Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Wenn's mal wieder länger dauert mit der Halbwertzeit
nnier | 30. März 2011 | Topic Gelesn


Vor einer mündlichen Prüfung im Grundstudium sprach der Professor: Ihr habt einen erhöhten Puls, schwitzt, zittert und seid physiologisch komplett auf Flucht gepolt - ist doch komisch, eigentlich, denn was soll schon passieren? Ist euer Leben bedroht? Eure Gesundheit? Werdet ihr angegriffen? Nein, ihr kommt rein und plaudert ein wenig mit mir.

Komisch, wirklich, so entwickelte sich das Gespräch weiter, dass man über die atomare Bedrohung spricht, sich ernsthaft Sorgen macht, über die Unfallgefahr beim Autofahren, über drohende Kriege und was noch so alles passieren kann, und dabei entspannt am Weinglas nippt. Warum sitzt man dann eigentlich nicht zitternd in der Ecke?

Seltsam finde ich das immer noch. Und auch wenn es wohl zu denjenigen Schizophrenien zählt, die man braucht, um weiterleben zu können, dieses Wissen, welche furchtbaren Dinge in jedem Moment geschehen, während uns der Nachbar mit seinem Rasenmäher ganz doll nervt - ab und zu erwischt es mich doch, dann muss ich mir vorstellen, wie das wohl ist, bei winterlichen Temperaturen in einer zerstörten Umgebung festzusitzen und verstrahlt zu werden, während anderswo die Menschen langsam ungeduldig werden, die dachten ja, das wäre bald abgehakt - und nun fragen sie, ob das etwa noch monatelang so weitergehen soll.

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prosa, Mittwoch, 30. März 2011, 19:25
Warum man dann nicht zitternd in der Ecke sitzt? Zwei Annahmen: Weil erstens die 'ernstzunehmenden Ängste der Bürger' als 'Angst' erkanntermassen eine plumpe + zweckdienliche Erfindung der Politiker sind und zweitens es nur eigentlich unbefriedigende Antworten aus den Wissenschaften darauf gibt, warum das Leid im 'Leben der Anderen', die bei winterlichen Temperaturen in einer zerstörten Umgebung festsitzen und verstrahlt werden an gegebene Grenzen der subjektiven Bereitschaft stösst, in Totalität, als quasi 1 : 1 nachzuempfinden, was das bedeutet. Ein Diktat der Gene als eine uns schizophren erscheinende Überlebensstrategie? So oder so ähnlich, vielleicht ... ?

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nnier, Mittwoch, 30. März 2011, 23:36
Folie! Jetzt soll Folie drum, das wirkt auch schlanker und ist auf jeden Fall mehr so 21. Jahrhundert als der olle Betonhaufen da in Tschernobyl. Vielleicht sind sie ja doch in ein paar Wochen durch damit.

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ilnonno, Donnerstag, 31. März 2011, 00:11
Im dreißigjährigen Krieg und bei vielen anderen Gelegenheiten mussten die Leute jeden Tag damit rechnen, eines gewaltsamen Todes zu sterben. Das Getreide deshalb stehen zu lassen und sich lieber in die Kneipe zu setzen war nur dann eine schlaue Strategie, wenn das mit dem baldigen Tod dann auch geklappt hat...

Vielleicht haben sie damals nicht schon in jungen Jahren an die Altersversorgung gedacht (Zinseszins!) und hatten zumindest in der Hinsicht weniger Sorgen oder Verlustängste.

Man kann viel lernen von den Alten, selbst wenn sie schon lange tot sind.

Und jetzt kommt die Lösung und Sie werden erraten, von wem sie stammt: "The trick is to keep breathing".

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nnier, Donnerstag, 31. März 2011, 10:55
Sicher, es ist fürs eigene Fortkommen ganz nützlich, Dinge ausblenden zu können, die andernfalls die Luft zum Atmen knapp werden ließen. Dennoch bemerkenswert, dass man vor einer kleinen sozialen Blamage ganz konkrete Angst entwickeln kann, während viele existenzielle Bedrohungen anscheinend abstrakt genug sind, um sie gar nicht zu spüren bzw. rein intellektuell ("Schlimm, das alles") abzuhandeln. Würde man in Los Angeles das Getreide stehen lassen, weil The Big One so gut wie sicher kommt, wäre das wohl Selbstmord aus Angst vor dem Tod - andererseits vielleicht doch ein Anlass, sich etwa zu überlegen, was man wo baut. Und wenn nach allen Horrormeldungen aus dem japanischen Reaktor ernsthaft gefragt wird, ob die Arbeiten womöglich "noch Monate" dauern werden, dann vermute ich, dass mancher nicht nur die Halbwertzeit von Plutonium nachschlagen sollte.

(Nein, leider kenne ich das Zitat nicht. Woher stammt es?)

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nnier, Donnerstag, 31. März 2011, 11:37
(Und noch ein kleiner Lesetipp)

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