Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Agenda 2011 die dritte
nnier | 29. Januar 2011 | Topic In echt
- 1 Sack Altkleider*
- 1 Stehlampe
- 2 Tintenstrahldrucker

Wie ja jeder weiß, sind ehemalige Nikotinsüchtige die intolerantesten Nichtraucher, Exstalinisten predigen Gottes Wort besonders fanatisch und die ganz radikalen Klassenkämpfer tragen irgendwann Businessanzüge und beraten BMW. Wenn ich also hier Verzicht predige, reihe ich mich ein in die Menge der Konvertiten, die früher selber am schlimmsten waren. Nehmen wir nur mal die technischen Geräte: Wer musste von seiner Zivildienstvergütung gleich einen Videorecorder kaufen, dann die Boxen seiner Stereoanlage durch größere ersetzen, diese wiederum durch andere, welche kurz darauf mit zwei zusätzlichen ergänzt wurden? Wer musste "zum Spaß" ein zweites Tapedeck erstehen? Wer kaufte einen hochmodernen Computer für ein Schweinegeld (einen 386er, dessen Lüfter unzumutbar laut und der auch sonst nahezu unbrauchbar war), dazu einen Scanner und zuerst einen Schwarzweiß-, bald aber auch einen Farbmonitor, kurz darauf eine Soundkarte - und einen Laserdrucker, alles übrigens unfassbar teuer? Wer wurde in dieser Zeit von den Freunden nur halb im Scherz gefragt, warum "seit letzter Woche noch gar kein neues Gerät" im Zimmer stehe?

Ich habe eine schlimme Altlast zu tragen, denn jahrelang wurden die Dinge für mich erst erschwinglich, weil ich endlich Geld hatte, und dann wurden sie immer billiger, so dass die "Gelegenheiten" immer verlockender wurden, mein Gott! Weißt du noch, was du für deinen ersten CD-Player bezahlt hast!, und nun sieh dir diesen hier an, nimm mit!, und noch einen tragbaren!, und einen Henkelmann!, es ist schon eine grausame Spur, die ich da hinterlassen habe. Und wenn man plötzlich einfach so in Farbe drucken kann, kommt zu dem schwarzweißen eben noch ein Farbdrucker dazu. Und wenn der kaputt ist, kommt ein neuer, die kosten ja nicht viel Geld, verglichen mit der Tinte, die sie brauchen. Und dieses Lasermultifunktionsding spart eine Menge Platz, aber eigentlich waren diese DeskJets von HP wirklich robuste, gute Drucker, stell sie doch erst mal in den Keller.



Sie standen jahrelang da unten und staubten ein. Ich habe sie inseriert (zum Verschenken), es hat sich niemand gemeldet, ich brachte sie zum Recyclinghof, ihr weiterer Weg ist vermutlich vorgezeichnet. Euch aber sage ich: Schwöret ab diesem wahnsinnigen Konsum, denn er ist ein Irrweg. Legt einen Kräutergarten an und sät Möhren, Kresse und Schnittlauch, auf dass ihr glücklich werdet und innerlich reich.

--
*Ja, noch einer.

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cabman, Sonntag, 30. Januar 2011, 21:37
Amen!

Sie wissen gar nicht wie sehr Sie mir aus der Seele schreiben, also das mit den Möhren und so.

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nnier, Montag, 31. Januar 2011, 18:32
Sie bringen mich da auf eine Idee: Aus alten Tintenstrahlern lassen sich bestimmt ganz schnieke Kräuterbeete basteln!

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jean stubenzweig, Montag, 31. Januar 2011, 06:27
Bei der Auflösung meiner Münchner Wohnung habe ich einen Möbelpacker richtig glücklich gemacht, als ich ihm das Gerät schenkte, mit dem 1990 alles seinen Anfang nahm. Doch vom zweiten mag ich mich nicht so recht trennen. Mir tät' das Herz der Erinnerung zu arg bluten. Geplanzt hab' ich auch schonmal. Solch ein Reichtum kann aber auch belastend werden.

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nnier, Montag, 31. Januar 2011, 18:46
"1990 alles seinen Anfang nahm": Ziemlich exakt zu dieser Zeit erstand ich den röhrenden, lauten 386er mit dem unbrauchbaren Betriebssystem Windows 386. Ich hatte bei einem Lehrer das unfassbare Apple-System gesehen, das er zum reduzierten Lehrerpreis von nur 32 000.- DM (statt normal 45 000.-) erstanden hatte: Man konnte Dokumente scannen, in hoher Auflösung mit dem Laser drucken - und bei Fehlern sprach HAL 9000: "I'm sorry, Dave. I'm afraid I can't do that." - ich war also hingerissen und wollte so etwas unbedingt auch haben. Ein solcher Apple war natürlich nicht drin, für meine Verhältnisse aber gab ich dennoch wirkliche Unsummen aus; dieser erste Computer samt stetig hinzugekauftem Zubehör und Erweiterungen blieb aber eine einzige Enttäuschung, so dass ich am Ende froh war, als er kaputtging.

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mark793, Montag, 31. Januar 2011, 19:12
Enttäuschung ist vielleicht auch eine Frage der Erwartungshaltungen. Nachdem ich in den späten 80ern erste Schritte an einem von der Bürogemeinschaft geleasten 8086er machte (und unser erster Laptop von Sharp keine Festplatte hatte, sondern nur zwei Diskettenlaufwerke), kamen anno 90 mehrere 286er von Vobis oder Highscreen ins Haus, über die ich nichts schlechtes sagen kann. Es gab freilich auch einen Kollegen, der mehr davon verstand als ich und der ständig am Fluchen und am Rumprobieren und am Pimpen war - was die Performance dieser Kisten natürlich nicht nachhaltig steigern konnte, sondern eher die Absturzhäufigkeit erhöhte. Den bat ich daher alsbald, von meinem Rechner bitteschön die Finger zu lassen, meinen beschränkten Ansprüchen genüge der im Originalzustand durchaus.

Aber trotzdem kauften wir damals fast alle zwei Jahre neue Rechner, weil das und jenes noch laufen sollte und dann ein Netzwerk zusammengelötet werden musste (eine der alten 286er-Kisten wurde dann zum ersten Server umgewidmet), kurz darauf kam dann das Thema Internet, das ging dann mit einem 486er auch nicht so richtig super ab, es musste also ein Pentium her undsoweiterundsoweiter.

Doch durch die Nullerjahre bin ich mit zwei Rechnern einigermaßen gut durchgekommen, den anno 2000 gekauften mit W2K habe ich 2004 weiterverschenkt als ich einen zwei Jahre alten mit XP erbte, und der quietscht und eiert zwar, aber als Zweitrechner kommt er manchmal noch zum Einsatz, wenn meine Frau den größeren Tragbaren in Beschlag nimmt.

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jean stubenzweig, Montag, 31. Januar 2011, 19:54
45.000? Der Apfel quadra, das seinerzeit wohl höchste der Gefühle, das ich in den Redaktionen begutachtet hatte, kostete 1992 16.000 (und damals wurden diese Geräte nicht billiger, eher umgekehrt), wenn auch ohne ein Fitzelchen Software, die, wollte man gut gerüstet sein, noch einmal mit etwa 10.000 zu Buche schlug (Photoshop etwa gut 3.000). Ich erinnere mich deshalb so genau, da wir für den kleinen Verlag einen zu kaufen gedachten, dann aber aus Kostengründen doch davon Abstand nahmen und für insgesamt 10.000 eine Dose kauften, an die ich jedoch nie Hand anlegte, weil mir das alles zu kompliziert war.

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nnier, Montag, 31. Januar 2011, 23:25
Rubb-rubb-rubb-rubb rubbel los!
Willst du dir was leisten? Rubbel los!
Und zwar vom Allerfeinsten? Rubbel los!
Träumst du von 'nem Auto? Rubbel los!
Oder von 'ner Reise? Rubbel los!
Mach dem Glück mal Beine / Rubbel dir die Scheine
Mach dir Wünsche wahr! Rubbeln, ist doch klar!
Fünfunfvierzigtausend Mark, ja das wär' echt stark!
Rubb-rubb-rubb-rubb rubbel los!*
Dieses Glanzstück der Werbelyrik wurde mir nicht nur aufgrund der tollen Melodie auf ewig ins Hirn gepflanzt, sondern regte natürlich auch meine jugendliche Phantasie extrem an. Ich meine: 45 000.- Mark! Das wär' echt stark! Und ich bin fast sicher, dass diese Summe tatsächlich dem Listenpreis der so unglaublichen Computerausstattung entsprach, die ich da bei dem Lehrer zu sehen bekam, der uns freundlicherweise einige Fotos für die Abizeitung einscannte, welche wir natürlich ansonsten noch im traditionellen Schnipsel-, Kleb- und Offsetverfahren herstellten. Also: Rechner, Scanner, Laserdrucker und vermutlich noch ein paar Extras sowie die Software kamen auf einen schockierenden fünfstelligen Betrag.

Ich kaufte dann ebenfalls eine "Dose", und, Herr Mark, ich hatte etwa zeitgleich meinem Vater einen 286er besorgt, Vobis oder Escom. Der tat, was er zu tun hatte, im Gegensatz zu meinem Apparat, der nicht nur Lärm, sondern auch schlechte Laune verbreitete: Es war die reine Papierform, die beeindruckte, also ein brandneuer Prozessor, eine große Festplatte usw., aber in der Praxis war die Leistung wirklich äußerst bescheiden. Und dass ein Lüfter nicht so laut sein muss, habe ich halt auch zu spät erfahren. Trotzdem kaufte ich wie blöde nach, einen Handscanner für 328.- DM z.B., mit dem man 10 cm breite Streifen in Schwarzweiß scannen und die Bilder dann theoretisch mit einer Software zusammensetzen konnte. Ein Graus das alles. Ich war einfach ein paar Jahre zu früh dran, nicht lange darauf gab's diese Dinge (Scanner, vernünftige Drucker usw.) dann ja zu deutlich zivileren Preisen - und sie funktionierten sogar.

--
*Zur Melodie von Bird Dog von Phil & Don

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mark793, Dienstag, 1. Februar 2011, 00:10
Ach ja, Escom, das hatte ich gemeint (Highscreen hießen ja die Dosen, nicht der Händler). Eine Montagsgurke, die ständig abkackte, hatte ich später mal im Büro, das war der einzige Rechner, dem ich je so richtig eine reingetreten habe. Und was soll ich sagen, das hat die Kiste erst mal außer Gefecht gesetzt, dann nahm sich unser IT-Dienstleister die Kiste nochmal gründlicher vor, und danach lief das Ding vergleichsweise reibungslos.

Ansonsten bin froh, dass das Early-Adopter-Gen in meinem Erbgut allenfalls rudimentär vorhanden ist.

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nnier, Dienstag, 1. Februar 2011, 11:51
Und ich habe den Frühadoptierer vielleicht als Aszendenten. Womöglich ist es auch schlicht die Erfahrung, dass einem in immer kürzeren Abständen immer neue Dinge präsentiert werden, die die alten obsolet machen, zudem eine immer geringere Haltbarkeit aufweisen. Jedenfalls bin ich froh darüber, dass mich neue "Gadgets" überhaupt nicht mehr reizen und dass ich ganz gemächlich der Avantgarde hinterhersegeln kann. Meine Begeisterung gilt statt dessen den alten, analogen Geräten - boah, was die Menschen sich alles kompliziertes ausgedacht haben!

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damenwahl, Dienstag, 1. Februar 2011, 12:22
Meiner Erster war ein 486er. Genauer: eine austauschbare Festplatte im 486er meines Vaters, auf dem ich Briefe schrieb und Memory spielte. Sonst nix, aber ich war glücklich und fühlte mich sehr avantgardistisch, das hatten nämlich nicht viele.

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venice_wolf, Montag, 31. Januar 2011, 10:47
Als ausgleich werden Sie ab sofort eingeteilt, 1 Jahr lang bei einem 100 Jahren alten Holzbrunnen mit einem 50 Jahren alten Blechkübel eiskaltes Wasser zu holen, danach auf einem 40 Jahren alten Holzofen zu erwärmen und in einer 60 Jahren alten Emailschüssel die Haare waschen.
Dann im hohen Bogen über den 30 Jahren alten Balkon schütten und die knarrende Tür wieder verschliessen. Dann geht's zum Kräutergarten um Kresse für's Butterbrot zu sammeln, aber ja schnell, denn später wird es finster und man muss die Taschenlampe holen um mit einer 65 jährigen Milchkanne in den Stall gehen um die warme Milch zu holen.

Sie können anfangen wann Sie wollen.

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heim_weh, Montag, 31. Januar 2011, 14:15
Ich bin ja regelrecht dankbar, dass sich hier der Wahnsinn auf Handys beschränkt. Davon passen ja immer ganz viele in die Restmülltonne. Zackpeng, weg, ein neues muss her. Kleiner, schmaler, mit grösserem Display und schickeren Tasten. Telefonieren kann man damit auch, wenn man denn unbedingt will. Oder so.

Und nein, ich hab noch meins von vor zig Jahren, es sind meine Kinder, denen die Synapsen durchschmoren. Und das ganz ohne Geld auf dem Konto zu haben, um tatsächlich ausgiebig telefonieren zu können. Aber vermutlich bin ich zu alt, um das zu kapieren.

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nnier, Montag, 31. Januar 2011, 19:02
venice_wolf, das ist ein süßer Schmerz.

heim_weh, ich finde es manchmal ganz erhellend, solche Dinge sinnlich zu erfahren: Man müsste diesen Berg aus Handys, sagen wir: bloß die aus der eigenen Stadt im Zeitraum eines einzigen Jahres, mal wirklich besichtigen können. Ich bin da selber wie oben beschrieben wirklich nicht unbeteiligt; aber was sich für mein Empfinden immer noch rasant verstärkt ist das Phänomen, dass die Dinge von vornherein nur für eine gewisse (kurze) Lebensdauer hergestellt werden und man das auch akzeptiert, denn man hat sich ja längst daran gewöhnt, dass in zwei Jahren wieder etwas Neueres, Besseres zu haben ist. Und das entwertet die Dinge und steigert den Verbrauch immer noch weiter. Man denke mal an das (gemietete) Festnetztelefon, das Jahrzehnte im Haushalt stand, von allen gemeinsam benutzt wurde und so klug konstruiert war, dass man jedes Einzelteil, sollte es doch einmal nötig sein, problemlos austauschen konnte - und führe sich den Verbrauch an Geräten, seien es die schnurlosen fürs Festnetz oder die Mobiltelefone, für alle Familienmitglieder in einem vergleichbaren Zeitraum vor Augen. Das hat schon etwas Bedrückendes an sich.

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