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Als Jugendlicher bekam ich von meinem Großvater eine Spiegelreflexkamera geschenkt. Es war eine Praktica, sie stammte mithin aus der DDR, und er selbst hatte sie viele Jahre zuvor als Gebrauchtgerät von einem Arbeitskollegen erstanden. Die Ausstattung war beachtlich, so gab es diverse aufzuschraubende Objektive - ich hatte zwei normale sowie ein Weitwinkelobjektiv dazubekommen -, einen Distanzring, den man zwischen Fotoapparat und Objektiv schraubte und der aufgrund veränderter Brennweite grandiose Makroaufnahmen ermöglichte, sowie diverse Filter, von denen ich nie so recht wusste, wozu sie dienten.

Viel zu erklären gab es nicht, die Fotozelle womöglich, die die Lichtstärke maß und einem dabei half, eine anständige Kombination aus Blendenöffnung und Verschlusszeit zu wählen, aber eigentlich tat der Apparat das, was er sollte, nämlich: Bilder machen, und das wirklich gut.

Mein Opa war ein eifriger Fotograf, der schon früh jeden Urlaub dokumentierte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen, die ich kannte, fotografierte er fast ausschließlich mit Diafilmen. Und während ich über die vielen Revue-Diaboxen staunte, die sich da angesammelt hatten, erfuhr ich, dass die kleinen Bilder in ihren Rähmchen tatsächlich der entwickelte und zerschnittene Film waren, also das, was ich normalerweise als Negativstreifen in der Bildertasche vorfand.

Das alles war ein teures Hobby, und als sparsamer Mensch erklärte er mir, wie er aus einem 36er Film mindestens zwei oder drei Dias mehr herausholen konnte: Erstens stellte er den Abstand zwischen den einzelnen Bildern auf dem Film so knapp wie nur irgend möglich ein, so dass diese praktisch aneinanderstießen, zweitens spannte er den Film ebenso knapp ein, gerade mal die ersten Zähne der Wickelspule mussten greifen, schon konnte die Kamera geschlossen und drauflosfotografiert werden.

Diese Angewohnheit habe ich übernommen, auch wenn der Kaufpreis der Filmrolle bei den normalen Negativfilmen ja der geringste Faktor war. Mit dem Daumen am Hebel spürte ich genau, wie der Film weitertransportiert wurde, und über die "mehr" herausgeholten Bilder am Ende freute ich mich jedes Mal diebisch, obwohl ich die Papierfotos ohnehin pro Abzug bezahlen musste. Und auch als ich irgendwann einer batterienfressenden F50 vieles überließ, das ich vorher selber einstellen musste: Das Filmeinlegen handhabte ich wie eh und je, und wenn die 37 und vielleicht noch die 38 im Display erschien, bevor der automatische Rückspulmechanismus einsetzte, hatte ich ein wenig das Gefühl, den Mächtigen in der Welt ein Schnippchen zu schlagen.

Als alle längst digital fotografierten, rannte ich weiter mit der ollen Spiegelreflex herum, mir waren die grobpixeligen und schlecht belichteten Abzüge ein Graus, die plötzlich, Farbkopien gleich, an den Wänden hingen, und auch nachdem ich selber so ein praktisches, kleines Taschendings besaß, nahm ich immer wieder mal das alte Analoggerät zur Hand, nicht zuletzt aus einem Gefühl des Misstrauens gegenüber der Datenflüchtigkeit heraus: So ein Negativstreifen, der mag farbstichig werden mit der Zeit, aber er ist nach 30 Jahren immer noch da, wohingegen die Mega- und Gigabytes immer wieder neu archiviert und umkopiert sein wollen, auf immer dichtere Speichermedien, dabei stets mit dem Risiko eines Totalverlusts. So fuhr ich also eine Doppelstrategie, die digitalen Fotos für den Alltag und das schnelle Herumknipsen, aber immer wieder ein paar analoge Aufnahmen zwischendurch, damit nicht plötzlich ganze Jahre verschwinden können.

Es war eine schöne, aber auch anstrengende Wanderung im Harz, bergauf und bergab und querfeldein, als ich vor einigen Jahren wieder einmal die F50 mitschleppte, ich lief hintendrein und rannte dann wieder voraus, bleibt mal kurz stehen!, wartet mal!, lasst uns noch mal zurückgehen!, ich wollte an diesem Tag einen ganzen Film verschießen und suchte die ungewöhnlichen Perspektiven, bückte mich hier, kletterte dort hoch, bald wäre der Film voll, da kommt die 36, Moment!, hier noch eins!, die 37, er spult noch nicht, also hier vorne bitte!, die 38, und es meldete sich ganz entfernt ein grausiges Gefühl. Ich knipste weiter, die 39 erschien, ich löste erneut aus: Die 40, und an diesem Tag sollte sich die Knauserei rächen. Der Film war zu knapp eingespannt, er hatte überhaupt nicht transportiert. Ich war im Innersten getroffen und starrte für den Rest der Wanderung nur noch stumm vor mich hin.

Seither habe ich nur noch wenige analoge Fotos gemacht, die digitalen Apparate werden besser, und selbst mit meiner kleinen Kompaktkamera kann ich Motive schießen, die sich problemlos auf Posterformat vergrößern lassen. Zuletzt habe ich die große analoge deshalb auch nicht mehr mit in den Urlaub genommen und mich an die kleine, allzeit bereite Digitalkamera in der Hosentasche gewöhnt, mit der man nahezu unbegrenzt drauflosknipsen kann: Was ist schon so eine Speicherkarte, briefmarkengroß nur und bietet doch Platz für über 1000 Fotos.

Schon wieder über 600 Bilder, sieht man eines Tages im Display, da waren ja auch die tollen Motive da und dort und überhaupt dabei, gleich heute abend also: Unbedingt die Speicherkarte wechseln! Sonst wäre der Verlust zu groß!, denkt man, bevor man wieder vorausrennt und dann hinterdreinmarschiert, Bilder macht, an diesem hohen Berg, bleibt mal kurz stehen, jetzt noch diese Blume und diese -

und die Kamera reagiert nicht mehr und ein böses Wort erscheint im Display.
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nnier | 11. August 2011 | Topic Margaretha

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Er bekommt wieder dieses Glaskugelgefühl, er läuft herum wie in einer Glaskugel und spricht zu den Menschen wie aus einer solchen, manchmal denkt er: Wie dünn die Tarnung doch ist, dass die das nicht merken - wie in einem alten Jack-Arnold-Film, wenn zwischen den unbedarften Bürgern die getarnten Körperfresser herumlaufen und dann setzt sich jemand eine Spezialbrille auf und sieht die wahre Gestalt jener bleichen Wesen, doch es ist längst zu spät.
Das war mit Edding an die Wand geschrieben, und man muss wohl in einer Zeit sozialisiert worden sein, in der das ewige "Krieg dem Krieg" einem irgendwann zu den Ohren rauskam, ihr seid doch auch für Frieden, oder, sagte die Frau mit dem Plakt, ihr seid doch auch gegen Atomkrieg, unterschreibt mal, und wir schrieben alle brav unsere Namen darunter, ich sah dann irgendwo das DKP-Logo und fand es unangenehm und aufdringlich, uns als Dreizehn-, Vierzehnjährige so in moralische Geiselhaft zu nehmen, aber, das gebe ich vorsorglich zu Protokoll, ich bin trotzdem für Frieden und gegen Krieg, nicht dass ich da missverstanden werde - bloß finde ich Mööb dem Mööb noch eine Spur großartiger und würde es jederzeit unterschreiben.
Zwei Tage noch die Tarnung oben lassen, man weiß: Das strengt an, das kostet den Gestaltwandler Energie, dann darf er endlich dorthin, wo er sich in seiner natürlichen Gestalt zeigen kann, wo ihm gleich wieder das Bild verschwimmt, wenn er ankommt, schaut her, da sitzt er, eigentlich sieht er ja ganz normal aus - aber seht nur mal durch die Spezialbrille.
Das war mit Edding an die Wand geschrieben, und man muss wohl in einer Zeit sozialisiert worden sein, in der das ewige "Krieg dem Krieg" einem irgendwann zu den Ohren rauskam, ihr seid doch auch für Frieden, oder, sagte die Frau mit dem Plakt, ihr seid doch auch gegen Atomkrieg, unterschreibt mal, und wir schrieben alle brav unsere Namen darunter, ich sah dann irgendwo das DKP-Logo und fand es unangenehm und aufdringlich, uns als Dreizehn-, Vierzehnjährige so in moralische Geiselhaft zu nehmen, aber, das gebe ich vorsorglich zu Protokoll, ich bin trotzdem für Frieden und gegen Krieg, nicht dass ich da missverstanden werde - bloß finde ich Mööb dem Mööb noch eine Spur großartiger und würde es jederzeit unterschreiben.
Zwei Tage noch die Tarnung oben lassen, man weiß: Das strengt an, das kostet den Gestaltwandler Energie, dann darf er endlich dorthin, wo er sich in seiner natürlichen Gestalt zeigen kann, wo ihm gleich wieder das Bild verschwimmt, wenn er ankommt, schaut her, da sitzt er, eigentlich sieht er ja ganz normal aus - aber seht nur mal durch die Spezialbrille.
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nnier | 18. Juli 2011 | Topic Margaretha
Es gibt hier

momentan

absolut nichts

zu sehen!

momentan

absolut nichts

zu sehen!
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Ich habe mein Tempo sowieso runtergefahren, und wenn's mal wieder dauert - je nu. Man kann dann in Ruhe Nahrung verstoffwechseln oder nach ein paar Jahren Strafsteuer plötzlich auf folgenden Gedanken kommen: Mag ja sein, dass so ein Nachrüstkatalysator dich auch nur auf die gelbe "Umwelt"-Plakette liftet, auf dass die Ökofaschisten dich und deinesgleichen weiter aus der Stadt heraussegregieren und sich mit ihren grünbeklebten SUVs und Volvos endgültig ungestört gegenseitig an die Feife fassn können, irgendjemand wird das bescheuerte Wort "Nachhaltigkeit" schon entsprechend zurechtbiegen und mit demnächst absoluter Mehrheit im Rücken vollautomatisch und klimaneutral Menschen voneinander trennen, grandios effiziente Menschenrecyclingsysteme implementieren und total besoffen von der eigenen ökologischen Korrektheit einen CO2-Zuschlag für den jährlichen Urlaubsflug entrichten - aber so schön die schwarze Plakette auch ist, kann es vielleicht sein, dass man durch den Einbau dieses Ablassgeräts wenn auch nicht in die heilige grüne Apartheidzone fahren, dann doch wenigstens Steuern sparen könnte? Man sollte sich mal drum kümmern!
Aber wie das so ist, erst ist Weihnachten, dann plötzlich Sommer, und kurz vor der Urlaubszeit beginnt der Auspuff mit solchem Nachdruck zu pöttern, dass man am liebsten erst mal vor der Waldorfschule vorbeicruisen würde oder schön sonor am Biosupermarkt entlang. Ein unfachmännischer Blick unters Auto bestätigt: Der braune Bruder hat sich's entlang des Hosenrohres bequem gemacht und in wilder Leidenschaft zugebissen, wer kennt das nicht. Und in diesem Moment fällt einem alles wieder ein, der Katalysator, und da soll es doch so einen Zuschuss beim Kauf geben, forschen wir doch mal nach, die gelbe Plakette muss man dann ja gar nicht einkleben.
Heraus stellt sich, Schmunzler eins, dass die Steuerlast sich nahezu halbiert, womit man, Schmunzler zwei, das Gerät bei rechtzeitigem Einbau längst gegenfinanziert gehabt hätte, sowie dass, Schmunzler drei, der Förderzuschuss just vor ein paar Monaten ausgelaufen ist. Yeah.
Fahrt mal schön mit euren Elektromobilen zum Biomarkt, der Dreck bleibt ja in China oder jedenfalls außerhalb der Trallalazone, deren Wirksamkeit zwar nicht erwiesen ist, aber so ist das nun mal in diesen entfremdeten Zeiten: "Die Umweltbehörde geht davon aus, dass die EU eine Abschaffung der Umweltzone ohne Alternative und zum jetzigen Zeitpunkt als Vertragsverletzung mit bis zu 250000 Euro am Tag bestrafen würde." Na, das ist ein Grund! Und das Ministerium für Wahrheit wird eines Tages auch mir mit sanftem Nachdruck erklären, dessen bin ich sicher, dass es alternativlos nachhaltig ist, funktionierende Autos, die man noch mit einfachen Mitteln reparieren kann, nach Afrika zu entsorgen, weil sich die totale Umweltzone europaweit ausgebreitet hat. Im Schein der Engergiesparlampe werde ich den großen grünen Bruder umarmen. Bis dahin lasse ich heimlich im Keller die 100-Watt-Lampe brennen.
Aber wie das so ist, erst ist Weihnachten, dann plötzlich Sommer, und kurz vor der Urlaubszeit beginnt der Auspuff mit solchem Nachdruck zu pöttern, dass man am liebsten erst mal vor der Waldorfschule vorbeicruisen würde oder schön sonor am Biosupermarkt entlang. Ein unfachmännischer Blick unters Auto bestätigt: Der braune Bruder hat sich's entlang des Hosenrohres bequem gemacht und in wilder Leidenschaft zugebissen, wer kennt das nicht. Und in diesem Moment fällt einem alles wieder ein, der Katalysator, und da soll es doch so einen Zuschuss beim Kauf geben, forschen wir doch mal nach, die gelbe Plakette muss man dann ja gar nicht einkleben.
Heraus stellt sich, Schmunzler eins, dass die Steuerlast sich nahezu halbiert, womit man, Schmunzler zwei, das Gerät bei rechtzeitigem Einbau längst gegenfinanziert gehabt hätte, sowie dass, Schmunzler drei, der Förderzuschuss just vor ein paar Monaten ausgelaufen ist. Yeah.
Fahrt mal schön mit euren Elektromobilen zum Biomarkt, der Dreck bleibt ja in China oder jedenfalls außerhalb der Trallalazone, deren Wirksamkeit zwar nicht erwiesen ist, aber so ist das nun mal in diesen entfremdeten Zeiten: "Die Umweltbehörde geht davon aus, dass die EU eine Abschaffung der Umweltzone ohne Alternative und zum jetzigen Zeitpunkt als Vertragsverletzung mit bis zu 250000 Euro am Tag bestrafen würde." Na, das ist ein Grund! Und das Ministerium für Wahrheit wird eines Tages auch mir mit sanftem Nachdruck erklären, dessen bin ich sicher, dass es alternativlos nachhaltig ist, funktionierende Autos, die man noch mit einfachen Mitteln reparieren kann, nach Afrika zu entsorgen, weil sich die totale Umweltzone europaweit ausgebreitet hat. Im Schein der Engergiesparlampe werde ich den großen grünen Bruder umarmen. Bis dahin lasse ich heimlich im Keller die 100-Watt-Lampe brennen.
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Zuletzt haben sie nun doch angefangen mit "Bürgerservicecenter" und so Zeug, Personalausweise und Führerscheine werden nun an einem Ort abgehandelt, sogar Angelscheine gibt's da. Wenn man heutzutage Sehnsucht nach behaglich-urigem Behördenflair hat, gibt's nur eines: Man bestelle in Übersee zwei CDs und warte, bis einige Wochen darauf ein ominöses Schriftstück eintrudelt. Diesem entnehme man, dass auf der empfangenen Sendung keine Rechnungspapiere zu finden seien, weshalb man bitte mit diesem Schreiben und der Rechnung und dem Zahlungsnachweis zum Zollamt komme, und dass darüber hinaus ein Betrag von 0,50 EUR pro Tag für die Verwahrung berechnet werde, auf deren Erhebung bis zu einer Höhe von 5.- EUR jedoch verzichtet werde, und noch ein paar Absätze.
Man fahre dann "mal eben" vor der Arbeit zum Zollamt und lasse sich zeigen, was eine Harke ist: Nach Durchquerung der Tür befindet man sich nämlich in einer Fernsehserie, die das, hm, "Leben" kann man es ja nicht nennen, sagen wir: das Dasein in einer Amtsstube der 70er Jahre persifliert, nein, genauer: Eine Parodie auf die üblichen Beamtenwitze liefert - so wie eine Zeichnung von Rattelschneck mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt, ja auch etwas anderes ist als ein Witzbildchen aus den 60ern mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt. Schon die Einrichtung ist perfekt getroffen, mancher würde sicherlich sagen: Reichlich überspitzt dargestellt, an die gilbende Wand geklebte alte Ausgaben von MediZini, tanngrün filzgepolsterte Metallstühle, auch diese merkwürdige braun-beige-olive Farblosigkeit aus alten Derrick-Folgen wird erstaunlich effektiv eingesetzt, und beim Betreten des Zimmers 5a bekommt man feuchte Hände, da man zwar ein paar Mal geklopft, aber keine Antwort erhalten und schließlich einfach so die Tür geöffnet hat.
Drinnen ein richtig alter Nussbaumtresen mit Klappdurchgang, man steht und räuspert sich, schließlich kommt ein farblos olivbraunbeiger Herr zur anderen Tür herein und nimmt das Schriftstück entgegen. Er verschwindet sogleich, so dass man genügend Muße hat, die uralten Bürowitzpostkarten vom Format "Wunder dauern etwas länger" zu studieren, kommt nach geraumer Zeit wieder und trägt einen versiegelten Sack mit sich, den er bedeutungsvoll auf den Tresen legt.
"Die Rechnung muss da eigentlich drin sein", murmelt man, während Oliver Braun das Siegel bricht, nur um gleich darauf festzustellen, dass der Versandkarton längst offen ist und die Rechnung unübersehbar obenauf liegt.
"Audio-CDs, aha. Da müssen wir einen Zollantrag stellen", spricht Olivia Beigeton-Grün und geht ein Formular holen, das man dann gemeinsam ausfüllt. Gut, denkt man, das hat alles etwas gedauert, aber nun holt er seinen Taschenrechner hervor, er wird noch schnell den Zollwert berechnen und du zahlst und kommst noch halbwegs rechtzeitig zur Arbeit.
Hahahahaha.
"Bitte nehmen Sie draußen Platz, es wird dann jemand kommen und Ihnen Ihre Sachen geben", wird man aufgefordert, geht etwas verblüfft in eine Art Wartezimmer zurück und hat nun ausreichend Zeit, die alten MediZini-Poster zu studieren. Erstaunlich, welche Tierarten alle im Gebüsch leben! Und wie der Herz-Lungen-Kreislauf funktioniert! Die allgemeinen Zollbestimmungen sind auch gar nicht so uninteressant, die paar Seiten liest man ratztfatz weg, während gelegentliche Neuankömmlinge an der Tür von Zimmer 5a klopfen, zögern, klopfen, keine Antwort erhalten und dann vorsichtig trotzdem die Tür öffnen.
"So", kommt die Beigebraunsche Molekularbewegung ganz unerwartet aus seinem Zimmer heraus, und instinktiv wendet man sich ihm zu und freut sich auf sein Paket, aber er hatte doch gesagt: Es kommt jemand, da meint er doch sicher nicht sich selber - und tatsächlich, er bittet den nächsten Abholer herein, so dass man noch ein Weilchen herumsteht, bis jemand durch die andere Tür tritt und man - fast wie beim Arzt - namentlich aufgerufen wird. Kurz wundert man sich, dass der Aufrufer kein Paket in der Hand hält, er aber ist offensichtlich nur dazu da, den Besucher durch braunbeigeolive Flure vor ein anderes Zimmer zu führen, ihm einen zweiseitigen Formularausdruck auszuhändigen und zu bedeuten, man möge hier warten, bis man aufgerufen werde.

Spätestens jetzt muss man das Grinsen unterdrücken, zumal man durch die geöffnete Tür gleich drei Menschen bei der, nun ja, Arbeit beobachten kann, die sich so gestaltet, wie man sich es in einer Parodie auf eine lustige Beamtenserie der 70er Jahre vorstellt, und dabei hat mindestens einer der Mitarbeiter die 70er Jahre garantiert nicht mehr miterlebt. Aber das steht man auch noch durch, man beherrscht sich gefälligst und macht ein angemessen staatstragendes Gesicht, wenn schließlich ein farblosbeiger junger Mann aus der Tür tritt und hineinbittet. Auch hier wieder der Klapptresen, darauf ein hoheitlich aussehendes Dokument mit einem zu zahlenden Endbetrag, den man freudig entrichtet, draußen dann dieser Time-Tunnel-Effekt - kein Wunder, dass man falsch abbiegt, es sollen schon Leute ihr Zieljahrzehnt verpasst haben!
Man fahre dann "mal eben" vor der Arbeit zum Zollamt und lasse sich zeigen, was eine Harke ist: Nach Durchquerung der Tür befindet man sich nämlich in einer Fernsehserie, die das, hm, "Leben" kann man es ja nicht nennen, sagen wir: das Dasein in einer Amtsstube der 70er Jahre persifliert, nein, genauer: Eine Parodie auf die üblichen Beamtenwitze liefert - so wie eine Zeichnung von Rattelschneck mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt, ja auch etwas anderes ist als ein Witzbildchen aus den 60ern mit einer Frau, die das Nudelholz schwingt. Schon die Einrichtung ist perfekt getroffen, mancher würde sicherlich sagen: Reichlich überspitzt dargestellt, an die gilbende Wand geklebte alte Ausgaben von MediZini, tanngrün filzgepolsterte Metallstühle, auch diese merkwürdige braun-beige-olive Farblosigkeit aus alten Derrick-Folgen wird erstaunlich effektiv eingesetzt, und beim Betreten des Zimmers 5a bekommt man feuchte Hände, da man zwar ein paar Mal geklopft, aber keine Antwort erhalten und schließlich einfach so die Tür geöffnet hat.
Drinnen ein richtig alter Nussbaumtresen mit Klappdurchgang, man steht und räuspert sich, schließlich kommt ein farblos olivbraunbeiger Herr zur anderen Tür herein und nimmt das Schriftstück entgegen. Er verschwindet sogleich, so dass man genügend Muße hat, die uralten Bürowitzpostkarten vom Format "Wunder dauern etwas länger" zu studieren, kommt nach geraumer Zeit wieder und trägt einen versiegelten Sack mit sich, den er bedeutungsvoll auf den Tresen legt.
"Die Rechnung muss da eigentlich drin sein", murmelt man, während Oliver Braun das Siegel bricht, nur um gleich darauf festzustellen, dass der Versandkarton längst offen ist und die Rechnung unübersehbar obenauf liegt.
"Audio-CDs, aha. Da müssen wir einen Zollantrag stellen", spricht Olivia Beigeton-Grün und geht ein Formular holen, das man dann gemeinsam ausfüllt. Gut, denkt man, das hat alles etwas gedauert, aber nun holt er seinen Taschenrechner hervor, er wird noch schnell den Zollwert berechnen und du zahlst und kommst noch halbwegs rechtzeitig zur Arbeit.
Hahahahaha.
"Bitte nehmen Sie draußen Platz, es wird dann jemand kommen und Ihnen Ihre Sachen geben", wird man aufgefordert, geht etwas verblüfft in eine Art Wartezimmer zurück und hat nun ausreichend Zeit, die alten MediZini-Poster zu studieren. Erstaunlich, welche Tierarten alle im Gebüsch leben! Und wie der Herz-Lungen-Kreislauf funktioniert! Die allgemeinen Zollbestimmungen sind auch gar nicht so uninteressant, die paar Seiten liest man ratztfatz weg, während gelegentliche Neuankömmlinge an der Tür von Zimmer 5a klopfen, zögern, klopfen, keine Antwort erhalten und dann vorsichtig trotzdem die Tür öffnen.
"So", kommt die Beigebraunsche Molekularbewegung ganz unerwartet aus seinem Zimmer heraus, und instinktiv wendet man sich ihm zu und freut sich auf sein Paket, aber er hatte doch gesagt: Es kommt jemand, da meint er doch sicher nicht sich selber - und tatsächlich, er bittet den nächsten Abholer herein, so dass man noch ein Weilchen herumsteht, bis jemand durch die andere Tür tritt und man - fast wie beim Arzt - namentlich aufgerufen wird. Kurz wundert man sich, dass der Aufrufer kein Paket in der Hand hält, er aber ist offensichtlich nur dazu da, den Besucher durch braunbeigeolive Flure vor ein anderes Zimmer zu führen, ihm einen zweiseitigen Formularausdruck auszuhändigen und zu bedeuten, man möge hier warten, bis man aufgerufen werde.

Spätestens jetzt muss man das Grinsen unterdrücken, zumal man durch die geöffnete Tür gleich drei Menschen bei der, nun ja, Arbeit beobachten kann, die sich so gestaltet, wie man sich es in einer Parodie auf eine lustige Beamtenserie der 70er Jahre vorstellt, und dabei hat mindestens einer der Mitarbeiter die 70er Jahre garantiert nicht mehr miterlebt. Aber das steht man auch noch durch, man beherrscht sich gefälligst und macht ein angemessen staatstragendes Gesicht, wenn schließlich ein farblosbeiger junger Mann aus der Tür tritt und hineinbittet. Auch hier wieder der Klapptresen, darauf ein hoheitlich aussehendes Dokument mit einem zu zahlenden Endbetrag, den man freudig entrichtet, draußen dann dieser Time-Tunnel-Effekt - kein Wunder, dass man falsch abbiegt, es sollen schon Leute ihr Zieljahrzehnt verpasst haben!
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