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Wenn ich meinen Freund A. besuchte, musste ich über einen Firmenhof laufen, denn sein Vater war Hausmeister und die Familie wohnte auf dem Betriebsgelände. Die Wohnung befand sich im ersten Stock und war in das große Fabrikgebäude integriert. Vom Hof aus sah man unterhalb der Wohnzimmerfenster ein großes Garagentor, das A. einmal auf den Kopf bekommen hatte. Unter dem Küchenfenster war eine Laderampe.
Ich bog unterhalb des Wohnzimmers am Haus entlang um die Ecke und gleich darauf in einen Gang, der zur Eingangstür führte. Oben, auf der rechten Seite, war A.s Fenster. Unten, auf der linken Seite, die weißgestrichene, hölzerne Tür zu einer Werkstatt. Oft, wenn ich am Wochenende zu ihm ging, schlief er noch. Ich musste dann lange klingeln und rufen, denn meistens war außer ihm keiner da. Irgendwann bewegte sich der Vorhang, das Fenster öffnete sich, ich hörte ein minutenlanges Hochziehen, dann ein ebenso ausgiebiges Nach-Vorne-Räuspern und schließlich ein Spit! und ein Flatsch! gegen die Holztür neben mir. "Ich habe beim Aufwachen immer einen Grünen im Hals!", hatte A. mir einmal erklärt, und im Lauf der Jahre hatte seine allmorgendliche Schlundreinigung ein beeindruckendes Relief entstehen lassen, an dem ich nun fast täglich vorbeikam. (Ich wollte gerne meinen Teil beisteuern, merkte aber bald, dass ich dafür doch zu selten da war und den Rest wollen Sie gar nicht so genau wissen.)
Das Garagentor war nicht das einzige, was er abbekommen hatte. Ein anderes Mal hatte ihn ein Pferd gegen den Kopf getreten. Beides war geschehen, bevor ich ihn kennengelernt hatte und wurde von den Erwachsenen immer mal in einen Zusammenhang damit gebracht, warum A. beim Lernen etwas langsamer war. Ich erinnerte mich regelmäßig daran, wenn er stundenlang an seinen Hausaufgaben saß, während ich längst fertig war und ungeduldig auf ihn wartete. Manchmal allerdings hatte er auch Stubenarrest, ein Wort, das ich bis dahin gar nicht gekannt hatte.
Überhaupt war manches anders als bei mir zu Hause, das merkte ich z.B., als A. sich mit einem Jungen aus unserer Straße schlug, vor dem ich eine Heidenangst hatte. Aus dem Fabrikfenster schauten die Arbeiter amüsiert zu. Das blöde Arschloch war stärker und brutaler. Irgendwann ging A. zu Boden und fing laut an zu heulen. "Der A. flennt!", rief es aus dem Fenster, dann hörte man es von drinnen lachen.
Wenn er flennte, bekam er ein ganz ein dreckiges Gesicht, das beeindruckte mich immer wieder. Besonders dreckig wurde es an dem Tag, als wir auf eine kleine Birke geklettert waren. Kaum oben, stürzte A. herunter und fiel mit dem Knie in eine Glasscherbe. Er blutete schlimm und hielt mir entsetzt das kleine Stück Fleisch entgegen, das die Scherbe herausgeschnitten hatte. Das Blut strömte, zu zweit stützten wir ihn und wollten ihn nach Hause bringen. "Nein, da kriege ich nur Ärger!", heulte er und bestand darauf, statt dessen zu mir zu gehen. Später, nachdem er verarztet worden war, brachte ich ihn nach Hause. Der Verband war beeindruckend. Natürlich würde seine Mutter ganz erschrocken fragen, was passiert sei, dachte ich, und ihn dann erst mal richtig trösten. Aber A. hatte recht gehabt: "Was hast du da wieder angestellt!", war die ruppige Begrüßung, dann gab's Stubenarrest.
Stubenarrest gab es auch nach Klassenarbeiten und Diktaten. Ich begleitete ihn oft, wenn er eine schlechte Note zu verkünden hatte. Ihm war das lieber so, denn dann fing er sich zwar eine ein, durfte aber trotzdem mit mir raus, wenn ich freundlich fragte. "Der ist dümmer als du!", rief seine Mutter uns hinterher, und ich merkte, wie sie um Worte rang, "der ist noch dümmer als du!"
Wenn es Zeugnisse gab, gab es Stubenarrest, das war klar, und wir gingen zusammen, ziemlich langsam, dann zeigte er sein Zeugnis vor und fing sich eine, flennte aber nicht. Ich sah zu Boden und musste mit anhören, wie seine Mutter schimpfte, er solle sich eine Scheibe von seiner Schwester abschneiden. Dann wollte sie mein Zeugnis sehen, schon fing er sich wieder eine und sie schimpfte, dass er sich auch von mir eine Scheibe abschneiden solle und von meiner Schwester gleich dazu. Man wusste nie, wie lange das dauern würde, manchmal ging es schnell und manchmal steigerte sie sich richtig hinein.
Plötzlich sah ich in seinem dreckigen Gesicht ein Lächeln. Er sah seine Mutter an und sagte: Und wo soll ich die alle aufbewahren, die ganzen Scheiben!
Da fing er sich gleich noch eine. Aber die war es eindeutig wert.
Ich bog unterhalb des Wohnzimmers am Haus entlang um die Ecke und gleich darauf in einen Gang, der zur Eingangstür führte. Oben, auf der rechten Seite, war A.s Fenster. Unten, auf der linken Seite, die weißgestrichene, hölzerne Tür zu einer Werkstatt. Oft, wenn ich am Wochenende zu ihm ging, schlief er noch. Ich musste dann lange klingeln und rufen, denn meistens war außer ihm keiner da. Irgendwann bewegte sich der Vorhang, das Fenster öffnete sich, ich hörte ein minutenlanges Hochziehen, dann ein ebenso ausgiebiges Nach-Vorne-Räuspern und schließlich ein Spit! und ein Flatsch! gegen die Holztür neben mir. "Ich habe beim Aufwachen immer einen Grünen im Hals!", hatte A. mir einmal erklärt, und im Lauf der Jahre hatte seine allmorgendliche Schlundreinigung ein beeindruckendes Relief entstehen lassen, an dem ich nun fast täglich vorbeikam. (Ich wollte gerne meinen Teil beisteuern, merkte aber bald, dass ich dafür doch zu selten da war und den Rest wollen Sie gar nicht so genau wissen.)
Das Garagentor war nicht das einzige, was er abbekommen hatte. Ein anderes Mal hatte ihn ein Pferd gegen den Kopf getreten. Beides war geschehen, bevor ich ihn kennengelernt hatte und wurde von den Erwachsenen immer mal in einen Zusammenhang damit gebracht, warum A. beim Lernen etwas langsamer war. Ich erinnerte mich regelmäßig daran, wenn er stundenlang an seinen Hausaufgaben saß, während ich längst fertig war und ungeduldig auf ihn wartete. Manchmal allerdings hatte er auch Stubenarrest, ein Wort, das ich bis dahin gar nicht gekannt hatte.
Überhaupt war manches anders als bei mir zu Hause, das merkte ich z.B., als A. sich mit einem Jungen aus unserer Straße schlug, vor dem ich eine Heidenangst hatte. Aus dem Fabrikfenster schauten die Arbeiter amüsiert zu. Das blöde Arschloch war stärker und brutaler. Irgendwann ging A. zu Boden und fing laut an zu heulen. "Der A. flennt!", rief es aus dem Fenster, dann hörte man es von drinnen lachen.
Wenn er flennte, bekam er ein ganz ein dreckiges Gesicht, das beeindruckte mich immer wieder. Besonders dreckig wurde es an dem Tag, als wir auf eine kleine Birke geklettert waren. Kaum oben, stürzte A. herunter und fiel mit dem Knie in eine Glasscherbe. Er blutete schlimm und hielt mir entsetzt das kleine Stück Fleisch entgegen, das die Scherbe herausgeschnitten hatte. Das Blut strömte, zu zweit stützten wir ihn und wollten ihn nach Hause bringen. "Nein, da kriege ich nur Ärger!", heulte er und bestand darauf, statt dessen zu mir zu gehen. Später, nachdem er verarztet worden war, brachte ich ihn nach Hause. Der Verband war beeindruckend. Natürlich würde seine Mutter ganz erschrocken fragen, was passiert sei, dachte ich, und ihn dann erst mal richtig trösten. Aber A. hatte recht gehabt: "Was hast du da wieder angestellt!", war die ruppige Begrüßung, dann gab's Stubenarrest.
Stubenarrest gab es auch nach Klassenarbeiten und Diktaten. Ich begleitete ihn oft, wenn er eine schlechte Note zu verkünden hatte. Ihm war das lieber so, denn dann fing er sich zwar eine ein, durfte aber trotzdem mit mir raus, wenn ich freundlich fragte. "Der ist dümmer als du!", rief seine Mutter uns hinterher, und ich merkte, wie sie um Worte rang, "der ist noch dümmer als du!"
Wenn es Zeugnisse gab, gab es Stubenarrest, das war klar, und wir gingen zusammen, ziemlich langsam, dann zeigte er sein Zeugnis vor und fing sich eine, flennte aber nicht. Ich sah zu Boden und musste mit anhören, wie seine Mutter schimpfte, er solle sich eine Scheibe von seiner Schwester abschneiden. Dann wollte sie mein Zeugnis sehen, schon fing er sich wieder eine und sie schimpfte, dass er sich auch von mir eine Scheibe abschneiden solle und von meiner Schwester gleich dazu. Man wusste nie, wie lange das dauern würde, manchmal ging es schnell und manchmal steigerte sie sich richtig hinein.
Plötzlich sah ich in seinem dreckigen Gesicht ein Lächeln. Er sah seine Mutter an und sagte: Und wo soll ich die alle aufbewahren, die ganzen Scheiben!
Da fing er sich gleich noch eine. Aber die war es eindeutig wert.
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The opening vocal strains of "Eleanor Rigby" greet the listener at point-blank-range, the "ah"s aren't soothing, they're aching, and the sudden drop in the cellos after the first line sinks the heart along with it.Tim Riley: Tell Me Why. New York, 1988, S. 184.
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"Heimleiter Du / den das Spardiktat zwingt / die Reinigungskraft / schon um 5 30 Uhr..." "Ist gut, Herr Grass, hier ist Ihre Schnabeltasse." [Q, via]Dieser Twitterwitz ist handwerklich gut gemacht und bringt einiges, das an GG nerven kann, auf den Punkt. Da lasse ich die etwas billig altersdiskriminierende Schnabeltasse mal schön im Schrank.
Für denselben Witz braucht Volker Weidermann in der FAZ erheblich länger. Ich muss sagen, dass ich die Überzeile "Noch'n Gedicht" ganz lustig fand, als sie mir das erste Mal begegnete, denn aus der Kombination Heinz Erhard und Günter Grass kann ich mir durchaus zwei, drei innere Schmunzler basteln, ralla fidili!, bloß liegt dieser Witz so nahe, dass ihn inzwischen jeder gebracht hat, so dass ich bei Herrn Weidermann nicht mehr lachen musste. Dann las ich seinen Artikel und stolperte über den Gegensatz zwischen Teaser ("... das Satiremagazin 'Titanic' hätte die Persiflage eines Grass-Gedichts auch nicht besser hinbekommen") und Artikel ("Dem Satiremagazin 'Titanic' ist es gelungen, ein Gedicht unter dem Namen 'Günter Grass' im Feuilleton der 'Süddeutschen Zeitung' zu platzieren.")
Im Artikel selbst kotzt sich Weidermann dann in erwartbarer Weise über Grass und die Süddeutsche aus, walzt den Scherz in die Länge ("... dass die 'SZ' dieses besonders alberne und unglaubwürdig schlechte Gedicht unter der Überschrift 'Europas Schande' als echtes Grass-Gedicht in ihrer Samstagsausgabe publizieren würde ...") und in die Breite ("... und in aller Eile alles zusammengeschrieben, was Google zu den Suchbegriffen Griechen, Antike und Europa so hergibt, haben dann jeweils die Satzstellung leicht verschoben, die unsinnigsten Genitivkonstruktionen aneinandergereiht und fertig") und trägt so dick auf, dass es der Titanic mit Sicherheit peinlich wäre. (Nebenbei würde mich interessieren, ob die eigentlich gefragt wurden, wie sie es finden, wenn sich jemand so lustig gemein machen will: "Ich glaube, viel mehr wollte die 'Titanic' mit ihrer lustigen Aktion gar nicht zeigen. Und das ist ihr gelungen." Nein, es ist Herr Weidermann, der da etwas zeigen will und meint, dass ihm das gelungen sei.)
Vielleicht experimentiert man bei der FAZ gerade mit unterlaufenen Leseerwartungen, zumindest war ich bei diesem Stück über den sympathischen Radfahrer mit der hübschen Freundin auch ein wenig irritiert ob der verwendeten Zeitform - normalerweise werden solche neckischen Impressionen ja im Präsens verarbeitet, jede Spiegel-Reportage fängt so an, aber, nein: "In den Gärten der Nachbarn blühten die Rhododendren. Nur manchmal schlich ein Auto vorbei. Frank Hanebuth stand im Tor", als sei das alles lange her und nicht die Szenerie, in der der Journalist auf das Objekt seines Interesses trifft. Aber das nur am Rande, vielleicht wollen sie ja das versuchen, was schon bei der taz nie funktioniert hat, die Vermischung von Ressorts, Reportage und Persiflage.
Bei Twitter kräht jemand los, ha ha!, die Titanic wieder!, und alle krähen mit, der Spiegel hängt sich dran und spricht ganz nebenbei von "dürren Zeilen", die die Süddeutsche mal wieder abgedruckt habe, und wenn Weidermann behauptet: "Günter Grass wird es immer weiter treiben mit der Absurdität seiner Selbstgewissheit und das ist dann genauso lustig, wie wenn es die 'Titanic' schreibt" [Q], dann muss ich sagen: Nein, die Titanic ist lustiger, und ob aus dem Griechenland-Gedicht tatsächlich (nur) "absurde Selbstgewissheit" spricht, darüber bin ich mindestens so unsicher wie bei der Suche nach den "absurden Genitivkonstruktionen", über die sich Weidermann mit seiner Titanic-Sockenpuppe so amüsiert.
Lustig dann manche Kommentare zum FAZ-Artikel:
Verlässt man sich nur drauf, dass ein kunstvoll gedrechseltes, krampfhaft sinnbeladenes Geschwurbel nur von ihm sein könnte? Diese Geschichte bezeugt nach meinem Empfinden gleich mehreres: Nachlässige Quellenkontrolle beim SZ-Feuilleton und schlechte Qualität von Grass' Geschreibsel, welches offenbar ruckzuck imitiert werden kann. Sehr geil, Taitännick! Bravo!und
Es erfüllt mich mit großer Freude, dass die "Titanic" sich geoutet hat. Hatte ich doch für einen kleinen Augenblick die Befürchtung, dass Grass jetzt vollends den Verstand verloren hat.bzw.
Die gute Nachricht zuerst: niemand ist gezwungen, diese neuen merkwürdigen Gedichte von Grass zu lesenJa: Lachen wir mal alles weg, der alte Sack nervt, er nu wieder, und diese "Dichter" mit ihrem "Geschwurbel", ha! ha!, kann ich auch, einfach untereinanderschreiben.
Die schlechte: keiner kann's ihm verbieten....
Mich widert das nicht weniger an als ein selbstgewisser Starrkopf, der gerne moralische Noten verteilt.
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"Drive My Car" has the smooth bravado of a Jack Nicholson performance, grinning on the surface with wheels spinning like mad underneath.Tim Riley: Tell Me Why. New York, 1988, S. 156.
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nnier | 26. Mai 2012


Good Morning, Good Morning, and how do you do?
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Gesellschaften brauchen offenbar Seismografen für Verkrustungen.Es ist ganz interessant, das Gespräch mit di Lorenzo und Schirrmacher in der aktuellen "Zeit". Einmal geht es darum, dass es von Größe zeugt, mal etwas nicht zu machen, auch wenn es Aufmerksamkeit (bzw. Auflage) bringt, wie z.B. ein bestimmtes Gedicht von Günter Grass abzudrucken. Von der Titelseite schaut einen unterdessen Thilo Sarrazin an. Den hat wahrscheinlich das Leserbarometer dahingespült.
(Giovanni di Lorenzo)*
Odo Marquard hat das mal "Inkompetenzkompensationskompetenz" genannt.
(Frank Schirrmacher)*

"Sie haben neulich an einer Online-Umfrage zur Qualität der X-Zeitung teilgenommen." - "Nein." - "Spreche ich denn nicht mit Herrn nnier?" - "Doch." - "Ja, aber dann haben Sie neulich an unserer Umfrage im Internet teilgenommen." - "Ne-hein!" - "Aber Sie interessieren sich für die X-Zeitung!?" - "Ich will nicht drüber sprechen."
Die Post ist da. "Sehr geehrter Herr [Vorname], Ihre Entscheidung für die Xtra Card der Telekom ist eine gute Wahl!", steht in dem Brief. Darin liegt eine SIM-Karte ("Ihre Xtra Card"), die ich jetzt "einfach aktivieren" soll. Ich habe eine solche Entscheidung aber gar nicht getroffen, das würde ich jetzt gerne jemandem erzählen, doch eine Telefonnummer steht nicht in dem Anschreiben.
Ich wüsste zu gerne, ihr Schweinepriester von der Telekom, wie ihr dazu kommt, mir unaufgefordert eine SIM-Karte zuzuschicken. Wirklich! Ist das ein Massenmailing, läuft das über eine Datenbank, gehöre ich zur Zielgruppe der Naiven und Treudoofen, mit denen man's mal versuchen kann? Lohnt sich so eine Omabescheißerei, gibt es vielleicht genügend Leute, die den Überblick über ihre Handyverträge nicht haben und dann einfach mal eine neue SIM-Karte "aktivieren"? SPINNT IHR EIGENTLICH, HABT IHR KEINERLEI HEMMUNGEN MEHR, SEID IHR JETZT AUF DEM NIVEAU VON HEIZDECKENVERKÄUFERN AUF DER KAFFEEFAHRT ANGEKOMMEN?
Oh, Shit! Mein Verkrustungsseismograph schlägt aus.
Gut möglich, dass ich bestraft werde, denn ich habe gesündigt. Sie wissen das ja schon, dass Groupon ein ganz übler Laden ist, und ich hätte es mir sicher denken können, hatte aber bis vor kurzem meinen Blick mehr auf das absurde Geschäftsmodell gerichtet - und aus einer perversen Faszination heraus immer öfter hingeschaut und dann auch manchmal etwas bestellt.

Selbst schuld!, mögen Sie nun denken, das kann ja gar nicht anders sein, Wer billig kauft, kauft zweimal etc., danke, bitte, ich will hier auch kein Mitleid, ich will bloß, dass Sie noch rechtzeitig Ihre Aktien verkaufen, denn das kann einfach nicht mehr lange gutgehen. Ich habe ja neulich schon berichtet, dass hinter den Kulissen etwas nicht stimmt, wenn der Putzmann anruft und sagt: Tut mir leid, ich komme nicht, wir zahlen dabei noch drauf. Überlegen Sie mal: Das quält den Kunden und den Putzmann, während der Schweineladen die Verträge sicherlich so gestaltet hat, dass er sich am Putzmann schadlos halten kann, auch wenn der Kunde das Geld zurückbekommt. Trotzdem: Das ist Heuschrecke pur, das hinterlässt Schneisen der Verwüstung, das zeugt von hohem Verkaufsdruck und schlechter Beratung der Geschäftspartner, die offenbar gnadenlos ausgenommen werden, egal was morgen ist.
Wenn ich allerdings Versandprodukte gesehen habe, dachte ich bislang: So ein Putzmann, der schätzt das womöglich falsch ein, oder eine Friseurin, die plötzlich 300 ungeduldige Schnäppchenkunden da stehen hat, aber bitteschön: Versandartikel, das klappt schon.
Bei den Fotobüchern stimmte das auch - mehr oder weniger. Dann bestellte ich zwei Dingse. Das ist fast vier Monate her.
Ich bekomme keine Lieferung, ich bekomme vom Anbieter keinerlei Reaktion, ich bekomme von Groupon irgendwann folgende Antwort:
Selbstverständlich haben Sie auch die Möglichkeit vom Kauf des Gutscheins zurückzutreten. Da dieser jedoch bereits eingelöst wurde, benötigen wir von Ihnen hierzu eine Stornierungsbestätigung Ihrer Bestellung von unserem Kooperationspartner in Kopiewas total prima ist, da dieser sich wie gesagt totstellt, und werde auf erneute Nachfrage folgendermaßen abgekanzelt:
Aufgrund der großen Nachfrage kann der Vorgang bei 2Waction bedauerlicherweise längere Zeit in Anspruch nehmen. Leider haben wir keinen Einfluss darauf, wie viel Zeit dieser Vorgang in Anspruch nehmen kann.Ich will Sie nicht mit den kleinen Ärgernissen meines Alltags langweilen. Ich erzähle das, damit Sie wissen, worauf man sich einlässt: Einen Laden, der unseriöse oder schlicht überforderte Klitschen als "Kooperationspartner" anwirbt, von den Kunden vorab das Geld kassiert und sich dann darauf zurückzieht, "keinen Einfluss" darauf zu haben, ob und wann die Leistung erbracht wird. Und zwar systematisch. Das sollte man sich klarmachen.
Hallo!? Wo sind Sie? Ach - Sie wollen schnell noch Ihre Aktien verkaufen! Oh, keine Ursache. Danken Sie nicht mir. Danken Sie meiner Inkompetenzkompensationskompetenz.
--
*"Die Zeit" No. 22 vom 24.5.2012, Dossier Am Medienpranger, S. 15-17.
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