Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 10. Februar 2010
Perlen und Säue
nnier | 10. Februar 2010 | Topic Gelesn
Da gibt es dieses Rührstück über einen, der mal ganz böse war und der jetzt, da er sterben wird, milde und versöhnlich geworden ist. Aber früher, da war das ein Wüterich, kaum zu glauben, wie der blind draufgeschlagen hat:
Muss seine Ruhe einen verwundern? Vielleicht, wenn man Pfitzinger von früher kennt. Als er wütend wirkte. Und manchmal aggressiv.

Der Mann, der gern und ausgiebig die taz geschmäht hat, der dabei so fies sein konnte, dass sich taz-Redakteure immer wieder persönlich attackiert fühlten, [...]

Alles Bittere und Gallige hat er abgestreift. [...]

"Lob & Tadel, Perlen & Mist" kündigte er an, aber meist war es fast ausschließlich Mist, den er da in seiner Zeitung fand. Entsprechend schäumend und unduldsam fiel seine Kritik dann aus. [...]

In seinen täglichen Blogeinträgen ist viel von "reißerischen Hetzartikeln", "üblen Aufmachern" und "Journalismus unterster Schublade" die Rede. Von "Leerkopf-an-Kopf-Rennen", Kommentaren, in denen "absolut nichts drinsteht", und es gibt Kolumnen, da tippt er nur noch: "Würg!" [...]

Ist er ausnahmsweise mal zufrieden, verbucht er das für sich - er schlussfolgert dann, die Stümper in der Redaktion müssten seinen Blog gelesen und entsprechend ihr journalistisches Treiben berichtigt haben.

So war es natürlich nicht. Im taz-Intranet machten Mails mit den abgefahrensten Pfitzinger-Sottisen die Runde. Hat der Mann sie noch alle, fragten sich viele. Wer ist das überhaupt? Und woher nimmt der die Zeit, Tag für Tag seinen Ekel an dieser Zeitung ins Netz zu kotzen? [...]
Und es liest sich ja auch ganz süffig, was die Redakteurin da so schreibt, ein wenig Selbstkritik wird angedeutet, ganz verhuscht ("Und natürlich hat er nicht nur unrecht mit dem, was er da herausbellt"), aber auch hier wieder: "herausbellt", als ginge es um einen herumkläffenden Querulanten - und dann die Geschichte von der angesichts der Krankheit doch noch einsetzenden Altersmilde erzählt. Folglich kommentieren die Leute dann so:
ich finde es mutig von Dir, dass Du Hans besuchst und diesen Artikel schreibst. Schließlich war er nicht "sehr nett" zu Dir. Dir ist dennoch ein sehr empathischer Besuchsbericht gelungen. Es sind Berichte wie diese, die mir die TAZ einmalig machen.
Oder:
Schade möchte man sagen, wenn jemand derart hssserfüllt durch´s Leben geht und erst so spät Frieden findet.
Zwar hab ich nie einen seiner Ergüsse gelesen, aber ich hätte ihn spontan nicht gemocht.
Und so weiter, und dann reicht's einem langsam, denn es ist grotesk verzerrt und einfach falsch. Ich kenne Hans Pfitzinger nicht persönlich, aber eine Zeitlang hat er hier und anderswo kommentiert, und eine Zeitlang habe ich sein "tazblog" gelesen und hätte dort gerne kommentiert. (Leider gab es in seinem Blog keine Kommentarfunktion, und so fanden die kleinen, angenehmen, überhaupt nicht lauten und immer respektvollen Blogplaudereien eben anderswo statt.)

Ich weiß nicht, wo anders als in einer paranoiden Redakteursphantasie man daraus einen herumkotzenden "Grantler" und "Geiferer" machen kann. Aber vielleicht bin ich ja selber so einer, schließlich habe ich hier auch schon ein-, zweimal an dieser Zeitung herumgemäkelt. Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass man sich gegen herausgereiherten Sprachmüll wie z.B. das "Tagebuch der Carla Bruni" auch mit deutlichen Worten wehren muss - und das hat Hans Pfitzinger bravourös getan.

Und sich sonst auf so gründliche, redliche und integere Weise mit der kleinen Zeitung auseinandergesetzt, dass ich angesichts der kindisch-beleidigten Reaktionen, die man dem Artikel direkt und indirekt entnehmen kann, schlicht entgeistert bin.

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Dienstag, 9. Februar 2010
Come on, it's such a joy.
nnier | 09. Februar 2010 | Topic In echt
Den Übergang von der Grund- in die weiterführende Integrierte Gesamtschule kann man sich kaum abrupter vorstellen. Nicht nur, dass es plötzlich keine Noten mehr gab, dass man in den Pausen nicht auf den Schulhof musste, morgens nicht aufstand, wenn der Lehrer hineinkam, beim Geburtstag kein Lied mehr sang, die Klasse nicht mehr Klasse hieß und die Lehrer nicht mehr Lehrer - sondern sie wurden auch noch geduzt und beim Vornamen gerufen. So kommt es, dass ich, wenn ich an eine bestimmte Lehrerin zurückdenke, nicht an "Frau X", sondern an "E." denke. Sie war Tutorin (so hieß das) in einer Parallelklasse (so hieß das nicht, aber ich setze ab jetzt auf Ihre Abstraktionsfähigkeit) und fiel zwischen all den anderen unkonventionellen Erwachsenen dennoch äußerlich sofort auf, da sie stets rot oder orange gewandet und mit auffälligen Ohrringen und großen, hölzernen Perlenketten behängt war.

Da so vieles neu und ungewohnt war, die Architektur des Gebäudes, die ganzen neuen Wörter, das Sitzen im Stuhlkreis, die Partner- oder Teamarbeit, das Mittagessen in der Schule, die langen Unterrichtstage, der weitgehende Verzicht auf leistungsbezogene Rückmeldungen, die Konzentration auf "soziales Verhalten" und vieles mehr, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass eine, wie man bald von den Mitschülern erfuhr, von diesem Guru, du weißt schon, als Lehrkraft tätig war und aus ihrem Glauben keinen Hehl machte. Was ihr Äußeres anging. Irgendwelche Versuche der Indoktrination habe ich dagegen nie mitbekommen. Jedenfalls nicht, was diese Frau und den Bhagwan von Poona anging.

In unserer Klasse unterrichtete sie Musik, das funktionierte so, wie es damals eben war: Einmal hörten wir das instrumentale Intro von Pink Floyds Shine on You Crazy Diamond und malten dazu psychedelische Bilder. Einmal versuchten wir, Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha von Trio auf dem Klavier zu spielen. Einmal holten wir die ganzen teuren Metallophone aus dem üppig ausgestatteten Instrumentenraum und schlugen darauf herum. Einmal sollten wir, Hacke, Spitze, 1,2,3, hüpf!, klatsch!, tanzen. Ich fand es grauenhaft. Ich fühlte mich wie in einer Parallelwelt, man nannte es Unterricht, aber ich fühlte mich wie in einem Labor. Jeden Tag konnte alles anders sein, meine Bezugssysteme waren hier weitgehend unbrauchbar, vieles schien willkürlich und chaotisch zu sein, aber da ich gerne an diese Schule gewollt hatte und man uns auch täglich erzählte, was für ein Glück wir hätten, dort hingehen zu dürfen, kreidete ich mir mein Unbehagen selbst an, denn wer hier nicht glücklich war, mit dem musste etwas nicht stimmen. Anderswo gab es Noten! Anderswo wurde nicht diskutiert! Anderswo musste man Hausaufgaben machen!, hieß es, wenn jemandem mal etwas nicht gefiel.

Also lief ich manchmal ziemlich desorientiert und mit einem Kloß im Hals durch das riesengroße Gebäude, in dem man so tolle Sachen machen konnte, ein Fotolabor gab es und einen Irrgarten und Theater-AGs. Und saß bockig auf meinem Stuhl, die Arme verschränkt, als Hacke, Spitze, 1,2,3, hüpf!, klatsch! gegeben werden sollte. Warum ich denn nicht mitmachte, fragte mich E. Weil das alles doof ist und Mist und Scheiße, antwortete ich und stierte böse auf den Boden.

Als die anderen in die Pause gingen, musste ich noch dableiben. Und nun geschah etwas Wunderbares.

Statt mir zu erklären, wie toll das ist, was hier gemacht wird, und wie falsch von mir, dabei nicht mitzumachen, statt mich zu fragen, ob ich denn wohl lieber auf eine böse andere Schule mit Noten gehen wolle, statt mir zu sagen, dass gerade ich meinen Mitschülern gegenüber eine ganz besondere Verantwortung trüge und mich an ihrem weiteren Schicksal für immer schuldig machen würde, wenn ich jetzt nicht meine Haltung änderte, statt mich zu fragen, ob das vielleicht meine ganz besondere Form der Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenfächern sei, statt mir nahezulegen, es müsse mir doch klar sein, welch negatives Vorbild ich mit meinem Verhalten gegenüber X, Y und Z abgäbe, die sich eine solche Haltung im Gegensatz zu mir gar nicht leisten könnten, statt mir zu verstehen zu geben, dass ich sie mit meinem Verhalten auch ganz persönlich sehr traurig machte, statt mir also zu erklären, wie wichtig und richtig hier alles sei und dass mit mir wohl etwas nicht stimme, sah sie mich einfach nur freundlich an und sagte: "Du hast so einen Brast, hm?"

Sie war es auch, die sich um mich kümmerte, als ich auf einer Klassenfahrt krank wurde und fiebernd in einem Hauszelt lag, gegen dessen Stirnwand den ganzen Tag Elfmeter geschossen wurden. Und die einem ihrer Kollegen, der fürchterlich geschafft aussah und den man vormittags in seiner Klasse laut und ausdauernd hatte herumbrüllen hören, einen kalten Waschlappen auf die Stirn legte. "Na, Kranker?", sagte sie und ich beobachtete, wie er kurz die Augen schloss, ihre Hand nahm und für wenige Sekunden entspannt und friedlich aussah.

Wir machten ständig Witze über sie, die Worte Bhagwan und Poona und Rolls Royce fielen immer öfter, und es gab ein zwinkerndes Einverständns mit manchen ihrer Kollegen, die selbst ab und zu durchblicken ließen, für wie unsinnig sie es hielten, dass "eine erwachsene Frau" an diesen "Quatsch" glauben könne. Wenn ich mich recht erinnere, kam sie nach den Sommerferien äußerlich noch einmal deutlich verändert zurück, sie musste bei den Sannyasin gewesen sein, man merkte ihr an, dass sie an dieser Schule nicht mehr am richtigen Platz war, und als ihr ein Schüler gehässig entgegenrief: "Ha! Ha! Ha! Dein Guru ist verhaftet worden! Ha! Ha! Ha! Was sagst du jetzt zu deinem Guru!", schlug sie die Hände vor die Augen und rief: "Ihr wisst nicht, was ihr sagt!"

Sie verließ dann die Schule. Wir blieben noch jahrelang da.

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(inklusive Drogen, Sex und zynischen Menschen)
nnier | 09. Februar 2010 | Topic Gelesn
Gibt es Originalität oder nur Echtheit? Ganz Deutschland diskutiert über den Fall Hegemann!

Ehrlich jetzt, egal wo du bist: Bäcker, Straßenbahn, Tankstelle, Hermetisches Café - Millionen Deutsche fragen: Sind wir mal wieder betrogen worden, ist doch typisch, erst das Wetter, dann die Daten-CD, aber wehe, du brennst mal was selber, und jetzt die tabulose Beichte des minderjährigen Luders, lechz, was die da so schreibt ist ja un-ver-hoh-len, man müsste noch mal jung sein, denen würde man's, und in Berlin ist ja eh Sodom, sieht man ja an diesem feinen Herrn Canisius, denen würde ich die Eier aber sowas von, und diese jungen Dinger heute, die haben ja kei-ner-lei Hemmungen, wie sieht die denn eigentlich aus?























[Bilder von: http://www.bild.de/BILD/unterhaltung/kultur/2010/02/08/helene-hegemann-bestseller/debuetroman-axolotl-roadkill-plagiatsvorwuerfe.html]

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Sonntag, 7. Februar 2010
Als Helmut Schmidt noch Kanzler war
nnier | 07. Februar 2010 | Topic In echt
Wir hatten Jahreskarten, Freund A. und ich, und seine Eltern ihren Garten direkt neben dem Freibad. Statt erst umständlich zum Eingang zu laufen, nahmen wir deshalb gerne die Abkürzung durchs Gebüsch. Es machte großen Spaß, den herbeilaufenden Ordnungshütern mit und ohne Bademeisteruniform ("Ihr habt euch hier ohne Eintritt reingeschlichen, ich hab's genau gesehen!" bzw. "Herr Bademeister! Die beiden haben sich ohne Eintritt reingeschlichen, ich hab's genau gesehen!") die Jahreskarten vor die Nase zu halten und dann grinsend weiterzugehen.

Es gab diese Freibadclique, sie bestand aus einer Gruppe junger und nicht so junger Erwachsener, die immer dort waren. Sie saßen in der prallen Sonne, tranken Bier und kommentierten die Sprünge vom "Zehner". Im Wasser sah man sie nie. Eine Ausnahme war der stets tiefrot gefärbte Koffer. Freund A., der im Gegensatz zu mir seine Jahreskarte stets ordentlich ausnutzte, rief bei jedem Vorbeilaufen: "Hallo, Koffer!" bzw. nur "Koffer!", woraufhin Koffer grinste und die Hand hob, jedesmal.

Koffer erklomm gelegentlich den Sprungturm und führte Naturgesetze ad absurdum. Nicht nur mit seinem Ganzkörpersonnenbrand schien er der Natur den gestreckten Mittelfinger zeigen zu wollen - auch Mahn- und Warnungen wie "erst mal abkühlen", "nicht mit vollem Bauch" bzw. schon gar nicht nach Alkoholgenuss zu schwimmen, ignorierte er stoisch und pladauzte ab und zu nach ein paar Bier und einer guten Portion Pommes vom Sprungturm ins kalte Becken, schwamm ein paar Bahnen, gelegentlich hörte man auf den Nebenbahnen ein geblubbertes "Koffer!", bis er das Becken wieder verließ, und das eine oder andere "Koffer", geraunt oder gerufen, seinen Weg zurück zu den anderen Freibadbewohnern säumte, blasse Raucher, die gar nicht erst Schwimmkleidung trugen.

Ich war kein besonders guter Schwimmer, hielt mich aber ganz gerne im Wasser auf. Hier begegnete ich eines Tages einer Schildkröte. Um den Körper hatte man ihr eine Schnur gebunden. Ich suchte meine Gedanken zu sortieren: Färbte das Chlor schon meine Augen stets zuverlässig rot und sorgte für dieses unvergleichliche Freibadgefühl im Nasen-Rachen-Raum, so mochte ein solches Tier sich vermutlich umso stärker durch das aggressive und hochreaktive Element belästigt fühlen, konnte dies aber nicht zum Ausdruck bringen, da ihm lautliche Äußerungen aus anatomischen Gründen noch schwerer fielen als mir - und selbst wenn sie, so überlegte ich weiter, über ihren Schatten spränge, mochte man doch nicht so recht an die Einsichtsfähigkeit des potentiell angesprochenen Menschen glauben, der das andere Ende der Schnur in der Hand hielt und angesichts dessen geblümter Badehose, Zahnlücke und entrückt schielenden Grinsens ich nur sehr zögernd geantwortet hätte, hätte er mich um meine Prognose bezüglich seiner persönlichen Chancen auf künftige Nobelpreisgewinne gefragt.

Ich hatte mir angewöhnt, am Samstagnachmittag meinen batteriebetriebenen Radiorecorder mit ins Schwimmbad zu nehmen. Ich lag dann auf meinem Handtuch und hörte die Berichterstattung zur Fußballbundesliga. Einige Jugendliche spielten zwischen den Badegästen wild und rücksichtslos Fußball. Sie schossen mir die Antenne kaputt. Ein Mann lief zu den Jugendlichen, schnappte sie sich, kam mit ihnen zu mir und fragte: Wer bringt das nun in Ordnung? "Ist gar nichts passiert, ist schon in Ordnung", sagte ich und lief traurig nach Hause, weil ich wusste, dass ich die neue Antenne selbst würde bezahlen müssen.

Zwei Wochen darauf lag ich wieder auf meinem Handtuch, hörte Fußball, es war die Schlussphase, und aus irgendeinem Impuls heraus packte ich Handtuch und Radiorecorder, um mir einen anderen Liegeplatz zu suchen. Ich ging mit dem laufenden Gerät in der Hand los und bemerkte plötzlich den traurigen Blick des Mannes, der mir damals hatte helfen wollen. Er hatte wieder ganz in meiner Nähe gelegen und anscheinend der Fußballübertragung gelauscht. Nun ging ich einfach weg mit meinem Radio - und schon während ich an ihm vorbeilief, wusste ich, dass ich mir deshalb schäbig vorkommen würde, und ich konnte doch nicht einfach wieder umdrehen, andererseits müsste ich nicht seit 30 Jahren dran denken, ein Mist ist das immer.

Zwischen den Becken war diese blaue Mauer, zuerst aus blau angestrichenem Zement. Ich ekelte und fürchtete mich vor dieser Mauer genauso wie vor dem zementenen Becken, denn man konnte sich leicht an den scharfen Kanten und unregelmäßigen Abplatzungen aufschürfen, man konnte wegrutschen, dann brannte es unter den Füßen oder am Schienbein. Es war deshalb in meinen Augen ein Riesenfortschritt, als die Becken mit einem gummiartigen Kunststoffüberzug versehen wurden, und auch die Mauer, die Nichtschwimmer- von Schwimmerbecken trennte, war nun nicht mehr scharfkantig und roh, sondern hatte eine leicht gewölbte und von blauem Kunststoff überzogene Oberkante bekommen.

Wir spielten Fangen im Wasser, ich hatte keine Chance, da ich nicht schnell schwamm, aber die Regeln sahen vor, dass man auf der Mauer auch laufen durfte. So kam es, dass ich öfter als jeder andere Freibadbesucher auf dieser Mauer entlanglief, ich entwickelte Routine und Geschick, die Mauer war mein Freund. Bis zu dem Tag, als ich während eines wilden Sprints ausrutschte. Ein Bein ins Nichtschwimmerbecken. Ein Bein zu den Schwimmern. Ich tauchte dann lieber erst mal unter, bis es wieder ging, so nach einer Viertelstunde. Und das war alles noch unter Helmut Schmidt.

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Freitag, 5. Februar 2010
Ich sags ja nur
nnier | 05. Februar 2010 | Topic Tanztee
Sollten Sie sich in den nächsten Wochen in der Nähe von Unterschleißheim, Habach, Arnschwang, Freren, Stralsund, Schwerin, Damme, Bünde, Marburg, Dortmund, Solingen, Simmersfeld, Groenlo oder Hameln aufhalten, dann empfehle ich, dass Sie mal Ihren Terminkalender abgleichen. Alle anderen machen es einfach wie ich und gehen heute abend trotz zweifelhafter "Veranstaltungs-Geschäftsbedingungen" ("Keine Macht den Gästen!") dahin.

~

Nach einem Konzert in Hamburg bekam ich kürzlich folgende, freundliche SMS:

Hast einen guten Geschmack. Hat mir total hefallen. Euch ne gute heimfahrt.

~

Nach einem Konzert in Köln bekam ich kürzlich folgende, freundliche SMS:

Hach, was was das ein schönes Konzert! Ich muss die ganze Zeit noch daran denken! Bist du noch gut heim gekommen?

~

Tja, so war das. Aber eine Nummer kleiner kann's auch schön sein. Und die o.g. Band habe ich bereits zweimal begutachten können, einmal im Rahmen des, ich mag das Wort gar nicht hinschreiben, Musicals She Loves You, das zum Glück weniger ein Musical als vielmehr der in eine fadenscheinige Rahmenhandlung gepresste Auftritt jener Tribute-Band war, die mich durch ihre Spielfreude durchaus begeisterte, ein anderes Mal in dem verrauchten und seltsam benamsten Saufschuppen, den ich also heute wieder einmal aufsuchen werde.

~

~

Na und? Weihnachten ist auch immer das Gleiche.

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Donnerstag, 4. Februar 2010
Wild (trois fromages hauts à l'étranger)
nnier | 04. Februar 2010 | Topic In echt
"Die Bullen!", schrie er, "los! Abhauen!", schnappte sich sein Fahrrad und verschwand in der Dunkelheit. Die grellen Scheinwerfer des Konvois hielten auf mich zu, und ich stand wie gelähmt einfach da.

*

Einige Wochen zuvor waren wir aufgebrochen, jung, unerfahren, minderjährig, um zu zweit eine Fahrradtour entlang der französischen Atlantikküste zu unternehmen. Die erste Etappe hatte irgendwo am Strand geendet, wo man mit anderen deutschen Jugendlichen den Abend verbracht und sich später irgendwie zum Schlafen zusammengerollt hatte. Zwar war in der Nähe deutliches Gejammer zu hören ("Meine Mutter hat mir gar keinen Schlafsack eingepackt! Die hat mir meine Federdecke eingepackt! Die ist so gemein!"), doch man lieh sich gegenseitig Zeltplanen und Isomatten, und trotz des Nieselregens schlief man irgendwann ein - um im Morgengrauen durch den Ruf: "Die Bullen!" geweckt zu werden. Zwei Polizisten waren mit ihrem Auto herangefahren, hatten ihre Waffen präsentiert und riefen fröhlich: "Aufstehn! Aufstehn! Vite, vite! Ah, ah , ah!!", wedelten mit ihrem Tränengas und fragten grinsend: "Vous voulez un peu?". Dann sammelten sie alle Ausweise ein und setzten sich gemütlich ins Auto, während wir stundenlang im Regen standen. Das ging doch schon mal gut los.

*

Die Wege durch die Pinienwälder, schmale Betonpisten, von der Wehrmacht gezogen, früher brausten die Motorräder hier entlang. Die Betonbunker, schräg im Atlantiksand steckend.

*

"Wild campen", immer wieder, "los, komm", und ich ließ mich ein. Regelmäßig gab es Ärger. Einmal hatten wir, ohne es zu merken, das Zelt auf einer öffentlichen Grünfläche aufgebaut, die weit weniger abgelegen war, als es im Dunkeln den Anschein hatte. Mit bösen Worten wurden wir morgens vertrieben. Ein anderes Mal hatten wir uns nachts auf einen Campingplatz geschlichen. Früh morgens weckte mich der Reisegefährte: "Los, lass uns abhauen", wir schoben leise die Räder weg, stiegen auf, traten in die Pedale. Nach einer halben Stunde fuhr ein Auto an mir vorbei. Jemand hatte die Scheibe heruntergekurbelt und schrie mich minutenlang, auf der Gegenfahrbahn neben mir herfahrend, in unverständlichen Worten böse an. "Mir reicht's langsam", meinte ich, Kollege aber lachte nur.

*

Überhaupt entfremdeten wir uns bei dieser Tour, und die Margarine schmolz und floss über die Klamotten in den Satteltaschen, der eine lacht, der andere kotzt, aber noch waren wir aufeinander angewiesen.

*

Langer Weg durch dunklen Tann, viel länger als geplant, die Piste unvollständig, Sand in der Fahrradkette, tiefe Nacht. "Lass uns wild campen! Hier irgendwo!", doch gerade lichtete sich der Wald und die Betonpiste mündete in eine breitere Straße. Ich fror und sprach: "Warte kurz", öffnete meine Satteltaschen, suchte ein margarinedurchtränktes Sweatshirt und ebensolche Jeans heraus, der Rest der Wäsche fiel auf die Straße, ich bückte mich und suchte das Zeug zusammen. Irgendwoher kam Licht, Motoren brummten. "Die Bullen!", schrie er, "los! Abhauen!", schnappte sich sein Fahrrad und verschwand in der Dunkelheit. Die grellen Scheinwerfer des Konvois hielten auf mich zu, und ich stand wie gelähmt einfach da. "Erwischt", dachte ich, "selber schuld. Nun holen sie dich."

*

Gegen das Scheinwerferlicht, gegen das pulsierende Blaulicht sah seine Silhouette äußerst beeindruckend aus. Schwerer Ledermantel. Stahlhelm. Er trat direkt auf mich zu. "Woher kommen Sie?" - "Aus, äh, Deutschland." - "Woher kommen Sie genau?"
Ich nannte meine Heimatstadt. Er schien sie nicht zu kennen. Mein Französisch hatte ich verlernt und brachte kein anständiges Wort heraus. Wer waren diese Männer?

*

"Woher kommen Sie? Heute!", ich hatte doch gewusst, dass das mit dem ewigen Wildcampen eine blöde Idee gewesen war, ich hatte es die ganze Zeit gewusst, und nun schlug das Schicksal erbarmungslos zu. Ich deutete auf den dunklen Wald: "Daher." - "Haben Sie etwas gesehen da im Wald?" - "N-nein!", ich hatte mich längst aufgegeben. "Haben Sie Feuer gesehen da drin? Nein?", er ging zum Fahrzeug zurück, kletterte ins Führerhaus und der Konvoi machte kehrt. Ich stand noch eine Weile da, hörte das leiserwerdende Brummen der Motoren, dann das Tickern eines sich nähernden, geschobenen Fahrrads und schließlich die Worte: "Los, lass uns hier irgendwo campen."

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