Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
60-60-60 oder so
nnier | 09. September 2009 | Topic Musiq
Mir ist das mal mit einer anderen Band passiert, die es vorübergehend geschafft hatte, in mein musikalisches Zentrum vorzudringen und für einige Jahre mein gesamtes Denken zu beherrschen. Im Ergebnis hatte ich etwa zweieinhalb Regalmeter Vinyl herumstehen, obwohl sich 98% der Lieder auf den etwa zwölf mich interessierenden offiziellen Alben befanden. Aber für die restlichen 2% gab es die Singles, die verschiedenen Pressungen, die Maxis, außerdem noch Soloplatten der einzelnen Mitglieder und schließlich noch Bootlegs. (Irgendwann gehe ich mal in den Keller, mache Fotos von den Überresten und erzähle die Geschichte.)

Es gibt den Punkt, an dem die Begeisterung kippt. Irgendwann fühlt man sich getrieben. Und wenn es so generalstabsmäßig aufgezogen wird, mit weltweiter Werbekampagne, wie seit den Anthology-Alben üblich, und nun mit dem überfrachteten Datum "09-09-09", als beginne eine neue Zeitrechnung, und dazu auch noch einem komischen Computerspiel mit Plastikgitarren, dann fällt es mir schon schwer, wirklich mal hineinzuklicken, allerdings, das ahnt man selbst beim kurzen Clip aus quäkenden Laptoplautsprechern, es klingt wirklich gut, und irgendwann werde ich schwach werden und mir die CDs besorgen, so oder so.

Es gab mal eine Zeit, da war der Beatles-Katalog geschlossen und vollendet. Dass Let It Be und Get Back auf dem Blauen Album anders klangen als auf dem Album Let It Be, dass es irgendwo auch noch Komm, gib mir deine Hand und Sie liebt dich zu entdecken gab, solche Dinge waren ja gerade noch mit der Sehnsucht nach Übersicht und Geschlossenheit zu vereinbaren, und so kleine Schmankerln wie Live at the Hollywood Bowl oder Live at the BBC, die den offiziellen Katalog erweiterten, erschienen mit Jahrzehnten Abstand und ließen einem genug Zeit zur Assimilation. Zudem waren das doch eher Liebhaberstücke in verrauschtem Mono, die also gewissermaßen neben dem offiziellen Kosmos existierten.

Dann wurde es mehr, es kamen die Anthology-CDs. Let It Be ... Naked. Eine neue Yellow Submarine. Ich kaufte eine Box mit den CD-Versionen der US-amerikanischen Erstveröffentlichungen, die nicht nur andere Titel und Reihenfolgen beinhalteten, sondern auch deutlich anders abgemischt waren als die britischen Originale. Sehr interessant, wirklich - viel mehr Hall, z.B., und jede CD enthielt die Stereo- und die Monomixe des betreffenden Albums.

Ich beschäftige mich sehr gerne mit den Beatles, ich interessiere mich so sehr für die Lieder und ihre Geschichte, dass ich immer wieder Bücher lese und mich freue, wenn ich auf irgendwelche frühen Versionen und fehlgegangenen Aufnahmen stoße. Aber diese höre ich sozusagen als Archäologe. Im Alltag sehne ich mich danach, das Hirn ausschalten und einfach die Musik genießen zu können.

Ich habe nun vom Baum der Erkenntnis genascht und kann nicht mehr zurück. Noch steht zum Glück der Musikgenuss im Vordergrund. Und ich hoffe, das bleibt auch immer so.

Wenn so ein Lied im Radio kommt, will ich es einfach hören. Und werde mir hoffentlich niemals überlegen: "Ah, das ist der ursprüngliche britische Stereo-Mix von 1965, der als Bonus mit auf der Mono-CD von 2009 ist und sich sowohl von der 1987er Stereo-CD-Version als auch von ursprünglichen US-Stereoversion unterscheidet."

Der Musikgott bewahre mich davor.

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nnier, Donnerstag, 10. September 2009, 14:11
Ach, Mensch.

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ein nachbar, Montag, 14. September 2009, 16:09
Und was sagen Sie dazu?

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nnier, Montag, 14. September 2009, 17:39
Hm. Von allen offiziellen Beatles-Produkten stehe ich dem wohl am gleichgültigsten gegenüber. Wenn ich die Alben aufzähle, vergesse ich die LP regelmäßig. Und sie gilt ja auch als der Sündenfall, als das erste Mal, dass die Beatles ihren Fans minderwertige Ware andrehten: Eine zusammengestückelte Platte mit Liedern, die zum einen Teil längst veröffentlicht waren (wie das Titelstück eben schon 1966 auf Revolver) und zum anderen Teil doch eher Füllmaterial unter Normalstandard sind. Und damit meine ich nur die Seite 1, denn Seite 2 hört vermutlich sowieso keiner, den uninteressanten Instrumentalsoundtrack des Films. Was mich dazu bringt, dass ich den Film nie gesehen habe und er mich auch nicht interessiert.

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venice_wolf, Montag, 14. September 2009, 18:07
ich habe die B Seite einmal bei einer Party aufgelegt, in der Lounge Zone... war ganz lustig und die Leute haben echt verblüfft dreingeschaut.
Es ist wie wenn man beim Wandstreichen Brian Eno's "Music for Airports" http://en.wikipedia.org/wiki/Music_for_Airports
das verlinken klappt einfach nicht -
auflegt.
Man kommt sich im weissen Waum auf einmal vor wie ein Marsmensch.

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nnier, Montag, 14. September 2009, 19:11
Das kriegen wir auch noch hin:

... beim Wandstreichen Brian Eno's <a href = "http://en.wikipedia.org/wiki/Music_for_Airports">Music for Airports</a> auflegt.

ergibt

... beim Wandstreichen Brian Eno's Music for Airports auflegt.

Eno ist so ein Name, der mir immer wieder begegnet, so wie Robert Fripp. Irgendwo und irgendwie mit den Mainstreamavantgardisten der 70er zugange, Genesis und Gabriel und vermutlich Bowie usw.; ich kenne nichts Eigenes von ihm. Wenn ich das so höre - wer weiß, ich will mir ja irgendwann einen Plattenspieler besorgen, dann lege ich die B-Seite wohl doch mal auf. "Yellow Submarine" habe ich nämlich nicht auf CD.

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venice_wolf, Montag, 14. September 2009, 19:40
ich kenne mich da nicht so aus, meine Nerven halten das nicht aus.
Robert Fripp habe ich in Mestre einmal live gesehn, mit der League of Crafty Guitarists: 10-15 Akustiche Gitarrenspieler, auf der Bühne aufgereiht, Gitarren stereophonisch ausgerichtet (die rechte kam rechts raus, die linke links, die anderen zwischendrin und der Meister in der Mitte.
Was danach passierte kann ich bis heute nicht fassen: ein holographisches Ereignis, akustische Klangschlaufen, absolut kein Digital oder Analog Effekt, sogar die Echos haben sie händisch gespielt, in tranceähnlichen Zustand.
Donner und symphonische Suiten, zarte Klingeltöne, Beatles Cover, alles mögliche wurde aus diesen akustischen Gitarren herausgeholt.
Ich glaube Fripp leitet sogar eine "Schule" wo hochbegabte Elemente sich seiner "Religion" anschliessen und alles an in abtreten müssen... ich muss mal im Web nachschauen.
http://www.thelcg.net/

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nnier, Montag, 14. September 2009, 19:53
Ob mit Verlinkung oder ohne - alles ist natürlich willkommen, und ich fand diese Schreibweise auch immer etwas merkwürdig, bis sie dann doch in meinen aktiven HTML-Wortschatz diffundierte.

Das mit Fripp klingt ja sehr interessant. Die Klangbeispiele auf der verlinkten Seite sowieso. Und das Zitat aus Wikipedia gefällt mir: "Fripp gilt als 'sehr englischer', spleenig-intellektueller Rockmusiker – schon in den Siebzigern wurde er in der Musikpresse 'Mr. Spock of Rock' genannt."

Ha! Und natürlich ist er mit Toyah Wilcox verheiratet, auch so eine, die ich wieder nur kenne, weil Tony Banks mal was mit ihr gemacht hat. Und auf dem Genesis-Doppelalbum The Lamb Lies Down on Broadway steht, wenn ich nicht irre, auch so etwas wie "Enossification: Brian Eno." Die kommen immer wieder.

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venice_wolf, Dienstag, 15. September 2009, 11:29
es war glaube ich die "Show of hands" Tour, ich habe sie sogar auf eine Kassette aufgenommen, aber da bekommt man das ganze nicht voll mit.
Das stereophonische vor allem, das war wirklich verhexend.

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