Vanille
Erdbeer
Nuss
Zitrone
Banane
Himbeer
Kugel 50 Pf. / Spaghetti-Eis 2,50 DM

"Wie - du willst kein Eis!?" Mein Opa war fassungslos, aber ich war tatsächlich nie so scharf auf diese Kaltspeise wie offensichtlich alle anderen Menschen. Manchmal wurde ich ins Eiscafé eingeladen, dann bestellte ich freudig Bananen-Split oder den Nussbecher, musste am Ende aber regelmäßig kämpfen, um die fiese Soße aus geschmolzenem Eis und dem hineingerührten Berg Sahne noch irgendwie herunterzubekommen. Und während an den anderen Tischen unfassbare Mengen bunter Eisspeisen vertilgt wurden, freute ich mich am meisten über die kleinen Papierschirmchen.

Natürlich war ich ein dünner Hering, der am liebsten Gurkensalat aß und viele "gehaltvolle" Speisen nicht mochte. Aber dass ich nun auch noch das angebotene Eis verschmähte, konnte er nicht begreifen, und überhaupt, dass ich immer so viel renne!, ich solle doch mal langsamer gehen, damit es mal ein wenig ansetzen kann.

Ich hatte dabei nie etwas gegen ein kleines Mini-Milk einzuwenden, auch ein Nogger oder Domino lasse ich mir zweimal im Jahr gefallen, aber schon die vielgepriesenen Ich und mein Magnums schlugen mir nicht nur der Reklame wegen auf den Magen - dieses "Ich regrediere mit dem asexuellen Partner auf dem Sofa herum und lutsche ein fettes Eis" war ja unerträglich -, sondern auch die ekelhaft süße Bourbonvanille war mir deutlich zu penetrant und wurde durch die halbe Tafel Schokolade, die man gezwungenermaßen in Form der viel zu dicken Hülle mitessen musste, geradezu widerlich. Wohl auch deshalb wirkt die Werbung für eine dieser mörderischen Eissorten, die in 500-Gramm-Bechern angeboten werden, auf mich nichts als abstoßend: "Unser Rezept: Von allem zuviel", steht auf den Plakaten, und ich wende mich mit Grausen. Welches nur noch übertroffen wird, wenn ich die knallbunten, in gefrorene Trägermasse hineingeschredderten Smartie- und sonstigen Perversionen sehe, die beim Burgerbrater das Kalorienerlebnis erst richtig rund machen sollen.

Mein Glück ist, dass ich im Einzugsgebiet einer wirklich hervorragenden Eisdiele lebe. Sie wird, wie es sich gehört, von Italienern betrieben, ist stets gut besucht, man bekommt im Sommer kaum einen Sitzplatz, es gibt locker 30 oder 40 Sorten Eis, die oft aus frischen Zutaten hergestellt werden, und mich muss das alles nicht interessieren, denn ich möchte ja nur eine Waffel auf die Hand, und diese bitte mit Nuss und Schokolade.

Manchmal experimentiere ich ein wenig herum, dann nehme ich statt Nuss auch mal Pistazie - aber fast immer bereue ich es, weiß ich doch, dass nichts über diese beiden Wintersorten geht, denn, so wurde ich einst belehrt, was ich da bestellte, das sei Wintereis, im Sommer könne man doch kein Schokoladeneis essen, da brauche es frische, fruchtige, leichte Sorten wie z.B. Zitrone oder Himbeere.
Ich habe das dann mal probiert, und, sicher, das ist ein schöner, frischer, fruchtiger Geschmack, gerade auch die selbstgemachten Sorten mit frischen Pfirsichen zum Beispiel, die preise ich Besuchern gegenüber stets an, doch selber bestelle ich, da hilft alles nichts, Nuss und Schokolade, und es ist eine Kunst, diese Allerweltssorten so herzustellen, dass sie nicht langweilig schmecken, sondern wertig und voll und zuverlässig und nachhaltig.*

"Spaghetti-Eis, igitt!, Das muss ja ekelhaft schmecken!", empörte sich ein Mitschüler, verzog angewidert das Gesicht und fügte hinzu: "Und dann auch noch so teuer!"
Die Vorstellung, dass er dabei an eine Kugel dachte, die nach kalten Nudeln schmeckt, erfreut mich noch heute. Und das mit dem Ansetzen hat inzwischen geklappt.
(Mit einem Gruß an diese nette Linksammlung)
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*Was dieses Wort heißen soll, weiß ohnehin niemand, aber es hört sich immer gut an.
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Früher, so erzählen meine Eltern, war es einfach das Kinderspiel, ich höre dann von Schussern und Klickern, von Tonern und Glasern und wie man sich gegenseitig die Murmeln abluchste. Zwar war das bei mir selber und meinen Freunden schon weniger der Fall - wir bauten eher Murmelbahnen, als die Kugeln um die Wette in kleine Löcher zu stupsen - aber dass man im Kinderzimmer eine Ladung Murmeln hatte, war gar keine Frage.
Seit einigen Monaten ist das Murmelfieber ausgebrochen. Ein liebes Kind kam nach den Osterferien von den Großeltern zurück und brachte ein paar handgefertigte und prall gefüllte Murmelsäckchen mit. Dazu gab es eine kleine Edelstahlpflanzschaufel, mit der sich ganz hervorragend faustgroße Löcher stechen lassen. Seither wird gespielt.

Ja, ja, werden Sie sagen, diese armen Kinder, müssen Beatles hören und kriegen nur alte Comics vor die Nase plus genau diejenigen Kinderbücher, die der nnier selber gut fand, am Ende "dürfen" sie noch Kimba gucken oder Timm Thaler, und jetzt müssen sie mit Murmeln spielen.
Wer wäre ich, Ihnen da zu widersprechen?
Man steckt doch selber viel zu tief drin, man kann sich ja durchanalysieren bis dorthinaus, trotzdem hat man seine blinden Flecken, und wenn man noch so oft betont, bitte, du darfst gerne moderne Drecksmusik hören, du darfst gerne so ein abgefackter Medienjunkie werden, mach nur, was du selber willst, wenn man also stets deutlich macht, dass das bloß unverbindliche Vorschläge sind - wer weiß schon, welche subtilen Signale man dennoch ganz unbewusst vermittelt, und der Papa ist ganz traurig, wenn du mit dem Nintendo spielst, also ich spiele ja viel lieber Spiele ohne Sieger aus unregelmäßig geformtem Naturholz, aber das ist deine Entscheidung, du musst das freiwillig selber wollen, ich will mich da gar nicht einmischen.

Es ist bloß - das liebe Kind hat auch an seine Freundinnen ein paar kleine Murmelsäckchen verschenkt, Nachbarskinder mit eigenen Murmeln gibt es auch, und seither trifft man sich im Garten und buddelt Löcher und läuft mit seinem Murmelsäckchen herum und holt den alten Setzkasten aus dem Keller und sortiert Klicker hin und sortiert Schusser her und sucht die Schränke nach den alten Knickern aus dem Kindergarten ab und wünscht sich Marmeln zu Weihnachten (jetzt schon) und tauscht Marbeln mit anderen Kindern und dreht die Kugeln zwischen den Fingern und erzählt beim Abendessen von dieser einen ganz besonderen, die das eine Kind hatte und die man erst gewonnen und dann an ein anderes Kind wieder verloren hat.

Im Stadtteilspielzeuggeschäft gab es keine, was ich gar nicht glauben konnte, im Billigladen immerhin diese Standardmurmeln und im hippen Szeneshop schöne einzelne, die man aber in Gold aufwiegen muss. Ich bestellte, damit es sich lohnt, übers Internet einen ganzen Karton voll, da sind echt coole dabei! Und wenn ich gefragt werde, was ich damit will: Ich habe da schon so eine Idee.
[Video nicht mehr auffindbar]
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Ich hatte damals noch gute Nerven und persönlich nichts gegen Bullet, über den ansonsten in der Dienststelle nicht nur heimlich gelacht wurde. Trotzdem freute ich mich darauf, die tägliche Tour bald mit einem Freund absolvieren zu können, und während eines nachmittags die obligatorische Folge Happy Days lief und wir im Aufenthaltsraum herumgammelten, sprach ich: Hoffentlich fängt K. bald hier an!
Hinterher meinte ich, ich hätte das untergründige Grinsen bemerken müssen, mit dem ich von einem Kollegen gefragt wurde: Warum denn!? Aber der Mund war schneller als das Hirn, und so antwortete ich: Damit ich nicht mehr mit Bullet fahren muss. Erst dann drehte ich mich um.
In den Tagen danach fragte er stets, ob es in Ordnung sei, dass wir zusammen führen, und meine Beteuerungen, natürlich, es sei mir eine große Freude, mit ihm zu fahren, kamen vermutlich nicht so richtig glaubwürdig rüber.
Der Tisch war reich gedeckt, die Großeltern zu Besuch, ein Tellerchen mit sauren Gurken stand herum, davon nahm ich eine und freute mich auf die knackige Frische. Statt dessen biss ich in etwas Weiches, Geschmacksfreies, und fragte entsetzt: Wo kommen die denn her? Wo habt ihr denn die gekauft?, und bevor ich die Antwort abwartete, hinterher meinte ich, ich hätte die alarmierten Gesichter meiner Eltern bemerken müssen, verkündete ich: Die schmecken ja gar nicht, die sind ja total labberig.
Meine Beteuerungen, dass die eigentlich doch total toll schmeckten, hmm!, gib mir noch eine!, kamen vermutlich nicht so richtig glaubwürdig rüber.
Da hatte die Nachbarin die Idee gehabt, ihrem Mann eine große Überraschung zu bereiten, er beging einen runden Geburtstag und sie hatte heimlich zig Personen aus ganz Deutschland eingeladen. Ich wurde in die Organisation eingebunden, sie gingen für zwei Stunden in ein Restaurant, das war alles gut eingefädelt, und ich sollte dabei helfen, die eintreffenden Menschen ins Haus zu lassen und in das Obergeschoss zu geleiten, wo alles aufwendig geschmückt werde sollte und dann, bei der Rückkehr, Ta-taa, Riesenüberraschung!
Der Raum hatte sich gut gefüllt, ich sah aus dem Fenster, das Paar kam zurück, ich sorgte für Ruhe und wir hörten die Haustür. Minutenlang herrschte Stille, dann hörte man die Frau: Willst du mal oben gucken, ob da der Wein steht? Nein, sagte er, wozu, der steht hier unten. Mhm, sprach sie, während man sich im Obergeschoss verschwörerisch anschmunzelte, aber sind oben die Gläser? Man meinte, das Stirnrunzeln zu hören, als er antwortete: Klar sind da die Gläser, und man meinte auch langsam, ihre Verzweiflung zu hören, als sie sagte: Sieh doch bitte trotzdem nach. Er hatte gerade den ersten Schritt auf der Treppe nach oben getan, als sie, getrieben wohl von der Befürchtung, das würde alles nichts mehr werden, rief: Zieh dir doch mal schönere Socken an, ich habe dir oben welche hingelegt!
Man hörte, wie er sich auf der Treppe umdrehte und sagte: Was soll ich?, und sie rief: Geh doch endlich hoch, und ich wusste, dass er jetzt nicht hochgehen würde, kein Mann hätte das getan, und ich wusste, dass jetzt für ihn der Moment gekommen war, um mal klarzustellen, wer hier für wessen Socken zuständig war, und ich sah, wie aus den schmunzelnden Gesichtern da oben ziemlich angestrengte geworden waren.
JETZT HABE ICH ABER DIE SCHNAUZE VOLL! WAS SOLL DENN DIESES GEREDE! GLAUBST DU, ICH KANN NICHT SELBER FÜR MEINE SOCKEN SORGEN! IRGENDWANN REICHT'S! UND ÜBRIGENS! ICH MUSS PISSEN! UND DANN WILL ICH NUR NOCH MEINE RUHE HABEN! UND WENN IRGEND JEMAND ANRUFT: DIE KÖNNEN MICH MAL! KEINE SAU HAT ANGERUFEN, KEINER HAT GRATULIERT, DEN GANZEN TAG, SCHÖNE FREUNDE!, UND JETZT KÖNNEN SIE MICH ALLE MAL! ALLE! (Lautes Furzen) ICH BIN SOGAR FROH, DASS DIE NICHT ANGERUFEN HABEN! UND DASS KEINER HIER VORBEIGEKOMMEN IST! WENN DER A. AUS B HIER NOCH ANGEKOMMEN WÄRE MIT SEINER ÄTZENDEN TUSSI - UND DANN WIEDER STUNDENLANG DIESES NERVIGE GELABER! DA SETZE ICH MICH DOCH LIEBER VOR DEN FERNSEHER!, so stellte ich mir das vor, da riefen wir mal lieber schnell: Überraschung!
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Es sind ja auch zwei Ohren, da kann ich das mit den zwei E-Mails durchaus nachvollziehen, ist sicher eine nette Geste vom Mobilfunkbetreiber - und dann doch wieder ein wenig unheimlich, wie schnell die heutzutage so etwas mitbekommen. Natürlich sind ihre ureigenen Interessen berührt, immerhin telefoniert es sich doch eher schlecht in einem solchen Zustand, dennoch erschrickt, jawohl, Herr Bundespräsident: erschrickt man im ersten Moment, man ist an diese Post-Privacy-Sache noch nicht ganz gewöhnt, die unser aller Leben zum besseren wenden wird, wenn Daten keine Bedrohung mehr darstellen, wenn alle von allen alles wissen, und ich fang einfach mal an, also, ich bin der nnier und neben meinem Bett steht ein schwarzbraunes Nachtschränkchen, darauf ein Bücherstapel, von unten nach oben: Unendlicher Spaß, Der Mann Die Frau Auf dem Weg zu ihrem Selbst, Arabella Klimperauge, Wohin mit Vater?, Wortstoffhof, Das falsche Leben und schließlich ein weißer Jahresplaner 2008/2009, den man noch gut als Notizblock verwenden kann. Daneben ein kleiner Wasserkocher, eine Flasche bebe young care soft body milk, Haargummis diverser Farbe und Größe, eine große Tasse Tee mit dem Aufdruck HÖEGH AUTOLINERS, eine schlanke Glaslampe mit Metallfuß, ein Mobiltelefon, kleine Geldmünzen, ein Lavendelsäckchen, eine Reihe antibiotischer Ohrentropfen in praktischen Einzeldosen sowie deren Beipackzettel.
Auf dem Fußboden daneben steht ein Tablett mit einem Becher Almighurt Zitrone, einer Teekanne, zwei leeren Plastikschälchen und einem leeren Plastikteller. Direkt im Anschluss, neben dem Tablett, stapeln sich diverse Zeit-Ausgaben, in deren neuester findet sich übrigens ein großes Interview mit Herrn Wulff, worin dieser doch tatsächlich sagt: "So etwas ist natürlich eine bleibende Erinnerung, weil man als Jüngerer ja auch erschreckt, wenn man abends in der Tagesschau landet."
Das ist dieselbe Ausgabe, in der ein paar Seiten weiter Wim Wenders über den kürzlich verstorbenen und auch von mir sehr gemochten Peter Falk schreibt, Colombo steht in der Bildunterschrift - da bin ich dann doch ein wenig erschrocken, aber Sie, Herr Bundespräsident, Sie haben bestimmt noch nie jemanden erschreckt, nicht mal als Jüngerer.
Zwischen den Zeit-Stapeln befindet sich eine Packung Antibiotika sowie deren Beipackzettel, auf dem u.a. von Sehnenschmerzen, Kopfschmerz, Schlafstörungen, Unruhe, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Magenbeschwerden, Superinfektion, Bindehautentzündung, beschleunigtem Herzschlag, Juckreiz, Hautausschlag, intensiven Träumen, psychotischen Reaktionen, Verwirrtheit, Schwindel, Kribbeln, Nervenerkrankungen, Unscharf- oder Doppeltsehen und noch jeder Menge weiterer möglicher Nebenwirkungen gewarnt wird, sowie das Buch Ein Bär will nach oben, das ich wesentlich lieber als diesen Zettel gelesen habe und übrigens von Hans Pfitzinger übersetzt wurde.
Und wenn das immer noch nicht genügend Daten über mich sind, wenn jetzt nicht innerhalb der nächsten Stunde jemand, z.B. mein Internet-Anbieter, statt wohlfeiler Erholungsprosa profilgenau heiße Zwiebelscheiben schickt, dann lasse ich es wieder!
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"Wozu fotografierst du denn diese Sachen, hm?"

"Ich? Ich, äh, oh, äh, ich - na ja, ..."

"... das ist so ein, äh, Hobby von mir, ähm, kostet ja nix mehr, heutzutage, he he, mit den Digitalkameras, nicht wahr, he he, und was man nicht gebrauchen kann, das löscht man halt wieder, nicht wahr, und manchmal, äh, ..."

"Ja - wie!? Ich hab so ein Gartentor zu Hause, mit 'nem Riegel. Willst du den auch fotografieren oder was!? Jetzt sag doch mal, wozu du das alles knipst!"

"Ach, äh, das ist, äh, he he, da gibt es so ein Blog, ähm, und da kann jeder mitmachen - das ist total toll, da geht es so um Gesichter so, also, die man in den Dingen sieht, ähm, und am Anfang, klar, ist man erst so bei Häusern so, ich meine: Fenster, Fenster, unten die Tür - sieht jeder, als Kind hatten die Häuser für mich ja immer total verschiedene Persönlichkeiten, kennst du bestimmt, so, oder auch Autos, was war mir der VW 411 unsympathisch!, aber dann wird's irgendwann immer abgefahrener, he he, und sieh dich hier nur mal um, bloß hier in diesem Zug, du siehst plötzlich überall Gesichter, nicht wahr, sieh doch nur mal ---"

"Ich seh hier gar nix. Ich würde ja da draußen die Sachen knipsen, schöne Landschaft da draußen - aber jeder wie er will, eh! Mach du mal, eh!"

(Lenkt ab) "Das ist dermaßen heiß hier drinne!"

"Kannst du aber laut sagen, du!"

"Die Zugestiegenen die Fahrscheine, bitte!"

"Dreck - meine Tasche! Die liegt ja noch im Auto!"
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