Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Freitag, 16. April 2010
Immanuel Cunt a tergo
nnier | 16. April 2010 | Topic Sprak
Einmal waren Engländer bei meinen Eltern zu Besuch, und gegen Ende ihres Aufenthalts wurde der Wunsch immer dringlicher, ein "Ausfahrt"-Schild zu erstehen. Warum sie denn unbedingt so eines haben wollten, wurden sie gefragt, und versuchten dann, unter Wahrung der Tischsitten und ohne unangemessene Vertraulichkeiten zu erklären, was den gemeinen Briten daran so amüsiert. Ich fand's auch komisch, gerade wegen des "h", und auch die Trikots der Deutschen in diesem Video der Lightning Seeds gefallen mir, denn hintendrauf steht natürlich immer "Kuntz". (Wie stellt sich eigentlich der neue "Moderator" der Sendung Verstehen Sie Spaß? seinen internationalen Gästen vor?)

Mich stört schon seit Jahren, dass es erlaubt ist, eine bestimmte Spielkarte mit zwei "s" zu schreiben. Ist denn gegen ein As im Ärmel irgendwas einzuwenden? Doch seit Jahren begegnet man Autos, auf deren beklebten Heckscheiben, Motorhauben und Seitentüren IMMOBILIEN ASS, FINANZ ASS, COMPUTER ASS und dergl. für sich werben. Mir persönlich gibt solches auf einem anthrazitfarbenen Audi A4 natürlich wesentlich mehr als der vielzitierte Mitsubishi Wichser.

Jetzt lass doch dieses Englischzeug mal beiseite, da kann ja kein Mensch folgen. Ich habe vorhin übrigens mein Handy beim Service Point liegenlassen, als ich mit Park&Ride zum Shoppen in der Waterfront war.

Gut, gut. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde die neue Trikotwerbung von Werder Bremen doof. Es gibt da ja eine unselige Tradition, vom unseriösen Wettanbieter bwin über den dümmlichen Umweg we win zur unseriösen CitiBank über den dümmlichen Umweg So geht Bank heute zur umbenannten, unseriösen CitiBank, deren Unseriosität sich doch so langsam herumgesprochen hat, so dass man sich mal lieber einen neuen Namen kaufte: Targobank. Was für ein bescheuerter Name. Dann nennt euch doch gleich Itergo.

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Dienstag, 26. Januar 2010
To your dunkels
nnier | 26. Januar 2010 | Topic Sprak
Nicht ohne Grund wird gerade mal wieder eine Sau durchs Dorf getrieben und verführt nebenbei manchen zu eigenen kreativen Höchstleistungen. Die Fallhöhe ist einfach gegeben, wenn einer vom Englischen als Arbeitssprache faselt und diese selbstverständlich bei jedem, jungen und alten Fach- und sonstigen Arbeitern einfach so voraussetzt. Insofern: Es trifft den Richtigen.

Dennoch gibt es etwas, das mich stört. Denn ungeachtet dessen, dass einer, der von sich behauptet, im englischen Gespräch "sehr sicher" zu sein, sich daran messen lassen muss - und ungeachtet dessen, dass "Es ist Deutschland, hier" so verklemmt herüberkommt wie der ganze nicht besonders souverän klingt, frage ich mich seit den seligen Zeiten der Helmut-Kohl-Witze ("I'm sorry, three!"), ob es denn tatsächlich so selbstverständlich zu erwarten ist, dass alle Welt flüssig Englisch spricht.

Was auch immer an Kohl zu kritisieren war - die Tatsache, dass er kein Englisch sprach, gehörte für mich nie dazu. Interessant war, dass gerade diejenigen, die immer die Trommel für die Unterprivilegierten und Bildungsbenachteiligten schlugen, sich plötzlich hohnlachend auf die Schenkel schlugen, wenn es darum ging, dass jemand eine Fremdsprache nicht beherrschte. Hätte man so auch über einen mittelamerikanischen, einen afrikanischen Staatschef gescherzt?

Was Kohl anging, mischte sich bestimmt das Unbehagen an seiner bräsig-selbstzufriedenen und provinziellen Strickjackenausstrahlung ins Thema; und die beiden gerne so forsch auftretenden Herren, die es zuletzt erwischt hat, haben sich die Häme hart erarbeitet und müssen sich nicht wundern, dass, wenn sie den Ball vors leere eigene Tor legen, viele freudig dagegentreten.

Davon abgesehen frage ich mich, wie es den ca. 50-95% Mitbürgern geht, die auch nicht besser Englisch sprechen.

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Montag, 25. Januar 2010
Angebliche Fragen
nnier | 25. Januar 2010 | Topic Sprak
Der angebliche Millionär war in Wirklichkeit nur ein armer Schlucker.
Die angebliche Entführung der Schülerin stellte sich als übler Scherz heraus.
Das angebliche Superschnäppchen entpuppte sich als nutzloser Schrott.
Der angebliche Sofortgewinn wurde nie ausgezahlt.
Von der angeblichen Torgefährlichkeit des Spielers war nichts zu sehen.
Fernsehen macht angeblich die Dummen dümmer und die Klugen klüger.
Angeblich hilft es manchmal schon, an die Wirksamkeit eines Medikaments zu glauben.

Sind Sie noch bei mir? "Angeblich", so meine ich, verwendet man dann, wenn von einer Tatsache die Rede ist, die sich inzwischen als falsch herausgestellt hat (angeblicher Millionär) oder die aus Sicht des Sprechers unbewiesen ist (angeblich hilft das Medikament).

Was aber ist ein "angeblicher Verdacht"? Ein Verdacht, der in Wirklichkeit doch keiner war - sondern was? Was ist ein "angeblicher Sprengstoffalarm"? War der nur als solcher getarnt?

Angeblich soll man sich am Montagmorgen lieber nicht mit so etwas befassen.

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Donnerstag, 10. Dezember 2009
Ist doch klar, was gemeint ist!
nnier | 10. Dezember 2009 | Topic Sprak
Melitta. Melitta. Melitta. Melitta. Melitta. Melitta. Melitta. Melitta. Melitta.



Dieses eine Mal - pff! Als ob du immer alles richtig machst, menno. "Nachrichtenmagazin", "Nachrichtenmagazin", ja, ja. Das nervt.

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Donnerstag, 15. Oktober 2009
Das ist offener Cityismus, Herr Löw!
nnier | 15. Oktober 2009 | Topic Sprak
(Andererseits kann der Mann mit dem Seidenschal, der in Frauenzeitschriften auch gerne "Yogi" genannt wird, nichts für die zufällige Verteilung von Satzzeichen beim Spiegel.)
Piotr Trochowski spiele gegen Finnland nicht, nur weil er Hamburger sei, erklärte Joachim Löw einen Tag vor der Partie.
Ich hebe schwächlich die Hand zum Gruße, verehrte Leserschaft, und wünsche einen schönen Herbst.

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Montag, 29. Juni 2009
Der King of Ost ist tot
nnier | 29. Juni 2009 | Topic Sprak
Sie wissen doch. Polizeiruf 110. Sächsisch. Dieser Blonde.



Wenn man mit heißer Nadel Nachrufe stricken muss und selbst noch ganz erschüttert ist, klar, das geht nicht immer gut. Ist aber menschlich verständlich. Bei der ganz großen "Zeitung" haben sie sogar zu dreizehnt daran geschrieben und sind trotzdem nicht unfallfrei durchgekommen.



Das muss dem Mann bei der faz wirklich nahe gegangen sein.

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Montag, 19. Januar 2009
Es gibt Tage,
nnier | 19. Januar 2009 | Topic Sprak
die sind noch langweiliger als die anderen. Und so lese ich also Artikel in ehemals respektablen Magazinen, rege mich darüber auf und vertreibe weiter gutwillige Leser.
Dieter Thomas Heck schimpft Grönemeyer einen Schlagersänger [...] Für den "Mensch"-Interpreten, der unvergessene Verse drechselte ("Am Strand des Lebens / Ohne Grund, ohne Verstand / Ist nichts vergebens / Ich bau die Träume auf den Sand"), muss das wie ein Schlag ins Gesicht wirken: In eine Reihe gestellt zu werden mit seichten Schnulzenschlabberern à la RexGildoCostaCordalisMatthiasReim. [...] Was der geschmähte Barde Grönemeyer von Hecks kleiner Stilkritik hält, ist indes nicht überliefert. Ein mögliches Streitgespräch der beiden könnte der in Bochum aufgewachsene Musiker auch bloß mit wenigen Zeilen aus einem seiner Songs kommentieren: "Glitschst wie Glibber durch die Finger / Stellst dich keinem Streit / Hast immer nur meine Meinung / Keine Gegenwehr weit und breit."
Was will mir der "Spiegel" damit sagen? Außer dem, was schon in der Überschrift steht, sind das hier doch nur die allerersten freien Assoziationen, die dem Autor "gekommen" sind, in einer entsetzlichen, pseudoironischen Schlabbersprache verfasst (es fehlt nur noch der Smiley hinter jedem zweiten Satz). Ein Wahnsinn, das alles. Ich nehme jetzt zwei Aspirin und dann bis morgen oder im Frühling, das ist ja nicht auszuhalten!

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Sonntag, 18. Januar 2009
Mettwurstgeformte Berge der Weisheit
nnier | 18. Januar 2009 | Topic Sprak
Ischa 'abe Sseitung gäläs unde ische 'abe nixa verstäh.*
Wenn Sie einer von jenen vielen Lehman-Brothers-Ex-Aktionären sind, die seit Oktober eine Stress-Parkour in ungeahntem Ausmaß absolvieren, und sich darüber ärgern, keine Zeitungsseite, keinen Fernsehsender, kein Radioprogramm mehr aufschlagen und einschalten zu können, ohne sich an die gruselige Talfahrt Ihrer Depot-Kurve erinnert zu fühlen, so sei ihnen versprochen: Das inflationäre Stichwort "Finanzkrise" bleibt ihnen hier erspart.
Hä? Parkour, "eine von David Belle begründete Sportart"? Und das machen die Ex-Aktionäre? Und: Wenn ich ein solcher bin, dann sei wem versprochen und erspart?
Weil aber die pekuniären Sachzwänge unangenehm im Schuh drücken, sei zumindest der Ratschlag gestattet, dass die Millionen, die Sie zur Geldmaximierung und damit für die Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft ...
Hä? Sachzwänge pekuniärer Art drücken im Schuh? Mit Millionen kann ich Geld maximieren?
Ja, auch Marcus, der Gymnasiallehrer, dachte vermutlich, dass das Gewinnen einfacher, ja simpler sei, ...
Hä? Wirklich nicht nur einfacher? Sondern sogar simpler?
Stefan Raab, der Übermensch, der sich über uns gewöhnliche Menschen emporhebt, hat sich aus den mettwurstgeformten Bergen der Weisheit hinübergewagt zu uns Sterblichen, ...
Hä? Ein Übermensch hebt sich über andere empor? Die Berge der Weisheit sind aus Mettwurst? Und er, der Übermensch, wagt sich ... ? Mit welchem Risiko?
Wohl geformter Stahlkörper ... losch von einer Feuerwehrleiter mehr brennende Kerzen aus ... präsentierte Raab nebenbei ein neues optisches Sehvergnügen ...der heimliche Sog eines Déjà-Vu-Gefühls, der sich im Studio auszubreiten begann ...
Hä? Der Stahlkörper ist wohl, also: allem Anschein nach, geformt; jemand losch (laschte? lusch?) Kerzen aus; Sehvergnügen gibt's auch in optisch; ein Déjà-Vu-Gefühl hat einen heimlichen Sog, der sich ausbreitet.

?

--
*Ich muss hier ab und zu auch mal wieder Leser vertreiben mit meiner Sprachkrittelei. Nämlich es ist doch quasi klar, was der eigentlich praktisch sagen will! Nur weil er halt eben für die Süddeutsche schreibt, muss er ja nicht gleich jede Metapher mit der Kanone auf dem Dach ist besser als die Hand, ich meine, du weißt schon, "mettwurstgeformt" ist doch gut, weil er halt ebend Metzger ist.

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Montag, 15. Dezember 2008
Klangliches
nnier | 15. Dezember 2008 | Topic Sprak
In einem englischsprachigen Schundroman las ich mal einen Satz, der ungefähr "The doors whooshed open" lautete. Das hat mich damals sehr beeindruckt. Ich kannte die Vokabel nicht, ich wusste nicht, dass es "to whoosh" gibt, ich hielt das lediglich für einen lautmalerischen Comic-Effekt, denn natürlich hatte ich, obwohl ich Action- und Superheldencomics nur im äußersten Notfall las, schon genügend oft ein großes WHOOSH neben all den VROOOOM, SLAM, BLAM! BLAM!, BANG! und so weiter gesehen. Wobei ich sagen muss, dass dem Englischen nicht unbedingt immer die bessere Versprach- und Verschriftlichung klanglicher Phänomene gelingt, was ihm ja ständig nachgesagt wird und anhand von SMASH, CRASH, HISS, WHACK usw. auch unmittelbar einsichtig klingt. (Popcorn ist auch noch so ein Wort, das man einfach nicht durch "Puffmais" o.ä. ersetzt sehen möchte, das Maiskorn macht nun mal POP). Aber dann wieder: BLAM?

Ich habe nicht gedient, kenne mich aber trotzdem gut mit Knallgeräuschen aus und kann das meine zuckenden Mundwinkel umspielende, spöttische Lächeln nun doch nicht ganz unterdrücken (bring das mal mit einem Smiley rüber!), wenn ich frage: Klingt das wie BLAM? Also bitte! Ich höre da jeden einzelnen Buchstaben in genau der Reihenfolge P-E-N-G - mit dem harten Verschlusslaut am Anfang, der ja zuverlässig jeden als Franzosen verkleideten Deutschen verrät, wenn er nur einmal das Wort "Napoleon" aussprechen soll: Die Kerzenflamme vor seinen Lippen wird sich bewegen und den Verräter entlarven, beim Franzosen hingegen tut sie's nicht, da dieser, und zwar ohne einfach ein weiches "B" zu sprechen (dies würde man als billigen deutschen Betrugsversuch ohne weiteres erkennen), in der Lage ist, "Napoleon" zu sagen, ohne dabei nennenswerte Molekülbewegungen in der Luft zu verursachen, was Knallkörper und Schusswaffen wiederum definitiv tun und weshalb eben PENG dann auch die einzige annähernd lautgetreue Umsetzung eines Knallgeräuschs ist. Und auch die Vokabel "Knall" wirkt auf mich wesentlich urwüchsiger und mehr im Laut verwurzelt als das englische bang.

Dennoch, The doors whooshed open, das muss man erst mal hinbekommen - ein Verb, so nah am Geräusch! Und an eben jene Evidenz, die mir damals aus dem Science-Fiction-Buch entgegenstrahlte, fühlte ich mich, wenn auch nicht auf einer psychoakustischen, sondern auf einer bildlichen Ebene, erinnert, als ich den einleitenden Satz zu einer Besprechung der CD Electric Arguments im englischen Uncut-Magazin las:
Yes, he may have hammered the point home a little gracelessly at times.
Da muss man auch mal anerkennend den Hut ziehen. Man könnte denselben Sachverhalt ja auch so ausdrücken: Paul McCartney übertreibt es manchmal ein wenig damit, an allen Fronten darauf hinzuweisen, dass er und nicht etwa John Lennon der avantgardistische unter den Pilzköpfen gewesen sei. Und, wo wir schon dabei sind, eigentlich auch der politische.

Ich kann's ja verstehen und habe ihn selbst immer nach Kräften gegen den Vorwurf verteidigt, nur der unkreative Mitläufer und Balladenschreiber zu sein, der deshalb nach dem Ende der Beatles auch nur noch Belangloses produziert habe, während Lennon (endgültig dann nach seiner Ermordung) kurz vor der Heiligsprechung zu stehen schien und ja auch vollkommen eindeutig als kreativer Kopf der Band angesehen wurde. Aber ganz unbeteiligt ist er, McCartney, an diesem Image nun auch wieder nicht, wenn man mal seine Veröffentlichungen vor allem in den 70ern und frühen 80ern ansieht - Ausnahmen natürlich ausgenommen, aber die kennt ja wieder keiner. Irgendwann muss Paul McCartney beschlossen haben, dieses Bild geradezurücken, und dabei hat er den Punkt dann eben manchmal ein bisschen schamlos nach Hause gehämmert.

(Dennoch: Lass den John in Frieden ruhen. Der war auch kein schlechter. Mach einfach weiter gute Platten. Über die neue, mal wieder etwas abseitigere z.B., freuen sich ja plötzlich alle. Ich find' sie auch ganz nett. Und wer Lust hat, klickt sich da rüber und hört sich mal die Titel No. 3, 7 oder 8 an, die sind halbwegs eingängig, der Rest erst mal eher sperrig - und dass ich den Einstiegssong ganz toll finde, habe ich ja neulich schon erzählt.)

[Edit: Hier noch zwei Fernsehbeiträge dazu, ARD und ABC].

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Dienstag, 9. Dezember 2008
Mumpatz 11:1
nnier | 09. Dezember 2008 | Topic Sprak
Die zwei Büchlein Der weiße Neger Wumbaba und Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück von Axel Hacke habe ich gerne gelesen. Der Titel, das nur kurz für diejenigen, die noch nichts davon gehört haben, geht auf eine wunderschöne Fehlleistung zurück, nämlich auf einen falsch gehörten Vers des Abendliedes Der Mond ist aufgegangen:
Der Wald steht schwarz und schweiget
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar
- und das ist schon eine tolle Geschichte von dem Kind, das eben immer den "weißen Neger Wumbaba" vor seinem geistigen Auge aus den Wiesen steigen sah. (Übrigens gefällt mir das Titelbild von Michael Sowa zum ersten Band mindestens genausogut.)

Leider habe ich durch die Lektüre auch gelernt, dass manche liebgewonnene Fehlleistung doch nicht, wie ich jahrelang glaubte, exklusiv in meiner Familie auftrat, sondern auch anderswo. Einzelne Überschneidungen mit in den beiden Büchern geschilderten Verhörern sind deshalb im folgenden nicht ganz zu vermeiden.

Seasons in the Sun heißt ein schwermütiges Lied von Terry Jacks, das ich in sehr frühen Kindertagen mit dem elterlichen Uher-Tonbandegrät oft und gerne anhörte. Von dem tragischen Inhalt - immerhin liegt hier jemand auf dem Sterbebett und verabschiedet sich von Freund, Vater und Geliebter - verstand ich natürlich nichts und wusste schon gar nicht, dass ein Lied von Jacques Brel Pate gestanden hatte, welches ins Englische übersetzt und dann für die Hit-Version des Herrn Jacks textlich entschärft worden war. Dennoch, man hört Ergreifendes:
Goodbye to you, my trusted friend
We've known each other since we were nine or ten
Together we climbed hills and trees
Learned of love and ABCs
Skinned our hearts and skinned our knees
Goodbye my friend, it's hard to die
When all the birds are singing in the sky
Now that the spring is in the air
Pretty girls are everywhere
When you see them I'll be there
Für mich war das damals eins dieser vielen Lieder, bei denen man nun mal nichts verstand - doch jedes Mal, wenn ich mit den Augen den rotierenden Tonbandspulen folgte und den Refrain hörte, wusste ich genau: Das Lied hieß Sieben Säcke Sand! ("We had joy, we had fun, we had seasons in the sun"); hat ja auch irgendwie was Schweres an sich, so eine Menge Sand.

Weihnachten war nicht nur das Fest mit Maria, Josef und dem Kind in der Krippe. Es gab ja noch diese beiden Frauen, die jedes Jahr besungen wurden ("Oh, du Fröhliche / Oh, du Selige!") und die ich immer etwas gouvernantenhaft imaginierte - ein Lied übrigens, über das ein Bekannter mal berichtete, er habe sich immer angesprochen gefühlt ("Udo fröhliche, Udo selige"); außerdem Owi, den anderen Sohn Gottes, mithin des Neugeborenen Bruder, der aber nirgends abgebildet war ("Gottes Sohn Owi lacht"); den braven Herrn Einsam ("alles schläft, Einsam wacht"); den Alten Knaben ("Alter Knabe mit lockigem Haar") - sie alle kommen in dem Lied Stille Nacht vor.

Was mich an eine Stelle aus dem katholischen Gottesdienst erinnert, die mich fast in den Wahnsinn getrieben hat. Bis ich längst erwachsen war, verstand ich nicht, warum sich der Pfarrer vor der Kommunion so ungeschickt ausdrückte:
... nahm er das Brot und sagte dann, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach: Nehmet und esset alle davon ...
"Nahm er das Brot, sagte dann, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach" - in der Kirche war ja nicht immer alles logisch, das nahm ich auch hin, aber dieses stets wiederkehrende "sagte dann" machte mich verrückt. (Zum Glück wurde ich irgendwann erlöst. Es heißt: "Nahm er das Brot, sagte Dank, brach es, reichte es seinen Jüngern.")
Hejo, spann den Wagen an
Denn der Wind treibt Regen übers Land
Bring die goldnen Gaben,
Bring die goldnen Gaben
Das fand ich ungerecht: Hejo musste bei Regen immer Gold heranschaffen, und sein Herr tat dabei noch so freundlich! "Goldne Gaben" einzufordern erschien mir doch arg euphemistisch, mir war klar: der Sänger war ein ganz schlechter Mensch, der den armen Hejo ausbeutete. (Was Garben sind, sollte ich als Stadtkind erst viel später erfahren).

Mein Freund A. wollte eines frühen Abends unbedingt nach Hause, um im Fernsehen eine Folge der Serie Mumpatz 11:1 anzusehen, von der er begeistert erzählte und die ich nicht kannte. Ich durfte mit und fand die Serie dann auch ganz toll. Aber der Titel lautete doch ein wenig anders, nämlich ... ja, wie denn? Darüber darf jetzt gerne mal ein wenig nachgedacht werden.*

Unterdessen hole ich ein wenig aus und erkläre, dass derselbe A. über das Privileg verfügte, in der Hausmeisterwohnung der Firma M. zu wohnen, da sein Vater diesen Posten bekleidete und so manche Scheibe, die wir vom Hof aus mit einem harten Gummiball (aber das gehört jetzt nicht zum Thema), einer Firma jedenfalls, die unter anderem Farbmusterkärtchen herstellte, für Lackfarben beispielsweise, "und aber auch" (Berti Vogts, 2001) für das Nähgarn eines bekannten Herstellers. Im Hinterhof der Firma stand stets ein Müllcontainer, in den die Firmenabfälle entsorgt wurden und in den A. trotz mütterlichen Verbots auch den Hausmüll der Familie schmiss, da der Weg zur privaten Mülltonne unwesentlich weiter gewesen wäre. Auf diese Weise stets über den aktuellen Inhalt des Containers informiert, meldete A. regelmäßig, wenn wieder Garnrollen darin zu finden waren. Wir stiegen dann hinein und füllten Plastiktüten mit beeindruckenden Mengen, die wir gut auf dem Flohmarkt verkaufen konnten, denn es fehlte an jeder Rolle nur eine kleine Menge Garn, was mich zwar irritierte und an der Effektivität der Farbmusterkartenproduktion zweifeln ließ, vor allem aber erfreute, da sich so doch das eine oder andere Yps-Heft finanzieren ließ.

Man muss außerdem wissen, dass A. einer der Menschen war, an deren Dativ-Akkusativ-Verwechslung ich mich irgendwann gewöhnt hatte: "Ich hab' ihn ein Bein gestellt", "Den haue ich eine rein", so Sachen.

Trotzdem war ich etwas irritiert, als A. mich eines Tages anrief und sagte, ich solle eine große Tüte mitbringen, "wegen den Negern". Wie bitte? "Wir wollten doch wieder das mit den Negern machen!", beharrte A., und es dauerte ein Weilchen, bis ich verstand, dass "Nähgarn" gemeint war, klar, "wegen dem Nähgarn" - so versnobt war ich nun nicht, hier auf dem den dem den Genitiv Wert zu legen und bin thematisch übrigens fast genau da gelandet, wo ich angefangen habe.

---
*Ernstgemeinte Zuschriften an diese Adresse

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