Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Montag, 2. Februar 2009
Verlängertes Regalleben
nnier | 02. Februar 2009 | Topic In echt
Es gibt Veränderungen, die so schleichend geschehen, dass man sie kaum bemerkt. Letztes Jahr fielen mir zum ersten Mal im Kühlregal zwei Sorten Milch (Bärenmarke und Weihenstephan) auf, die von sich behaupteten, "länger frisch" zu sein. Dafür waren sie auch deutlich teurer als Gut und Günstig, hatten eine klare "Premium"-Anmutung und ich dachte, in Ordnung, die glücklichen Kühe da oben in der guten Luft, irgendwie geben die halt besonders gute Milch, werden mit speziellen Kräutern von Hand gefüttert, und mit viel Liebe und in Handarbeit stellen die rotwangigen jungen Mädchen in der Molkerei da etwas ganz Besonderes her, indem sie die beste Milch auf geheimnisvolle Weise abschöpfen und dabei altdeutsches Liedgut trällern. Bitte, für mich ist das zu teuer, dachte ich, außerdem geht die frische Milch täglich und literweise nur so durch unseren Kühlschrank durch, da brauche ich keine, die drei Wochen hält, aber, wer weiß, so ein besserverdienender Single-Haushalt, es gibt ja Leute, die in ihren Kaffee gerne frische und nicht etwa Kondensmilch tröpfeln, und bis die so einen Liter verbraucht haben, und jeder wie er mag außerdem.

Die Milchlogistik hatte ich eigentlich gut im Griff all die Jahre, dennoch musste man immer ein wenig darauf achten, dass nicht plötzlich fünf Liter da sind, die aus Haltbarkeitsgründen in zwei Tagen verbraucht werden müssen. Im Laden immer schön die am längsten haltbare Frischmilch von ganz hinten nehmen, wer kennt das nicht, und irgendwann im letzten Jahr wurde das auf einmal viel entspannter, die frische Milch war plötzlich immer mindestens noch eine Woche lang haltbar, manchmal auch zwei. Ich gestehe, dass ich mich latent gewundert habe, aber da es ja kein unangenehmer Reiz war, ging ich innerlich darüber hinweg und hatte höchstens ein paar halbgare Gedankenfetzen wie z.B. "vielleicht sind die Milchfabriken jetzt irgendwie besser und mal sehen, ob an der Kasse wieder die aparte Blo".

Erst nachdem ich über diesen Zeitungsartikel gestolpert bin, wurde mir bewusst, dass es zwischen der Frisch- und der H-Milch inzwischen eine weitere Produktvariante gibt: Die sogenannte "ESL-Milch", die wesentlich höher erhitzt wird als Frischmilch. Aber auch da (den Artikel überflog ich vor einigen Wochen) habe ich noch nicht verstanden, dass es in vielen Geschäften gar keine Frischmilch mehr gibt - und dass ich die ganze Zeit solche "ESL-Milch" kaufe! Die steht jetzt genau da, wo vorher die frische stand, sieht genauso aus und hat für den Handel natürlich den großen Vorteil, dass sie nicht so schnell verdirbt und die Läden viel besser disponieren können. Geschmacklich merkt man's kaum, finde ich, und gerade das ist das Perfide: Schleichend und unbemerkt (nach dem kleinen Aufdruck "länger frisch" muss man suchen - und wenn man ihn sieht, denkt man an nichts Böses) wird ein Produkt durch ein anderes ersetzt, die klassische pasteurisierte Frischmilch durch hocherhitzte, und man bekommt es einfach nicht mit.

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Barfuß zum Nordpol: Erst mal eine rauchen
nnier | 02. Februar 2009 | Topic In echt
[Fortsetzung]

Während einige der vier Pistolen sich einsatzbereit in den Händen ihrer Besitzer befinden, hat der junge Mann mit der Maschinenpistole seine Waffe ganz diskret quer vor der Brust hängen, so dass sich das Risiko durchaus kalkulieren lässt. Denn nach zehn Minuten des bewegungslosen Herumstehens im Scheinwerferlicht beginnt man sich natürlich zu fragen, wie lange das noch dauern soll mit der Überprüfung der konfiszierten Ausweispapiere. Du stehst da, keiner sagt was, da wird man doch wenigstens seine Zigaretten aus der Jackentasche fingern und mal eine rauchen können. Gut, allzu ruckartige Bewegungen vermeidet man automatisch, man kann gegen das Licht auch so schlecht erkennen, was die da machen und ob sie irgendwie reagieren; warum zitterst du eigentlich so beim Anzünden?

Der auf eine ernste, grummelige Weise eher freundliche Rudelführer kommt irgendwann an, setzt dir auseinander, dass das verboten sei, hier zu schlafen und außerdem gefährlich, "vous risquez de vous faire attaqué" oder so, nein, faire l'autostop sei nicht verboten, aber hier dürfe man nicht bleiben. Einverstanden, denkt man, bei der Kälte geht das eh nicht mehr, und nachdem das Auto und seine Insassen wieder verschwunden sind, marschiert man mit seinen schmerzenden Knien durch den ganz übel pfeifenden Wind zurück nach Bourg-en-Bresse, wo man immer noch keinen anständigen Schlafplatz auftun kann und sich deshalb irgendwann in den Eingang eines Geschäfts setzt, gelegentlich die Augen zumacht, sie dann erschrocken wieder aufreißt und merkt, dass es jetzt doch langsam anstrengend wird. Da hilft es nicht, dass als einziges Auto eines der Polizei an einem vorüberfährt, aber merkwürdigerweise nicht anhält. Dennoch, das lässt sich nervlich nicht mehr durchhalten, da war doch vorhin dieser hässliche Bahnhof, man sucht und findet diesen und setzt sich mal hier und mal dort auf eine Bank oder den Fußboden, von wo man dann wieder vertrieben wird oder die man wegen unangenehmer Nachbarschaft freiwillig verlässt. Luzide Träume, ein überreizter und zugleich todmüder Geist, man fühlt sich schmutzig, kalt - und diese Knieschmerzen!

Nach dieser Nacht, die irgendwie vorbeigeht, beschließt man, das Thema "Geld sparen" vorübergehend ad acta zu legen und sich einen Zug nach Lyon zu leisten. Von dort sollte man doch besser wegkommen können als aus diesem gottverlassenen Nest!

[Fortsetzung folgt]

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