Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Mittwoch, 3. Februar 2010
Wer bringt mir die Liebe bei?
nnier | 03. Februar 2010 | Topic Gelesn
Schülerin, 18, vollbusig, sucht den Mann, der sie in die Geheimnisse der Liebeskunst einführt.
Ich habe damit nichts zu tun. Ich habe höchstens mal. Aber ich würde nie.



Andererseits gab es da nun mal diesen Abend, an dem ich mit einigen Mitschülerinnen in trauter Runde trefflich scherzte - das Vorrecht der Jugend, denn was ahnt man schon von dem, was später alles auf einen zukommt.



Wir scherzten über Chiffre-Anzeigen. Was wussten wir schon davon, was später alles auf einen zukommt.



"Ha ha ha, seht einmal: 'Topf, m, 45, nicht unansehnlich, sucht Deckel bis 42', wäre das nichts für dich? Ha ha ha!", man schlug sich auf die Schenkel, man fabulierte, man fantasierte. Eine, das erfuhr ich später, beließ es nicht dabei.



"Hast du schon die neuen Kontaktanzeigen im Dummen Werbeblatt gelesen? Nein? Hi hi. Lies dir die zu Hause mal durch. Und dann sagst du mir, welche meine ist. Hi hi."



Von all den Töpfen und Deckeln, Kind-kein-Hindernissen, jungen Unternehmern, junggebliebenen Alten und bildhübschen Arzthelferinnen, die nach einer großen Enttäuschung jetzt den Mann fürs Leben suchten, hob sich "Wer bringt mir die Liebe bei?" doch hinreichend ab. Und natürlich fragte ich in den Wochen darauf gelegentlich nach der Resonanz.



Sie war vor ihrer eigenen Courage erschrocken. Sie traute sich nicht, zur Geschäftsstelle des Dummen Werbeblatts zu gehen und dort ihre Chiffrenummer zu nennen. Und obwohl ich sie darauf hinwies, dass womöglich so mancher Einsender inzwischen liebeskrank und mit gebrochenem Herzen herumlaufe, ließ sie sich nicht dazu bewegen, die Ernte einzufahren, nachdem sie so mutig die Saat ausgebracht hatte.



Monate vergingen, und alles, was man in dieser Zeit in der kleinen Stadt hörte, waren eilige Schritte allüberall, gefolgt von hektischem Klappern am Briefkasten, enttäuschtem Aufstöhnen und schweren, langsamen Schritten. Daran musste ich jüngst wieder denken, denn ich las eine Seite im Zeit Magazin, die ich sonst stets achtlos überblättere.



Natürlich war mir auch früher nicht entgangen, dass hier in aufwendig gestalteten Anzeigen Elite Partner jene, die sich dafür halten, zu vermitteln trachtet: Gutsituierte, wohlgebildete Menschen, international erfahren, sicher auf diplomatischem Parkett, finanziell ungebunden, mit Doktor- und Professoren- und Adelstiteln suchen ebensolche und formulieren etwa so, wie sie es von ihren Stellenausschreibungen her ohnehin gewohnt sind.



Darüber hinaus gibt es allerdings auch einige kleine Fließtextanzeigen, so wie man sie aus dem Dummen Werbeblatt kennt. Das war mir neu. Und auch wenn die Menschen und ihre Sehnsüchte verschieden sind - als Anhänger des Pluralismus nehme ich dies immer wieder erfreut zur Kenntnis - scheint sich dort doch vornehmlich ein ganz bestimmter Typus zu tummeln.



Eine kurze Gegenprobe im Feld bestätigt den Eindruck. Die hier eingestreuten Beispiele stammen aus der Kontaktbörse des lokalen Internetportals, sind wenig kryptisch, kommen sozusagen direkt auf den Punkt, egal, ob ein "Weiser Mann", eine "Griechische" oder auch nur "unsterbliche" Frau gesucht wird, ob man "einfach nur wieder Glücklich seien" will oder "Jungs um die 50 zur Verkürzung des Winters" sucht - man trägt sein Anliegen insgesamt doch sehr direkt vor.



Im Zeit Magazin (unter der Überschrift "ER SUCHT IHN", ist aber auch schon egal) klingt es hingegen so:
Unikat mit 'er' sucht eines (<45Lj) mit 'ze' für genialen Schmusekurs statt Tor-Tour als Lebens Spur. Entschlossen zum Katzensprung?

Oder auch so:

Scharfsinnig sens. m-Wesen begehrt w-Freigeist (<45 Lj) zum interakt. Herumgeistern sowie interag. Unwesentreiben u.v.m.

Woran liegt das? Am übermäßigen Konsum von Um die Ecke gedacht? Oder wird so um die Liebe von Franz Schuh und Iris Radisch gebuhlt?

Ich jedenfalls fühle mich weder durch diese noch durch andere Annoncen angesprochen. Bis auf eine:

Zwischen 10 und 100: aufrichtiger Briefpartner gesucht. Bin 70, Witwe, gebildet, humorvoll, tolerant und vielseitig interessiert, bes. an Kulturgeschichte.
Man muss sich nur trauen, oder?

(Einmal traf ich sie noch. Was denn aus der Chiffre-Anzeige geworden sei, damals, fragte ich. "Ach, die!", sprach sie. Drei riesige Plastiktüten mit Briefen habe sie schließlich nach Hause geschleppt.)

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Alles nur
nnier | 03. Februar 2010 | Topic Brainphuq
Galgenhumor, das.

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Sonntag, 31. Januar 2010
Aus dem Gedächtnis zitiert (5)
nnier | 31. Januar 2010 | Topic Illiterarisches
- Gleich noch eins? Ich weiß ja nicht ...

- Was denn - die Dinger kommen sa-gen-haft gut an, das müssen wir abmelken, bald ist das Thema durch und dann will ich nie mehr arbeiten müssen.

- Es geht hier auch um so etwas wie Glaubwürdigkeit, und meine Leser sind mir nicht egal. Ich glaube nicht, dass es das ist, was sie von Mumien, Analphabeten, Diebe erwarten!

- Mann, doh! Er nu wieder! Pass auf, das Ding ist heute noch heiß, maximal diese Woche, dann kommen die Chinesen mit den billigen Imitaten. Ich sehe unseren Auftritt gruppiert um: "Volkstümlich", "Ursprünglich", "Wertig", dieser Vektor, Claim: Man kann was draus lernen, Spaß für die ganze Familie, also auch von der Konsumentenansprache her klar unterkomplex und die Website ohne Shiny Blinky, dafür gleich zu Beginn auch mit T-Shirts, Lätzchen, Grillschürzen, homey, down-to-earth. Als Testimonial jemand wie ... Elstner, Jan Hofer, die Ecke. Was überhaupt nicht dagegen spricht, das Ding auch als App zu bringen.

- Die Inhalte sind oberflächlich und Ich-fern, ich kann das nicht mit mir vereinbaren.

- Geh mal ganz Ich-nah deinen Kontoauszug holen, doh!

- Wenn du meinst. Aber es ist nicht ... richtig.

Heuer hat es noch gar kein festes Eis gefroren
Am Weiher steht das Büblein und spricht so leis zu sich
Wagen will ich es einmal
Tragen muss es doch, das Eis,
Wer weiß?

Mit seinem Stiefelein stampft und hacket das Büblein
Auf einmal knacket das Eis, und schon bricht's hinein, krach!
Als wie ein Krebs platscht und krabbelt
Und zappelt das Büblein
Mit Schrein.

"In lauter Eis und Schnee muss ich versinken, o helft!
Ich muss im tiefen, tiefen See ertrinken, o helft!"
Wär ein Mann nicht gekommen
Der ein Herz sich genommen
O weh!

Bei dem Schopfe packt der es und zieht es dann heraus
Wie eine Wassermaus vom Kopfe bis zum Fuße
Getropfet hat das Büblein
Geklopfet hat's der Vater
Zu Haus.

- Geht doch! Von wem isn das eigentlich?

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Aus dem Gedächtnis zitiert (4)
nnier | 31. Januar 2010 | Topic Illiterarisches
Dies und das erzählte in der Schule der Lehrer
Die Füße sind zum Laufen, Die Nas ist zum Riechen
Das kleine Fritzchen sprach da: Das ist Mist, Herr Lehrer
Die Nase läuft bei meinem Vater und die Füß tun riechen.

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Freitag, 29. Januar 2010
Aus dem Gedächtnis zitiert (3)
nnier | 29. Januar 2010 | Topic Illiterarisches
Geht ein Mann in Puff. Sieht er ein Deutschen ein Amerikaner und ein Franzosen oder Engländer. Steht der eine auf und sagt: Was seid ihr für Schweine, meine kann noch nicht mal kochen. Sagt die Lehrerin: Wenn es nicht so dunkel wäre, könntet ihr auch Mainz sehen. Antwortet der Ostfriese: Wieso Füllung - er war doch gar nicht leer! Fallen sie beide in Brunnen. Kommt von oben eine Stimme. Sagt die Nonne. Steht sie auf und es macht "plopp". Guckt der Arzt sie an und sagt. Antwortet Fritzchen. Fragt die Frau den Mann. Sagt der Verkäufer.

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Donnerstag, 28. Januar 2010
Aber kaum brauchst du sie mal
nnier | 28. Januar 2010 | Topic Brainphuq
Wer hat nicht schon über sie gescherzt, wer hat noch nicht geschimpft über die Omabescheißer, die Gewinnspielfredis, die dubiosen Busreisenanbieter, für 19,99 in den Harz mit reichhaltigem Mittagessen, Ausflug, Unterhaltungsprogramm, Musik und Tanz (exklusiv: Der Original Okertaler Stimmungsmanfred), mit Fresspaket (1 kg Wurstwaren! 500 g Weizenbrot! 1 l Apfelsaft! 1 kg frisches Obst!) und sensationeller Zugabe (Spielesammlung mit 100 Spielmöglichkeiten und alternativ Digitalkamera und alternativ Hochwertige Porzellanpuppe und alternativ Universalfernbedienung und alternativ Ausgewählte Sommerweine und alternativ Originelle Vagina-Kuckucksuhr und alternativ Messerset und alternativ Damenrasierer und alternativ 100 Wäscheklammern), es weiß doch jeder, was "und alternativ" heißt, früher nannte man es "oder je nach Verfügbarkeit", die "Teilnahme an einer Werbeveranstaltung" ist ja "freiwillig", da läuft man eben fünf, sechs Stunden durch die Gegend, während im Landgasthof Zum Rübezahl die mitreisenden Rentner abgekocht werden, man wird sie psychologisch unter Druck setzen, man wird ihnen wunderbare Arzneimittel anpreisen und ihnen Fernsehsessel verkaufen, man wird betteln und schmeicheln und drohen ("Wir fahren hier nicht weg, bis noch zehn Leute gekauft haben!"), und ich würde das alles mitmachen, denn ich bin nun endlich bereit, eine Heizdecke zu kaufen.

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Dienstag, 26. Januar 2010
To your dunkels
nnier | 26. Januar 2010 | Topic Sprak
Nicht ohne Grund wird gerade mal wieder eine Sau durchs Dorf getrieben und verführt nebenbei manchen zu eigenen kreativen Höchstleistungen. Die Fallhöhe ist einfach gegeben, wenn einer vom Englischen als Arbeitssprache faselt und diese selbstverständlich bei jedem, jungen und alten Fach- und sonstigen Arbeitern einfach so voraussetzt. Insofern: Es trifft den Richtigen.

Dennoch gibt es etwas, das mich stört. Denn ungeachtet dessen, dass einer, der von sich behauptet, im englischen Gespräch "sehr sicher" zu sein, sich daran messen lassen muss - und ungeachtet dessen, dass "Es ist Deutschland, hier" so verklemmt herüberkommt wie der ganze nicht besonders souverän klingt, frage ich mich seit den seligen Zeiten der Helmut-Kohl-Witze ("I'm sorry, three!"), ob es denn tatsächlich so selbstverständlich zu erwarten ist, dass alle Welt flüssig Englisch spricht.

Was auch immer an Kohl zu kritisieren war - die Tatsache, dass er kein Englisch sprach, gehörte für mich nie dazu. Interessant war, dass gerade diejenigen, die immer die Trommel für die Unterprivilegierten und Bildungsbenachteiligten schlugen, sich plötzlich hohnlachend auf die Schenkel schlugen, wenn es darum ging, dass jemand eine Fremdsprache nicht beherrschte. Hätte man so auch über einen mittelamerikanischen, einen afrikanischen Staatschef gescherzt?

Was Kohl anging, mischte sich bestimmt das Unbehagen an seiner bräsig-selbstzufriedenen und provinziellen Strickjackenausstrahlung ins Thema; und die beiden gerne so forsch auftretenden Herren, die es zuletzt erwischt hat, haben sich die Häme hart erarbeitet und müssen sich nicht wundern, dass, wenn sie den Ball vors leere eigene Tor legen, viele freudig dagegentreten.

Davon abgesehen frage ich mich, wie es den ca. 50-95% Mitbürgern geht, die auch nicht besser Englisch sprechen.

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