zu verpassen, hörte ich einfach kein Knallen.

Was ich auch nicht einsah, war, für ein mit Pfeffer oder Senf gefülltes Bonbon Geld auszugeben. Das, so meinte ich, könnte man billiger haben, und so gab ich mir sehr viel Mühe damit, einem alkoholisch gefüllten Schokoladendingens ("Drei edle Wässerchen") das Kirschwasser zu entnehmen, indem ich mit einem angewärmten Nagel ein Loch hineinschmolz, den Obstler ablaufen ließ, ratlos herumlief, da ich nicht wusste, was ich nun genau hineinfüllen wollte, schließlich auf das Glas Essiggurken im Kühlschrank stieß, diesem mit einer Spritze etwas Flüssigkeit entnahm und sie in die leere Schokohülle injizierte, ein kleines Stück Schokolade erwärmte, mit diesem das Loch verschloss und es am Ende sogar noch mit etwas Kakaopulver bestäubte. Mein Vater nahm das Ding, zerbiss es, schluckte, bekam große Augen und fragte, was das denn gewesen sei. Ich war irritiert, hatte ich doch mit einem erschreckten "Waah" und aus dem Mund züngelnden Flammen gerechnet, wie man es auf den Scherzbonbonpackungen sehen konnte. Er musste sich dann hinlegen und verbrachte den Rest des Tages blass und übellaunig auf dem Sofa.

Übellaunig konnte er auch beim Fahrradreparieren werden, eine Eigenschaft übrigens, die ich geerbt habe, denn auch ich kann es nicht gut vertragen, wenn ich mir mit schwarzverschmierten Händen und langsam schmerzendem Rücken nach einer Stunde Gefummel eingestehen muss, dass die Felgenbremse immer noch nicht richtig eingestellt ist. Und etwa so war die Lage auch damals an diesem Sommertag im Garten, die Fahrräder zerlegt, die Stimmung angespannt, und als die Bremse auch beim x-ten Versuch noch schleifte, fluchte er und zündete sich erst mal eine Zigarette an.

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Mittwoch, 5. Mai 2010
Hibernate & Spring
nnier | 05. Mai 2010 | Topic In echt


Es ist Frühling draußen, daran muss man immer mal denken, die Leute haben Besseres zu tun als Blogs zu lesen: Mücken einatmen z.B., das geht derzeit hervorragend! Sogar zu Fuß. Mit dem Fahrrad ist das natürlich auch möglich; auf dem Velo ziehe ich es allerdings i.d.R. vor, einzelne Exemplare mit den ohnehin allergiegeröteten Augen gezielt einzufangen. Das funktioniert so, dass man ein konkretes Fluginsekt als Zielobjekt bestimmt und dieses dann mitten im Straßenverkehr oder auch bei einer extremen Bergabfahrt mit Kopfbewegungen, die ein oberflächlicher Beobachter für Abwehr- oder Ausweichmanöver halten mag, dergestalt zu erhaschen versucht, dass es auf möglichst komplizierte Weise unter das obere Augenlid befördert wird oder, für Fortgeschrittene, in den Bereich der Tränendrüsen bzw. ganz nach unten. Man muss dann mit den sandigen Fingern wild reiben und augenrollen und all das, bis die Leute sagen: Lass es raustränen, dann steht man erst mal da und tut ihnen den Gefallen, bis sie ungeduldig werden und sagen: Lass mich mal sehen - dann kommt garantiert: Da ist doch gar nichts, und man muss das Krabbeln also einfach noch eine Weile ertragen, bis man das überraschend widerstandsfähige, weil irgendwie chitingepanzerte Insekt lebend zu fassen bekommt, um triumphierend zu rufen: Ha! Siehst du! Wohl hab' ich es erwischt!

~

"1984" lautete der Betreff einer E-Mail, die mich kürzlich erreichte und Lesevergnügen der folgenden Art bot:

Oben genanntes Jahr war eigentlich gar kein so schlechtes. Vielleicht ein wenig wechselhaft. Zwischen Pubertät und Konfirmationsunterricht, zwischen Gazebo und Duran Duran, zwischen siebter und achter Klasse lag die EM84 in Frankreich. Und ich hatte zum letzten Mal ein Fußballbildersammelalbum.
Zur Euro. Ich hab's zwar nicht ganz voll bekommen und der Spaß kostete auch ein Heidengeld, brachte aber monatelang Freude.

Letzten Samstag klingelte ein Freund bei mir, um sich seine samstägliche Ration an Bier und Fußball abzuholen, breit grinsend, mit so einem Panini-Ding in der Hand.
Seelenruhig sah ich ihm dabei zu, wie er, mit wachsender Begeisterung, Klebebilder von manchmal bekannten, meist aber vollkommen unbekannten jungen Männern in Sportbekleidung in sein Album klebte, selten auch ein silbern glänzendes Wappen oder ein halbes Stadion.
Ende vom Lied: Ich bin zur Tankstelle und habe mir auch so eine Starter-Tüte (Album und 50 Bilder) gekauft. Nach 26 Jahren hat die Sucht mich wieder gepackt. Zukünftige Mittagspausen werde ich wohl vermehrt auf nahe gelegenen Schulhöfen verbringen müssen (schon 21 Doppelte). Hö hö.
Sie sind sicher mit mir der Ansicht, dass derartige Premiumformulierungen ein größeres Publikum verdienen und der Verfasser endlich zum Bloggertum konvertieren muss; meine Antwort leitete ich deshalb mit einer entsprechenden Ermunterung ein. War das richtig? Immerhin herrscht Krisenstimmung. Jedenfalls kam ich selbst ins Plaudern:
Nach Panini 80/81 kamen noch zwei Jahre Bundesliga, die WM España 82 mit silbernen Nationalspielern (Klaus und Thomas Allofs!) sowie das Duplo/Hanuta-Album zum nämlichen Ereignis, dann war's das - bzw. wäre es gewesen, hätte ich nicht eines Tages die Magie zerstört. Und zwar begann ich zum Ende meiner Zivildienstzeit mit meiner Liefertätigkeit für den Subunternehmer eines Göttinger Pressegrossisten. Ich belieferte also Läden mit Zeitungen und Zeitschriften und raste mit einem überladenen Kleintransporter durch die Nacht. Und holte zugleich die Remittenden ab. Diese wurden nur stichprobenartig überprüft, so dass das eine oder andere Asterix-Heft sowie ein paar Hochglanzmagazine mit interessanten Interviews (und, ich glaube, auch so nackten Frauen, aber die habe ich immer hastig überblättert) in der eigenen Tasche landeten.

Ich übertrieb es nicht wie manch anderer, der davon lebte, kistenweise wertvolles Zeug mitzunehmen, das man gut auf dem Flohmarkt veräußern konnte (ungelesene und aktuelle Walt Disney's Lustige Taschenbücher bspw. brachten durchaus etwas ein), aber dann kamen die Panini-Alben 1991 zurück und mit denen zusammen auch die Kisten mit den nicht verkauften Klebern. Nun musst du wissen, dass ich mal Zeuge einer Orgie geworden war, als Mitschüler XY seiner Mutter Geld gestohlen und einen ganzen Karton mit 100 Tüten gekauft hatte. Von sowas hatte ich nächtelang geträumt, konnte aber nur ein paar Tüten pro Woche kaufen. Und nun kam der da an mit seiner Kiste. Natürlich haben die asozialeren meiner Mitschüler ihm die Bildchen auch wieder geklaut, aber das ist eine andere Geschichte. Es blieb dennoch der fassungslose Eindruck angesichts der Aufklebermassen auf seinem Tisch.

1991 also nahm ich mir anderthalb Kisten mit. Ich riss fließbandmäßig die Tütchen auf, ordnete die Kleber in Zehnergruppen nach Nummern, hatte die Sammlung komplett und klebte von Nr. 1 bis Nr. 350 (oder so) alles der Reihe nach ein. Nach einer Stunde war ich fertig. Und es blieb nichts als ein schales Gefühl.
So wird das natürlich nichts. Es kommt kein Tablettcomputer und nicht mal ein aktuelles Mobiltelefon drin vor.

~

Frühling-Shmühling. Der Januar zieht sich hin dieses Jahr.

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Montag, 3. Mai 2010
Schleifenläufer
nnier | 03. Mai 2010 | Topic In echt


Lassen Sie sich von den Bildern nicht ablenken. Seit ich mich mal darüber informierte, wie man möglichst unverständlichen bzw., na, wie übersetze ich jetzt unmaintainable, das klingt doch alles etwas unrund, na gut: nicht wartbaren Programmcode schreibt, fühlte ich mich in meiner Auffassung bestätigt - Moment, hier, Nr. 18 aus dem Kapitel Naming:
Choose variable names with irrelevant emotional connotation, e. g.:

marypoppins = ( superman + starship ) / god;

This confuses the reader because they have difficulty disassociating the emotional connotations of the words from the logic they’re trying to think about.
Und auch wenn ich stets ein Verfechter der konservativen Auffassung war, dass Schleifenläufer nun mal i, j und k heißen, langweilten mich andererseits Codezeilen wie
Kunde kunde = new Kunde();
doch aufs furchtbarste. Zum Glück war ich nicht alleine, damals, im Raucherbüro, wo den ganzen Tag lang Bremen eins aus dem vergilbten Radiowecker klang, schalten Sie doch kurz rein, es ist immer noch dasselbe, ich hab's gerade überprüft, der Schall musste sich den Weg durch die Rauchschwaden auch erst freikämpfen, und obgleich ich ihn durch die dichten Qualmwolken an manchen Tagen optisch nur schemenhaft wahrnehmen konnte, war ich stets gewiss, dass mir gegenüber noch der gute Kollege saß, denn erstens sprach man alle halbe Stunde so etwas wie "Schoiße. Eine Schoiße, das alles.", woraufhin es auf der Gegenseite zustimmend brummte, zweitens kommentierte man unisono das Radioprogramm ("Hö hö. Die Monkees. Hö. Hö."), und drittens gab es sonst niemanden, an den man sich so vertrauensvoll mit inhaltlichen Fragen wenden konnte ("Wenn ich diese verwichste innere Klasse in dem Dreckskonstruktor der leprösen äußeren Klasse mit diesem heruntergewirtschafteten static-Element, ach, Schoiße." - "Zeig mal her den Dreck. Ich würde sagen, du sammelst die Elemente erst mal in einem beschissenen Vector, dann negerst du die der Reihe nach durch, rotzt die Treffer in einen anderen Dreckscontainer und wichst den dann in deine andere Klasse rüber. Lass uns mal eine rauchen.")



So kam es, dass Variablen gerne auch mal fist oder juergendrews hießen. Wenn ich jetzt nur noch wüsste, warum ich Ihnen das erzähle! Es sollte in diesem Beitrag eigentlich um etwas anderes gehen. Ich versuche es die Tage noch mal.

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Montag, 3. Mai 2010
1200
nnier | 03. Mai 2010 | Topic In echt


Oder: Was sind schon so ein paar Kilometer.

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Dienstag, 27. April 2010
Der Bäcker
nnier | 27. April 2010 | Topic In echt
Wollte nie in meinem Leben was anderes sein
Und außerdem fiel mir auch gar nichts Bessres ein
(Mike Krüger)
"Das wäre richtig komisch, wenn in meiner Klasse jemand Thomas heißen würde!", wurde mir neulich mitgeteilt, und wieder einmal musste ich mir klarmachen, dass die Zeiten der Stefans, Andreasse, Thorstens, Franks, Martins und eben Thomasse tatsächlich lange zurückliegen. Damals aber hießen sie alle so. In meiner Nachbarschaft lebten zwei davon, und in meiner Klasse gab es gleich vier, die deshalb meistens nur mit Nachnamen gerufen wurden.

Einer davon war groß und rothaarig. Im Sportunterricht lobte der Lehrer ihn, er sei ein echter Allrounder, er beherrsche jede Form der Leichtathletik, sei ein sehr guter Schwimmer und auch bei den Ballspielen immer gut dabei. Einmal lud er mich zu seinem Geburtstag ein. Ich war einer von nur zwei Gästen, und als er mir öffnete, stand ihm der Angstschweiß auf der Stirn. Wortlos deutete er auf seine Zimmertür, wir schlichen hinein, in der Küche saß der Vater im Unterhemd, man versuchte sich absolut still zu verhalten und nichts falsch zu machen, es gab Kuchen und Kakao, und nach einer Viertelstunde im Zimmer rief es aus der Küche: "Was macht ihr für einen Lärm, man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr, ha!, ha!", und man bemerkte die Erleichterung, die sich auf seinen Zügen ausbreitete, nachdem er heftig zusammengezuckt war. Auf Zehenspitzen schlichen wir hinaus und gingen ins Kino.

Als er mich mal besuchte, aß er pausenlos. Beim Mittagessen nahm er mehrmals nach, ging zwischendurch immer wieder in die Küche, um sich Brote zu machen, langte beim Abendessen zu und fragte mich beim Weggehen, ob er noch so eine Tüte Haselnusskerne mitnehmen könne.

Er war der einzige aus meiner Klasse, der schon früh wusste, welchen Beruf er erlernen wollte. Als es in der neunten Klasse darum ging, ein Praktikum zu absolvieren, freute er sich schon wochenlang darauf, in einer Bäckerei arbeiten zu können. Während andere also rumheulten, dass sie pünktlich um 7:00 zum Dienst erscheinen mussten, begann sein Arbeitstag viele Stunden früher, und als man sich nach drei Wochen wieder in der Schule zusammenfand, berichtete er fröhlich, wie viel Spaß ihm diese Arbeit gemacht habe und dass er es kaum erwarten könne, nach der zehnten Klasse mit dem dann erreichten Haupt- oder Realschulabschluss die Schule verlassen und eine Bäckerlehre beginnen zu können. Um diese Sicherheit und das klare Ziel beneidete ich ihn.

Die Klasse teilte sich dann ungefähr zur Hälfte in diejenigen, die nach dem zehnten Schuljahr die Schule verließen und die, die in die Oberstufe wechselten. Nach der Abschlussfeier kamen die großen Ferien, einiges wurde anders, in der Oberstufe ging man in die Cafeteria statt zum Hausmeister, man trug plötzlich Rucksäcke oder schicke Ledertaschen, und nach einigen Monaten begegnete ich ihm auf der Straße. Er fuhr mit einem Fahrrad und hatte eine Leiter über der Schulter. Am Lenker hing ein Eimer. "Ich mach jetzt Maler und Lackierer. Mehlallergie.", sagte er.

Ein Jahr später, ich hatte mich mit einigen der ehemaligen Mitschüler abends in der Stadt verabredet, tauchte er als letzter auf und sagte: "Ihr müsst mir das aber ausgeben, ich habe nix."

Es ist noch nicht lange her, da fragte mich ein guter Freund, ob ich mich noch an den einen Thomas erinnerte. Der habe da vor dem Bahnhof gesessen, er habe ihn schon öfter gesehen und sei sich nicht sicher gewesen, habe ihn jetzt aber angesprochen. Schlimme Geschichten habe der erzählt von Leuten, die hinter ihm her seien, doch, klar, er wisse, wer der andere sei, damals, die Schule, und erst habe das alles noch ganz normal geklungen, dann sei sein Blick aber feindselig und paranoid geworden, er habe ihn beschuldigt, auch "zu denen" zu gehören und so weiter.

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Montag, 26. April 2010
Zur Melodie von "Vamos a la playa"
nnier | 26. April 2010 | Topic In echt
Meine eigentliche Fußballbegeisterung lebe ich inzwischen am Rande eines Spielfeldes aus, das mit Hütchen abgegrenzt wird. Die kurze Seite eines "echten" Platzes dient hier als lange, man trägt vor Spielbeginn zwei Aluminiumtore an ihren Platz (abmessen muss man nicht - einfach dorthin, wo der Rasen einem durchgepflügten Acker gleicht), bringt sich einen Klappstuhl mit, den man vor lauter Aufregung nicht nutzt, sondern läuft an der Außenlinie entlang und feuert an, man unterdrückt den fast überwältigenden Impuls, ins Spiel einzugreifen, wenn der Ball auf einen zurollt, man gießt anderen Eltern Kaffee ein und nimmt das dritte Apfelmuffin entgegen, und wenn nach tapferem Kampf gegen körperlich übermächtige Gegnerinnen doch nur ein 5:8 herausspringt, freut man sich trotzdem über die immer besser werdenden Spielzüge, die man da gesehen hat und weiß genau, dass in den nächsten Jahren noch viel Spaß auf einen wartet.

Im Stadion war ich seit Jahren nicht mehr (so etwas zählt nicht); aber zu den schöneren Momenten der schlimmen DixiedörnerAaddemosSidkaMagathjahre (natürlich gab ich meine Dauerkarte pünktlich vor der Doublesaision 2003/2004 zurück) gehörte dieser wirklich schöne Fangesang:

Bruno Labbadia - oh - ohohoho!
Bruno Labbadia - oh - ohohoho!


Heute also Ohrwurmtag.

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Freitag, 23. April 2010
Heute zwei Arbeitsunfälle
nnier | 23. April 2010 | Topic In echt
Meine Bartstoppeln sind inzwischen so lang, dass sie sich zwischen Ringfinger und Fingerring verklemmen, wenn ich wieder diese resignierte typische Arbeitshaltung vor dem Bildschirm einnehme. Aua. Aua!

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Mittwoch, 21. April 2010
Erschöpfwerk
nnier | 21. April 2010 | Topic In echt












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Donnerstag, 15. April 2010
Der nnier hat sich ja wieder fleißig Notizen gemacht!
nnier | 15. April 2010 | Topic In echt






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Dienstag, 13. April 2010
Gnap! Gnap! Mjam!
nnier | 13. April 2010 | Topic In echt
Ihnen ist bestimmt damals auch aufgefallen, wie komisch die Brote in den Fix-und-Foxi-Geschichten aussahen. Das waren keine Stullen, wie ich sie bis dahin je gesehen hatte, noch auf meinen weiten Reisen jemals sehen würde. Wie Badeschwämme sahen sie aus, groß, rechteckig, dick, grobporig, gelb.

Noch heute kann ich kein Asterix-Heft lesen, ohne einen unbändigen Appetit auf knusprig gebratene Fleischmassen zu entwickeln, noch heute muss ich bloß an Petzi denken, schon schmilzt die Butter in der Pfanne, während ich eilig eine große Schüssel Teig anrühre (Tipp von Harald Schmidt: Ein wenig kohlensäurehaltiges Mineralwasser hineingeben). Und wenn ich Donald und Dagobert am Lagerfeuer sitzen sehe, die Schnäbel in ungewohnter Weise länglich nach vorne gespitzt und in einer runden Öffnung mündend, die Backen voll, ein Anblick, über den ich immer wieder lachen muss, dann würde ich mich nur zu gerne selbst einladen und dazusetzen, selbst wenn es nur eine Dose Spinat ist, die da vertilgt wird, und nicht die in diesem Kontext etwas makaber anmutende Geflügelkeule.

Der Reiz-Reaktions-Mechanismus funktioniert in dieser Richtung bei mir also tadellos; dass das auch andersherum der Fall ist, habe ich gestern abend erfahren.

Ich saß da so vor mich hin und aß eines meiner geliebten Roggenmischbrote mit Butter und dem kostbaren Götterstoff. Dieser wird in meiner Heimat produziert und ist so grobkörnig-aromatisch, dass einem die Tränen kommen. Natürlich steht auch in unserer Küche so ein rechteckiger 500-g-Karton für 19 Cent, denn fürs Nudelwasser ist das Zeug dann doch zu schade. Außerdem habe ich im letzten Winter ausgerechnet, dass der Eimer Streusalz entschieden überteuert war, den ich aufgrund der dicken Eisschollen dann doch mal besorgt hatte; normales Speisesalz vom Discounter ist, das auch als Tipp an die Kommunalverwaltung, preisgünstiger, und auch im Januarpermafrost gab es keinerlei Lieferengpässe.

Für solche Zwecke ist das hocharomatische weiße Gold, dessen Entdecker man täglich preisen will und der doch so tragisch pleite ging, der Stoff, den man ehrfürchtig aufs Frühstücksei oder eben auf ein frisches Butterbrot streut, viel zu schade, auch wenn ich mich erinnere, dass man bei der Saline auch so profane Dinge wie Spülmaschinen- oder eben Streusalz erwerben konnte. Dass man Teile der wertvollen Ernte aus dem Industriedenkmal tatsächlich vergällt, um eine Nutzung als Speisesalz zu verhindern, halte ich dann auch für einen schlimmen Frevel.



Knackend zerbiss ich also am gestrigen Abend die herrlichen Kristalle, als ich bei meiner abendlichen Zeitungslektüre auf diesen Artikel stieß. Wissend lächelte ich in mich hinein, bestrich die nächste Scheibe mit Butter, biss hinein und sprach: "Gnap! Gnap! Mjam!", denn das war es, worüber ich schon als Kind so furchtbar lachen musste, als ich die Kauka-Figur in den appetitlichen, gelben Badeschwamm beißen sah.

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