Gestern abend: Schulen, an denen man die Oberstufe verbringen kann, stellen sich vor. Schwerpunkt: Berufsorientierte Bildungsgänge (Technisches Gymnasium u.ä.)
Belauschter Dialog hinterher:
Tochter: Überall mit Mathe, da checke ich doch schon lange nichts mehr!
Mutter: Oder du machst doch den Sozialscheiß.
Tochter: Nee! Die gehorchen doch überhaupt nicht!
Es herrscht übrigens ein unglaublicher Frust unter den Schülern und Eltern. Vor allem, weil ein "Doppeljahrgang" ansteht, da der jetzige neunte Jahrgang zugleich mit dem jetzigen zehnten auf die Oberstufen losgelassen wird (Grund: Die Verkürzung auf das "zwölfjährige Abitur", d.h. der letzte "dreizehnjährige" und der erste "zwölfjährige" Jahrgang beginnen im nächsten Jahr zeitgleich die Oberstufen).
Nachdem es zu Beginn der fünften Klasse noch geheißen hatte, dass diese Schüler nach der neunten Klasse in jeder Hinsicht so "weit" sein sollten wie sonst nach der zehnten, zeigt sich jetzt natürlich, dass dies überhaupt nicht der Fall ist, weder inhaltlich noch formal. Sie haben zwar die Zugangsberechtigung zur Oberstufe, aber keinen Realschulabschluss. Dadurch fallen bestimmte Bildungsgänge, die diesen Realschulabschluss als Zugangsvoraussetzung haben, schon mal weg: "Dann müssen sie eben irgendwo ihre zehnte Klasse machen und dann wiederkommen."
Dass die Oberstufen räumlich und personell auf den Doppeljahrgang kaum vorbereitet sind, versteht sich von selbst. Dass die Schüler seit der fünften Klasse Druck bekommen ("ihr müsst schneller und besser sein, ihr müsst ein Jahr aufholen!"), ist auch klar. Kaum jemand wollte diese Verkürzung, und die, die vorher dafür waren, haben sich angesichts des jahrelangen Elends und der Aussicht auf noch drei Jahre Mangelverwaltung inzwischen auch böse die Augen gerieben.
Mit ein paar Containern und bis abends ausgedehnten Anwesenheitszeiten (hey, ein paar Freistunden dazwischen) kann man Schüler und Lehrer vermutlich doch auf irgendwelche Schulen an irgendwelchen Standorten so verteilen, dass es rechnerisch irgendwie hinkommt. Aber man möchte manchmal jemandem eine reinhauen.
Belauschter Dialog hinterher:
Tochter: Überall mit Mathe, da checke ich doch schon lange nichts mehr!
Mutter: Oder du machst doch den Sozialscheiß.
Tochter: Nee! Die gehorchen doch überhaupt nicht!
Es herrscht übrigens ein unglaublicher Frust unter den Schülern und Eltern. Vor allem, weil ein "Doppeljahrgang" ansteht, da der jetzige neunte Jahrgang zugleich mit dem jetzigen zehnten auf die Oberstufen losgelassen wird (Grund: Die Verkürzung auf das "zwölfjährige Abitur", d.h. der letzte "dreizehnjährige" und der erste "zwölfjährige" Jahrgang beginnen im nächsten Jahr zeitgleich die Oberstufen).
Nachdem es zu Beginn der fünften Klasse noch geheißen hatte, dass diese Schüler nach der neunten Klasse in jeder Hinsicht so "weit" sein sollten wie sonst nach der zehnten, zeigt sich jetzt natürlich, dass dies überhaupt nicht der Fall ist, weder inhaltlich noch formal. Sie haben zwar die Zugangsberechtigung zur Oberstufe, aber keinen Realschulabschluss. Dadurch fallen bestimmte Bildungsgänge, die diesen Realschulabschluss als Zugangsvoraussetzung haben, schon mal weg: "Dann müssen sie eben irgendwo ihre zehnte Klasse machen und dann wiederkommen."
Dass die Oberstufen räumlich und personell auf den Doppeljahrgang kaum vorbereitet sind, versteht sich von selbst. Dass die Schüler seit der fünften Klasse Druck bekommen ("ihr müsst schneller und besser sein, ihr müsst ein Jahr aufholen!"), ist auch klar. Kaum jemand wollte diese Verkürzung, und die, die vorher dafür waren, haben sich angesichts des jahrelangen Elends und der Aussicht auf noch drei Jahre Mangelverwaltung inzwischen auch böse die Augen gerieben.
Mit ein paar Containern und bis abends ausgedehnten Anwesenheitszeiten (hey, ein paar Freistunden dazwischen) kann man Schüler und Lehrer vermutlich doch auf irgendwelche Schulen an irgendwelchen Standorten so verteilen, dass es rechnerisch irgendwie hinkommt. Aber man möchte manchmal jemandem eine reinhauen.
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
Als solche verstanden wir uns und waren immer auf der Suche nach weiterer Steigerung des Klangerlebnisses. So begab es sich, dass wir auf einem unserer Streifzüge hier den Eingang zur Unterwelt entdeckten. Rechts unten im Bild ein kuchenstückförmiges Kleingartengebiet, an dessen nordwestlicher Ecke man einen kleinen, krummen Graben erahnen kann, welcher in die Leine (das lange Blaue) mündet. Am anderen Ende des Gräbleins öffnet sich eine Kanalröhre, recht einladend eigentlich und nahezu mannshoch. Was also lag näher, als einen Feuerwerkskörper vor diesem Eingang zur Explosion zu bringen?
Ob des erstaunlichen Schalldrucks und der raffinierten Echo-Effekte vor Freude tanzend, sannen wir auf weitere Verfeinerung: Wenn man nun in die Röhre ginge und dort ... ? Etwa hundert Meter tief konnte man leicht gebückt gut vordringen; ein kurzer Blick, ein hochgereckter Daumen, ein enormer Knall - wir waren hingerissen!
In freudiger Erregung ging's noch einmal kurz nach Hause - Drecksklamotten anziehen, Kreide und ordentlich Feuerwerksnachschub besorgen - und eine größere Expedition nahm ihren Beginn. Schon bald wurde die Röhre etwas niedriger, so dass man nur noch stark gebückt vorankam. Die ersten Abzweigungen nahmen wir noch frohgemut, markierten den Rückweg mit Kreidepfeilen und standen bald vor einem Problem: Die Röhren wurden noch wesentlich enger. Nun also auf Knien gaben wir noch lange nicht auf, ignorierten das Rinnsal am Boden der Röhre und kämpften uns weiter voran. Als beim nächsten Abzweig eine weitere Röhrenverengung auf uns wartete, musste beratschlagt werden: Bäuchlings weiterrobben? Doch, wenn wir kurz hintereinander blieben, sollte es doch möglich sein, noch ein wenig weiter voranzukommen, um dann endlich den Knallkörper zu zünden. Hintereinander schoben wir uns vorwärts und konnten uns alle paar hundert Meter auch einmal aufrichten, wenn ein senkrechter, runder Schacht nach oben führte. Allerdings konnte sich immer nur einer hinstellen, der andere musste liegen bleiben, denn diese Schächte waren eng. Oben waren sie durch die runden Kanaldeckel verschlossen, deren Herstellung im übrigen um einiges aufwendiger ist, als man sich das so vorstellt - so sah ich's vor Jahren einmal bei N24 Wissen. Durch die typischen kleinen Löcher, die einen solchen Kanaldeckel rings umgeben, konnte man einmal den Himmel sehen, ein anderes Mal klonkerte ein Auto dermaßen laut darüber, dass ich, den Kopf nur einen halben Meter vom Deckel entfernt, tüchtig erschrak.
Was wir allerdings immer mehr vermissten, waren Orientierungspunkte - denn den Windungen der unterirdischen Röhren geistig noch zu folgen, hatte ich, ohnehin mit keinem guten Orientierungssinn gesegnet, längst aufgegeben; so blieb uns nichts als immer noch weiter zu kriechen, stets in der Hoffnung, durch nächsten Deckel ein bekanntes Gebäude oder ähnliche Orientierungshilfen erspähen zu können.
Als dies auch beim x-ten Kanaldeckel nicht gelingen wollte, entschied ich, zur Selbsthilfe zu greifen, mit aller Kraft den Deckel auf einer Seite hochzudrücken, und endlich in Erfahrung zu bringen, wo wir nun eigentlich waren. Nun geschah mehreres gleichzeitig: Der Deckel verkantete sich; ich erkannte das Schild der Süd Apotheke; mein Freund entschied, dass hier der geeignete Ort zur Zündung sei; es tat einen fürchterlichen Knall; jemand oben rief: "Da ist einer drin!"
Hätte mich dieser Knall schon unter normalen Umständen bis knapp vor den Herzinfarkt gebracht, so wurde das Entsetzen gesteigert durch die Tatsache, entdeckt worden und gekrönt durch die Erkenntnis, so weit* von der Einstiegsstelle entfernt gelandet zu sein. Wir entschieden, umgehend den Rückweg anzutreten, welcher sich um einiges unangenehmer als der Hinweg gestaltete. War jener noch von Entdeckerlust und Vorfreude beflügelt in enormem Tempo genommen worden, so schien dieser nämlich geradewegs ins Gefängnis zu führen, denn, dessen waren wir sicher, am Ausgang würde natürlich die Polizei auf uns warten. Müde und plötzlich von gewissen klaustrophobischen Gefühlen gepeinigt, robbten wir den langen Weg zurück und freuten uns angesichts der drohenden Strafe nur wenig über den langsam wieder steigenden Durchmesser der Kanalröhren. Düstere Vorahnungen, die von Gardinenpredigten, Polizeiautos und Taschengeldentzug handelten, vernebelten uns noch immer den Blick für die reale Gefahr, in der wir uns befanden und die ganze Zeit befunden hatten. Wir versicherten uns noch einmal unserer gegenseitigen Freundschaft, und dass das doch immerhin ein ganz toller Knall gewesen sei; dann rannten wir letzten hundert Meter - in die Freiheit!
(Ergänzung 1: Eine Woche darauf stand in der Zeitung, dass die Stadtwerke gerade das Rattengift in der Kanalisation systematisch erneuerten.
Ergänzung 2: Ein stärkerer Regenguss an diesem Tag wäre nicht so gut gewesen.
Ergänzung 3: Später las ich auch mal was über Methanverpuffungen.)
--
* Das Kleingartenkuchenstück und der Fluss sind nun links unterhalb der Bildmitte zu finden
Ob des erstaunlichen Schalldrucks und der raffinierten Echo-Effekte vor Freude tanzend, sannen wir auf weitere Verfeinerung: Wenn man nun in die Röhre ginge und dort ... ? Etwa hundert Meter tief konnte man leicht gebückt gut vordringen; ein kurzer Blick, ein hochgereckter Daumen, ein enormer Knall - wir waren hingerissen!
In freudiger Erregung ging's noch einmal kurz nach Hause - Drecksklamotten anziehen, Kreide und ordentlich Feuerwerksnachschub besorgen - und eine größere Expedition nahm ihren Beginn. Schon bald wurde die Röhre etwas niedriger, so dass man nur noch stark gebückt vorankam. Die ersten Abzweigungen nahmen wir noch frohgemut, markierten den Rückweg mit Kreidepfeilen und standen bald vor einem Problem: Die Röhren wurden noch wesentlich enger. Nun also auf Knien gaben wir noch lange nicht auf, ignorierten das Rinnsal am Boden der Röhre und kämpften uns weiter voran. Als beim nächsten Abzweig eine weitere Röhrenverengung auf uns wartete, musste beratschlagt werden: Bäuchlings weiterrobben? Doch, wenn wir kurz hintereinander blieben, sollte es doch möglich sein, noch ein wenig weiter voranzukommen, um dann endlich den Knallkörper zu zünden. Hintereinander schoben wir uns vorwärts und konnten uns alle paar hundert Meter auch einmal aufrichten, wenn ein senkrechter, runder Schacht nach oben führte. Allerdings konnte sich immer nur einer hinstellen, der andere musste liegen bleiben, denn diese Schächte waren eng. Oben waren sie durch die runden Kanaldeckel verschlossen, deren Herstellung im übrigen um einiges aufwendiger ist, als man sich das so vorstellt - so sah ich's vor Jahren einmal bei N24 Wissen. Durch die typischen kleinen Löcher, die einen solchen Kanaldeckel rings umgeben, konnte man einmal den Himmel sehen, ein anderes Mal klonkerte ein Auto dermaßen laut darüber, dass ich, den Kopf nur einen halben Meter vom Deckel entfernt, tüchtig erschrak.
Was wir allerdings immer mehr vermissten, waren Orientierungspunkte - denn den Windungen der unterirdischen Röhren geistig noch zu folgen, hatte ich, ohnehin mit keinem guten Orientierungssinn gesegnet, längst aufgegeben; so blieb uns nichts als immer noch weiter zu kriechen, stets in der Hoffnung, durch nächsten Deckel ein bekanntes Gebäude oder ähnliche Orientierungshilfen erspähen zu können.
Als dies auch beim x-ten Kanaldeckel nicht gelingen wollte, entschied ich, zur Selbsthilfe zu greifen, mit aller Kraft den Deckel auf einer Seite hochzudrücken, und endlich in Erfahrung zu bringen, wo wir nun eigentlich waren. Nun geschah mehreres gleichzeitig: Der Deckel verkantete sich; ich erkannte das Schild der Süd Apotheke; mein Freund entschied, dass hier der geeignete Ort zur Zündung sei; es tat einen fürchterlichen Knall; jemand oben rief: "Da ist einer drin!"
Hätte mich dieser Knall schon unter normalen Umständen bis knapp vor den Herzinfarkt gebracht, so wurde das Entsetzen gesteigert durch die Tatsache, entdeckt worden und gekrönt durch die Erkenntnis, so weit* von der Einstiegsstelle entfernt gelandet zu sein. Wir entschieden, umgehend den Rückweg anzutreten, welcher sich um einiges unangenehmer als der Hinweg gestaltete. War jener noch von Entdeckerlust und Vorfreude beflügelt in enormem Tempo genommen worden, so schien dieser nämlich geradewegs ins Gefängnis zu führen, denn, dessen waren wir sicher, am Ausgang würde natürlich die Polizei auf uns warten. Müde und plötzlich von gewissen klaustrophobischen Gefühlen gepeinigt, robbten wir den langen Weg zurück und freuten uns angesichts der drohenden Strafe nur wenig über den langsam wieder steigenden Durchmesser der Kanalröhren. Düstere Vorahnungen, die von Gardinenpredigten, Polizeiautos und Taschengeldentzug handelten, vernebelten uns noch immer den Blick für die reale Gefahr, in der wir uns befanden und die ganze Zeit befunden hatten. Wir versicherten uns noch einmal unserer gegenseitigen Freundschaft, und dass das doch immerhin ein ganz toller Knall gewesen sei; dann rannten wir letzten hundert Meter - in die Freiheit!
(Ergänzung 1: Eine Woche darauf stand in der Zeitung, dass die Stadtwerke gerade das Rattengift in der Kanalisation systematisch erneuerten.
Ergänzung 2: Ein stärkerer Regenguss an diesem Tag wäre nicht so gut gewesen.
Ergänzung 3: Später las ich auch mal was über Methanverpuffungen.)
--
* Das Kleingartenkuchenstück und der Fluss sind nun links unterhalb der Bildmitte zu finden
Link zu diesem Beitrag (4 Kommentare) | Kommentieren [?]
Dass sie von dem Sauerkohle
eine Porti-on sich hole.
(Wilhelm Busch, Max und Moritz)
Ich wollte eine Eloge auf den Weißkohl schreiben. Ich habe kürzlich einen billigen Kopf dieses vitaminreichen Wintergemüses im Supermarkt erstanden, ihn kleingehobelt, mit Salz in Lagen geschichtet, ihn dann gestampft, bis er leicht glasig wurde, ihn eine Stunde in Ruhe gelassen, dann mit Zucker, Essig und Kümmel gewürzt und ihm eine Tasse heißer Brühe verpasst. Später kam noch das Öl hinzu, und dann musste ich mich in Geduld üben. Denn man weiß ja, dass das zähe Kraut erst ordentlich durchziehen muss, dann aber jeden Tag besser schmeckt.
So war es auch! Ein wenig abschmecken musste ich noch, dann war er zart und zugleich herzhaft, so wie ich ihn gerne esse und ihn mir früher manchmal vom Griechen geholt habe.
Man will schöne Erlebnisse in der Regel gleich wiederholen, sie gar steigern, also ging ich am Samstag zum Markt und erstand einen richtig teuren Kohlkopf, entfernte die äußeren Blätter und den Strunk großzügig und ging ansonsten vor wie oben beschrieben. Und nun? Schmeckt das Zeug bitter, ist garstig, man bekommt es kaum zerkaut und der Nachgeschmack lässt sich nur mit starkem Espresso übertönen. Meine hochfliegenden Hoffnungen muss ich nun fahren lassen. Extra zwei Tage hatte ich diesmal abgewartet, den Salat nur gelegentlich durchgemischt, um dann direkt das durchgezogene Ergebnis genießen zu können! Nun habe ich keine Lust mehr auf Kohl-Elogen. Drei Esslöffel Zucker reingeschmissen in der halbherzigen Hoffnung, dass sich noch was retten lässt; aber vermutlich muss ich das stundenlange Hobeln als Meditation verbuchen.
eine Porti-on sich hole.
(Wilhelm Busch, Max und Moritz)
Ich wollte eine Eloge auf den Weißkohl schreiben. Ich habe kürzlich einen billigen Kopf dieses vitaminreichen Wintergemüses im Supermarkt erstanden, ihn kleingehobelt, mit Salz in Lagen geschichtet, ihn dann gestampft, bis er leicht glasig wurde, ihn eine Stunde in Ruhe gelassen, dann mit Zucker, Essig und Kümmel gewürzt und ihm eine Tasse heißer Brühe verpasst. Später kam noch das Öl hinzu, und dann musste ich mich in Geduld üben. Denn man weiß ja, dass das zähe Kraut erst ordentlich durchziehen muss, dann aber jeden Tag besser schmeckt.
So war es auch! Ein wenig abschmecken musste ich noch, dann war er zart und zugleich herzhaft, so wie ich ihn gerne esse und ihn mir früher manchmal vom Griechen geholt habe.
Man will schöne Erlebnisse in der Regel gleich wiederholen, sie gar steigern, also ging ich am Samstag zum Markt und erstand einen richtig teuren Kohlkopf, entfernte die äußeren Blätter und den Strunk großzügig und ging ansonsten vor wie oben beschrieben. Und nun? Schmeckt das Zeug bitter, ist garstig, man bekommt es kaum zerkaut und der Nachgeschmack lässt sich nur mit starkem Espresso übertönen. Meine hochfliegenden Hoffnungen muss ich nun fahren lassen. Extra zwei Tage hatte ich diesmal abgewartet, den Salat nur gelegentlich durchgemischt, um dann direkt das durchgezogene Ergebnis genießen zu können! Nun habe ich keine Lust mehr auf Kohl-Elogen. Drei Esslöffel Zucker reingeschmissen in der halbherzigen Hoffnung, dass sich noch was retten lässt; aber vermutlich muss ich das stundenlange Hobeln als Meditation verbuchen.
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
"Ich arbeite doch" sagte Frederick, "ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage."
(Leo Lionni, Frederick)
(Leo Lionni, Frederick)
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
Du fährst die Dreiundsiebziger. An den normalen Tagen nimmst du den Achter, der steht meistens hinten, außer freitags, da braucht Günther den für die Einundachtziger und du nimmst den Zweier. Der ist auch schneller, aber nicht gleich so heizen, die Dreiundsiebziger ist ja auch eher so ne Bollchentour, aktive Freizeitgestaltung. Bündeln musst du immer rückwärts, weil du ja beim Einladen noch mal umpackst, dann kommen die vorderen Pakete nach hinten. Vollpakete werden nicht gebündelt, manche bündeln die Spitze aber mit dem Lieferschein direkt drauf. Du musst warten, bis die MoPo da ist! Hajo dreht sonst ab. Pack am besten die Vollpakete vorher rein und die Spitze schmeißt du dir auf den Beifahrersitz. Jedenfalls die Bild-Spitze. Bei den Bonbonkunden spielst du Amerika, für die richtigen Kunden ist der Schlüsselbund da. Aber denk freitags an Günther! Die Schlüssel müssen dann in den Zweier, sonst fährst du ihm durch den halben Harz hinterher, bis er es merkt! So, ich muss los, das mit den Fotokunden erklärt dir Peter nachher, ist genauso einfach. Komm gut durch!
(Es war mein erster Tag. Ich wusste nicht, wer Günther war. Den Rest habe ich auch nicht verstanden).
(Es war mein erster Tag. Ich wusste nicht, wer Günther war. Den Rest habe ich auch nicht verstanden).
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
Kein schönes Thema, aber wir sind hier ja unter uns; und, wie einer der vielen ehemaligen SPD-Vorsitzenden mal gesagt hat: "Wat mutt, dat mutt".
Eine spätsommerliche Fahrradtour durch den größten und zugleich kleinsten Stadtteil führt den Radler kilometerweise an Bewässerungsgräben entlang. Nicht nur Enten bahnen sich darauf ihren Weg durch die üppige Lemna minor L., welche die Wasseroberfläche komplett bedeckt, auch Schwanenfamilien schwimmen sozusagen mitten im Futter, welches sie pausenlos mit einem sehr eigenartigen, schmatzklappernden Geräusch verzehren.
Fährt man so kilometerweit längs, den Blick immer auf den Graben gerichtet, erblickt man plötzlich ein weiteres Tier, das ruhig und selbstgewiss, einige dicke Grashalme quer im Maul, die dichte Wasserlinsendecke durchschwimmt, sie dabei kurzzeitig auftrennt, ehe sie sich hinter ihm wieder schließt. Während man verwundert abbremst und sich gerade fragen will, wie und wo eigentlich Biber leben, taucht das Tier routiniert ab. Kurz darauf verlässt es den Graben auf der gegenüberliegenden Seite - und man ist entsetzt: eine so riesige, fette Ratte hat man doch kaum je gesehen.
Schaudernd setzt man seine Rundfahrt fort; die Gedanken bewegen sich fortan in ganz bestimmten Bahnen. So erinnert man sich an einen schönen Sommerabend, ein paar Wochen mag es her sein, als vor der Tür des Bioladens ein ganz besonders hässliches, offenbar derangiertes Nagetier seine tapsigen Tänze aufführte. Der Laden liegt an der zentralen, stark frequentierten Kreuzung des Stadtteils; gegenüber befindet sich eine Bushaltestelle. Hier stieg ich nun aus und bemerkte das Tier, das offensichtlich Einlass begehrte (jedoch: der Laden hatte bereits geschlossen). In einem Pulk von zwanzig, dreißig Leuten überquerte ich die Straße und ging somit direkt auf den Bioladen zu, wovon sich die Ratte allerdings ebenso unbeeindruckt zeigte wie zuvor von den direkt an ihr vorbeirasenden Autos. Einige meiner Mitpassanten gruselte es ganz offensichtlich; das Tier aber, so schien es, zeigte ganz demonstrativ keinerlei Scheu, sondern bewegte sich herausfordernd auf uns zu.
Die leichte Gänsehaut, die sich beim Gedanken an diese Szene einstellt, erinnert wiederum an den Bericht eines Freundes vor einigen Wochen. Er wohnt in einem Mietshaus und wurde unlängst von einer anderen Hausbewohnerin herausgeklingelt, da sie im Treppenhaus eine Ratte gesehen habe, die schnell unter einen dort stehenden Putzschrank gehuscht sei. Mein Freund nahm nun an, mit ein wenig Stochern und Rütteln werde das Tier leicht in die Flucht geschlagen. Nichts da: statt dessen musste er den Schrank auf die Seite legen. Spätestens jetzt, da kein dunkler Winkel mehr Zuflucht bot, rechnete er (gleichwohl vorsorglich mit einem Schrubber bewaffnet) fest mit einem schnellen Sprint der Ratte nach draußen; diese jedoch griff böse fauchend den Schrubber an und setzte ihre Attacken auch dann noch schreiend fort, als mein Bekannter sie Stufe für Stufe die Treppe hinunterbeförderte. (Noch beim Erzählen stellten sich ihm buchstäblich die Nackenhaare auf).
Ja, wir leben in der Stadt, und mein Nachbar, der gerne spätabends im Dunkeln mit dem Hund spazierengeht ("wenn du wüsstest, was da durch die Gegend huscht!"), desillusionierte mich schon vor Jahren mit den Worten: "Du kannst sie nicht wegkriegen. Du musst sie nur aus dem Haus halten!"
Trotzdem war ich einmal so unbedarft, im Erdgeschoss nachts die Balkontür offenzulassen. Nach einer Stunde wurde ich durch ein leises Trippeln und Rascheln geweckt. Ein solches Erlebnis wünsche ich nur ganz wenigen Leuten. Das muss eine ganze Monatsdosis Adrenalin freigesetzt haben und hat meine Wahrnehmung übrigens dauerhaft verändert: Statt Müll sehe ich überall nur noch Rattenfutter. Die Überbleibsel nach den Grillorgien im Grünen; die Hinterlassenschaften der Picknicker im Park; die in den Orkus gespülten Essensreste; die Nudeln auf dem Komposthaufen; die mit allerlei Köstlichkeiten gefüllten Biotonnen. Es ist ein Schlaraffenland für diesen miesen Kulturfolger.
(Literaturtipp: Terry Pratchett, The Amazing Maurice and his Educated Rodents, deutsch: Maurice der Kater)
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
- Eine Bratwurst.
- Gleich mitnehmen oder essen?
- Ja, äh ... essen!
- Gleich mitnehmen oder essen?
- Ja, äh ... essen!
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
... ich verschnauf' ein Weilchen, ich feg' die zweite Hälfte der ersten Platte, ich verschnauf' ein Weilchen ...
So oder so ähnlich erklärt ein wunderbar verschlurfter, sich auf seinen Besen stützender römischer Soldat in einer Asterix-Geschichte seine Tätigkeit. Und hätte doch ein besseres Ergebnis erzielt als der Mensch, dem ich gestern während meines Industrieapfelkuchenessens zuhören und zusehen musste. Da ist ein großer Schulhof, auf dem - es wird Herbst! - etwas Laub herumliegt. Da ist ein Mann mit einer Höllenmaschine, der einen Mordslärm macht, den spielenden Kindern Blätter um die Ohren pustet, sie (die Blätter) nach nicht nachvollziehbaren Kriterien von hier nach da und dann nach dort bläst. Da ist der Wind, der dazwischenfährt und alles wieder verwirbelt. Da ist immer noch der Mann, der irgendwann einfach um die Ecke geht und seine Maschine anderswo röhren lässt. Und da sind die Kinder, die einen fragen, warum Menschen etwas so offensichtlich Sinnloses tun.
So oder so ähnlich erklärt ein wunderbar verschlurfter, sich auf seinen Besen stützender römischer Soldat in einer Asterix-Geschichte seine Tätigkeit. Und hätte doch ein besseres Ergebnis erzielt als der Mensch, dem ich gestern während meines Industrieapfelkuchenessens zuhören und zusehen musste. Da ist ein großer Schulhof, auf dem - es wird Herbst! - etwas Laub herumliegt. Da ist ein Mann mit einer Höllenmaschine, der einen Mordslärm macht, den spielenden Kindern Blätter um die Ohren pustet, sie (die Blätter) nach nicht nachvollziehbaren Kriterien von hier nach da und dann nach dort bläst. Da ist der Wind, der dazwischenfährt und alles wieder verwirbelt. Da ist immer noch der Mann, der irgendwann einfach um die Ecke geht und seine Maschine anderswo röhren lässt. Und da sind die Kinder, die einen fragen, warum Menschen etwas so offensichtlich Sinnloses tun.
Link zu diesem Beitrag (4 Kommentare) | Kommentieren [?]
Vor einigen Jahren sprach ich mal mit einem sympathischen Herrn, der mir erklärte, dass Altona eben nicht von jeher, und in seinem Selbstverständnis auch jetzt noch nicht, ein Stadtteil von Hamburg, sondern erst von den Nazis eingemeindet worden sei, ihm sei daher wichtig, zu betonen, dass er aus Altona, nicht Hamburg, komme. Und im übrigen gehe er gerne ins Fußballstadion, allerdings nicht zu Bundesligaspielen, nein, auch keine Zweitligaspiele, nur Amateurfußball bereite ihm noch Freude. (Vermutlich war in dem Gespräch dann auch Altona 93 ein Thema).
Das war einer dieser Abende, an denen man sich aufraffen muss, da lädt die Freundin der Lebenspartnerin zum Geburtstag und man denkt sich, gut, gehe ich mit, hoffentlich wird das einigermaßen, und man kennt fast keinen, und man hält sich an der Bierflasche fest (mein Gott, ist diese Formulierung abgegriffen!) und man nickt freundlich und sagt "ach ja?", "nicht möglich!" und "he he". Und kurz bevor man den Abend resigniert drangeben will, ergibt sich dieser Anknüpfungspunkt, Amateurfußball, und man erwähnt die Saison 1980/81, in der man sich für das Spiel zu interessieren begann und an deren Ende der Heimatverein aus der Zweiten Liga Nord abgestiegen ist, was auch schon früh in der Saison feststand (da die Zweiten Ligen Nord und Süd zur neuen "eingleisigen Zweiten Bundesliga" zusammengelegt wurden und somit nur die jeweils ersten zehn Plätze zum Verbleib berechtigten), aber - eine Frage der Ehre - noch um einen Tabellenplatz kämpfte, der unter normalen Umständen zum Klassenerhalt berechtigt hätte und auch das nicht mehr geschafft hat, aber immerhin, man habe da ganz tolle Spiele, z.B. gegen Werder Bremen, gesehen. Und der Altonaer hört ganz interessiert zu und ruft: "Göttingen 05! Das ist ja auch einer der norddeutschen Traditionsvereine!", was einen dann doch freut, so dass man noch von dem 4:2 im Pokal gegen Eintracht Frankfurt erzählt.
In jenen Jahren spielte 05 im Jahnstadion, das für die paar Zuschauer reichlich überdimensioniert war und übrigens trotzdem (so glaube ich zumindest) keine Sitzplätze hatte. Als Schüler konnte man während der ersten Halbzeit ums Stadion herumschleichen und wurde dann zur zweiten Halbzeit mit etwas Glück von einem der Ordner umsonst hereingelassen. Und es gab noch diese richtigen Fußballfans, die wie Autoschieber aussahen, Vokuhila, Oberlippenbart, Kutte, "hartes" Getue.
Nach den Spielen konnte man sich dann in der Stadiongaststätte herumdrücken und hoffen, dass Spieler auftauchen würden. Das war stets aufregend, denn woran sollte man die erkennen? Einige Spieler sahen ja genau so aus wie die Fans, Bierbauch inklusive. Nicht nur einmal habe ich todesmutig jemanden um ein Autogramm gebeten (und es auch bekommen), der schon gleich so grinste und mit seinen Kumpeln wiehernd lachte, wenn ich dann wegging.
Andererseits habe ich so aber auch ein ganz großes Poster von Rot-Weiß Oberhausen mit zwei Autogrammen bekommen (vermutlich war mein Zimmer dann das einzige in Göttingen, in dem jahrelang ein Poster von Rot-Weiß Oberhausen hing).
Zehn Jahre später gab es übrigens das letzte Aufbäumen des Vereins (und auch ich besuchte in dieser Saison noch einmal viele Spiele): 1991 wurde der Aufstieg in die 2. Liga nur sehr knapp verpasst (die Aufstiegsrunde! Der unfassbare Auswärtssieg in Wolfsburg!), dann ging's bergab, Abstiege, Insolvenz, Streichung aus dem Vereinsregister. Das alles habe ich nur noch aus der Ferne mitbekommen. Und etwas Wehmut kann da schon mal aufkommen.
(Eine schön aufbereitete Chronik zum 1. SC Göttingen 05 findet man hier.)
Das war einer dieser Abende, an denen man sich aufraffen muss, da lädt die Freundin der Lebenspartnerin zum Geburtstag und man denkt sich, gut, gehe ich mit, hoffentlich wird das einigermaßen, und man kennt fast keinen, und man hält sich an der Bierflasche fest (mein Gott, ist diese Formulierung abgegriffen!) und man nickt freundlich und sagt "ach ja?", "nicht möglich!" und "he he". Und kurz bevor man den Abend resigniert drangeben will, ergibt sich dieser Anknüpfungspunkt, Amateurfußball, und man erwähnt die Saison 1980/81, in der man sich für das Spiel zu interessieren begann und an deren Ende der Heimatverein aus der Zweiten Liga Nord abgestiegen ist, was auch schon früh in der Saison feststand (da die Zweiten Ligen Nord und Süd zur neuen "eingleisigen Zweiten Bundesliga" zusammengelegt wurden und somit nur die jeweils ersten zehn Plätze zum Verbleib berechtigten), aber - eine Frage der Ehre - noch um einen Tabellenplatz kämpfte, der unter normalen Umständen zum Klassenerhalt berechtigt hätte und auch das nicht mehr geschafft hat, aber immerhin, man habe da ganz tolle Spiele, z.B. gegen Werder Bremen, gesehen. Und der Altonaer hört ganz interessiert zu und ruft: "Göttingen 05! Das ist ja auch einer der norddeutschen Traditionsvereine!", was einen dann doch freut, so dass man noch von dem 4:2 im Pokal gegen Eintracht Frankfurt erzählt.
In jenen Jahren spielte 05 im Jahnstadion, das für die paar Zuschauer reichlich überdimensioniert war und übrigens trotzdem (so glaube ich zumindest) keine Sitzplätze hatte. Als Schüler konnte man während der ersten Halbzeit ums Stadion herumschleichen und wurde dann zur zweiten Halbzeit mit etwas Glück von einem der Ordner umsonst hereingelassen. Und es gab noch diese richtigen Fußballfans, die wie Autoschieber aussahen, Vokuhila, Oberlippenbart, Kutte, "hartes" Getue.
Nach den Spielen konnte man sich dann in der Stadiongaststätte herumdrücken und hoffen, dass Spieler auftauchen würden. Das war stets aufregend, denn woran sollte man die erkennen? Einige Spieler sahen ja genau so aus wie die Fans, Bierbauch inklusive. Nicht nur einmal habe ich todesmutig jemanden um ein Autogramm gebeten (und es auch bekommen), der schon gleich so grinste und mit seinen Kumpeln wiehernd lachte, wenn ich dann wegging.
Andererseits habe ich so aber auch ein ganz großes Poster von Rot-Weiß Oberhausen mit zwei Autogrammen bekommen (vermutlich war mein Zimmer dann das einzige in Göttingen, in dem jahrelang ein Poster von Rot-Weiß Oberhausen hing).
Zehn Jahre später gab es übrigens das letzte Aufbäumen des Vereins (und auch ich besuchte in dieser Saison noch einmal viele Spiele): 1991 wurde der Aufstieg in die 2. Liga nur sehr knapp verpasst (die Aufstiegsrunde! Der unfassbare Auswärtssieg in Wolfsburg!), dann ging's bergab, Abstiege, Insolvenz, Streichung aus dem Vereinsregister. Das alles habe ich nur noch aus der Ferne mitbekommen. Und etwas Wehmut kann da schon mal aufkommen.
(Eine schön aufbereitete Chronik zum 1. SC Göttingen 05 findet man hier.)
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
Hiermit erlaube ich das mein Sohn A. Knallkörper kaufen darf.Als ich fünf war und wir in einem großen Mietshaus wohnten, sah ich eines Tages aus dem Fenster in den Hof, um nachzusehen, ob dort jemand zum Spielen wäre. Es gab in dem Haus je Etage zwei Wohnungen. Ganz oben unter dem Dach lebte eine alte Frau, die wir Kinder gerne besuchten und die uns dann manchmal Schallplatten hören ließ, Peter und der Wolf z.B. ("der Erzähler heißt Mathias Wieman, merkt euch das!"), Plätzchen servierte und die künftige Schullaufbahn prognostizierte ("Ihr kommt aufs Gymnasium. Die beiden Jungs von unten kommen auf die Realschule").
I.B.
Es war ein großes, massives Haus mit einem "Steingarten", den man nicht betreten durfte, und wenn einem der Ball beim Spielen doch mal hineinflog und man ihn holen musste, sah garantiert die Vermieterin aus dem Fenster und schimpfte. Zum Spielen hatten wir den "normalen" Garten, in dem neben einem riesigen Kastanienbaum auch eine Art Köhlerhütte stand. Daran schloss sich der "Hof" an, eine lange Einfahrt führte von der Straße auf diesen geteerten Platz vor den Garagen. Und aus einer solchen Garage hörte ich an jenem Tag ein lautes Knallen, das mich neugierig machte, so dass ich mir meine gelben Gummistiefel anzog und hinunterrannte.
In einer offenen Garage sah ich einen der "Jungs von unten", S., Sohn der Vermieter. Er schlug mit einem Hammer auf den Boden und es knallte. Als ich ihn ansprach ("Was machst'n du da?"), sah er kaum auf und antwortete: "Das sind Zündplättchen". Er schlug noch einige Male, bis ich auch mal durfte. Was für ein Erlebnis! Es knallte, funkte und: Der Geruch! Ich war hingerissen.
Zündplättchen gab es damals in drei Ausführungen: Die teuren Plastikringe ("Zündringe"), die man in die sich tatsächlich drehende Trommel einer hochwertigen Spielzeugpistole einsetze. Die langen, rosaroten, aufgerollten Streifen mit je 50 (oder 100?) Schuss, die man für die einfacheren Spielzeugpistolen benötigte und die sich nach und nach oben aus der Pistole herausschoben. Und eine abgewandelte Form derselben, kleine runde Pappschächtelchen, die 50 (oder 100?) einzelne runde Zündplättchen enthielten. Eine solche Schachtel musste ich unbedingt haben.
"Die gibt's in der Elbinger Straße", erfuhr ich von S., der mich dann auch zu dem Laden führte und mir das Regal mit den Zündplättchen zeigte. Daneben hingen Spielzeugpistolen aller Art, und in klarer Einschätzung der laufenden Verbrauchskosten beschloss ich sofort, mir keine von den tollen Metallpistolen zu wünschen, für die man eben die teuren Zündringe benötigte, sondern ein Modell, das mit den Zündplättchenrollen bestückt werden konnte.
Bis mir dieser Wunsch erfüllt wurde, vergingen noch einige Wochen, die ich mir mit Hammer und Zündplättchen vertrieb. Dann folgten einige Jahre, in denen ich (in meiner Erinnerung zumindest) pausenlos mit meiner Zündplättchenpistole herumgeballert habe.
Vermutlich hat diese Prägung ihren Teil dazu beigetragen, dass Sylvester für mich immer das Ereignis des Jahres war. Die Feuerwerkskörper! Die laute Knallerei! Der Geruch! Und ich war nicht alleine. Mein Freud A. (wir waren inzwischen umgezogen) teilte meine Begeisterung. Am Tag nach Sylvester liefen wir stundenlang durch den Schnee, um Blindgänger zu suchen, die wir dann auf der Heizung trockneten, um sie draußen irgendwie doch noch zur Explosion zu bringen. (Don't try this at home).
Ein Problem waren natürlich die 51 Wochen, die dann folgten. Nur vom 28. bis zum 31. Dezember konnte man ja Knaller kaufen und musste sich dabei auch noch von den Eltern einschränken lassen (nicht so viele, nicht so gefährliche). Die fantastische Idee meines Freundes, im Geschäft einen zerknickten Zettel vorzuzeigen, auf dem in einer Schrift, die seiner eigenen nicht ganz unähnlich war, die Vollmacht zum Knallerkauf ("Hiermit erlaube ich das mein Sohn ...", s.o.) erteilt wurde, hatte übrigens zur Folge, dass wir dieses Geschäft künftig meiden mussten ("Wenn ich den Zettel deiner Mutter zeige, reißt sie dir den Arsch auf! Kommt nie wieder!").
Erst im fortgeschrittenen jugendlichen Alter war es so weit, dass wir beim Sonderpostenmarkt ganze Großhandelspackungen erstehen und damit einen ausreichenden Jahresvorrat China D anlegen konnten. Wenn es gegen Abend draußen auf der Straße knallte, blickte meine Mutter kurz von der Zeitung auf und sagte: "A. kommt", um dann in Ruhe weiterzulesen. Ich packte einige Knaller in meine Jackentaschen, wir gingen spazieren und suchten nach besonders guten akustischen Bedingungen. Ein enger Innenhof, ein tiefer Brunnenschacht, wir waren immer auf der Suche nach tollen Echos oder ungewöhnlichen Verzerrungen.
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
... hier geht's zu den --> älteren Einträgen *
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!