Ich habe ein altes Kinderbett zusammengekloppt, eines von diesen halbhohen, unter die man kleine Schränkchen oder einen Kindertisch stellen kann. Vor Ewigkeiten hatte mein Nachbar das Bett in Einzelteilen nach draußen getragen, es war ein Sommertag und man wusste nicht recht, ob es sich um einen beginnenden Sperrmüll handelte, denn einerseits waren seine Kinder schon viel zu groß für so ein Bett, andererseits aber behandelte er die Teile doch überaus pfleglich und lehnte sie vorsichtig gegen seinen Zaun. Als er mich herübergucken sah, meinte er: Fällt mir schwer, das einfach wegzuschmeißen, aber die Kinder haben neue Betten, nun braucht es niemand mehr, weißt du jemanden, der es haben will?
Ich überlegte kurz, antwortete dann: Glaube schon, dass ich das jemandem geben kann, packte die Teile, trug sie in den Keller und ließ sie dort stehen, denn natürlich wollte niemand so ein gebrauchtes Kinderbett haben. Eines Tages aber bot es sich an, das Bett im eigenen Haushalt wieder aufzubauen, ich verstärkte einen kleinen Holzspalt mit einem Flacheisen und schraubte eine zusätzliche Querverstrebung darunter, ansonsten war das Bett tadellos stabil und das Kind schlief und spielte und tobte jahrelang gut darauf.
Nach etlichen Jahren, ungefähr zu der Zeit, als das Zimmer farblich umgestaltet wurde und die Zeit der Pferdeposter begann, als die rosa Lampe mit den Plüschbommeln abgehängt und durch eine weiße mit klarer Silhouette ersetzt wurde, als ein neuer Schreibtisch aufgestellt wurde und die Fensterbilder abgeschabt, stellte sich auch die Frage nach der künftigen Schlafstatt. Ich hatte vieles mit Bordmitteln bestritten, für den Schreibtisch eine günstig erstandene Platte auf vier noch vorhandene Metallbeine geschraubt, auf den schlichten weißen Schrank zwei schicke Griffe gesetzt, gut aussehen sollte es und nicht zuviel kosten, das Kind war auf Klassenfahrt und würde sich, so hoffte ich, über das renovierte Zimmer freuen, bloß das alte Kinderbett mit seinem ewigen Kiefernholz wollte sich nicht recht fügen. Außerdem: Wirkte die Umrandung nicht doch etwas locker? Außerdem: Hatte ich es nicht umsonst bekommen? Außerdem: Hatte es nicht lange genug Dienst getan?
Beim Möbelgiganten betrachtete ich die Betten, sah dann die Stoffe, kaufte ein paar Meter und fuhr mit dem Ballen nach Hause. Die Bettumrandung fixierte ich mit einem weiteren Flacheisen, dann schnitt ich den Stoffballen in Streifen und tackerte diese um fast alle sichtbaren Holzteile.
Der Ausruf "Geiiil!" kurz nach dem Ende der Klassenfahrt entschädigte für alle Mühen, und auch das Bett (damaliger Herzenswunsch nämlich: Ein Himmelbett) wurde freudig beäugt, denn: Das ist eigentlich viel besser so, ich spiele da immer noch so gerne mit meinen Freundinnen drunter und mag es, so hoch zu liegen!
Weitere Jahre vergingen, statt Wichtelgeschichten und Pippi Langstrumpf wurde nun Harry Potter gelesen und Krabat, und beim Gutenachtsagen konnte ich immer noch in rückenschonender Haltung neben dem Bett stehen, das halbhoch war.
"Ich hätte jetzt doch gerne mal ein neues Bett", hieß es irgendwann, und wir fuhren zum Möbelgiganten und kauften ein schickes neues, wirklich praktisches, bei Bedarf lässt sich eine zweite Matratze in einem Rollkasten herausziehen, deshalb ist es immer noch etwas höher als mein eigenes, nicht halb-, aber vielleicht viertelhoch, und das Zimmer sieht wieder etwas weniger nach Kind aus. Aber zuerst musste ich das alte Bett abbauen.
Es war nach der langen Nutzung kein Schmuckstück mehr, mein draufgetackerter Stoff begann sich abzulösen, die Flacheisen (bis dahin an der Wandseite und damit unsichtbar) waren auch keine Zierde, außerdem kenne ich niemanden, der gerade ein Kinderbett braucht. Deshalb gehörte das Bett nun endgültig auf den Müll, entschied ich, wollte es auseinanderschrauben, der Akkuschrauber jedoch war wie üblich kaum geladen und machte nach wenigen Umdrehungen schlapp, ich schluckte kurz und begann, das Bett mit Gewalt zu zerlegen.
Ich schob, drückte, zerrte, erwartete Splittern, erwartete Knirschen - doch nichts schien zu helfen, das Bett war massiv und stabil und erst nach einer guten halben Stunde schweißtreibender Arbeit so weit zerkleinert, dass die einzelnen Teile durch die Tür passten und ich sie vors Haus werfen konnte, wo sie einen Haufen bildeten, dessen Anblick mich betrübte. Es waren schöne, stabile, an den Kanten abgerundete Holzteile, die man da liegen sah, hier ein wenig ausgeblichen und dort mit Stoff betackert, aber insgesamt so wertvoll aussehend, dass man am liebsten in eine Holzwerkstatt gegangen wäre damit, man hätte eine Leiter daraus bauen können oder ein Regal, vielleicht auch schöne, große Bauklötze zuschneiden, und dass ich die Teile statt dessen zur Mülldeponie brachte und in einen großen Container schmiss, geschah hauptsächlich, um es endlich hinter mich zu bringen.
Das Holzdach ist vor einiger Zeit neu gedeckt worden, die alten Schindeln waren 35 Jahre alt. Sie liegen seither im Lagerraum, man kann sich so ein paar Bretter nach oben holen und sie in den Herd schieben, dann ist es schön warm den ganzen Tag, warmes Wasser hat man auch, und wenn man sich etwas kochen will, stellt man die Pfanne einfach dazu.
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Als Jugendlicher bekam ich von meinem Großvater eine Spiegelreflexkamera geschenkt. Es war eine Praktica, sie stammte mithin aus der DDR, und er selbst hatte sie viele Jahre zuvor als Gebrauchtgerät von einem Arbeitskollegen erstanden. Die Ausstattung war beachtlich, so gab es diverse aufzuschraubende Objektive - ich hatte zwei normale sowie ein Weitwinkelobjektiv dazubekommen -, einen Distanzring, den man zwischen Fotoapparat und Objektiv schraubte und der aufgrund veränderter Brennweite grandiose Makroaufnahmen ermöglichte, sowie diverse Filter, von denen ich nie so recht wusste, wozu sie dienten.
Viel zu erklären gab es nicht, die Fotozelle womöglich, die die Lichtstärke maß und einem dabei half, eine anständige Kombination aus Blendenöffnung und Verschlusszeit zu wählen, aber eigentlich tat der Apparat das, was er sollte, nämlich: Bilder machen, und das wirklich gut.
Mein Opa war ein eifriger Fotograf, der schon früh jeden Urlaub dokumentierte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen, die ich kannte, fotografierte er fast ausschließlich mit Diafilmen. Und während ich über die vielen Revue-Diaboxen staunte, die sich da angesammelt hatten, erfuhr ich, dass die kleinen Bilder in ihren Rähmchen tatsächlich der entwickelte und zerschnittene Film waren, also das, was ich normalerweise als Negativstreifen in der Bildertasche vorfand.
Das alles war ein teures Hobby, und als sparsamer Mensch erklärte er mir, wie er aus einem 36er Film mindestens zwei oder drei Dias mehr herausholen konnte: Erstens stellte er den Abstand zwischen den einzelnen Bildern auf dem Film so knapp wie nur irgend möglich ein, so dass diese praktisch aneinanderstießen, zweitens spannte er den Film ebenso knapp ein, gerade mal die ersten Zähne der Wickelspule mussten greifen, schon konnte die Kamera geschlossen und drauflosfotografiert werden.
Diese Angewohnheit habe ich übernommen, auch wenn der Kaufpreis der Filmrolle bei den normalen Negativfilmen ja der geringste Faktor war. Mit dem Daumen am Hebel spürte ich genau, wie der Film weitertransportiert wurde, und über die "mehr" herausgeholten Bilder am Ende freute ich mich jedes Mal diebisch, obwohl ich die Papierfotos ohnehin pro Abzug bezahlen musste. Und auch als ich irgendwann einer batterienfressenden F50 vieles überließ, das ich vorher selber einstellen musste: Das Filmeinlegen handhabte ich wie eh und je, und wenn die 37 und vielleicht noch die 38 im Display erschien, bevor der automatische Rückspulmechanismus einsetzte, hatte ich ein wenig das Gefühl, den Mächtigen in der Welt ein Schnippchen zu schlagen.
Als alle längst digital fotografierten, rannte ich weiter mit der ollen Spiegelreflex herum, mir waren die grobpixeligen und schlecht belichteten Abzüge ein Graus, die plötzlich, Farbkopien gleich, an den Wänden hingen, und auch nachdem ich selber so ein praktisches, kleines Taschendings besaß, nahm ich immer wieder mal das alte Analoggerät zur Hand, nicht zuletzt aus einem Gefühl des Misstrauens gegenüber der Datenflüchtigkeit heraus: So ein Negativstreifen, der mag farbstichig werden mit der Zeit, aber er ist nach 30 Jahren immer noch da, wohingegen die Mega- und Gigabytes immer wieder neu archiviert und umkopiert sein wollen, auf immer dichtere Speichermedien, dabei stets mit dem Risiko eines Totalverlusts. So fuhr ich also eine Doppelstrategie, die digitalen Fotos für den Alltag und das schnelle Herumknipsen, aber immer wieder ein paar analoge Aufnahmen zwischendurch, damit nicht plötzlich ganze Jahre verschwinden können.
Es war eine schöne, aber auch anstrengende Wanderung im Harz, bergauf und bergab und querfeldein, als ich vor einigen Jahren wieder einmal die F50 mitschleppte, ich lief hintendrein und rannte dann wieder voraus, bleibt mal kurz stehen!, wartet mal!, lasst uns noch mal zurückgehen!, ich wollte an diesem Tag einen ganzen Film verschießen und suchte die ungewöhnlichen Perspektiven, bückte mich hier, kletterte dort hoch, bald wäre der Film voll, da kommt die 36, Moment!, hier noch eins!, die 37, er spult noch nicht, also hier vorne bitte!, die 38, und es meldete sich ganz entfernt ein grausiges Gefühl. Ich knipste weiter, die 39 erschien, ich löste erneut aus: Die 40, und an diesem Tag sollte sich die Knauserei rächen. Der Film war zu knapp eingespannt, er hatte überhaupt nicht transportiert. Ich war im Innersten getroffen und starrte für den Rest der Wanderung nur noch stumm vor mich hin.
Seither habe ich nur noch wenige analoge Fotos gemacht, die digitalen Apparate werden besser, und selbst mit meiner kleinen Kompaktkamera kann ich Motive schießen, die sich problemlos auf Posterformat vergrößern lassen. Zuletzt habe ich die große analoge deshalb auch nicht mehr mit in den Urlaub genommen und mich an die kleine, allzeit bereite Digitalkamera in der Hosentasche gewöhnt, mit der man nahezu unbegrenzt drauflosknipsen kann: Was ist schon so eine Speicherkarte, briefmarkengroß nur und bietet doch Platz für über 1000 Fotos.
Schon wieder über 600 Bilder, sieht man eines Tages im Display, da waren ja auch die tollen Motive da und dort und überhaupt dabei, gleich heute abend also: Unbedingt die Speicherkarte wechseln! Sonst wäre der Verlust zu groß!, denkt man, bevor man wieder vorausrennt und dann hinterdreinmarschiert, Bilder macht, an diesem hohen Berg, bleibt mal kurz stehen, jetzt noch diese Blume und diese -
und die Kamera reagiert nicht mehr und ein böses Wort erscheint im Display.
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Aber wie das so ist, erst ist Weihnachten, dann plötzlich Sommer, und kurz vor der Urlaubszeit beginnt der Auspuff mit solchem Nachdruck zu pöttern, dass man am liebsten erst mal vor der Waldorfschule vorbeicruisen würde oder schön sonor am Biosupermarkt entlang. Ein unfachmännischer Blick unters Auto bestätigt: Der braune Bruder hat sich's entlang des Hosenrohres bequem gemacht und in wilder Leidenschaft zugebissen, wer kennt das nicht. Und in diesem Moment fällt einem alles wieder ein, der Katalysator, und da soll es doch so einen Zuschuss beim Kauf geben, forschen wir doch mal nach, die gelbe Plakette muss man dann ja gar nicht einkleben.
Heraus stellt sich, Schmunzler eins, dass die Steuerlast sich nahezu halbiert, womit man, Schmunzler zwei, das Gerät bei rechtzeitigem Einbau längst gegenfinanziert gehabt hätte, sowie dass, Schmunzler drei, der Förderzuschuss just vor ein paar Monaten ausgelaufen ist. Yeah.
Fahrt mal schön mit euren Elektromobilen zum Biomarkt, der Dreck bleibt ja in China oder jedenfalls außerhalb der Trallalazone, deren Wirksamkeit zwar nicht erwiesen ist, aber so ist das nun mal in diesen entfremdeten Zeiten: "Die Umweltbehörde geht davon aus, dass die EU eine Abschaffung der Umweltzone ohne Alternative und zum jetzigen Zeitpunkt als Vertragsverletzung mit bis zu 250000 Euro am Tag bestrafen würde." Na, das ist ein Grund! Und das Ministerium für Wahrheit wird eines Tages auch mir mit sanftem Nachdruck erklären, dessen bin ich sicher, dass es alternativlos nachhaltig ist, funktionierende Autos, die man noch mit einfachen Mitteln reparieren kann, nach Afrika zu entsorgen, weil sich die totale Umweltzone europaweit ausgebreitet hat. Im Schein der Engergiesparlampe werde ich den großen grünen Bruder umarmen. Bis dahin lasse ich heimlich im Keller die 100-Watt-Lampe brennen.
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Man fahre dann "mal eben" vor der Arbeit zum Zollamt und lasse sich zeigen, was eine Harke ist: Nach Durchquerung der Tür befindet man sich nämlich in einer Fernsehserie, die das, hm, "Leben" kann man es ja nicht nennen, sagen wir: das Dasein in einer Amtsstube der 70er Jahre persifliert, nein, genauer: Eine Parodie auf die üblichen Beamtenwitze liefert - so wie eine Zeichnung von Rattelschneck mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt, ja auch etwas anderes ist als ein Witzbildchen aus den 60ern mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt. Schon die Einrichtung ist perfekt getroffen, mancher würde sicherlich sagen: Reichlich überspitzt dargestellt, an die gilbende Wand geklebte alte Ausgaben von MediZini, tanngrün filzgepolsterte Metallstühle, auch diese merkwürdige braun-beige-olive Farblosigkeit aus alten Derrick-Folgen wird erstaunlich effektiv eingesetzt, und beim Betreten des Zimmers 5a bekommt man feuchte Hände, da man zwar ein paar Mal geklopft, aber keine Antwort erhalten und schließlich einfach so die Tür geöffnet hat.
Drinnen ein richtig alter Nussbaumtresen mit Klappdurchgang, man steht und räuspert sich, schließlich kommt ein farblos olivbraunbeiger Herr zur anderen Tür herein und nimmt das Schriftstück entgegen. Er verschwindet sogleich, so dass man genügend Muße hat, die uralten Bürowitzpostkarten vom Format "Wunder dauern etwas länger" zu studieren, kommt nach geraumer Zeit wieder und trägt einen versiegelten Sack mit sich, den er bedeutungsvoll auf den Tresen legt.
"Die Rechnung muss da eigentlich drin sein", murmelt man, während Oliver Braun das Siegel bricht, nur um gleich darauf festzustellen, dass der Versandkarton längst offen ist und die Rechnung unübersehbar obenauf liegt.
"Audio-CDs, aha. Da müssen wir einen Zollantrag stellen", spricht Olivia Beigeton-Grün und geht ein Formular holen, das man dann gemeinsam ausfüllt. Gut, denkt man, das hat alles etwas gedauert, aber nun holt er seinen Taschenrechner hervor, er wird noch schnell den Zollwert berechnen und du zahlst und kommst noch halbwegs rechtzeitig zur Arbeit.
Hahahahaha.
"Bitte nehmen Sie draußen Platz, es wird dann jemand kommen und Ihnen Ihre Sachen geben", wird man aufgefordert, geht etwas verblüfft in eine Art Wartezimmer zurück und hat nun ausreichend Zeit, die alten MediZini-Poster zu studieren. Erstaunlich, welche Tierarten alle im Gebüsch leben! Und wie der Herz-Lungen-Kreislauf funktioniert! Die allgemeinen Zollbestimmungen sind auch gar nicht so uninteressant, die paar Seiten liest man ratztfatz weg, während gelegentliche Neuankömmlinge an der Tür von Zimmer 5a klopfen, zögern, klopfen, keine Antwort erhalten und dann vorsichtig trotzdem die Tür öffnen.
"So", kommt die Beigebraunsche Molekularbewegung ganz unerwartet aus seinem Zimmer heraus, und instinktiv wendet man sich ihm zu und freut sich auf sein Paket, aber er hatte doch gesagt: Es kommt jemand, da meint er doch sicher nicht sich selber - und tatsächlich, er bittet den nächsten Abholer herein, so dass man noch ein Weilchen herumsteht, bis jemand durch die andere Tür tritt und man - fast wie beim Arzt - namentlich aufgerufen wird. Kurz wundert man sich, dass der Aufrufer kein Paket in der Hand hält, er aber ist offensichtlich nur dazu da, den Besucher durch braunbeigeolive Flure vor ein anderes Zimmer zu führen, ihm einen zweiseitigen Formularausdruck auszuhändigen und zu bedeuten, man möge hier warten, bis man aufgerufen werde.
Spätestens jetzt muss man das Grinsen unterdrücken, zumal man durch die geöffnete Tür gleich drei Menschen bei der, nun ja, Arbeit beobachten kann, die sich so gestaltet, wie man sich es in einer Parodie auf eine lustige Beamtenserie der 70er Jahre vorstellt, und dabei hat mindestens einer der Mitarbeiter die 70er Jahre garantiert nicht mehr miterlebt. Aber das steht man auch noch durch, man beherrscht sich gefälligst und macht ein angemessen staatstragendes Gesicht, wenn schließlich ein farblosbeiger junger Mann aus der Tür tritt und hineinbittet. Auch hier wieder der Klapptresen, darauf ein hoheitlich aussehendes Dokument mit einem zu zahlenden Endbetrag, den man freudig entrichtet, draußen dann dieser Time-Tunnel-Effekt - kein Wunder, dass man falsch abbiegt, es sollen schon Leute ihr Zieljahrzehnt verpasst haben!
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Vanille
Erdbeer
Nuss
Zitrone
Banane
Himbeer
Kugel 50 Pf. / Spaghetti-Eis 2,50 DM
"Wie - du willst kein Eis!?" Mein Opa war fassungslos, aber ich war tatsächlich nie so scharf auf diese Kaltspeise wie offensichtlich alle anderen Menschen. Manchmal wurde ich ins Eiscafé eingeladen, dann bestellte ich freudig Bananen-Split oder den Nussbecher, musste am Ende aber regelmäßig kämpfen, um die fiese Soße aus geschmolzenem Eis und dem hineingerührten Berg Sahne noch irgendwie herunterzubekommen. Und während an den anderen Tischen unfassbare Mengen bunter Eisspeisen vertilgt wurden, freute ich mich am meisten über die kleinen Papierschirmchen.
Natürlich war ich ein dünner Hering, der am liebsten Gurkensalat aß und viele "gehaltvolle" Speisen nicht mochte. Aber dass ich nun auch noch das angebotene Eis verschmähte, konnte er nicht begreifen, und überhaupt, dass ich immer so viel renne!, ich solle doch mal langsamer gehen, damit es mal ein wenig ansetzen kann.
Ich hatte dabei nie etwas gegen ein kleines Mini-Milk einzuwenden, auch ein Nogger oder Domino lasse ich mir zweimal im Jahr gefallen, aber schon die vielgepriesenen Ich und mein Magnums schlugen mir nicht nur der Reklame wegen auf den Magen - dieses "Ich regrediere mit dem asexuellen Partner auf dem Sofa herum und lutsche ein fettes Eis" war ja unerträglich -, sondern auch die ekelhaft süße Bourbonvanille war mir deutlich zu penetrant und wurde durch die halbe Tafel Schokolade, die man gezwungenermaßen in Form der viel zu dicken Hülle mitessen musste, geradezu widerlich. Wohl auch deshalb wirkt die Werbung für eine dieser mörderischen Eissorten, die in 500-Gramm-Bechern angeboten werden, auf mich nichts als abstoßend: "Unser Rezept: Von allem zuviel", steht auf den Plakaten, und ich wende mich mit Grausen. Welches nur noch übertroffen wird, wenn ich die knallbunten, in gefrorene Trägermasse hineingeschredderten Smartie- und sonstigen Perversionen sehe, die beim Burgerbrater das Kalorienerlebnis erst richtig rund machen sollen.
Mein Glück ist, dass ich im Einzugsgebiet einer wirklich hervorragenden Eisdiele lebe. Sie wird, wie es sich gehört, von Italienern betrieben, ist stets gut besucht, man bekommt im Sommer kaum einen Sitzplatz, es gibt locker 30 oder 40 Sorten Eis, die oft aus frischen Zutaten hergestellt werden, und mich muss das alles nicht interessieren, denn ich möchte ja nur eine Waffel auf die Hand, und diese bitte mit Nuss und Schokolade.
Manchmal experimentiere ich ein wenig herum, dann nehme ich statt Nuss auch mal Pistazie - aber fast immer bereue ich es, weiß ich doch, dass nichts über diese beiden Wintersorten geht, denn, so wurde ich einst belehrt, was ich da bestellte, das sei Wintereis, im Sommer könne man doch kein Schokoladeneis essen, da brauche es frische, fruchtige, leichte Sorten wie z.B. Zitrone oder Himbeere.
Ich habe das dann mal probiert, und, sicher, das ist ein schöner, frischer, fruchtiger Geschmack, gerade auch die selbstgemachten Sorten mit frischen Pfirsichen zum Beispiel, die preise ich Besuchern gegenüber stets an, doch selber bestelle ich, da hilft alles nichts, Nuss und Schokolade, und es ist eine Kunst, diese Allerweltssorten so herzustellen, dass sie nicht langweilig schmecken, sondern wertig und voll und zuverlässig und nachhaltig.*
"Spaghetti-Eis, igitt!, Das muss ja ekelhaft schmecken!", empörte sich ein Mitschüler, verzog angewidert das Gesicht und fügte hinzu: "Und dann auch noch so teuer!"
Die Vorstellung, dass er dabei an eine Kugel dachte, die nach kalten Nudeln schmeckt, erfreut mich noch heute. Und das mit dem Ansetzen hat inzwischen geklappt.
(Mit einem Gruß an diese nette Linksammlung)
--
*Was dieses Wort heißen soll, weiß ohnehin niemand, aber es hört sich immer gut an.
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Früher, so erzählen meine Eltern, war es einfach das Kinderspiel, ich höre dann von Schussern und Klickern, von Tonern und Glasern und wie man sich gegenseitig die Murmeln abluchste. Zwar war das bei mir selber und meinen Freunden schon weniger der Fall - wir bauten eher Murmelbahnen, als die Kugeln um die Wette in kleine Löcher zu stupsen - aber dass man im Kinderzimmer eine Ladung Murmeln hatte, war gar keine Frage.
Seit einigen Monaten ist das Murmelfieber ausgebrochen. Ein liebes Kind kam nach den Osterferien von den Großeltern zurück und brachte ein paar handgefertigte und prall gefüllte Murmelsäckchen mit. Dazu gab es eine kleine Edelstahlpflanzschaufel, mit der sich ganz hervorragend faustgroße Löcher stechen lassen. Seither wird gespielt.
Ja, ja, werden Sie sagen, diese armen Kinder, müssen Beatles hören und kriegen nur alte Comics vor die Nase plus genau diejenigen Kinderbücher, die der nnier selber gut fand, am Ende "dürfen" sie noch Kimba gucken oder Timm Thaler, und jetzt müssen sie mit Murmeln spielen.
Wer wäre ich, Ihnen da zu widersprechen?
Man steckt doch selber viel zu tief drin, man kann sich ja durchanalysieren bis dorthinaus, trotzdem hat man seine blinden Flecken, und wenn man noch so oft betont, bitte, du darfst gerne moderne Drecksmusik hören, du darfst gerne so ein abgefackter Medienjunkie werden, mach nur, was du selber willst, wenn man also stets deutlich macht, dass das bloß unverbindliche Vorschläge sind - wer weiß schon, welche subtilen Signale man dennoch ganz unbewusst vermittelt, und der Papa ist ganz traurig, wenn du mit dem Nintendo spielst, also ich spiele ja viel lieber Spiele ohne Sieger aus unregelmäßig geformtem Naturholz, aber das ist deine Entscheidung, du musst das freiwillig selber wollen, ich will mich da gar nicht einmischen.
Es ist bloß - das liebe Kind hat auch an seine Freundinnen ein paar kleine Murmelsäckchen verschenkt, Nachbarskinder mit eigenen Murmeln gibt es auch, und seither trifft man sich im Garten und buddelt Löcher und läuft mit seinem Murmelsäckchen herum und holt den alten Setzkasten aus dem Keller und sortiert Klicker hin und sortiert Schusser her und sucht die Schränke nach den alten Knickern aus dem Kindergarten ab und wünscht sich Marmeln zu Weihnachten (jetzt schon) und tauscht Marbeln mit anderen Kindern und dreht die Kugeln zwischen den Fingern und erzählt beim Abendessen von dieser einen ganz besonderen, die das eine Kind hatte und die man erst gewonnen und dann an ein anderes Kind wieder verloren hat.
Im Stadtteilspielzeuggeschäft gab es keine, was ich gar nicht glauben konnte, im Billigladen immerhin diese Standardmurmeln und im hippen Szeneshop schöne einzelne, die man aber in Gold aufwiegen muss. Ich bestellte, damit es sich lohnt, übers Internet einen ganzen Karton voll, da sind echt coole dabei! Und wenn ich gefragt werde, was ich damit will: Ich habe da schon so eine Idee.
[Video nicht mehr auffindbar]
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Ich hatte damals noch gute Nerven und persönlich nichts gegen Bullet, über den ansonsten in der Dienststelle nicht nur heimlich gelacht wurde. Trotzdem freute ich mich darauf, die tägliche Tour bald mit einem Freund absolvieren zu können, und während eines nachmittags die obligatorische Folge Happy Days lief und wir im Aufenthaltsraum herumgammelten, sprach ich: Hoffentlich fängt K. bald hier an!
Hinterher meinte ich, ich hätte das untergründige Grinsen bemerken müssen, mit dem ich von einem Kollegen gefragt wurde: Warum denn!? Aber der Mund war schneller als das Hirn, und so antwortete ich: Damit ich nicht mehr mit Bullet fahren muss. Erst dann drehte ich mich um.
In den Tagen danach fragte er stets, ob es in Ordnung sei, dass wir zusammen führen, und meine Beteuerungen, natürlich, es sei mir eine große Freude, mit ihm zu fahren, kamen vermutlich nicht so richtig glaubwürdig rüber.
Der Tisch war reich gedeckt, die Großeltern zu Besuch, ein Tellerchen mit sauren Gurken stand herum, davon nahm ich eine und freute mich auf die knackige Frische. Statt dessen biss ich in etwas Weiches, Geschmacksfreies, und fragte entsetzt: Wo kommen die denn her? Wo habt ihr denn die gekauft?, und bevor ich die Antwort abwartete, hinterher meinte ich, ich hätte die alarmierten Gesichter meiner Eltern bemerken müssen, verkündete ich: Die schmecken ja gar nicht, die sind ja total labberig.
Meine Beteuerungen, dass die eigentlich doch total toll schmeckten, hmm!, gib mir noch eine!, kamen vermutlich nicht so richtig glaubwürdig rüber.
Da hatte die Nachbarin die Idee gehabt, ihrem Mann eine große Überraschung zu bereiten, er beging einen runden Geburtstag und sie hatte heimlich zig Personen aus ganz Deutschland eingeladen. Ich wurde in die Organisation eingebunden, sie gingen für zwei Stunden in ein Restaurant, das war alles gut eingefädelt, und ich sollte dabei helfen, die eintreffenden Menschen ins Haus zu lassen und in das Obergeschoss zu geleiten, wo alles aufwendig geschmückt werde sollte und dann, bei der Rückkehr, Ta-taa, Riesenüberraschung!
Der Raum hatte sich gut gefüllt, ich sah aus dem Fenster, das Paar kam zurück, ich sorgte für Ruhe und wir hörten die Haustür. Minutenlang herrschte Stille, dann hörte man die Frau: Willst du mal oben gucken, ob da der Wein steht? Nein, sagte er, wozu, der steht hier unten. Mhm, sprach sie, während man sich im Obergeschoss verschwörerisch anschmunzelte, aber sind oben die Gläser? Man meinte, das Stirnrunzeln zu hören, als er antwortete: Klar sind da die Gläser, und man meinte auch langsam, ihre Verzweiflung zu hören, als sie sagte: Sieh doch bitte trotzdem nach. Er hatte gerade den ersten Schritt auf der Treppe nach oben getan, als sie, getrieben wohl von der Befürchtung, das würde alles nichts mehr werden, rief: Zieh dir doch mal schönere Socken an, ich habe dir oben welche hingelegt!
Man hörte, wie er sich auf der Treppe umdrehte und sagte: Was soll ich?, und sie rief: Geh doch endlich hoch, und ich wusste, dass er jetzt nicht hochgehen würde, kein Mann hätte das getan, und ich wusste, dass jetzt für ihn der Moment gekommen war, um mal klarzustellen, wer hier für wessen Socken zuständig war, und ich sah, wie aus den schmunzelnden Gesichtern da oben ziemlich angestrengte geworden waren.
JETZT HABE ICH ABER DIE SCHNAUZE VOLL! WAS SOLL DENN DIESES GEREDE! GLAUBST DU, ICH KANN NICHT SELBER FÜR MEINE SOCKEN SORGEN! IRGENDWANN REICHT'S! UND ÜBRIGENS! ICH MUSS PISSEN! UND DANN WILL ICH NUR NOCH MEINE RUHE HABEN! UND WENN IRGEND JEMAND ANRUFT: DIE KÖNNEN MICH MAL! KEINE SAU HAT ANGERUFEN, KEINER HAT GRATULIERT, DEN GANZEN TAG, SCHÖNE FREUNDE!, UND JETZT KÖNNEN SIE MICH ALLE MAL! ALLE! (Lautes Furzen) ICH BIN SOGAR FROH, DASS DIE NICHT ANGERUFEN HABEN! UND DASS KEINER HIER VORBEIGEKOMMEN IST! WENN DER A. AUS B HIER NOCH ANGEKOMMEN WÄRE MIT SEINER ÄTZENDEN TUSSI - UND DANN WIEDER STUNDENLANG DIESES NERVIGE GELABER! DA SETZE ICH MICH DOCH LIEBER VOR DEN FERNSEHER!, so stellte ich mir das vor, da riefen wir mal lieber schnell: Überraschung!
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Es sind ja auch zwei Ohren, da kann ich das mit den zwei E-Mails durchaus nachvollziehen, ist sicher eine nette Geste vom Mobilfunkbetreiber - und dann doch wieder ein wenig unheimlich, wie schnell die heutzutage so etwas mitbekommen. Natürlich sind ihre ureigenen Interessen berührt, immerhin telefoniert es sich doch eher schlecht in einem solchen Zustand, dennoch erschrickt, jawohl, Herr Bundespräsident: erschrickt man im ersten Moment, man ist an diese Post-Privacy-Sache noch nicht ganz gewöhnt, die unser aller Leben zum besseren wenden wird, wenn Daten keine Bedrohung mehr darstellen, wenn alle von allen alles wissen, und ich fang einfach mal an, also, ich bin der nnier und neben meinem Bett steht ein schwarzbraunes Nachtschränkchen, darauf ein Bücherstapel, von unten nach oben: Unendlicher Spaß, Der Mann Die Frau Auf dem Weg zu ihrem Selbst, Arabella Klimperauge, Wohin mit Vater?, Wortstoffhof, Das falsche Leben und schließlich ein weißer Jahresplaner 2008/2009, den man noch gut als Notizblock verwenden kann. Daneben ein kleiner Wasserkocher, eine Flasche bebe young care soft body milk, Haargummis diverser Farbe und Größe, eine große Tasse Tee mit dem Aufdruck HÖEGH AUTOLINERS, eine schlanke Glaslampe mit Metallfuß, ein Mobiltelefon, kleine Geldmünzen, ein Lavendelsäckchen, eine Reihe antibiotischer Ohrentropfen in praktischen Einzeldosen sowie deren Beipackzettel.
Auf dem Fußboden daneben steht ein Tablett mit einem Becher Almighurt Zitrone, einer Teekanne, zwei leeren Plastikschälchen und einem leeren Plastikteller. Direkt im Anschluss, neben dem Tablett, stapeln sich diverse Zeit-Ausgaben, in deren neuester findet sich übrigens ein großes Interview mit Herrn Wulff, worin dieser doch tatsächlich sagt: "So etwas ist natürlich eine bleibende Erinnerung, weil man als Jüngerer ja auch erschreckt, wenn man abends in der Tagesschau landet."
Das ist dieselbe Ausgabe, in der ein paar Seiten weiter Wim Wenders über den kürzlich verstorbenen und auch von mir sehr gemochten Peter Falk schreibt, Colombo steht in der Bildunterschrift - da bin ich dann doch ein wenig erschrocken, aber Sie, Herr Bundespräsident, Sie haben bestimmt noch nie jemanden erschreckt, nicht mal als Jüngerer.
Zwischen den Zeit-Stapeln befindet sich eine Packung Antibiotika sowie deren Beipackzettel, auf dem u.a. von Sehnenschmerzen, Kopfschmerz, Schlafstörungen, Unruhe, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Magenbeschwerden, Superinfektion, Bindehautentzündung, beschleunigtem Herzschlag, Juckreiz, Hautausschlag, intensiven Träumen, psychotischen Reaktionen, Verwirrtheit, Schwindel, Kribbeln, Nervenerkrankungen, Unscharf- oder Doppeltsehen und noch jeder Menge weiterer möglicher Nebenwirkungen gewarnt wird, sowie das Buch Ein Bär will nach oben, das ich wesentlich lieber als diesen Zettel gelesen habe und übrigens von Hans Pfitzinger übersetzt wurde.
Und wenn das immer noch nicht genügend Daten über mich sind, wenn jetzt nicht innerhalb der nächsten Stunde jemand, z.B. mein Internet-Anbieter, statt wohlfeiler Erholungsprosa profilgenau heiße Zwiebelscheiben schickt, dann lasse ich es wieder!
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"Wozu fotografierst du denn diese Sachen, hm?"
"Ich? Ich, äh, oh, äh, ich - na ja, ..."
"... das ist so ein, äh, Hobby von mir, ähm, kostet ja nix mehr, heutzutage, he he, mit den Digitalkameras, nicht wahr, he he, und was man nicht gebrauchen kann, das löscht man halt wieder, nicht wahr, und manchmal, äh, ..."
"Ja - wie!? Ich hab so ein Gartentor zu Hause, mit 'nem Riegel. Willst du den auch fotografieren oder was!? Jetzt sag doch mal, wozu du das alles knipst!"
"Ach, äh, das ist, äh, he he, da gibt es so ein Blog, ähm, und da kann jeder mitmachen - das ist total toll, da geht es so um Gesichter so, also, die man in den Dingen sieht, ähm, und am Anfang, klar, ist man erst so bei Häusern so, ich meine: Fenster, Fenster, unten die Tür - sieht jeder, als Kind hatten die Häuser für mich ja immer total verschiedene Persönlichkeiten, kennst du bestimmt, so, oder auch Autos, was war mir der VW 411 unsympathisch!, aber dann wird's irgendwann immer abgefahrener, he he, und sieh dich hier nur mal um, bloß hier in diesem Zug, du siehst plötzlich überall Gesichter, nicht wahr, sieh doch nur mal ---"
"Ich seh hier gar nix. Ich würde ja da draußen die Sachen knipsen, schöne Landschaft da draußen - aber jeder wie er will, eh! Mach du mal, eh!"
(Lenkt ab) "Das ist dermaßen heiß hier drinne!"
"Kannst du aber laut sagen, du!"
"Die Zugestiegenen die Fahrscheine, bitte!"
"Dreck - meine Tasche! Die liegt ja noch im Auto!"
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Jahrelang habe ich mir antrainiert, mit einem Rechtsklick das Kontextmenü zu öffnen und dort die zweite Option von oben zu klicken: Link in neuem Tab öffnen. Wozu sollen da mehrere Instanzen des Firefox laufen, und das mit den Tabs ist auch viel übersichtlicher, und wenn ich bei Herrn Stubenzweig einen Blogeintrag lese, dann lese ich den erst einmal komplett durch und klicke nebenbei die Links mit rechts an, hö hö, Links mit rechts, oder mit Rechts? Ist ja eher ein nominativer Gebrauch, jedenfalls ist dann alles voller Tabs da oben - was das ist? Na, wie bei so einer Hängeregistratur, "Reiter" nennt man das auch gerne, genau!, Wie beim Karteikasten!, und dann kann ich die hinterher ansehen, einen nach dem anderen, und hin- und herspringen, und den Ursprungstext noch mal lesen, manchmal verstehe ich dann sogar eine Andeutung oder lese so hermeneutisch-zirkulär wieder von vorne, jedenfalls: Machen Sie das mal mit zwölf Browser-Instanzen in der Taskleiste, die dann auch noch als "Gruppen" zusammengefasst werden. Nee, dô! Und den Prozessor belastet es auch stärker als wenn ich nur die Tabs verwende.
Jetzt habe ich auf meinem privaten Rechner eine neue Firefox-Version, und das ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, man hat mehr Platz, oben die ganzen fetten Leisten sind weg, die Tabs sitzen jetzt wie bei Chrome, das ist der Browser von google - nein, dass Sie eine google Toolbar haben, hat damit nichts zu tun, es gibt einen eigenen Browser von google, den habe ich mir damals mal angesehen, als er neu war - und der war optisch sehr schlank, die Tabs sitzen ganz oben, es gibt nicht die klassischen, grauen Menüleisten, und so ist das beim Firefox 4 jetzt auch. Ja, ich habe auch gelesen, dass es jetzt schon den Firefox 5 gibt. Ist aber auch egal, und da haben sie plötzlich in diesem Kontextmenü die Reihenfolge der Auswahlpunkte umgedreht: Zuerst kommt das mit dem "In neuem Tab" und danach "In neuem Fenster". Das macht mich wahnsinnig! Dieser Ablauf Rechtsklick - zweite Option von oben hat sich über die Jahre dermaßen in mein Körpergedächtnis gebrannt, dass ich ihn jetzt kaum herausbekomme. Wie oft klicke ich und merke dann - NEIN! NEIN! -, dass ich ein neues Fenster öffne. Dann muss ich Millisekunden zählen, den neu aufgehenden Firefox gleich wieder schließen und ganz bewusst und langsam wieder mit rechts klicken (mit Rechts? Mir kommt das immer nominativer vor!) und diesmal den ersten Menüpunkt auswählen.
Was ganz schlimm ist: Wenn ich danach wieder mit meinem Arbeitsrechner arbeite. Und es geht Sie gar nichts an, was ich während der Arbeit im Internet zu tun habe. Dann habe ich übers Wochenende mühsam und unter Schmerzen natürliche Bewegungsabläufe unterdrückt, komme Montagmorgen ins Büro, schalte den Rechner ein und lese erst mal die Sachen, die mir zu Hause viel zu langweilig wären, klicke mit rechts auf einen Link und unterdrücke den Impuls, die zweite Option zu wählen, nein, ganz stolz und bewusst fahre ich über den ersten Menüpunkt UND ÖFFNE SCHON WIEDER EIN NEUES FENSTER! ES IST ZUM WAHNSINNIGWERDEN! Und dann willst du schnell auch dort die neue Version installieren, dann ist es wenigstens einheitlich, dann hast du wenigstens die Chance, geistig gesund zu bleiben, und dann hast du keinen Admin-Rechte und dann bittest du jemanden, dir das zu installieren, und dann sagen sie: Nein, wir bleiben aus dem und dem Grund beim Dreier. Joah.
Aber was ich eigentlich erzählen wollte: Es ist total einfach, so Tippspiele übers Internet zu organisieren, stellt man sich so Tipprunden selber zusammen so, kann man ganz einfach Leute einladen und die kriegen dann so eine Einladungsmail so und müssen sich dann selber nur noch mal einloggen mit den Daten, die da drinstehen - und als Spielleiter kann man dann so ganz einfach die Tipprunden verwalten so.
Und man lernt viel über seine Mitmenschen! Z.B. dass die ihre E-Mail-Adressen eigentlich gar nicht mehr benutzen, die machen schon länger alles über Facebook und gucken da höchstens alle paar Wochen mal rein und löschen den Spam. Oder dass die ihre E-Mail-Adresse nur so ungefähr wissen, man fragt dann noch: Ist da irgendwo ein Punkt oder ein Unterstrich, nee, ist da nicht, und dann sagen sie: Aber ich habe keine Einladungsmail bekommen, und dann fragt man: Ist da vielleicht doch irgendwo ein Punkt oder ein Unterstrich, und sie sagen: Nein, nur zwischen "web" und "de", und man sendet erneut eine Einladung, aber die bekommen sie, wie sie beteuern, wirklich nicht, und dann sagt man: Schreib mir doch bitte eine E-Mail, und dann kommt die und, Sie werden lachen, dann ist da halt doch noch so ein Punkt, aber der ist ganz klein.
Man lernt auch, dass es vielen Menschen sehr wichtig ist, zwischen Groß- und Kleinschreibung bei der E-Mail-Adresse zu differenzieren. Ich habe das Thema inzwischen einfach drangegeben, ich sage nichts, ich nicke nur. Und wenn die dann ihre Einladungsmail wirklich endlich bekommen haben sollten, sagen sie: Aber bei mir ist keine Mail von dir, dann sagt man: Die ist auch nicht von mir, sie kommt vom System, von diesem Tipprundenanbieter, und ergo mit einer Absenderadresse, die dein E-Mail-Anbieter noch nicht kennt, sieh doch bitte mal im "Unbekannt"- oder Spam-Ordner nach.
Ja, sagen sie, also bei mir ist immer alles im Posteingang, aha, sagst du, aber du bist doch auch bei web.de, da gehst du doch hin und hast einen Posteingang, der ist dreiteilig, einmal "Freunde und Bekannte", einmal "Unbekannt", einmal "Spam", nein, sagen sie, bei mir ist das nicht so, ich habe immer alles direkt im Posteingang, und du fragst: Ach, benutzt du einen E-Mail-Client, denn, so überlegst du inzwischen, das wäre ja noch eine Möglichkeit, dass sie nicht die Web-Oberfläche verwenden, sondern so ein lokales E-Mail-Programm wie früher, man erinnert sich: POP 3, und wie das dort mit dem Spam gemanagt wird - keine Ahnung, aber sie sagen: Nein, mit Internet gehe ich an meine Mails, und du fragst: Also du tippst www.web.de ein und meldest dich an, ja, sagen sie, genau, aber bei mir ist nichts angekommen und alles ist immer direkt im Posteingang und da ist kein "Unbekannt"-Ordner.
Du loggst dich als Spielleiter ein (um geistig gesund zu bleiben, hast du verschiedene Accounts angelegt mit verschiedenen E-Mail-Adressen für die verschiedenen Tipprunden), schaust nach, legst das Mitglied einfach direkt an, mit der korrekten E-Mail-Adresse, du rufst an, bitte, schau auch in deinen "Unbekannt"-Ordner, da müssten deine Zugangsdaten in der Mail stehen, es ist ein zufallsgeneriertes Passwort dabei, damit loggst du dich ein.
Unterdessen beobachtest du, wie dein eigen Fleisch und Blut, na gut: nahestehende Personen, sich einloggen und ihre Tipps abgeben wollen. Wo finde ich denn das, fragen sie. Na, steht doch alles in der E-Mail, sagst du. Nein, sagen sie, da steht nichts. Doch, sagst du, das muss da stehen. Und wenn sie den Link gefunden haben und sich einloggen sollen, steht da: Bitte loggen Sie sich mit Ihrer E-Mail-Adresse und Ihrem Passwort ein. Du siehst dann dabei zu, wie sie statt der E-Mail-Adresse ihren Namen eingeben, du siehst, wie sie dann das Passwort von ihrem E-Mail-Account verwenden statt das zufallsgenerierte aus der Mail, du hilfst ihnen also weiter, dann schlägst du vor, gleich ein vernünftiges Passwort einzurichten, du siehst, wie sie statt auf "Passwort ändern" auf "Passwort nachsenden" klicken, dann klingelt das Telefon und du erfährst, dass da plötzlich doch ein "Unbekannt"-Ordner ist, und die Mail ist auch angekommen, aber da stehen keine Zugangsdaten drin, und du rückst dem Giersch dermaßen zu Leibe, der wird sich das gut überlegen die nächsten Jahre!
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