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Zu den schönsten Erinnerungen an meine Schulzeit gehört die an den Aufklärungsunterricht. Nicht, dass ich es als zirka Vierzehnjähriger besonders genossen hätte, der Klasse aus dem Buch Zeig mal vorzulesen, und zwar, wenn ich mich recht erinnere, Worte, die einem (nackt abgebildeten) Mädchen in den Mund gelegt wurde. Ich weiß ja nicht, wie das heute so ist, Kids, aber damals war man als Junge mit vierzehn Jahren nicht unbedingt erpicht darauf, etwas vorzulesen, das so ungefähr ging: "Das ist meine ... und am liebsten habe ich es, wenn ..."
Das war mindestens so peinlich wie die szenische Lesung aus Frank Wedekinds Frühlings Erwachen, zu der ich von einer Deutschlehrerin genötigt wurde. Ich las den Moritz, ein guter Freund den Melchior.
Ganz schlimm hatten sie uns einige Jahre zuvor erwischt. Wir sollten eines Tages aus heiterem Himmel "versaute Witze" erzählen und ahnten natürlich nicht, worauf das hinauslief. Kaum jemand traute sich, einer aber, der mir nicht ganz unähnlich sah, kam nach und nach in Fahrt und wurde, von Lachsalven getragen, immer weiter angestachelt, Schüler- und Lehrkörper bogen sich vor Lachen, und so angefeuert kramte er immer tiefer in seiner Erinnerung und förderte zuletzt noch aus Grundschultagen irgendwelche Fickifickiwitzchen zutage, z.B. den, den O. damals immer erzählt hatte:
Ich habe ja generell etwas dagegen, Witze zu erklären, allerdings hatte ich selten so sehr etwas dagegen wie an jenem Tag. Da denke ich lieber mal schnell an etwas anderes.
Nehmen wir mal die Grammatikstunde, in der es darum ging, woran man Nomen erkennen kann, nämlich an bestimmten Wortendungen wie "-keit" oder "-ung" oder "-nis". Auf der Suche nach Beispielen kam Mitschüler D. nicht nur mit dem Vorschlag "Doofkeit" ganz groß heraus. Noch origineller war nämlich, nach "Ärgernis", "Hindernis", "Finsternis", "Erfordernis" etc., sein Beitrag zu dieser Nomengruppe ("Penis").
Was mich ans Galgenraten erinnert. Die lange Mittagspause (es handelte sich um eine Ganztagsschule) füllten wir nicht immer nur mit Theater-AGs oder der Pflege des Schulgartens, nein, es kam auch vor, dass wirTelefonzellen anzündeten oder Rattengif an der Tafel "Galgenraten" spielten, jenes lehrreiche Spiel für Groß und Klein, bei dem man sich, ach, Galgenraten kennt doch jeder, und, nachdem irgendjemand damit einen Lacherfolg erzielt hatte, lautete zeitweilig jedes zweite zu erratende Wort "Penis", ja, es war einer dieser Momente, in denen etwas komisch ist, nur weil man es komisch findet, und, ganz im Gegensatz zu jener frühen Kindheitserfahrung, die man irgendwann einmal gemacht haben sollte, nämlich jener, dass ein Witz nicht lustiger wird, wenn man ihn mehrmals erzählt, wurde es mit jedem Mal komischer, immer wieder ging jemand zur Tafel, zeichnete die fünf Striche hin ("_ _ _ _ _ "), und unter absurdem Getue rieten die anderen immer wieder die Lösung ("P E N I S") oder fragten zuerst alle anderen Buchstaben des Alphabets ab, bis der Galgen fast komplett war, um dann im letzten Moment "P, E, N, I, S" zu raten und vollkommen überrascht zu tun.
Einmal jedoch geriet das Spiel ins Stocken. Jemand hatte "P" geraten, doch wurde der Buchstabe an die letzte Stelle geschrieben. "Ein anderes Wort also diesmal", dachten wir und strengten uns beim Raten ordentlich an. Allerdings kamen wir bis zum Schluss nicht auf die Lösung ("S I N E P").
Wenn ich's mir recht überlege, hätte aus manchen von uns durchaus ein Jonathan Meese ("Er versieht Abbildungen von Hitler und Stalin – und von sich selbst – mit riesigen Penissen [...]") werden können, und das nicht nur, weil auch bei uns die adidas-Trainingsjacken nie aus der Mode kamen. Denn auch auf unseren Tischen, in den Büchern, an den Wänden und überhaupt auf jeder erdenklichen Fläche waren schematische Darstellungen des primären männlichen Geschlechtsmerkmals zu finden, hie edingschwarz, da kreideweiß, dort kuliblau, und so irritierte es mich doch, dass an einem bestimmten Tag, als ein weiteres, auf einfache geometrische Grundformen reduziertes Exemplar die Tafel zierte, unser Lehrer, statt es wie üblich wortlos wegzuwischen, plötzlich sprach: "Ich dachte, das hätten wir langsam hinter uns!" und damit unmittelbar klarmachte, was bevorstand: Wir haben mal wieder Aufklärung.
Routiniert wurden wir mit den Facts of Life vertraut gemacht, waren inzwischen ja auch älter und reifer, cool hörten wir uns die Vorträge an, keiner kicherte, niemand errötete, und auch die Lehrerschaft atmete sichtlich auf, offenkundig erleichtert ob der Tatsache, dass Vorgänge und Tatsachen benannt werden konnten, ohne minutenlanges Gejohle auszulösen. Kurz vor der Pause wurden schließlich sogar Kondome ausgepackt, Tampons aufs Pult gelegt, Damenbinden präsentiert, Lehrerin und Lehrer verließen zufrieden den Klassenraum, "Das lassen wir euch da, das könnt ihr euch ja noch angucken." Ich folgte den beiden, um mich frischzumachen und fragte mich auf meinem Weg durch den Flur, warum plötzlich alle so reif und vernünftig geworden waren. Aber so ist das wohl, wenn man älter wird, überlegte ich, ging zurück zur Klasse, öffnete die Tür - und war glücklich.
Aufgeblasene Kondome hingen an der Decke, rot angemalte Damenbinden klebten links und rechts des Eingangs im Zickzackmuster an der Wand, und unter den anfeuernden Rufen der anderen hatte R. einen Tampon in den Tafeleimer getaucht, der darin auf das Hundertfache seiner ursprünglichen Größe anschgeschwollen war. Nun wirbelte er ihn in wilder Kreisbewegung gröhlend über seinem Kopf, stinkendes Tafelwasser verspritzend, bis die zentrifugalen Kräfte die Reißfestigkeit des bläulichen Fädleins überstiegen und der ganze Klumpen schmatzend an eine Wand flog. "Noch einen! Noch einen!", rief die Klasse und jemand ging den Tafeleimer neu füllen.
Zu den schönsten Erinnerungen an meine Schulzeit gehört die an den Aufklärungsunterricht. Nicht, dass ich es als zirka Vierzehnjähriger besonders genossen hätte, der Klasse aus dem Buch Zeig mal vorzulesen, und zwar, wenn ich mich recht erinnere, Worte, die einem (nackt abgebildeten) Mädchen in den Mund gelegt wurde. Ich weiß ja nicht, wie das heute so ist, Kids, aber damals war man als Junge mit vierzehn Jahren nicht unbedingt erpicht darauf, etwas vorzulesen, das so ungefähr ging: "Das ist meine ... und am liebsten habe ich es, wenn ..."
Das war mindestens so peinlich wie die szenische Lesung aus Frank Wedekinds Frühlings Erwachen, zu der ich von einer Deutschlehrerin genötigt wurde. Ich las den Moritz, ein guter Freund den Melchior.
Moritz: Hast du sie schon empfunden?Wir hätten, so sagte man uns hinterher, die Szene sehr lebensecht "rübergebracht", besonders das "M-hm" und das "Ich auch", allerdings nahm ich dieses Lob doch mit eher gemischten Gefühlen entgegen.
Melchior: Was?
Moritz: Wie sagtest du?
Melchior: Männliche Regungen?
Moritz: M-hm.
Melchior: - Allerdings!
Moritz: Ich auch - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Melchior: Ich kenne das nämlich schon lange! - Schon bald ein Jahr.
Moritz: Ich war wie vom Blitz gerührt.
Melchior: Du hattest geträumt?
Moritz: Aber nur ganz kurz... von Beinen im himmelblauen Trikot, die über das Katheder steigen - um aufrichtig zu sein, ich dachte, sie wollten hinüber. - Ich habe sie nur flüchtig gesehen.
Melchior: Georg Zirschnitz träumte von seiner Mutter.
Ganz schlimm hatten sie uns einige Jahre zuvor erwischt. Wir sollten eines Tages aus heiterem Himmel "versaute Witze" erzählen und ahnten natürlich nicht, worauf das hinauslief. Kaum jemand traute sich, einer aber, der mir nicht ganz unähnlich sah, kam nach und nach in Fahrt und wurde, von Lachsalven getragen, immer weiter angestachelt, Schüler- und Lehrkörper bogen sich vor Lachen, und so angefeuert kramte er immer tiefer in seiner Erinnerung und förderte zuletzt noch aus Grundschultagen irgendwelche Fickifickiwitzchen zutage, z.B. den, den O. damals immer erzählt hatte:
Kriegt ein Mann einen Papagei geschenkt. Steht er morgens auf und will sich rasieren und der Papagei ruft: "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!"Als die letzten Lachtränen getrocknet waren, folgte Teil zwei der Aufgabe: "Nun erklärt ihr die Witze, die ihr erzählt habt."
Sagt der Mann: "Sei still! Ich muss mich rasieren!"
Ruft der Papagei wieder: "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!" - "Ruhe!" - "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!" - "Wenn du das noch einmal sagst, dann steck ich dich ins Klo!" - "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!"
Nimmt er den Papagei aus dem Käfig und steckt ihn ins Klo und macht den Deckel zu. Nach ner Zeit kommt die Frau von dem Mann und geht aufs Klo. Setzt sie sich drauf und der Papagei ruft: "Hast dich ja doch geschnitten!"
Ich habe ja generell etwas dagegen, Witze zu erklären, allerdings hatte ich selten so sehr etwas dagegen wie an jenem Tag. Da denke ich lieber mal schnell an etwas anderes.
Nehmen wir mal die Grammatikstunde, in der es darum ging, woran man Nomen erkennen kann, nämlich an bestimmten Wortendungen wie "-keit" oder "-ung" oder "-nis". Auf der Suche nach Beispielen kam Mitschüler D. nicht nur mit dem Vorschlag "Doofkeit" ganz groß heraus. Noch origineller war nämlich, nach "Ärgernis", "Hindernis", "Finsternis", "Erfordernis" etc., sein Beitrag zu dieser Nomengruppe ("Penis").
Was mich ans Galgenraten erinnert. Die lange Mittagspause (es handelte sich um eine Ganztagsschule) füllten wir nicht immer nur mit Theater-AGs oder der Pflege des Schulgartens, nein, es kam auch vor, dass wir
Einmal jedoch geriet das Spiel ins Stocken. Jemand hatte "P" geraten, doch wurde der Buchstabe an die letzte Stelle geschrieben. "Ein anderes Wort also diesmal", dachten wir und strengten uns beim Raten ordentlich an. Allerdings kamen wir bis zum Schluss nicht auf die Lösung ("S I N E P").
Wenn ich's mir recht überlege, hätte aus manchen von uns durchaus ein Jonathan Meese ("Er versieht Abbildungen von Hitler und Stalin – und von sich selbst – mit riesigen Penissen [...]") werden können, und das nicht nur, weil auch bei uns die adidas-Trainingsjacken nie aus der Mode kamen. Denn auch auf unseren Tischen, in den Büchern, an den Wänden und überhaupt auf jeder erdenklichen Fläche waren schematische Darstellungen des primären männlichen Geschlechtsmerkmals zu finden, hie edingschwarz, da kreideweiß, dort kuliblau, und so irritierte es mich doch, dass an einem bestimmten Tag, als ein weiteres, auf einfache geometrische Grundformen reduziertes Exemplar die Tafel zierte, unser Lehrer, statt es wie üblich wortlos wegzuwischen, plötzlich sprach: "Ich dachte, das hätten wir langsam hinter uns!" und damit unmittelbar klarmachte, was bevorstand: Wir haben mal wieder Aufklärung.
Routiniert wurden wir mit den Facts of Life vertraut gemacht, waren inzwischen ja auch älter und reifer, cool hörten wir uns die Vorträge an, keiner kicherte, niemand errötete, und auch die Lehrerschaft atmete sichtlich auf, offenkundig erleichtert ob der Tatsache, dass Vorgänge und Tatsachen benannt werden konnten, ohne minutenlanges Gejohle auszulösen. Kurz vor der Pause wurden schließlich sogar Kondome ausgepackt, Tampons aufs Pult gelegt, Damenbinden präsentiert, Lehrerin und Lehrer verließen zufrieden den Klassenraum, "Das lassen wir euch da, das könnt ihr euch ja noch angucken." Ich folgte den beiden, um mich frischzumachen und fragte mich auf meinem Weg durch den Flur, warum plötzlich alle so reif und vernünftig geworden waren. Aber so ist das wohl, wenn man älter wird, überlegte ich, ging zurück zur Klasse, öffnete die Tür - und war glücklich.
Aufgeblasene Kondome hingen an der Decke, rot angemalte Damenbinden klebten links und rechts des Eingangs im Zickzackmuster an der Wand, und unter den anfeuernden Rufen der anderen hatte R. einen Tampon in den Tafeleimer getaucht, der darin auf das Hundertfache seiner ursprünglichen Größe anschgeschwollen war. Nun wirbelte er ihn in wilder Kreisbewegung gröhlend über seinem Kopf, stinkendes Tafelwasser verspritzend, bis die zentrifugalen Kräfte die Reißfestigkeit des bläulichen Fädleins überstiegen und der ganze Klumpen schmatzend an eine Wand flog. "Noch einen! Noch einen!", rief die Klasse und jemand ging den Tafeleimer neu füllen.
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Fünfzig Tage nach Ostern.

Munter bleiben! (Bin mal weg.)

Munter bleiben! (Bin mal weg.)
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Generell rate ich der Welt zu den Beatles. Die Musik der Beatles ist wunderbare Erübrigungsmusik: Sie erübrigt fast jede andere Musik.Wer solches schreibt, hat meine Aufmerksamkeit und darf dann auch gerne eine thematische Kurve nehmen, die zur Beschreibung einer recht amüsanten Situation führt, auch wenn man da ein paar faz-typische Diffamierungsvokabeln mitnehmen muss:
Ich war im 3. Schuljahr, als meine Klassenlehrerin, eine mild-emanzipatorische, sichtlich linken Polit-Kuscheligkeiten zugetane Frau [...] alle Schüler bat, doch ihre Lieblingssingle mit in den Musikunterricht zu bringen. [...]"Mir gefiel vor allem der Schlagzeugpart", das unterschreibe ich dick, hier (ab 1:24, davor leider ganz übler Müll) ist übrigens ein kleiner Ausschnitt aus der Blattschussversion zu hören, und man muss lediglich "lagzeugp" durch "nauzb" ersetzen, dann gilt der Satz auch für diese.*
Zu Gehör gebracht wurden etwa Stücke wie Raceys „Boy Oh Boy" oder „Gimme Gimme Gimme Gimme Gimme Your Love" von den Teens.
Dann kam ich. Meine Wahl war auf „50 Tricks die Liebste loszuwerden" von den Gebrüdern Blattschuß gefallen, die eingedeutschte Blödel-Version von Paul Simons „50 Ways To Leave Your Lover". Wo aber bei Simon sanfte Ironie und gebrochene Bitterkeit regierten, wurde bei den Gebrüdern die Zoten-Keule geschwungen. Mir war das nicht so recht klar, mir gefiel vor allem der Schlagzeugpart. [...] Der Refrain, in welchem die Blödel-Titanen, nachdem sie in der Strophe schlawinerisch eher schöngeistig verbrämte Töne angeschlagen hatten, die tatsächlichen Methoden des Loswerdens im Wechselgesang vorschlugen, ging so:
„Hau ihr aufs Maul, Paul
Gib ihr `nen Tritt, Pit
Beiß sie ins Bein, Hein
Mensch, seif sie ein
Vergrab sie im Forst, Horst
Schieß sie zum Mars, Lars
Sei mal brutal, Karl
- hart wie Stahl"
Die Ironie des Liedes ignorierend, wurde ich von der Lehrerin in unvergesslich erniedrigender Weise vor der Klasse gemaßregelt und galt in der Folge als Outlaw.
Es lässt sich schon schwer geraderücken, wenn man eine Coverversion vor dem Original kennenlernt - ich erwähnte da mal den Fall Love will tear us apart - aber wenn es sich dabei auch noch eine Parodie handelt, wird's für das Original ganz schwer. Nicht umsonst erzählt Robin Gibb regelmäßig, dass die Bee Gees sich durch Coverversionen grundsätzlich geehrt fühlten, jedoch niemals ihre Zustimmung zu Witzversionen gegeben hätten. Die in einer gewissen Zeit ja ganz besonders nahe gelegen hätten, als sie nur noch die "Quietschies" genannt wurden.
Und genau in dieser Zeit begab es sich, dass ich musikalisch sozialisiert wurde. Wer John Travolta und Olivia Newton-John waren, wusste ich allerdings nur aus der Bravo, und noch heute kann ich dieses Lied nicht hören, ohne Dieter Hallervordens Intro ("I speak english, I can tanzen") und Helga Feddersens Interjektionen ("Mensch, hör doch mal zu!") mitzudenken:
Mike Krüger, von dem wir eine Live-Platte besaßen, hat auch einiges dazu beigetragen. I'd love you to want me, sang einst Lobo, doch ich höre stets:
Oh, Baby, du hast krumme BeineUnd statt der englischen oder wenigstens deutschen Michael-Holm-Version von Mendocino heißt es:
Drum lass mich alleine
Ich will wirklich nichts von dir
Auf der Straße nach Hamburg-OlsdorfGar nicht so leichenfledderisch war seine Version von Johnny Cashs Boy named Sue, das ich damals noch nicht kannte und das Mike Krüger sogar relativ nah am Original übersetzte:
Da saß ein Girl ganz alleine wartend in der he-eißen Sonne
Ich hielt an und fragte wohin
Sie sagte: Bitte nimm mich mit in Deinem schwarzen Wagen.
Leichenwagen, Leichenwagen
Oh Du mein süßer kleiner Leichenwagenfahrer.
Komm bring mich nach Hause, wir machen ne Sause,
so einen wie Dich hatte ich noch nie auf meinem Lager.
Ja, mein Alter brannte durch, da war ich vier,Aber woher soll man das wissen? Ich hielt es natürlich für genauso albernen Quatsch wie
und er ließ uns nicht viel, meiner Mutter und mir,
nur diese Gitarre und 'ne leere Flasche Fusel.
Ich nahm's ihm nicht übel weil er einfach verschwand
doch eins, das tat er noch in seinem Brand
bevor er ging, da taufte er mich Susi.
Wenn ein Schnitt daneben gehtzur Melodie von Wenn ein Schiff vorüberfährt bzw. Un canto a Galicia.
Dann hilft nur noch beten
Wenn ein Schnitt daneben geht
Adios, cariña
Zum Glück hat sich damals niemand getraut, die Beatles zu parodieren. Sonst hätte sich für mich so einiges erübrigt.
--
*Übrigens: Das war auch nicht besser.
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Man mag es psychologisch deuten, wie man will, es gibt etwas, das mich furchtbar ekelt. Ich habe mich schon einmal übergeben, nur weil ich daran dachte.
Ich muss diesen Moment nutzen, der Magen gestählt durch starken Filterkaffee, eine Ladung Bananenchips gab's dazu, so lässt sich das hoffentlich überstehen, also nichts wie raus damit, und diesen Artikel bloß nie wieder lesen.
Wenn ich mit dem Fahrrad zur Schule fuhr, war ich oft noch müde, bekam die Augen nicht auf und hatte im Höchstfall eine halbe Tasse Pfefferminztee intus. Feste Nahrung nahm ich dann erst in der Schule zu mir, allerdings hielt ich es nicht bis zur Pause aus, sondern fingerte, man konnte die Uhr danach stellen, gegen 9:00 mit einem überwältigenden Hungergefühl in meiner Tasche herum.
Wir hatten ja nie Tupperware zu Hause, die lernte ich erst später kennen und auch schätzen, man hält Dinge darin geruchssicher verschlossen, der Kühlschrank steht seltener unter Tauwasser - andererseits sind diese Behältnisse echt hässlich, verglichen bspw. mit einer reellen Butterbrotpapiertüte.
"Reell" sind ja ganz verschiedene Dinge, bspw. schnitt mir ein Handwerker mal ein "reelles Fenster" in die Rückwand eines Küchenschranks, auch beim Grillen begegnet einem das Wort regelmäßig, Steaks bspw. sind oft "reell", und man wäre fast versucht, "reell" mit "nicht zu klein" zu übersetzen, träfe damit aber doch nicht ganz den Kern der Sache. "Reell" sind Dinge nämlich dann, wenn sie vom gemeinen Volk in der Gegend des Unverzärtelten, nicht Verkünstelten, nicht Verfeinerten noch Abgehobenen eingeordnet werden. Die Nouvelle Cuisine bspw. ist nicht "reell". Niemand würde von einer "rellen" Lauchstange mit Essig und Öl sprechen.
Diese Butterbrottüten sind äußerst praktisch, im Gegensatz etwa zu Einwickelpapier, das aus identischem Material besteht, aber nicht verklebt ist, so dass man die Butterbrote umständlich einwickeln muss, was geschickteren Menschen evtl. auch gelingen mag, bei mir dagegen, na ja, sollten Sie jemals ein Geschenk von mir bekommen, dann werden Sie sehen, was ich meine. Akustisch hingegen nehmen sich beide Verpackungsarten wenig. Und wenn ich wieder einmal zaghaft die Tüte ertastet hatte und in Zeitlupentempo versuchte, das inliegende Butterbrot zu entnehmen, musste ich mit frustrierender Regelmäßigkeit zur Kenntnis nehmen, dass die schalldämpfenden Eigenschaften meiner Schultasche zu wünschen übrig ließen.
"WÜRDEST DU BITTE DAS GERASCHEL SEIN LASSEN DIE PAUSE IST UM ZWANZIG NACH NEUN DEINE MITSCHÜLER KÖNNEN SICH NICHT KONZENTRIEREN DIR FLIEGT ALLES MÜHELOS ZU ABER ANDERE MÜSSEN SICH KONZENTRIEREN DIR IST DAS JA OFFENSICHTLICH EGAL ICH FINDE DAS GAR NICHT GUT DU SCHREIBST DANN TROTZDEM EINE GUTE ARBEIT ABER DEIN SITZNACHBAR DEN DU ALS FREUND BEZEICHNEST GIBT SICH MÜHE UND LEBT MIT SEINER ALLEINERZIEHENDEN MUTTER UND SCHAFFT SEINEN ABSCHLUSS NICHT NUR WEIL DU IM UNTERRICHT BUTTERBROTE ESSEN MUSST", wurde ich dann ermahnt, nickte schuldbewusst und musste also in den verbleibenden zwanzig Minuten einen Appetenz-Aversions-Konflikt lösen. Unter heftigsten Schuldgefühlen, denn ich wusste ja, was ich meinem Mitschüler angetan hatte und noch antun würde, und millimeterweise schob ich meine Finger wieder in die Tasche unter dem Tisch und versuchte dabei, eine möglichst naturidentische Körperhaltung einzunehmen. Hatte ich zehn Minuten später schwitzend und flach atmend endlich das Brot aus der Knistertüte geangelt, galt es, dieses unauffällig zum Mund zu führen, geräuschlos abzubeißen und so langsam zu kauen, dass der Vorgang für das menschliche Auge nicht als Bewegung erkennbar wäre. Mit dem ersten Schluck minutenlang eingespeichelten Brotes (die Verdauung beginnt im Mund), der meinen Magen erreichte, ertönte dann die Pausenklingel.
Wenn es geregnet hatte, besonders im Sommer, die Luft schwül und feucht, und ich fuhr mit dem Fahrrad zur Schule, war mir oft flau. Den Rest aber gaben mir die vielen Regenwürmer, die sich auf dem Asphalt ringelten. Sie bewegten sich, ich würgte, sie waren zerquetscht und zerteilt oder vom Wasser aufgequollen, ich wollte nicht hinsehen und musste es doch tun, und mehr als einmal musste ich anhalten und schmeckte bereits die Galle, die Augen tränten, die Speiseröhre tat, was sie nicht sollte, mit aller Kraft ließ sich das Reihern unterdrücken, und wenn ich atemlos in der Schule ankam, war der schwierigste Teil des Tages überstanden.
Ich kann mich gar nicht an viele Filme mit Günter Lamprecht erinnern. Aber als Kind und Jugendlicher mochte ich den immer. Er hatte etwas Melancholisches an sich, das in all seinen Rollen immer durchschimmerte, brauchte gar nicht viel zu sagen, mich berührte das, und auch dieses möge in jeder Küche beliebig psychologisch gedeutet werden, ich meine ja nur, es hätte ja auch Sylvester Stallone sein können, ich jedenfalls mochte Günter Lamprecht.
Wenn ich das Würgen unterdrücken musste, war meine Aufmerksamkeit deutlich eingeschränkt. Generell, ich erwähnte es, war ich morgens zu müde und nicht verkehrstüchtig, fand aber meinen Weg zur Schule wie mit dem Autopiloten, doch wenn das dazukam, wenn so ein ekliger Regenwurmmorgen war, dann schalteten die höheren Hirnfunktionen komplett ab, da ging es nur ums Überleben. An einem solchen Morgen, widerlich war das wieder mit den Würmern, auch wenn sie Jahre später zum "Wirbellosen Tier des Jahres" gekürt werden sollten, passierte ich wie jeden Tag den Blumenladen an der Kreuzung, fuhr den Berg hinauf, schloss das Fahrrad an, betrat die Schule, die Übelkeit ließ nach, der Hunger meldete sich, und als es kurz vor neun war, fingerte ich nach der Butterbrottüte. Plötzlich erschien vor meinem geistigen Auge Günter Lamprecht.
Leise kauend erzählte ich meinem Sitznachbarn, dass ich, obwohl es ja nicht sein könne, heute morgen vielleicht Günter Lamprecht gesehen hätte, natürlich, es klinge vollkommen verrückt, aber mir sei doch irgendwie so. "Wen?", fragte er verständnislos, bevor wir unterbrochen wurden ("HÖRT MIT DEM SCHWATZEN AUF WENN DU DAS ALLES SCHON WEISST DANN IST DAS SCHÖN FÜR DICH ABER DEIN SITZNACHBAR DEN DU ALS FREUND BEZEICHNEST DER VERPASST HIER DEN UNTERRICHT UND WIRD GNADENLOS UNTERGEHEN ODER WILLST DU DAS VIELLEICHT SOGAR UND FREUST DICH HEIMLICH"), und auch die anderen Mitschüler, denen ich in der Pause von meiner Vision erzählte, zuckten nur mit den Schultern. Ich aber dachte noch lange daran und nahm mir vor, künftig reichhaltiger zu frühstücken, um gegen solche verwirrenden Erscheinungen besser gewappnet zu sein.
Nächster Morgen, Pfefferminztee, Tageszeitung, Regionalteil: "Der bekannte Schauspieler Günter Lamprecht hält sich derzeit zu Dreharbeiten in Göttingen auf"; Foto vor Blumenladen.
Ich muss diesen Moment nutzen, der Magen gestählt durch starken Filterkaffee, eine Ladung Bananenchips gab's dazu, so lässt sich das hoffentlich überstehen, also nichts wie raus damit, und diesen Artikel bloß nie wieder lesen.
Wenn ich mit dem Fahrrad zur Schule fuhr, war ich oft noch müde, bekam die Augen nicht auf und hatte im Höchstfall eine halbe Tasse Pfefferminztee intus. Feste Nahrung nahm ich dann erst in der Schule zu mir, allerdings hielt ich es nicht bis zur Pause aus, sondern fingerte, man konnte die Uhr danach stellen, gegen 9:00 mit einem überwältigenden Hungergefühl in meiner Tasche herum.
Wir hatten ja nie Tupperware zu Hause, die lernte ich erst später kennen und auch schätzen, man hält Dinge darin geruchssicher verschlossen, der Kühlschrank steht seltener unter Tauwasser - andererseits sind diese Behältnisse echt hässlich, verglichen bspw. mit einer reellen Butterbrotpapiertüte.
"Reell" sind ja ganz verschiedene Dinge, bspw. schnitt mir ein Handwerker mal ein "reelles Fenster" in die Rückwand eines Küchenschranks, auch beim Grillen begegnet einem das Wort regelmäßig, Steaks bspw. sind oft "reell", und man wäre fast versucht, "reell" mit "nicht zu klein" zu übersetzen, träfe damit aber doch nicht ganz den Kern der Sache. "Reell" sind Dinge nämlich dann, wenn sie vom gemeinen Volk in der Gegend des Unverzärtelten, nicht Verkünstelten, nicht Verfeinerten noch Abgehobenen eingeordnet werden. Die Nouvelle Cuisine bspw. ist nicht "reell". Niemand würde von einer "rellen" Lauchstange mit Essig und Öl sprechen.
Diese Butterbrottüten sind äußerst praktisch, im Gegensatz etwa zu Einwickelpapier, das aus identischem Material besteht, aber nicht verklebt ist, so dass man die Butterbrote umständlich einwickeln muss, was geschickteren Menschen evtl. auch gelingen mag, bei mir dagegen, na ja, sollten Sie jemals ein Geschenk von mir bekommen, dann werden Sie sehen, was ich meine. Akustisch hingegen nehmen sich beide Verpackungsarten wenig. Und wenn ich wieder einmal zaghaft die Tüte ertastet hatte und in Zeitlupentempo versuchte, das inliegende Butterbrot zu entnehmen, musste ich mit frustrierender Regelmäßigkeit zur Kenntnis nehmen, dass die schalldämpfenden Eigenschaften meiner Schultasche zu wünschen übrig ließen.
"WÜRDEST DU BITTE DAS GERASCHEL SEIN LASSEN DIE PAUSE IST UM ZWANZIG NACH NEUN DEINE MITSCHÜLER KÖNNEN SICH NICHT KONZENTRIEREN DIR FLIEGT ALLES MÜHELOS ZU ABER ANDERE MÜSSEN SICH KONZENTRIEREN DIR IST DAS JA OFFENSICHTLICH EGAL ICH FINDE DAS GAR NICHT GUT DU SCHREIBST DANN TROTZDEM EINE GUTE ARBEIT ABER DEIN SITZNACHBAR DEN DU ALS FREUND BEZEICHNEST GIBT SICH MÜHE UND LEBT MIT SEINER ALLEINERZIEHENDEN MUTTER UND SCHAFFT SEINEN ABSCHLUSS NICHT NUR WEIL DU IM UNTERRICHT BUTTERBROTE ESSEN MUSST", wurde ich dann ermahnt, nickte schuldbewusst und musste also in den verbleibenden zwanzig Minuten einen Appetenz-Aversions-Konflikt lösen. Unter heftigsten Schuldgefühlen, denn ich wusste ja, was ich meinem Mitschüler angetan hatte und noch antun würde, und millimeterweise schob ich meine Finger wieder in die Tasche unter dem Tisch und versuchte dabei, eine möglichst naturidentische Körperhaltung einzunehmen. Hatte ich zehn Minuten später schwitzend und flach atmend endlich das Brot aus der Knistertüte geangelt, galt es, dieses unauffällig zum Mund zu führen, geräuschlos abzubeißen und so langsam zu kauen, dass der Vorgang für das menschliche Auge nicht als Bewegung erkennbar wäre. Mit dem ersten Schluck minutenlang eingespeichelten Brotes (die Verdauung beginnt im Mund), der meinen Magen erreichte, ertönte dann die Pausenklingel.
Wenn es geregnet hatte, besonders im Sommer, die Luft schwül und feucht, und ich fuhr mit dem Fahrrad zur Schule, war mir oft flau. Den Rest aber gaben mir die vielen Regenwürmer, die sich auf dem Asphalt ringelten. Sie bewegten sich, ich würgte, sie waren zerquetscht und zerteilt oder vom Wasser aufgequollen, ich wollte nicht hinsehen und musste es doch tun, und mehr als einmal musste ich anhalten und schmeckte bereits die Galle, die Augen tränten, die Speiseröhre tat, was sie nicht sollte, mit aller Kraft ließ sich das Reihern unterdrücken, und wenn ich atemlos in der Schule ankam, war der schwierigste Teil des Tages überstanden.
Ich kann mich gar nicht an viele Filme mit Günter Lamprecht erinnern. Aber als Kind und Jugendlicher mochte ich den immer. Er hatte etwas Melancholisches an sich, das in all seinen Rollen immer durchschimmerte, brauchte gar nicht viel zu sagen, mich berührte das, und auch dieses möge in jeder Küche beliebig psychologisch gedeutet werden, ich meine ja nur, es hätte ja auch Sylvester Stallone sein können, ich jedenfalls mochte Günter Lamprecht.
Wenn ich das Würgen unterdrücken musste, war meine Aufmerksamkeit deutlich eingeschränkt. Generell, ich erwähnte es, war ich morgens zu müde und nicht verkehrstüchtig, fand aber meinen Weg zur Schule wie mit dem Autopiloten, doch wenn das dazukam, wenn so ein ekliger Regenwurmmorgen war, dann schalteten die höheren Hirnfunktionen komplett ab, da ging es nur ums Überleben. An einem solchen Morgen, widerlich war das wieder mit den Würmern, auch wenn sie Jahre später zum "Wirbellosen Tier des Jahres" gekürt werden sollten, passierte ich wie jeden Tag den Blumenladen an der Kreuzung, fuhr den Berg hinauf, schloss das Fahrrad an, betrat die Schule, die Übelkeit ließ nach, der Hunger meldete sich, und als es kurz vor neun war, fingerte ich nach der Butterbrottüte. Plötzlich erschien vor meinem geistigen Auge Günter Lamprecht.
Leise kauend erzählte ich meinem Sitznachbarn, dass ich, obwohl es ja nicht sein könne, heute morgen vielleicht Günter Lamprecht gesehen hätte, natürlich, es klinge vollkommen verrückt, aber mir sei doch irgendwie so. "Wen?", fragte er verständnislos, bevor wir unterbrochen wurden ("HÖRT MIT DEM SCHWATZEN AUF WENN DU DAS ALLES SCHON WEISST DANN IST DAS SCHÖN FÜR DICH ABER DEIN SITZNACHBAR DEN DU ALS FREUND BEZEICHNEST DER VERPASST HIER DEN UNTERRICHT UND WIRD GNADENLOS UNTERGEHEN ODER WILLST DU DAS VIELLEICHT SOGAR UND FREUST DICH HEIMLICH"), und auch die anderen Mitschüler, denen ich in der Pause von meiner Vision erzählte, zuckten nur mit den Schultern. Ich aber dachte noch lange daran und nahm mir vor, künftig reichhaltiger zu frühstücken, um gegen solche verwirrenden Erscheinungen besser gewappnet zu sein.
Nächster Morgen, Pfefferminztee, Tageszeitung, Regionalteil: "Der bekannte Schauspieler Günter Lamprecht hält sich derzeit zu Dreharbeiten in Göttingen auf"; Foto vor Blumenladen.
Was der eigentliche Anlass für die Regenwürmer ist, bei Regen ihre Wohnröhren zu verlassen, ist offensichtlich noch nicht vollständig geklärt.
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Oder so ähnlich hieß es auf einem Transparent an einer der großen Hallen im Überseehafen. Vielleicht "Blog doch mal offline" oder "Blog' doch mal offline", jedenfalls: You get the idea.
Kurz davor hatte ich ein tolles Fotomotiv, na ja, ich hätte beinahe gesagt: verpasst, es war aber eher so, dass ich mich nicht traute. Schwarze Limousine. Zwei Men in Black. Fahrer? Security? Groß und breit, träge und half-asleep, Entschuldigung, diese Anglizismen, wenn das meine Oma lesen müsste, aber das "Blog doch mal offline", das hat mich, wie heißt das auf Deutsch, confused, anyway, wie auch immer am Ende des Tages, die saßen da träge, aber alert (<-- This word is not english), in a crocodile kind of way, so dass ich sie zwar gerne abgelichtet hätte, mich aber dann an ein Erlebnis in Liverpool ("It is not allowed to take photographs of police officers. Delete it. Now.") erinnerte und weiterradelte, mich fragend, zu wessen Schutz und Transport die beiden Herren sich wohl verdingten, bog um die Ecke und sah da jemanden auf dem Podium sitzen, den ich aus dem Fernsehen kenne, der guckte dann auch gleich so zu mir rüber, da bin ich lieber weitergefahren und dann stand das da: "Blogg doch mal offline". Darüber denke ich gerne mal nach.

Die Sache ist die. Ich habe mal wo gearbeitet, wo ich jetzt nicht mehr arbeite, und eines Tages fiel ein schwerwiegender Verdacht auf mich. Und zwar war der Vorgänger von dem Mann, den man da sieht, der da so direkt zu mir geguckt hat, dort einmal zu Besuch. Das hatte mit einem sportlichen Großereignis namens "Schwarz Rot Geil" zu tun, vielleicht haben Sie's damals mitbekommen, und da hieß es dann den einen Tag, also, Tische aufräumen, der Minister kommt, der will dann bestimmt was wissen, bereitet mal etwas vor, zeigt dem mal, wie das funktioniert mit den ganzen Computersachen, und mehrere Abteilungen arbeiteten hektisch irgendwas aus, das man sehen konnte, man flachste und lachte und scherzte herum ("Alle schnell noch Turbane kaufen!"), Übersprungshandlungen, denn natürlich war das Sicherheitsstufe eins, Nervosität ward verbreitet, man sah die Security das Feld sichten und unten auf der Straße war plötzlich ganz viel Müllabfuhr usw., clever gemacht das alles, und man saß hinter seinem Bildschirm und erinnerte sich an die Bilder aus dem Fernsehen, viele Jahre früher, damals, als die bärtigen und strickenden Männer und Frauen, bzw. gestrickt haben letztere eigentlich nicht, erstmals mit ihren Sonnenblumen im Bundestag auftauchten, er dazwischen eigentlich immer schon ein Fremdkörper mit Anzug, man hatte dann später mal etwas über seinen ministeriumsinternen Spitznamen Schiliescu gehört, er kam dann stundenlang trotz mehrfacher Ankündigung nicht, die Nerven lagen langsam blank, plötzlich kam er doch noch, man tat schwer beschäftigt, -zig Kollegen überall, aber, klar, wen sucht er sich aus, kommt, streckt die Hand aus, fragt desinteressiert irgendwas und man erzählt irgendwas und weiter geht er, das war's schon, draußen dann noch Müllabfuhr und Funkgeräte und weg war er mit der schwarzen Limousine, ich weiß jetzt nicht, ob es die gleiche war, die ich da kürzlich im Hafen stehen sah, gut, und ich habe mich hinterher gefragt, ob ich evtl. hätte aufstehen sollen bei der Begrüßung, na ja, andererseits hatte ich viel zu tun und wir sollten ja ganz natürlich sein.
Mich hat das über den Niedergang der DDR nachdenken lassen. Denn wenn Honecker und andere Politbürogreise die Belegschaften ihrer volkseigenen Betriebe besuchten, hat es doch auch bestimmt vorher so gewisse, na, ich nenn's mal: Verhaltensempfehlungen gegeben, da hat doch bestimmt niemand, wenn Erich frug: "Nü, Genösse, sinnse züfriedn hior?", geantwortet: "Machst du Witze? Mich kotzt hier jeder Tag an! Spaß macht's überhaupt nicht, und diese Arbeit ist eine dermaßen sinnlose Scheiße!", sondern eher so was wie "Doch, doch, ja, ja", und wenn nun aber alle denen das so gesagt haben, dann ist doch auch klar, dass die denken mussten, ihr Arbeiter- und Bauernstaat sei schon ganz in Ordnung so, insgesamt, und nun fragte ich mich, was es für die weitere Geschichte unseres Landes bedeuten mochte, dass ich so etwas wie "Doch, doch, ja, ja" zu dem Minister gesagt hatte, obgleich die ehrlichere Antwort mit einer rhetorischen Frage ("Machen Sie Witze?") begonnen hätte.
Statt also die gegenwärtige Finanz-, Wirtschafts-, System- und Sinnkrise in ihrem Entstehen zu verhindern ("Gerhard, die werktätigen Massen sind zunehmend unzufrieden. Gerade eben sprach ich mit einem aufrichtigen jungen Mann, dessen einfache Worte mir plötzlich aufs Eindringlichste ..."), lullte* ich den Minister aufs Komfortabelste in seiner Scheinwelt, aber eigentlich wollte ich ja noch von dem Verdacht berichten, dem schweren, der da auf mich fiel, bevor der Platz hier nicht mehr reicht.
Folgendes. Ich komme den Tag nach Hause, es riecht gut nach einem Hackfleischgericht, hmm, das mag ich gerne gut scharf, die Zwiebeln sind gar nicht sooo wichtig, aber ordentlich Tomaten müssen drin sein und diese Bohnen, gerne auch etwas Dosenmais, und Besuch ist da und ich werde begrüßt mit den Worten: "Wir haben hier Chili gekocht, und wie war's bei der Arbeit?", und ich sage: "Ah, Chili, schön, und bei der Arbeit, da war heute Otto Schily", und die haben mir das nicht geglaubt, die dachten, ich (ich!) würde nur einen blöden Witz machen.
Den Rest erzähle ich irgendwann mal - oder, nee, den blogge ich offline.
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* "Lullen", woher kommt das, und kann man es so verwenden?
Kurz davor hatte ich ein tolles Fotomotiv, na ja, ich hätte beinahe gesagt: verpasst, es war aber eher so, dass ich mich nicht traute. Schwarze Limousine. Zwei Men in Black. Fahrer? Security? Groß und breit, träge und half-asleep, Entschuldigung, diese Anglizismen, wenn das meine Oma lesen müsste, aber das "Blog doch mal offline", das hat mich, wie heißt das auf Deutsch, confused, anyway, wie auch immer am Ende des Tages, die saßen da träge, aber alert (<-- This word is not english), in a crocodile kind of way, so dass ich sie zwar gerne abgelichtet hätte, mich aber dann an ein Erlebnis in Liverpool ("It is not allowed to take photographs of police officers. Delete it. Now.") erinnerte und weiterradelte, mich fragend, zu wessen Schutz und Transport die beiden Herren sich wohl verdingten, bog um die Ecke und sah da jemanden auf dem Podium sitzen, den ich aus dem Fernsehen kenne, der guckte dann auch gleich so zu mir rüber, da bin ich lieber weitergefahren und dann stand das da: "Blogg doch mal offline". Darüber denke ich gerne mal nach.

Die Sache ist die. Ich habe mal wo gearbeitet, wo ich jetzt nicht mehr arbeite, und eines Tages fiel ein schwerwiegender Verdacht auf mich. Und zwar war der Vorgänger von dem Mann, den man da sieht, der da so direkt zu mir geguckt hat, dort einmal zu Besuch. Das hatte mit einem sportlichen Großereignis namens "Schwarz Rot Geil" zu tun, vielleicht haben Sie's damals mitbekommen, und da hieß es dann den einen Tag, also, Tische aufräumen, der Minister kommt, der will dann bestimmt was wissen, bereitet mal etwas vor, zeigt dem mal, wie das funktioniert mit den ganzen Computersachen, und mehrere Abteilungen arbeiteten hektisch irgendwas aus, das man sehen konnte, man flachste und lachte und scherzte herum ("Alle schnell noch Turbane kaufen!"), Übersprungshandlungen, denn natürlich war das Sicherheitsstufe eins, Nervosität ward verbreitet, man sah die Security das Feld sichten und unten auf der Straße war plötzlich ganz viel Müllabfuhr usw., clever gemacht das alles, und man saß hinter seinem Bildschirm und erinnerte sich an die Bilder aus dem Fernsehen, viele Jahre früher, damals, als die bärtigen und strickenden Männer und Frauen, bzw. gestrickt haben letztere eigentlich nicht, erstmals mit ihren Sonnenblumen im Bundestag auftauchten, er dazwischen eigentlich immer schon ein Fremdkörper mit Anzug, man hatte dann später mal etwas über seinen ministeriumsinternen Spitznamen Schiliescu gehört, er kam dann stundenlang trotz mehrfacher Ankündigung nicht, die Nerven lagen langsam blank, plötzlich kam er doch noch, man tat schwer beschäftigt, -zig Kollegen überall, aber, klar, wen sucht er sich aus, kommt, streckt die Hand aus, fragt desinteressiert irgendwas und man erzählt irgendwas und weiter geht er, das war's schon, draußen dann noch Müllabfuhr und Funkgeräte und weg war er mit der schwarzen Limousine, ich weiß jetzt nicht, ob es die gleiche war, die ich da kürzlich im Hafen stehen sah, gut, und ich habe mich hinterher gefragt, ob ich evtl. hätte aufstehen sollen bei der Begrüßung, na ja, andererseits hatte ich viel zu tun und wir sollten ja ganz natürlich sein.
Mich hat das über den Niedergang der DDR nachdenken lassen. Denn wenn Honecker und andere Politbürogreise die Belegschaften ihrer volkseigenen Betriebe besuchten, hat es doch auch bestimmt vorher so gewisse, na, ich nenn's mal: Verhaltensempfehlungen gegeben, da hat doch bestimmt niemand, wenn Erich frug: "Nü, Genösse, sinnse züfriedn hior?", geantwortet: "Machst du Witze? Mich kotzt hier jeder Tag an! Spaß macht's überhaupt nicht, und diese Arbeit ist eine dermaßen sinnlose Scheiße!", sondern eher so was wie "Doch, doch, ja, ja", und wenn nun aber alle denen das so gesagt haben, dann ist doch auch klar, dass die denken mussten, ihr Arbeiter- und Bauernstaat sei schon ganz in Ordnung so, insgesamt, und nun fragte ich mich, was es für die weitere Geschichte unseres Landes bedeuten mochte, dass ich so etwas wie "Doch, doch, ja, ja" zu dem Minister gesagt hatte, obgleich die ehrlichere Antwort mit einer rhetorischen Frage ("Machen Sie Witze?") begonnen hätte.
Statt also die gegenwärtige Finanz-, Wirtschafts-, System- und Sinnkrise in ihrem Entstehen zu verhindern ("Gerhard, die werktätigen Massen sind zunehmend unzufrieden. Gerade eben sprach ich mit einem aufrichtigen jungen Mann, dessen einfache Worte mir plötzlich aufs Eindringlichste ..."), lullte* ich den Minister aufs Komfortabelste in seiner Scheinwelt, aber eigentlich wollte ich ja noch von dem Verdacht berichten, dem schweren, der da auf mich fiel, bevor der Platz hier nicht mehr reicht.
Folgendes. Ich komme den Tag nach Hause, es riecht gut nach einem Hackfleischgericht, hmm, das mag ich gerne gut scharf, die Zwiebeln sind gar nicht sooo wichtig, aber ordentlich Tomaten müssen drin sein und diese Bohnen, gerne auch etwas Dosenmais, und Besuch ist da und ich werde begrüßt mit den Worten: "Wir haben hier Chili gekocht, und wie war's bei der Arbeit?", und ich sage: "Ah, Chili, schön, und bei der Arbeit, da war heute Otto Schily", und die haben mir das nicht geglaubt, die dachten, ich (ich!) würde nur einen blöden Witz machen.
Den Rest erzähle ich irgendwann mal - oder, nee, den blogge ich offline.
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* "Lullen", woher kommt das, und kann man es so verwenden?
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