Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Sonntag, 16. Juni 2013
Zwei Tage mit Gustav
nnier | 16. Juni 2013 | Topic In echt
Establishing Shot








Meanwhile






Next Day














Dramatic Turn










Um welche Art Notfall handelt es sich? Sir, sind Sie noch da?






Closing Credits




[Special Thanks to Bremer Tiernotruf]

Link zu diesem Beitrag (11 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Sonntag, 9. Juni 2013
Wenn man nichts machen kann
nnier | 09. Juni 2013 | Topic In echt
In unserer Gegend wohnte ein Mädchen, das mit mir und meinem Freund A. in die Grundschule ging. Sie hatte die unangenehme Eigenschaft, sich bei den Lehrern durch vordergründig erwünschtes Verhalten beliebt zu machen, während sie hintenrum oft feixte und mich einmal völlig aus der Fassung brachte: Da stand sie im Museum hinter unserer strengen Lehrerin, die uns einen Vortrag hielt, und tat die ganze Zeit so, als würde sie ihr einen langen Stock in den Hintern bohren und diesen ganz wild hin- und herbewegen. Ich musste mich richtig zusammenreißen und hätte sie dafür mögen können, wenn sie nicht so eine hinterhältige Petze gewesen wäre. Oft erwischte es A., der als schlechter Schüler sowieso einen schweren Stand hatte und obendrauf noch eine Extraportion Ärger bekam, wenn sie ihn wieder einmal angeschwärzt und dabei noch die Wahrheit verdreht hatte. Kam er im Unterricht dran und wusste die Antwort nicht, lachte sie ihn offen aus. Wir hatten Grund, sie zu hassen und freuten uns deshalb auf den Heimweg: Da vorne ist sie!, rannten wir los, Lasst mich in Ruhe!, keifte sie, und wir rächten uns.

Trotzdem rief sie manchmal an und wollte zum Spielen vorbeikommen. Es gab im Garten einen Sandkasten, in dessen Mitte buddelten wir dann schnell ein Loch, legten eine Plastiktüte drüber und streuten Sand drauf. Lass uns um die Wette springen, sagten wir als erstes, wenn sie ankam, jeder hat seine Bahn, dann sprang A. links und ich rechts. Sie wollte nicht, wir sagten: Los, da ist nix, diesmal ist da wirklich nix, also sprang sie und fiel die 20 cm ins Loch. Wir lachten, sie heulte und rannte nach Hause. Wir haben das ziemlich oft gemacht.

Es gab andere Jungs in der Gegend, vor denen ich regelrechte Angst hatte. Sie verfolgten und quälten uns jahrelang. Meine Angst vor ihnen war so groß, dass ich alles tat, was sie verlangten, und sie feixten und lachten. Leider hatte ich das Verhaltenselement Hau ihm doch einfach eine rein nicht in meinem Repertoire, das hätte vielleicht etwas geändert. Statt dessen schmissen sie mein Fahrrad in den Kanal und lachten sich kaputt. Ich kämpfte mich durch Schlamm und Brennesseln, und nach einer Weile wurde den beiden da oben mulmig: Soll ich dir helfen, rief einer, Brauchste nicht, rief ich durch den Tränenschleier zurück und zog und zerrte mein Fahrrad irgendwie durch das Ufergestrüpp. Es wurde inzwischen dunkel, und sie hatten auf mich gewartet: Wenn du nach Hause kommst, und deine Eltern fragen dich, was passiert ist, dann sagst du, dass ein großer Junge dein Fahrrad in den Fluss geschmissen hat. Wehe, du sagst was von uns. Daran hielt ich mich und verstrickte mich in ein Lügengestrüpp.

Einer von diesen Jungs war sogar ein Jahr jünger als ich, galt aber als besonders gefährlich. Als ich neu in die Gegend gezogen war und mich mit A. angefreundet hatte, warnte dieser: Bei dem musst du aufpassen. Der hat mich schon oft verkloppt. Und es gibt ja diese Menschen, denen man es ansieht, oft ist es ein höhnischer Zug um den Mund und ein ganz bestimmter beleidigter, zugleich herausfordernder Blick - jedenfalls sah ich zu, dass ich möglichst nicht in seine Nähe kam. Einmal schrak ich fürchterlich zusammen: Da war er morgens auf dem Schulweg plötzlich neben mir, und A. war ausnahmsweise nicht dabei. Er plauderte drauflos und erzählte unter anderem, dass er neulich einem anderen Jungen "mit dem Messer in den Kopf gestochen" habe. Zwar erfuhr ich später, dass das bloß so ein kleines Plastikmesser und ein oberflächlicher Ritzer gewesen war, das half aber auch nichts mehr: Für mich blieb er der Inbegriff des brutalen Gewalttäters, dem man nichts entgegensetzen kann.

Als wir den Schulhof erreichten und ich erleichtert aufatmete, kam ein Mädchen angelaufen und lachte ihn aus: Ha ha ha! Du mit deinem Schulranzen! Du Idiot!

Entsetzt konnte ich nur starren und erwartete ansatzloses Dreinschlagen. Statt dessen sah er mich an, schlug die Hand gegen die Stirn und rief: Wir wandern ja heut! Ha ha ha, riefen immer mehr Kinder, und ich bekam eine ganz leise Ahnung davon, dass solche Leute nicht unbedingt immer die Oberhand behalten müssen.

Dennoch mied ich seine Gegenwart noch lange, und umso überraschter war ich, als es eines Tages klingelte. Der Fluss war über die Ufer getreten, das Hochwasser hatte unsere Straße erreicht und lediglich der Bordstein bildete noch die Grenze zwischen lustigem Anblick und nasser Katastrophe. Unten stand er mit seinem Schulranzen und einer Sporttasche. Ich soll zu euch, sagte er, meine Mutter hat mich geschickt, bei uns ist alles vollgelaufen.

Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Dienstag, 4. Juni 2013
Brunettifressen mit T. Spargel
nnier | 04. Juni 2013 | Topic In echt
Ich will alles
Ich will alles
Und zwar sofort
(Gitte Haenning)
Ich bin sehr empfänglich für Suggestionen, und wenn ich mir nur vorstelle, kein Essen zu bekommen, bricht mir der Schweiß aus. Mir ist das sehr unangenehm, denn ich halte es für eine der wichtigsten menschlichen Eigenschaften, seine Bedürfnisse kontrollieren und deren Befriedigung aufschieben zu können. Damit befinde ich mich mein Leben lang im Widerspruch zu all den esoterischen Befreiungspredigern, die einem ständig "Hör auf deinen Bauch!" ins Ohr brüllen und regalweise empfehlen, die blöde Rücksicht und all den sozialen Verpflichtungs­scheiß endlich hinter sich zu lassen: Lass dein inneres Kind raus! Fick deine Nachbarin! Und schmeiß gefälligst mehr Essen weg.

Dieses hatte seine Zeit, so wie alles seine Zeit hat: Als verhärmte Kloster­schülerinnen sich die Butter auf dem Brot nicht gönnten, als unglückliche Ehen ums Verrecken weitergeführt werden mussten und so weiter. Solchen Leuten bin ich schon länger nicht mehr begegnet. Aber durchaus solchen, die mit großer Geste stolz verkünden: "Ich achte jetzt nur noch auf mich selber!" und anscheinend erwarten, dass man zu solch tabubrecherischem Gratismut noch gratuliert.

Kotzen könnte ich manchmal. Da wird auf dem Elternabend so getan, als sei es ein Verstoß gegen die Genfer Konventionen, wenn die Kinder bei der Klassenfahrt nachts ihre Smartphones abgeben müssen: Aber die müssen sie doch nachts aufladen! Können Sie dann nicht wenigstens ganz viele Mehrfach­steckdosen mitnehmen und die Handys immer nachts im Lehrer­schlafzimmer aufladen? Als Lehrer würde ich sagen: Handys her und alle raus, Holz sammeln! Wasser vom Brunnen holen! Und zwar nicht die Kinder.

Man muss sich das mal klarmachen: Wenn die früher einen Weinberg oder einen Acker angelegt haben, wenn sie Obstbäume gepflanzt haben, dann hatten sie lange nichts davon als Arbeit und die Hoffnung, dass es Kindern und Enkeln zugutekommt. Wir heulen los, wenn die neueste Staffel einer TV-Serie nicht sofort verfügbar ist. Und alle tun so, als wäre dieses Am-Wochenende-zu-Hause-Sitzen-und-beim-Seriengucken-ein-Glas-Nutella-löffeln der Gipfel mensch­lichen Daseins und keine infantile Regressions­scheiße.

Was wollte ich jetzt eigentlich erzählen: Ach ja! Wenn ich Petzi gelesen habe: PFANNKUCHEN! Wenn ich Asterix gelesen habe: SCHWEINEBRATEN! Und dann diese Essensbeschreibungen bei Andrea Camilleri, das sind Krimis mit einem sizilianischen Commissario Montalbano, die ich eine Zeitlang gerne gelesen habe: ICH WILL ALLES ESSEN UND ZWAR SOFORT! Dauernd diese gefüllten Kühlschränke (Haushälterin!) und Besuche in der Trattoria, das hielt ich kaum aus, da flossen die Enzyme, da bebten die Magenwände, da rannte ich in die Küche und aß und aß und aß. Es ist meine große Schwäche. Selbst wenn ich manchmal gar nicht weiß, was es ist, das die da essen, klingt es doch so appetitanregend, dass ich ganz unruhig werde und nur noch auf meinen Bauch höre.

Kommen wir zu Brunetti: Das war diese betuliche TV-Serie mit Joachim Król in Venedig. Alles lieb und nett und ZDF-harmlos, und Donna Leon veröffentlicht ihre Bestseller angeblich nicht auf Italienisch, damit sie da halbwegs in Ruhe leben kann, aber auch auf Deutsch habe ich mich bislang nicht allzusehr dafür interessiert: Schöne Stadtkulisse, Bilderbuchfamilie, attraktive Sekretärin, selbstverliebter Boss, das schien mir doch zu formelhaft. Wohl kein Schund, dachte ich, aber auch nichts, das ich lesen muss.

Einen ganzen Stapel der deutschen Ausgabe konnte ich neulich erhaschen und schenkte ihn unbesehen weiter. Dann lagen sie auf Englisch herum, und ich nahm ein paar mit: Gut geschrieben, angenehmer Lesestoff, nicht zu viele Klischees (soweit ich das beurteilen kann), das lullt schön in den Schlaf und macht verdammten HUNGER! Verdammt noch mal! Mittags geht's nach Hause, da bringt die akademische Universitätsfrau das Essen selbstver­ständlich mehrgängig auf den Tisch, und Dessert, und Grappa, und Caffè, und abends gleich noch mal. Oder man ist auf Murano und speist mit den Arbeitern die himmlisch einfachen Traditionsgerichte in der Geheimtipp­kantine: AUCH HABEN! Ich bin sowas von suggestibel, ich habe gestern ganz alleine nicht nur mehrgängig gegessen, sondern auch ein Glas Rotwein getrunken, und das tue ich sonst nie.

"Kompakt" nannte neulich jemand meine physische Anmutung, und ich wusste endgültig, dass die Spargeltarzanjahre vorbei sind. Ob Sie das alles wissen wollen? Interessiert mich überhaupt nicht, ich achte jetzt nur noch auf mich selber.

Link zu diesem Beitrag (5 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Sonntag, 2. Juni 2013
Von der eigenen Kaffeetasse verhöhnt.
nnier | 02. Juni 2013 | Topic In echt

Link zu diesem Beitrag (2 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





Sonntag, 26. Mai 2013
Ich Rabotnik
nnier | 26. Mai 2013 | Topic Musiq
They wanted to create concept albums about robots and Edgar Allen Poe; they wanted to drain rock music of every last ounce of human vitality and vigor in order to create something of lasting musical value. Unfortunately, they misjudged rock and roll ... the music will forgive any number of sins, but never a lack of passion. [Q]
Ich will gar nicht stören in euren finnischen Clubs, es ist nur, weil ich meinen musikalischen Ruf eh gerade verspiele: Mich hat mal wieder diese Platte im Griff. Ja, es ist Alan Parsons Project, ja, das sind die mit Don't Answer Me und Schmus.



Es war 1979, würde ich sagen, und in der Wohnung unter uns wohnte jemand, der bei Karstadt arbeitete. Er war irgendwann mit seiner Freundin eingezogen, und einmal, sie waren noch beim Renovieren, kamen sie zum Essen, hatten eine Flasche Cointreau dabei, schenkten eine Runde aus und nahmen die Flasche dann wieder mit. Ich habe noch oft daran denken müssen.

Vorher hatte ein anderes Paar in der Wohnung gelebt. Die Frau arbeitete im Großhandel und konnte Schlümpfe um 10% billiger bekommen. Oft saß ich am Fenster und wartete, bis sie nach Hause kam, denn ich gab fleißig Bestellungen auf. Der neue Mieter bekam bei Karstadt Rabatt. Ich sollte aber nicht so oft fragen.

Seine Freundin zog schon bald wieder aus, und kurz darauf tauchte eine andere Frau auf, die auch bei Karstadt arbeitete. Sie war dann immer öfter da. Ungefähr in dieser Zeit zeigte er mir diese Platte. Ich kannte das Project natürlich nicht und sollte erst viel später lernen, dass es sogar eine Verbindung zu den Beatles gab. Die futuristische Plattenhülle drückte bei mir die richtigen Knöpfe, und der Sound haute mich um: Ein Instrumentalstück zu Beginn? Disharmonische Chöre zwischen Discostücken? Er überspielte mir die LP auf eine Cassette.

Zu dieser Zeit las ich ein Jugendbuch, in dem es um Heroin, Obdachlosigkeit und Anschaffen ging. Das war nicht mehr wie bei den Drei ???. Mit diesem Coming-of-Age-Gefühl ist der Klang der Scheibe bei mir für immer verknüpft.

Ich kaufte später, vor bestimmt auch schon wieder 20 Jahren, die CD. Und es passiert etwa einmal im Jahr, woher auch immer der Impuls kommt, dass ich sie ganz plötzlich und umso dringender heraussuchen und anhören muss. So zwei-, dreimal hintereinander, und ich lausche zugleich mit alten und neuen Ohren. Man kann das kalt und überproduziert finden, Hintergrundmusik für Wissenschafts­sendungen am Nachmittag. Mir ist auch ziemlich wurscht, ob die ihrer Zeit studiotechnisch ein paar Jahre voraus waren.

Es gibt so Sachen wie Jean Michel Jarre, die sind zu sehr auf den Sound und auf den Effekt fixiert, die waren mir schon damals zu ingenieurhaft: Seht, wie ich hier am Knöpfchen drehe, dann kommt dieser Ton dabei raus und jetzt dieser andere.

Davon ist auch die hier besprochene Musik nicht frei, und man decke den Mantel des Schweigens über die Schmus- und Schlagerpampe, die erst noch folgen sollte.

Warum I Robot bei mir trotz allem überlebt: Erstens sind ein paar schöne Melodien dabei. Zweitens sorgen die Chöre für Spannung. Drittens: Wohlportionierter Orchesterbombast. Viertens ist das kein Rock'n'Roll. Und ich habe nicht mal Retrofuturismus geschrieben.

Now back to Finland.

Link zu diesem Beitrag (8 Kommentare)  | Kommentieren [?]   





... hier geht's zu den --> älteren Einträgen *
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!

Letzte Kommentare
Kalender
November 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
Archiv
10/24 07/24 06/24 04/24 03/24 02/24 01/24 12/23 11/23 10/23 06/23 12/22 11/22 06/22 08/21 06/21 04/21 12/20 09/20 06/20 12/19 11/19 06/19 02/19 08/18 06/18 04/18 03/18 02/18 01/18 10/17 06/17 05/17 02/17 01/17 12/16 11/16 10/16 09/16 08/16 07/16 06/16 05/16 04/16 03/16 02/16 01/16 12/15 11/15 10/15 09/15 08/15 07/15 06/15 05/15 04/15 03/15 02/15 01/15 12/14 11/14 10/14 09/14 08/14 07/14 06/14 05/14 04/14 03/14 02/14 01/14 12/13 11/13 10/13 09/13 08/13 07/13 06/13 05/13 04/13 03/13 02/13 01/13 12/12 11/12 10/12 09/12 08/12 07/12 06/12 05/12 04/12 03/12 02/12 01/12 12/11 11/11 10/11 09/11 08/11 07/11 06/11 05/11 04/11 03/11 02/11 01/11 12/10 11/10 10/10 09/10 08/10 07/10 06/10 05/10 04/10 03/10 02/10 01/10 12/09 11/09 10/09 09/09 08/09 07/09 06/09 05/09 04/09 03/09 02/09 01/09 12/08 11/08 10/08 09/08 08/08 07/08 06/08 05/08 04/08
Über
Who dis?
Erstgespräch