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Zu den schönsten Erinnerungen an meine Schulzeit gehört die an den Aufklärungsunterricht. Nicht, dass ich es als zirka Vierzehnjähriger besonders genossen hätte, der Klasse aus dem Buch Zeig mal vorzulesen, und zwar, wenn ich mich recht erinnere, Worte, die einem (nackt abgebildeten) Mädchen in den Mund gelegt wurde. Ich weiß ja nicht, wie das heute so ist, Kids, aber damals war man als Junge mit vierzehn Jahren nicht unbedingt erpicht darauf, etwas vorzulesen, das so ungefähr ging: "Das ist meine ... und am liebsten habe ich es, wenn ..."
Das war mindestens so peinlich wie die szenische Lesung aus Frank Wedekinds Frühlings Erwachen, zu der ich von einer Deutschlehrerin genötigt wurde. Ich las den Moritz, ein guter Freund den Melchior.
Ganz schlimm hatten sie uns einige Jahre zuvor erwischt. Wir sollten eines Tages aus heiterem Himmel "versaute Witze" erzählen und ahnten natürlich nicht, worauf das hinauslief. Kaum jemand traute sich, einer aber, der mir nicht ganz unähnlich sah, kam nach und nach in Fahrt und wurde, von Lachsalven getragen, immer weiter angestachelt, Schüler- und Lehrkörper bogen sich vor Lachen, und so angefeuert kramte er immer tiefer in seiner Erinnerung und förderte zuletzt noch aus Grundschultagen irgendwelche Fickifickiwitzchen zutage, z.B. den, den O. damals immer erzählt hatte:
Ich habe ja generell etwas dagegen, Witze zu erklären, allerdings hatte ich selten so sehr etwas dagegen wie an jenem Tag. Da denke ich lieber mal schnell an etwas anderes.
Nehmen wir mal die Grammatikstunde, in der es darum ging, woran man Nomen erkennen kann, nämlich an bestimmten Wortendungen wie "-keit" oder "-ung" oder "-nis". Auf der Suche nach Beispielen kam Mitschüler D. nicht nur mit dem Vorschlag "Doofkeit" ganz groß heraus. Noch origineller war nämlich, nach "Ärgernis", "Hindernis", "Finsternis", "Erfordernis" etc., sein Beitrag zu dieser Nomengruppe ("Penis").
Was mich ans Galgenraten erinnert. Die lange Mittagspause (es handelte sich um eine Ganztagsschule) füllten wir nicht immer nur mit Theater-AGs oder der Pflege des Schulgartens, nein, es kam auch vor, dass wirTelefonzellen anzündeten oder Rattengif an der Tafel "Galgenraten" spielten, jenes lehrreiche Spiel für Groß und Klein, bei dem man sich, ach, Galgenraten kennt doch jeder, und, nachdem irgendjemand damit einen Lacherfolg erzielt hatte, lautete zeitweilig jedes zweite zu erratende Wort "Penis", ja, es war einer dieser Momente, in denen etwas komisch ist, nur weil man es komisch findet, und, ganz im Gegensatz zu jener frühen Kindheitserfahrung, die man irgendwann einmal gemacht haben sollte, nämlich jener, dass ein Witz nicht lustiger wird, wenn man ihn mehrmals erzählt, wurde es mit jedem Mal komischer, immer wieder ging jemand zur Tafel, zeichnete die fünf Striche hin ("_ _ _ _ _ "), und unter absurdem Getue rieten die anderen immer wieder die Lösung ("P E N I S") oder fragten zuerst alle anderen Buchstaben des Alphabets ab, bis der Galgen fast komplett war, um dann im letzten Moment "P, E, N, I, S" zu raten und vollkommen überrascht zu tun.
Einmal jedoch geriet das Spiel ins Stocken. Jemand hatte "P" geraten, doch wurde der Buchstabe an die letzte Stelle geschrieben. "Ein anderes Wort also diesmal", dachten wir und strengten uns beim Raten ordentlich an. Allerdings kamen wir bis zum Schluss nicht auf die Lösung ("S I N E P").
Wenn ich's mir recht überlege, hätte aus manchen von uns durchaus ein Jonathan Meese ("Er versieht Abbildungen von Hitler und Stalin – und von sich selbst – mit riesigen Penissen [...]") werden können, und das nicht nur, weil auch bei uns die adidas-Trainingsjacken nie aus der Mode kamen. Denn auch auf unseren Tischen, in den Büchern, an den Wänden und überhaupt auf jeder erdenklichen Fläche waren schematische Darstellungen des primären männlichen Geschlechtsmerkmals zu finden, hie edingschwarz, da kreideweiß, dort kuliblau, und so irritierte es mich doch, dass an einem bestimmten Tag, als ein weiteres, auf einfache geometrische Grundformen reduziertes Exemplar die Tafel zierte, unser Lehrer, statt es wie üblich wortlos wegzuwischen, plötzlich sprach: "Ich dachte, das hätten wir langsam hinter uns!" und damit unmittelbar klarmachte, was bevorstand: Wir haben mal wieder Aufklärung.
Routiniert wurden wir mit den Facts of Life vertraut gemacht, waren inzwischen ja auch älter und reifer, cool hörten wir uns die Vorträge an, keiner kicherte, niemand errötete, und auch die Lehrerschaft atmete sichtlich auf, offenkundig erleichtert ob der Tatsache, dass Vorgänge und Tatsachen benannt werden konnten, ohne minutenlanges Gejohle auszulösen. Kurz vor der Pause wurden schließlich sogar Kondome ausgepackt, Tampons aufs Pult gelegt, Damenbinden präsentiert, Lehrerin und Lehrer verließen zufrieden den Klassenraum, "Das lassen wir euch da, das könnt ihr euch ja noch angucken." Ich folgte den beiden, um mich frischzumachen und fragte mich auf meinem Weg durch den Flur, warum plötzlich alle so reif und vernünftig geworden waren. Aber so ist das wohl, wenn man älter wird, überlegte ich, ging zurück zur Klasse, öffnete die Tür - und war glücklich.
Aufgeblasene Kondome hingen an der Decke, rot angemalte Damenbinden klebten links und rechts des Eingangs im Zickzackmuster an der Wand, und unter den anfeuernden Rufen der anderen hatte R. einen Tampon in den Tafeleimer getaucht, der darin auf das Hundertfache seiner ursprünglichen Größe anschgeschwollen war. Nun wirbelte er ihn in wilder Kreisbewegung gröhlend über seinem Kopf, stinkendes Tafelwasser verspritzend, bis die zentrifugalen Kräfte die Reißfestigkeit des bläulichen Fädleins überstiegen und der ganze Klumpen schmatzend an eine Wand flog. "Noch einen! Noch einen!", rief die Klasse und jemand ging den Tafeleimer neu füllen.
Zu den schönsten Erinnerungen an meine Schulzeit gehört die an den Aufklärungsunterricht. Nicht, dass ich es als zirka Vierzehnjähriger besonders genossen hätte, der Klasse aus dem Buch Zeig mal vorzulesen, und zwar, wenn ich mich recht erinnere, Worte, die einem (nackt abgebildeten) Mädchen in den Mund gelegt wurde. Ich weiß ja nicht, wie das heute so ist, Kids, aber damals war man als Junge mit vierzehn Jahren nicht unbedingt erpicht darauf, etwas vorzulesen, das so ungefähr ging: "Das ist meine ... und am liebsten habe ich es, wenn ..."
Das war mindestens so peinlich wie die szenische Lesung aus Frank Wedekinds Frühlings Erwachen, zu der ich von einer Deutschlehrerin genötigt wurde. Ich las den Moritz, ein guter Freund den Melchior.
Moritz: Hast du sie schon empfunden?Wir hätten, so sagte man uns hinterher, die Szene sehr lebensecht "rübergebracht", besonders das "M-hm" und das "Ich auch", allerdings nahm ich dieses Lob doch mit eher gemischten Gefühlen entgegen.
Melchior: Was?
Moritz: Wie sagtest du?
Melchior: Männliche Regungen?
Moritz: M-hm.
Melchior: - Allerdings!
Moritz: Ich auch - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Melchior: Ich kenne das nämlich schon lange! - Schon bald ein Jahr.
Moritz: Ich war wie vom Blitz gerührt.
Melchior: Du hattest geträumt?
Moritz: Aber nur ganz kurz... von Beinen im himmelblauen Trikot, die über das Katheder steigen - um aufrichtig zu sein, ich dachte, sie wollten hinüber. - Ich habe sie nur flüchtig gesehen.
Melchior: Georg Zirschnitz träumte von seiner Mutter.
Ganz schlimm hatten sie uns einige Jahre zuvor erwischt. Wir sollten eines Tages aus heiterem Himmel "versaute Witze" erzählen und ahnten natürlich nicht, worauf das hinauslief. Kaum jemand traute sich, einer aber, der mir nicht ganz unähnlich sah, kam nach und nach in Fahrt und wurde, von Lachsalven getragen, immer weiter angestachelt, Schüler- und Lehrkörper bogen sich vor Lachen, und so angefeuert kramte er immer tiefer in seiner Erinnerung und förderte zuletzt noch aus Grundschultagen irgendwelche Fickifickiwitzchen zutage, z.B. den, den O. damals immer erzählt hatte:
Kriegt ein Mann einen Papagei geschenkt. Steht er morgens auf und will sich rasieren und der Papagei ruft: "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!"Als die letzten Lachtränen getrocknet waren, folgte Teil zwei der Aufgabe: "Nun erklärt ihr die Witze, die ihr erzählt habt."
Sagt der Mann: "Sei still! Ich muss mich rasieren!"
Ruft der Papagei wieder: "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!" - "Ruhe!" - "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!" - "Wenn du das noch einmal sagst, dann steck ich dich ins Klo!" - "Schneid dich nicht! Schneid dich nicht!"
Nimmt er den Papagei aus dem Käfig und steckt ihn ins Klo und macht den Deckel zu. Nach ner Zeit kommt die Frau von dem Mann und geht aufs Klo. Setzt sie sich drauf und der Papagei ruft: "Hast dich ja doch geschnitten!"
Ich habe ja generell etwas dagegen, Witze zu erklären, allerdings hatte ich selten so sehr etwas dagegen wie an jenem Tag. Da denke ich lieber mal schnell an etwas anderes.
Nehmen wir mal die Grammatikstunde, in der es darum ging, woran man Nomen erkennen kann, nämlich an bestimmten Wortendungen wie "-keit" oder "-ung" oder "-nis". Auf der Suche nach Beispielen kam Mitschüler D. nicht nur mit dem Vorschlag "Doofkeit" ganz groß heraus. Noch origineller war nämlich, nach "Ärgernis", "Hindernis", "Finsternis", "Erfordernis" etc., sein Beitrag zu dieser Nomengruppe ("Penis").
Was mich ans Galgenraten erinnert. Die lange Mittagspause (es handelte sich um eine Ganztagsschule) füllten wir nicht immer nur mit Theater-AGs oder der Pflege des Schulgartens, nein, es kam auch vor, dass wir
Einmal jedoch geriet das Spiel ins Stocken. Jemand hatte "P" geraten, doch wurde der Buchstabe an die letzte Stelle geschrieben. "Ein anderes Wort also diesmal", dachten wir und strengten uns beim Raten ordentlich an. Allerdings kamen wir bis zum Schluss nicht auf die Lösung ("S I N E P").
Wenn ich's mir recht überlege, hätte aus manchen von uns durchaus ein Jonathan Meese ("Er versieht Abbildungen von Hitler und Stalin – und von sich selbst – mit riesigen Penissen [...]") werden können, und das nicht nur, weil auch bei uns die adidas-Trainingsjacken nie aus der Mode kamen. Denn auch auf unseren Tischen, in den Büchern, an den Wänden und überhaupt auf jeder erdenklichen Fläche waren schematische Darstellungen des primären männlichen Geschlechtsmerkmals zu finden, hie edingschwarz, da kreideweiß, dort kuliblau, und so irritierte es mich doch, dass an einem bestimmten Tag, als ein weiteres, auf einfache geometrische Grundformen reduziertes Exemplar die Tafel zierte, unser Lehrer, statt es wie üblich wortlos wegzuwischen, plötzlich sprach: "Ich dachte, das hätten wir langsam hinter uns!" und damit unmittelbar klarmachte, was bevorstand: Wir haben mal wieder Aufklärung.
Routiniert wurden wir mit den Facts of Life vertraut gemacht, waren inzwischen ja auch älter und reifer, cool hörten wir uns die Vorträge an, keiner kicherte, niemand errötete, und auch die Lehrerschaft atmete sichtlich auf, offenkundig erleichtert ob der Tatsache, dass Vorgänge und Tatsachen benannt werden konnten, ohne minutenlanges Gejohle auszulösen. Kurz vor der Pause wurden schließlich sogar Kondome ausgepackt, Tampons aufs Pult gelegt, Damenbinden präsentiert, Lehrerin und Lehrer verließen zufrieden den Klassenraum, "Das lassen wir euch da, das könnt ihr euch ja noch angucken." Ich folgte den beiden, um mich frischzumachen und fragte mich auf meinem Weg durch den Flur, warum plötzlich alle so reif und vernünftig geworden waren. Aber so ist das wohl, wenn man älter wird, überlegte ich, ging zurück zur Klasse, öffnete die Tür - und war glücklich.
Aufgeblasene Kondome hingen an der Decke, rot angemalte Damenbinden klebten links und rechts des Eingangs im Zickzackmuster an der Wand, und unter den anfeuernden Rufen der anderen hatte R. einen Tampon in den Tafeleimer getaucht, der darin auf das Hundertfache seiner ursprünglichen Größe anschgeschwollen war. Nun wirbelte er ihn in wilder Kreisbewegung gröhlend über seinem Kopf, stinkendes Tafelwasser verspritzend, bis die zentrifugalen Kräfte die Reißfestigkeit des bläulichen Fädleins überstiegen und der ganze Klumpen schmatzend an eine Wand flog. "Noch einen! Noch einen!", rief die Klasse und jemand ging den Tafeleimer neu füllen.
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