Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Hiep hiep
nnier | 19. April 2009 | Topic In echt
Als Jüngling lieh ich mir gelegentlich den elterlichen VW-Bus, um damit Ausflüge zu unternehmen. Gar praktisch war das Wägelchen eingerichtet und ausgestattet: Man konnte darin kochen, hatte eine Spüle und fließendes Wasser sowie eine bequeme Schlafgelegenheit.



Als ich ankündigte, nach Amsterdam fahren zu wollen, wurde ich von den Freunden vielsagend angegrinst. Aber nicht in die Koffieshops zog es mich, nein, ich hatte das Städtchen zuvor schon einmal besucht und fand es gar zauberhaft. Nichts anderes als ein paar freie Tage dort verbringen wollte ich, herumspazieren oder -fahren, die Gegend erkunden, Flohmärkte besuchen und in den tollen "Half-Price"-Buchläden nach Beatlesbüchern stöbern. Da das Gefährt auch über einen Fahrradhalter verfügte, befestigte ich meinen grauen Raleigh-Rennflitzer darauf - ja, den mit den elliptischen Rohren aus kalt gezogenem Stahl, und fuhr frohgemut los. (Das Zweirad hatte ich für einen äußerst günstigen Preis gebraucht erstanden, und erst heute weiß ich, welchen Kultstatus diese Dinger haben.)



Es war Anfang Mai. Ich hatte auf Straßenkarten verzichtet, da Holland ja ein kleines Land ist und ich sicher war, auf den dortigen Autobahnen bald Schilder zu entdecken, die mir den Weg in die Grachtenstadt weisen würden. Gulden genug hatte ich eingetauscht, der Tank war voll, irgendwann ließ ich Krefeld hinter mir und überfuhr die Grenze.



Das mit den Schildern war allerdings nicht ganz so, wie ich mir vorgestellt hatte. Auch nach stundenlanger Fahrt kein "Amsterdam", und als geographische Vollniete konnte ich mich an den anderen Orten auch nicht orientieren. Den Haag? Den Helder? Utrecht? Rotterdam? Ja, was weiß ich denn! Nun, der Tank war ohnehin fast leer, ich fuhr eine Tankstelle an, ließ ein Vermögen dort und fragte nach dem Weg. Abends erreichte ich dann endlich die Stadt, steuerte das Rijksmuseum an, parkte gegenüber, fuhr mit dem Fahrrad herum, trank Kaffee, ging schlafen.



Auch den nächsten Vormittag verbrachte ich mit Radeln, kaufte eine Lederjacke und diese tollen Socken mit Comicmotiven auf dem Flohmarkt, während sich die Straßen mehr und mehr zu füllen begannen. Wahre Menschenmassen waren unterwegs, überall wurden Dinge verkauft, Essen, Trinken, Kleidung, und immer mehr orangefarbene T-Shirts waren zu sehen. Es war ein riesiges Volksfest - das Königinnenfest, wie ich später erfuhr, abgehalten zu Ehren der Beatrix, die zwar Ende Januar Geburtstag hat, aber da ist das Wetter nicht so schön. Nun, im Frühling, bei bestem Wetter, ließ sich ausgelassen feiern und ich mich treiben. Zugleich war die ganze Stadt ein Flohmarkt, irgendwann erstand ich ein weißes T-Shirt mit dem orangefarbenen Konterfei der Königin und der Aufschrift "Hiep Hiep".



Nach zwei Tagen inmitten dieser ausgelassenen Feierei trat ich an einem heißen Vormittag den Rückweg an, tauschte meine letzten D-Mark-Scheine bei einer Wechselstube in Gulden um, um noch einmal volltanken zu können, fuhr stundenlang durch Holland, kam irgendwann zufällig an die Grenze und war ernsthaft froh, das deutsche Vaterland doch noch wiedergefunden zu haben. Nicht lange darauf machte ein Blick auf die Tankanzeige meine Freude zunichte. Ich fuhr auf Reserve. Und hatte das Tanken in Holland vergesssen. Spritsparend tuckerte ich mit 90 weiter, immer hoffend, noch eine Tankstelle zu erreichen, doch irgendwann war Schluss und ich ließ den Wagen auf dem Standstreifen ausrollen.



Nachdem ich das Warndreieck aufgestellt hatte, lief ich zu einer der orangefarbenen Sprechsäulen, erklärte meine Lage und man versprach mir, jemanden zu schicken. Auf dem Rückweg zum Auto geriet ich ins Schwitzen, denn es war ungewöhnlich heiß. Dann wartete ich. Und wartete.



Ohne Schatten und mit einem kläglichen Rest Wasser im Kanister vergingen die Stunden eher quälend. Mir schien es mit der Zeit, als schmelze der Asphalt, und weder der vollkommen aufgeheizte VW-Bus noch die pralle Sonne draußen taten auf die Dauer besonders gut.



Als der ADAC-Mann endlich kam, es waren gut vier Stunden vergangen, begrüßte er mich mit den Worten: "Warum haben Sie denn vorhin kein Zeichen mit der Lichthupe gegeben! Ich war doch direkt vor Ihnen, als Sie auf den Standstreifen gefahren sind!" und klärte mich dann darüber auf, dass ich "Glück gehabt" hätte, da man von der Polizei empfindlich bestraft werde, wenn man wegen Spritmangels auf der Autobahn liegen bleibe. Dann befüllte er den Tank aus einem Fünfliterkanister, ich musste bar bezahlen und suchte Handschuhfach, Klappen und Behälter erfolglos nach D-Mark ab, bis ich den Gelben Engel dazu überreden konnte, Gulden zu nehmen, die ich ja noch reichlich hatte. Halbwegs erleichtert fuhr ich weiter, um erst einmal eine Tankstelle aufzusuchen und dann weiterzusehen.

(To be contd.)

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