Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 23. Februar 2016
Ein angenehmer Zeitgenosse
nnier | 23. Februar 2016 | Topic Gulp


Ich geb's ja zu, ich weiche von meinem ursprünglichen Plan ab: Statt erst mal alles zu probieren, das sich hier so angesammelt hat, kaufe ich zwischendurch Wein. Na toll! Neulich z.B. einen Primitivo, den ich verschenkt und mitgetrunken habe: Hmm, legger, bloß dass ich keine Aufzeichnungen dazu habe. Und wozu trinkt man dann!



Tatsächlich war ich dafür schon im Weinladen. Dann wieder kommt der Schnäppchenjäger durch, wenn ich eigentlich nur Putzlappen und Bananen kaufen will: Wie jetzt, ein Grand Cru aus dem irgendwie wohl nicht ganz schlechten Weinjahr 2011, für nur noch 10.- EUR!?

Nicht, dass ich wüsste, was "Grand Cru" mir genau sagen will: Aber es klingt nach Premium, nach Upper Class, n'est-ce pas, M'sjö, dasse isse keine simpleur Vin de pays. Also rein damit!

Aus dem Gedächtnis war Merlot nie mein Ding, das waren für mich diese Sommerweine, und jetzt steht hier auf dem Etikett, dass das betr. Weingut 70% Merlot anbaut und 30% Cabernet Sauvignon. Na und!? Will man mir damit sagen, dass dieser Wein aus sieben Teilen Merlot und drei Teilen Cabernet besteht? Oder ist das nur zur Info: Also wir bauen hier diese beiden Sorten im Verhältnis 7:3 an, aber was tatsächlich in dem Wein enthalten ist, verraten wir euch nicht?

Ganz ehrlich, so was geht mir auf die Nerven: Aber er schmeckt nicht schlecht! Laut Etikett tun ihm ein paar Jahre des Alterns gut, und es sind ja nun fast fünf vergangen. Auf Anhieb schmeckt er erschreckend flach, zwar nervt keine frische Frucht und eine angenehme Trockenheit entfaltet sich weit hinten erst im Rachenraum - aber im Mund ist doch erstaunlich wenig los, auch säuremäßig.

Dann wieder der Effekt des zweiten Tages: Anscheinend muss der lange durchatmen, dann lässt er doch noch zwei, drei Tannine springen, und ohne dieses leichte Zusammenziehen hat bei mir eh keiner eine Chance. Plötzlich wird auch Zimt verströmt, und dunkle Früchte lassen sich erahnen, wenn auch abstrahiert.

Das alles kommt dezent daher, unaufdringlich-aristokratisch, und mir fehlt definitiv das Dreidimensionale: Der läuft ganz angenehm in die Kehle, hält sich zurück, stilvolles Understatement ist das wohl, und ich suche nun mal den großen BANG. Trotzdem eine interessante Erfahrung, und jetzt schlürfe ich ihn auch zu Ende.



Château d'Arcole Saint Emilion Grand Cru von 2011, 13,5%. Lidl, 10.- EUR. Angenehm zurückhaltend, ordentlich Zimt, etwas Fass, kaum Säure, wenig Frucht: Ich kann nicht meckern, der läuft gut rein, insgesamt ein wenig zu dezent.

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Mittwoch, 17. Februar 2016
71@71:#23
nnier | 17. Februar 2016 | Topic Musiq
Im Windschatten des großen Anthology-Hypes Mitte der 90er kam McCartney 1997 mit dem Album Flaming Pie auf den Markt, auf dem sich ein paar feine Songs tummeln. Die meisten Stücke sind durch Akustikgitarren geprägt und klingen damit deutlich anders als der Poprock auf den beiden Vorgängern.

Ehrlich gesagt ist die Produktion sogar ein wenig dünn, was zwar besser ist, als wenn Jeff Lynne als Produzent hier noch den x-ten Aufguss seines ELO-Sounds (nach George Harrison, Roy Orbison, Tom Petty, den Traveling Wilburys etc.) abgeliefert hätte; aber gewundert hat es mich schon, denn auch akustische Gitarren können ganz wunderbar voll klingen.

Dieser Minnegesang hat mich damals nicht unmittelbar ergriffen: Nettes Liedchen, dachte ich, schön gezupft, dachte ich, und die Gitarre dürfte gerne präsenter klingen.

Es gab dann keine Tour zur neuen Platte, da sich privat Trauriges ereignete, und als er Jahre später doch wieder loszog, war längst ein anderes Album aktuell. Von dem wurden reichlich Titel gespielt, nicht jeder davon hätte sein müssen, und das schöne Album Flaming Pie schien in in eine Zeitfalte gerutscht und vergessen worden zu sein.

Es war mir deshalb eine besondere Freude, diesem Stück doch noch live zu begegnen, mit akustischer Bandbegleitung und wunderbarem Harmoniegesang. Mir wird 's ja schnell zu folkig, aber das hier finde ich einfach großartig sentimental, souverän unkitschig und weitaus schöner als das sparsame Original.

Statt wie üblich auf die Originalversion verweise ich also auf eine Liveaufnahme von 2002:

Platz 23: Calico Skies (1997)

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Freitag, 12. Februar 2016
71@71:#24
nnier | 12. Februar 2016 | Topic Musiq
Bei diesem Song hätte ich darauf gewettet, dass er ihn alleine aufgenommen hat: Das mäandert und klingt dabei irgendwie unscharf, so dass ich ihn vor meinem geistigen Auge mal wieder Spur für Spur vor sich hinbasteln sehe. Auch das Schlagzeug ist sparsam und typisch McCartney, da merkt man nichts von den Fähigkeiten des exzellenten Drummers, den Paul seit vielen Jahren in seiner Liveband hat: Ab und zu ein einzelner Schlag aufs Becken und ansonsten so harmlos den Takt gespielt, dass man glauben will, das könnte man doch selber.

Jedoch, es spielen tatsächlich andere Musiker mit, auch der überirdische Drummer, so behauptet zumindest das Booklet (ich bin nicht restlos überzeugt), und das Lied war die erste Single vom ansonsten ziemlich knackrockigen Album Driving Rain: Also ich mag das Liedchen ja, aber als Single bietet es sich nicht gerade an, oder?

Gefühlt müsste das eine der unterschätzten B-Seiten sein, und als solche hat es einen festen Platz in meinem Herzen, suchend, tastend, zerbrechlich gesungen: Ganz anders als das brachiale Freedom, das dann hektisch die nächste Single wurde, was sich nur als spontane Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse des Herbstes 2001 entschuldigen lässt.

Platz 24: From a Lover to a Friend (2001)

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Montag, 8. Februar 2016
71@71:#25
nnier | 08. Februar 2016 | Topic Musiq
Piss off, eyy! Ich weiß, ihr könnt es alle kaum erwarten, deshalb geht das hier auch Schlag auf Schlag, und schon betreten wir die Top 25 dieser beliebten kleinen Serie.



Paul würde das so nie ausdrücken, der würde einfach "Piece of cake" über ein paar verstimmte Gitarrenakkorde singen, mit ebensolcher Stimme, und über seine vielen Stimmen denkt ja sowieso niemand hinreichend nach. Und was für ein abwechslungsreicher Song das hier schon wieder ist! Nicht nur durch seine Stimme, die nach Belieben im Falsett säuseln (That was your first mistake), aggressiv shouten (Too many hungry people losing weight), beinahe vergeistigt (Ooohoo-ooh, nach den ersten paar Sekunden) oder komplett weggetreten (Piece of cake) klingen kann.

Man hört so ein Lied und denkt, na ja, das läuft so geradeaus, dabei sind eine Menge kleine Rafinessen darin verborgen, das beginnt mit dem kleinen Kuchenstückvorspiel und geht weiter mit den zahlreichen Breaks, einem grandiosen E-Gitarrensolo und einem ziemlich wilden Finale.

Der Song stammt im übrigen von der einzigen Platte des berühmten Musikerduos Paul & Linda McCartney, und das ist wirklich schade, dass die nur diese eine Scheibe veröffentlicht haben, denn sie ist einer meiner liebsten.

Und was die japanischen Jungs da oben mit ihrer großen Pause anstellen, finde ich sehr löblich. Üben, Boys, dann gibt's auch ein Stück Kuchen!

Platz 25: Too Many People (1971)

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Sonntag, 7. Februar 2016
Nebenbei geschluckt
nnier | 07. Februar 2016 | Topic Gulp
- Mein Kollege hat jede Menge Hunde. Mit denen fährt er immer zur Hundeschule nach Hamburg. Der macht jetzt nebenbei einen Weinhandel für so Bio-Weine. Soll ich mal was mitbringen?

- OK.



Wenn ich mich zwischendurch frage, ob ich mir vielleicht auch ein paar Hunde anschaffen sollte und mit denen täglich rausgehen, zum Tierarzt, in die Hundeschule und zu Wettbewerben fahren, dann lautet die Antwort: Nein. Und ich werde auch niemals nebenbei einen Weinhandel betreiben, ich komme ja kaum dazu, mal einen Schluck zu trinken.

Dieser hier also aus Portugal von den Ufern des Flusses Duoro, aus eingeborenen Sorten gerührt, und er bringt ordentlich Fass mit, du hältst kaum die Nase übers Glas, schon steckt da ein Stück Holz drin. Zum Essen schmeckte der Wein gut, da kamen Frucht und Säure zupass. Solo aber überzeugt er mich nicht komplett: Ja, da sind Tannine, und die, so viel kann ich inzwischen sagen, gehören für mich auf jeden Fall dazu. Jedoch die Säure ist mir zu stark im Vordergrund, ich mag vorne im Mund gar nicht so viel schmecken, ich will, dass es mir den Rachen weitet. Frucht wiederum ist auch ganz nett, aber ich brauche das mehr vergeistigt, nicht so konkret, und das soll sich richtig schwer anfühlen, dieses hier ist noch viel zu frisch und zu nahe an der Beere.

Erklärst du das kurz deinem Weinhändlerkollegen, der wird das schon verstehen. Wie bitte? Der setzt sich dann doch lieber zum Tierarzt?



Quinta do Romeu von 2011, 13,5 %, vom Nebenbei-Weinhandel, ca. 11.- EUR. Ich sach mal: Ganz nett, aber da geht noch was, Portugal.

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