Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Freitag, 18. Oktober 2013
Stimmt so
nnier | 18. Oktober 2013 | Topic In echt
Zu den letzten Irrationalitäten unserer durchökonomisierten Schnäppchenwelt gehört das Trinkgeldgeben auf Reisen: Man kommt schließlich i.d.R. nicht wieder, könnte also problemlos in der Fremde geizen und lieber zu Hause öfter mal aufrunden. Aber man will natürlich gerade im Urlaub nicht knickerig erscheinen, ist sowieso gerade beim Geldausgeben, und wenn man Glück hat, schmeckt der Kaffee geradezu unglaublich gut, so dass man den geringen Preis einfach nicht akzeptieren mag, verglichen mit der Plörre, die man zu Hause viel teurer bezahlt.



Un cafe doble con leche por favor, das ist ein Göttergetränk und kostet selbst am teuren Touristenstrand akzeptable 3,50. Geht man in die Bar, bleibt man unter 2.- EUR, genauso wie für den cortado, der einem nachmittags noch mal richtig auf die Sprünge hilft. Bloß eines irritiert da in Catalunya.



Beim ersten Mal, unterwegs an der Straße, erschrak ich noch geradezu über den niedrigen Betrag, den der Barmann für drei Getränke einforderte. Ich rundete verbal auf den übernächsten Euro und sprach die Zahl so deutlich, wie es mein Spanisch zulässt. Man reagierte nicht und gab mir auf den Cent genau heraus. Hat der das nicht verstanden, fragte ich mich, ließ also einige Münzen auf den Tresen fallen und verabschiedete mich. Man reagierte nicht, das Geld blieb liegen, der Barmann wandte sich anderen Gästen zu.



Was war das denn, sprach ich im Auto, ist das vielleicht der Besitzer, nimmt der kein Trinkgeld für sich selber an oder was.

Am Urlaubsort aber wiederholte sich die Erfahrung exakt. Nun kam ich ins Grübeln, die Leute waren immer freundlich, ich war es auch, bloß mein Trinkgeld wurde komplett ignoriert.

Die in manchen Ländern übliche 10-Prozent-Regel wird von den Spaniern als eher übertrieben hoch empfunden, las ich lieber mal im Reiseführer nach, man lässt sich exakt herausgeben und lässt je nach Zufriedenheit einen Betrag auf dem Teller zurück. Also das war es, ich machte einen technischen Fehler!



Freudig orderte ich den nächsten Kaffee, ließ mir beim Bezahlen exakt herausgeben und legte hernach einen Euro aufs Tellerchen. Der Teller blieb stehen, es kam keine Reaktion. Tagelang ging das so weiter und verunsicherte mich mehr und mehr.

Ist das hier doch zu wenig, fragte ich mich, und eigentlich würdest du für so einen tollen Kaffee ja auch mehr bezahlen, also erhöhte ich schließlich und gab am letzten Tag zwei Euro dazu, wohlgemerkt immer in Relation zu einem oder zwei preisgünstigen Getränken, nicht zu einem teuren Abendessen.



Aber ich sollte es nicht erfahren.

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Montag, 7. Oktober 2013
Voll im S-tress
nnier | 07. Oktober 2013 | Topic In echt


"Das finden wir nicht so gut, dass Sie sich hier hins-tellen." - "Wie, äh, was, bin ja extra im Auto sitzengeblieben, kann ja jederzeit wegfahren, wenn Sie Ihren Platz brauchen." - "Darum geht es nicht." - "Und worum geht's? Ums Prinzip?" - "Die Platten setzen sich. Das bezahlt uns kein Mensch. Das Schild hängt da nicht umsonst, nicht."



Da muss sie natürlich angerannt kommen, wartet wahrscheinlich den ganzen Tag drauf, dass sich jemand fünf Minuten da hins-tellt auf ihre Gehwegplatten. Nach einer Woche Arbeit jedenfalls ist die ganze Ents-pannung schon wieder futsch, deshalb ab in den Urlaub, also wenn sich in den nächsten Tagen bei Ihnen die S-teinplatten absenken, lassen Sie sich gesagt sein: Ich war es nicht.



Dieser S-tress! Koffer packen, Ausweise suchen, Unterkunft buchen, vor allem aber: Marmelade kochen, denn das wäre dann doch zu schade um die schönen Zwetschgen. Gläser auskochen, Gelierzucker kaufen, Zwetschgen entkernen, aufkochen, abschmecken, ab ins Glas.



Schön grob und s-tückig diesmal, bloß bei der Menge habe ich mich verschätzt: Gerade mal vier Gläschen sind es geworden. Jetzt schnell den Wecker s-tellen, es geht ja schon bald los. Adiós.

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71@71:#59&58
nnier | 07. Oktober 2013 | Topic Musiq
Oooo-eee-ooooh!

1982, das erste Album nach Johns Ermordung, das erste mit Legende George Martin als Produzent. Der große Hit darauf heißt Ebony and Ivory und ist überhaupt nicht mein Fall, war es schon damals nicht, zuviel Reißbrett und Konsens auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner: Haaach, die Tasten auf meinem Klavier können harmonisch Seit an Seite leben, warum bloß tun wir das nicht, schnief. Ich kann Stevie Wonders Stimme in diesem Stück nichts abgewinnen, mag den slicken Sound nicht, finde die Melodie schwach, na gut, diese Version hier ist noch ganz OK, aber warum wird so etwas ein Hit und nicht die guten Lieder? Schon auf der 1989er Tour klang das Lied so schlecht gealtert wie kein anderes.

Überhaupt wurde das Album damals ein wenig zu sehr gelobt. Das ist zum Teil ganz anständige Popmusik, kein Meisterwerk und kein Fehlschlag, glatt produziert und angereichert mit dummerweise gleich zwei Stevie-Wonder-Kollaborationen sowie einem Duett mit Carl Perkins. Der hat eine ähnliche Stimme wie Dr. McCoy von Star Trek und müht sich zusammen mit Paul durch ein mattes Pseudo-Country-Stückchen ("Once I had a little Spanish Guitar ..."), das man schon während des Hörens wieder vergisst.

Paul hat im Studio einen Witz erzählt, heißt es in den Büchern, und Carl hat gelacht. Er lacht in das nächste Stück hinein, und da wird es gegen Ende der Platte plötzlich doch noch interessant: Was für ein seltsamer Übergang, Oooooh, the one you wanted to be is now the one you see, ooooh. Und dann? Würde man die ganze Pastiche am liebsten vom Platz fegen, das ist Disco nach der Disco, das macht Spaß, das ist selbstbewusster Pop und da gehört auch die Spanische Gitarre hin: What's the point of changing / When I'm happy as I am!

Bloß dass danach noch Ebony and Ivory kommt.

Platz 59+58: Be What You See (Link) / Dress me Up As A Robber (1982)

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Dienstag, 1. Oktober 2013
Bergmensch Nachsaison
nnier | 01. Oktober 2013 | Topic In echt


Es hat schon etwas Gewalttätiges an sich, die weite Strecke für ein paar Tage, und doch war es wieder so: Oben hätte ich losschreien können, die Luft, das Licht, die Stille, Feuer machen, Wasser holen, eben warst du noch auf der Strecke, hast mobil gelesen und ins Telefon geschaut, jetzt stehst du vor der Hütte und die Sonne geht unter, bezieh noch schnell das Bett, atme ein, schneid ein Stück Dauerwurst ab, beiß in das würzige Brot, trink von dem kräftigen Tee, der Ofen knistert schon, hör die irrsinnige Stille, geh noch mal raus, das kannst du doch nicht fassen, das ist ja voller Sterne da oben! Hör den Bach ganz leise plätschern da hinten! Paar dünne Wolken rasen vorbei, heller Mond. Hinten Milchstraße.

Abtrieb war ja schon. Sonst, wenn sie frühmorgens zum Melken getrieben werden, lächelst du kurz im Schlaf und drehst dich glücklich um. Später, in dieser unwirklichen Zugabenzeit, klöppelt nichts mehr und die Ruhe haut dich um. Du lächelst sowieso nur noch. Riech das Holz. Das Knacksen. Das Plätschern. Das Licht unwirklich und grell. Abends diese Farben, das kannst du kaum verkraften, sitzt da und willst nur schauen. Du hast das Brot geschnitten und etwas in der Pfanne gebrutzelt. Du sitzt da und isst und starrst mit blödsinnigem Ausdruck, draußen Farbkonzert und du schöpfst Wasser in den Kessel, schaust schnell wieder raus, stellst die dampfende Tasse neben das Bett, schlupfst unter die Deck. Liest noch kurz was mit deiner Stirnlampe, rekelst dich, lauschst, richtest dich noch mal auf, drehst dich ins Kissen. Redest leise mit dir selbst.







Ich bin kein Kletterer, bin kein Bergsteiger, habe keine Kniebundhosen, keinen Karabinerhaken. Ich bin einfach gerne da oben. Gibt schöne Städte. Gibt das Meer. Dann sage ich: Schöne Stadt. Schau an, das Meer! Aber da oben, da sage ich gar nichts, höchstens beim Ankommen so etwas wie: Aargh.

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Sonntag, 29. September 2013
71@71:#60
nnier | 29. September 2013 | Topic Musiq
Wovon möchtest du erlöst werden, Paul?
(W. Lippert)


Bleiben wir kurz in dieser Zeit, wobei mir mit einem Schrecken bewusst wird, dass all das schon 20 Jahre zurückliegt: Da schaute ich gezwungenermaßen Wetten, Dass ...? und wand mich vor Scham, als Wolfgang Lippert in grandios derangierter Verfassung mit seinem profesionell-gutwilligen Gast ein wirklich denkwürdiges Nicht-Gespräch führte, Körpergrenzen konsequent missachtete und irgendwann sein Taschentuch herausholte. Brrr!

Das in diesem Jahr veröffentlichte Album gehört in Fankreisen zu den weniger geschätzten, und auch mir ist es über die Jahre abhanden­gekommen. Einige Lieder haben mich von Anfang an gestört: Das gewollt hart gespielte Animal-Rights-Stück (gähn!) Looking For Changes z.B. oder das brutal langweilige 50er-Jahre-Rock'n'Roll-Abziehbild Get Out Of My Way, die man auch noch bei jedem Konzert der anschließenden Tour ertragen musste. Andere Stücke nerven mich weniger, kommen aber einfach nicht in Schwung - und doch gibt es daneben welche, die ich nach wie vor sehr gerne mag.

Komischerweise verstecken sich gerade bei diesem Album gleich mehrere der besseren Songs auf Single-B-Seiten. Natürlich freuen sich Fans und Sammler über solche Fundstücke: Trotzdem kratzt man sich am Kopf und fragt sich, ob an der Behauptung doch etwas dran ist, dass McCartney über kein sehr ausgeprägtes Urteilsvermögen verfüge, was seine eigenen Stücke anbetrifft. Geschmackssache, alles, doch bin ich sicher, dass einige dieser B-Seiten das Album Off The Ground erheblich aufgewertet - und dafür andere verschämt an die Seite gepackt gehört hätten.

Oder was hat dieses angenehm molltönige, exzellent gesungene Stück Herzschmerz ("Take my blessing with you when you go / To the next one you adore, ooh") auf einer vergessenen B-Seite zu suchen? Denkt euch ein paar überflüssige Synthesizer-Klänge weg und ihr habt ein wunderschönes Lied vor euch.

Platz 60: Kicked Around No More (1993).

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Samstag, 21. September 2013
Der Welt den Rücken
nnier | 21. September 2013 | Topic Ja nee
Schmeißt der Käptn eine Ladung Zeitungen auf die Insel. Sagt der Schiffbrüchige: He, lassen Sie mich doch bitte an Bord! Sagt der Käptn: Lesen Sie erst mal die Zeitungen. Dann können Sie mir sagen, ob Sie wirklich mitkommen wollen.

--

Erinnern Sie sich noch, 2009 war das, da sah es auch schlecht aus mit den Umfragen und so. Sagte die Kanzlerin irgendwann: Hilft nix, da muss die Wunderwaffe Lengsfeld ran. Taten sie sich zusammen, Rest ist bekannt: Hochwasser, Finanzkrise, 4 Jahre Tittenrepublik.

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Also ich wusste das gar nicht mehr so genau, aber die BILD half mir beim Erinnern:



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Bevor es in die neue Staffel geht, für alle Briefwahlfans und Bundestag-Addicts ein kurzer Rückblick auf die bisherigen Highlights. Bald ist sie vorbei, die schreckliche, die fußball-lose Zeit!

> Rötti-Wutti-Bum-Bum: Der kleine Norbert mit der dicken Hose schob das Kinn zu weit nach vorne, Zack!, da saß die Watschn von der Bundesangela, aber dermaßen, der konnte nicht mal mehr die Hand aus der Anzugtasche nehmen. Jetzt natürlich Drogenstrich, trauriges Schicksal ehemaliger Kinderstars. BILD meint: Pfui, aber irgendwie auch geil.

> Chrissy & Betty: Klinker statt Klunker, dann Bling-Bling im Panikraum. Statt edel in Großburgwedel nur Hohn und Spott für filmreifen Plot. BILD meint: Daumen runter! [Betty noch anrufen wg. neuer Fotos]

> Gutti kaputti: Krass, wie der Lügenbaron sogar BILD foppte! "Doc" von und zu, war alles nur ein Sommermärchen!? Das Ende dann per SMS. BILD meint: Moderne Zeiten!

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Von all dem werde ich nichts mitbekommen.

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