Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Sonntag, 28. April 2013
Stand and deliver
nnier | 28. April 2013 | Topic Musiq
Müde Knochen zum Auftauen in die Frühlingssonne stapeln. Weltfremd ins Helle zwinkern. Es ist ja alles eingerostet. Sich mit Mühe ans Passwort erinnern: Ist das hier wirklich mein Blog!?

Verstaubte, halbfertige Beiträge: Vielleicht kann man damit noch was anfangen? Es fügt sich immerhin mit einer Kneipenschuld. Das Knacken - ach, das sind nur meine Fingergelenke.

Das Top-Ten-Format, rabla, [hier noch was von der Hitparade International einfügen, HR3, Donnerstags, Werner Reinke etc. etc.] [@nnier: unbedingt diese abgenudelten Versatzstücke vermeiden, Cassettenrecorder, Aufnahmetaste, das will keiner mehr hören], die Kneipenaufgabe lautete also:

Deine Top-Ten-Hits 1980-1985

Und da geht es schon los: Wenn ich nun in der Zeit am liebsten Beethovens Fünfte gehört habe? Oder Spiel nicht mit den Schmuddelkindern von Franz-Josef Degenhardt? Nein: Es muss schon aus dieser Zeit stammen. Und es muss eine gewisse popkulturelle Relevanz haben. Also nicht zwangsläufig ein Nummer-Eins-Hit, aber auch nicht die obskure B-Seite dieser walisischen Punkband.

International: Ich lasse die Neue Deutsche Welle weg, trotz Trio. Und am Ende: Es heißt deine Top Ten, also nehme ich meine Top Ten, und zwar aus der damaligen Sicht: Ganz egal, dass ich von heute aus Billie Jean und Every Breath You Take für tadellose Musikstücke halte, sie waren damals nicht wichtig für mich. Deshalb auch kein Heart of Glass, deshalb kein Fade to Grey: Die habe ich im nachhinein in mein Referenzsystem gefügt, sie waren zu früh für mich, da kann ein Jahr von entscheidender Bedeutung sein. Das eine Lied hat man mit dem Fußball unterm Arm aus der Schuldisco dröhnen hören und erst später richtig eingeordnet. Das andere war als Neuvorstellung in der Vorwoche gespielt worden, und nun hoffte man verzweifelt, dass es unter die ersten zehn Plätze [@nnier: Alles streichen, die Modalitäten der Radio-Hitparade damals interessieren keine Sau. Straffen und auf den Punkt kommen.] allen Peinlichkeiten zum Trotz und schließlich ist das hier immer noch mein Blog [@nnier: Das ist nicht dein Ernst. Alles raus.]

Hit Nummer zehn: Wot (Captain Sensible)

Dieses Lied klingt für mich heute harmlos und wenig originell - damals war ich vom Presslufthammer getroffen. Und es ist immerhin ein Kriterium für meine Top-Ten-Auswahl, wenn ich damals eine ganze Cassette dafür verwendet habe, ein und dasselbe Stück immer und immer wieder darauf aufzunehmen: Wot war so ein Fall. Mein Freund besaß die langweilig aufgeblähte Maxisingle, damit füllte ich eine Seite. Die Singleversion aus dem Radio kam auf die andere. Und dann müssen es Monate gewesen sein: Schreckliche Monate für den Rest meiner Familie, denn ich nahm die Cassette sogar mit ins Auto.

OK: Soundeffekte wie am Anfang des Liedes waren damals noch nicht so verbreitet, die Funk-Gitarre setzt dann schön knackig ein, des Captains Stimme ist markant, das Giggeln der Damen im Hintergrund ("Say captain / say what / whoo!") vergnüglich, das ist alles schön und gut - gebracht hat es für mich aber der Bass: So etwas kannte ich noch nicht, so ein durchgängig hingegroovtes Fundament, funkiger Antreiber für den ganzen Song.


Hit Nummer neun: Too Shy (Kajagoogoo)

Eines der Lieder, die man als Junge nur heimlich gutfinden konnte: Das war nun eindeutige Mädchenmusik, und dazu der peinliche Bravo-Limahl. Also fand ich heimlich gut: Den flächigen Synthesizer am Anfang, das elektronische Schlagzeug, dann schon wieder: Den Bass! Eine schöne Dynamik, finde ich heute noch, da ist der harmlose Gesang nicht weiter wichtig und auch der doo-doo-doo-Part gegen Ende erträglich.


Hit Nummer acht: What Is Love? (Howard Jones)

Nicht ganz so schlimm wie bei Kajagoogoo, trotzdem ein ähnlicher Fall: Nichts, was man seinen Freunden auf die Nase gebunden hätte. "AC/DC ist voll cool, Mann, TNT! Hoi! Hoi! Hoi!" - "Ja. Und wie findest du What Is Love von Howard Jones?"

Viele der damals großen, heute vergessenen 80er-Helden hat man auf Anhieb parat: Paul Young. Duran Duran. Sogar die Thompson Twins. Aber dass Howard Jones auch einer war, wer weiß das noch? Dünne Synthie-Musik insgesamt mit eher schwachen Melodien, man denke nur an No One Is to Blame oder Things Can Only Get Better. Das hier aber kann ich noch heute gelten lassen: Ein Mann, ein Keyboard, ein Studio, ein weichgespülter Hit vom Reißbrett. Völlig überproduziert, na klar. Und nicht lange darauf nervten diese eingebauten Sounds von Yamaha DX7 und Co. nur noch. (Wie allerdings hier schon der lahme Keyboard-Bass.)


Hit Nummer sieben: Self Control (Laura Branigan)

Man kennt die Formel inzwischen: Spannung aufbauen mit Synthie und gebremsten Drums, dann legt die E-Gitarre los. Hier aber nicht schlecht, und wie ja jeder weiß, war es relativ einfach, aus dem Radio eine ganze Cassette mit diesem Lied zu füllen: Zeitgleich war auch die Version von Raff in den Charts. Ansonsten nicht weiter aufregend: Die Begleitung auf dem Synthesizer hätte sogar ich hinbekommen.


Hit Nummer sechs: Love Is A Battlefield (Pat Benatar)

Oha: Schon die zweite Frau auf dieser Liste! Und man muss sagen, dass die sogar halbwegs singen konnte. Das ist mir damals gar nicht so aufgefallen. Denn wichtiger waren für mich die bekannten Zutaten: Spannungsaufbau, Synthesizer, effektvolle Drums, dazu ein schöner Trick - ein paar Textzeilen in unterkühltem Sprechgesang vorweg, die dann nach dem emotionalen whoawoawhoa noch mal wesentlich energischer vorgetragen werden, fertig ist der Song für den jungen nnier.

Vielleicht hat das alles was zu bedeuten: Immerhin entdeckte ich wenig später den allseits verhassten Progressive Rock und vor allem die Gruppe, deren Name nicht genannt werden darf. Da bekam ich Spannungsbögen, Synthesizer und räumliche Drum-Gewitter bis zum Exzess.

Ist es die Lebensphase? Mit aufbauender Spannung hat man ja in einem gewissen Alter usw. usw.; darüber denken wir jetzt mal in Ruhe nach. Und über den zweiten Teil dieser Liste.

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Freitag, 12. April 2013
Aus der Blogmenopause
nnier | 12. April 2013 | Topic Tanztee
Er hat nicht nur unser vollstes Vertrauen, er hat unser Super-Vertrauen.
(Karl-Heinz Rummenigge)
Leben heißt sterben lernen.
(Rocko Schamoni)
Endlose Wochen im Griff des Gilb: Soll man aufgeben? Sich gewöhnen? Verzweifelt aufbegehren? Sich weiter schonen? Mal richtig reinhauen? Noch mehr Kamillentee trinken? Oder doch lieber Bier?

Einen Monat mag es her sein, da besuchte ich drei Herren. Es war brechend voll, viele junge Menschen waren da und wild entschlossen, sich zu amüsieren. Sie kannten die 80er sehr gut, aus diesem Film, und schrien begeistert an den richtigen Stellen: Oh-oh-oheho!

Später kam einer der Stars zu uns ins Raucherabteil. Freundlich bescheiden saß er am anderen Tisch und bewahrte Haltung, während er blond umschwirrt und umzwitschert wurde. Gegen gegen die intensiven Östrogenwolken hatte der dichte Qualm dabei keine Chance.

Das war nur so halbgut, einigten wir uns, das geht mal durch als Gag, dann muss aber vorbei sein, und hoffentlich werden die damit nicht so erfolgreich. Es ist nämlich so: Lustige Technopartyhengste gibt es genug. Ich aber will griesgrämig und verhärmt im Publikum sitzen. Tanzende und jubelnde junge Menschen stören da nur.

Ein paar Tage darauf sah ich einen jungen Mann im Supermarkt einkaufen. FRAKTUS stand auf seiner Mütze, und mir wurde klar: Die Gefahr besteht, dass wegen Menschen wie diesem jetzt nur noch Bumsmusik von denen kommt: Metafiktional und doppelironisch, aber doch Bumsmusik. Auf dem Heimweg summte ich traurig das tröstende Lied.

Ich gilbte weiter, ließ die diesjährige Strunkerlesung vorbeiziehen, es hatte einfach keinen Sinn. Hast du guten Sex gehabt?, bloß weil diese Wangenröte nicht weichen will. Latentes Schwitzen, latentes Räuspern, ich träumte mir einen U-förmigen Verlauf statt dieser ewigen Dürre.

Der umschwärmte Rocko trat wieder auf, alleine hatte ich ihn noch nie gesehen und wagte die erste abendliche Unternehmung seit damals. Er kann lustigen Quatsch machen und schön vorlesen. Ganz unerwartet gut aber gefielen mir die Musikstücke: Fast schon liedermacherhaft, zu zweit mit akustischen Gitarren, ernst und melancholisch. Das teilte ich nachher auch dem Radiomann mit, der mir beim Rausgehen das Mikrophon hinhielt. "Aha, auch mal jemand, der die Lieder gut fand", sagte er.

Hat es dir auch so gut gefallen, fragte ich anderntags die Kollegin, die ich im Publikum bemerkt hatte. Das war nur so halbgut, meinte sie, der hat lustige Sachen vorgelesen, aber das Gesinge, das war langweilig.

Geschmackssache. Für mich die Grundierung, die den albernen Quatsch der drei Herren erst kulturell wertvoll und tröstlich macht, Resonanzboden bietet, Fallhöhe schafft. Deshalb schließe ich mich des charmanten Rockos letzten Worten des Abends an: Fuck Fraktus.

Und Fuck the Gilb.

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Sonntag, 7. April 2013
Phasenphershiftung
nnier | 07. April 2013 | Topic Sprak
To
'Matensa'latoma
'Tensala'tomaten
'Salato'matensal'at

To'matensa'latoma
'Tensala'tomaten
'Salato'matensal'at

Gra
'Natapfel'saftgrana
'Tapfelsaft'granatap
'Felsaftgra'natapfel'saft

Gra'natapfel'saftgrana
'Tapfelsaft'granatap
'Felsaftgra'natapfel'saft

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Montag, 1. April 2013
En la Abknöpfería
nnier | 01. April 2013 | Topic In echt
Ich muss ja irgendwann das Bad neu machen, und da war gerade diese Fliesenausstellung.













Hier langen sie wirklich zu, da kostet schon der Parkplatz mehr als eine Ferienwohnung, und man kann nur raten, in welche der Schlangen man sich stellen muss, um irgendwann ahnungslos stammelnd vor der genervten Kassiererin zu stehen, neben deren Fenster endlich ein winziges und kaum entzifferbares Zettelchen unterschiedlichste Preise listet (wofür aber gelten die?) und die schließlich unter Augenverdrehen den nicht geringen Eintritt entgegennimmt, dabei in wirklich abfälligem Ton immerhin noch mitteilend, dass man zunächst zwei Stunden warten, dann aber unbedingt und pünktlich an diesem und jenem Eingang sein muss.





Trotzdem bin ich froh, dass ich das gesehen habe, wenn auch nach der elend feuchtkalten Wartezeit im Laufschritt und deshalb geradezu schmerzhaft oberflächlich.



Und das Bad muss noch warten. Aber ein Anfang ist gemacht.

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Donnerstag, 28. März 2013
En Andalucía
nnier | 28. März 2013 | Topic In echt
Im Spanischunterricht, ungefähr gleichzeitig mit dem Gerundium, lernte ich, dass Andalusien schön und arm ist. Ein rückständiges Agrargebiet - klar: mit turismo -, aber es überwogen Bilder von kargen Olivenhainen und armen Bauern mit Eseln.



Vorweg: Ich habe eine schöne Woche gehabt. Trotzdem bin ich irritiert. Das geht damit los, dass ich für ein Taschengeld anreisen konnte. Das geht damit weiter, dass der Mietwagen knapp seine Kosten decken mag. Und es hört nicht damit auf, dass die Ferienwohnung hinterhergeschmissen war.



Klar: Vorsaison. Klar: Lockangebot. Klar: Mischkalkulation. Vielleicht auch: Glück gehabt. Aber wie kann so etwas auf die Dauer funktionieren?

Spanien ist in der Krise, die Arbeitslosigkeit enorm, da müssen sie vielleicht billig vermieten - aber woher kommen diese geleckten, nagelneuen Siedlungen überall? Es wirkt wie in der ehemaligen DDR, als willkürlich Geld irgendwohingeschüttet wurde, die neugepflasterten Dorfplätze und komischen Marmorbrunnen plötzlich. En Andalucía: Kaum mal eine leere Plastiktüte am Straßenrand, selten mal ein verfallendes Haus, klar eingegrenzt die alten Hotelburgsünden. Statt dessen alle 20 Meter ein öffentlicher Mülleimer, Edelstahlduschen am täglich gesäuberten Strand. Und eine Disney-Siedlung nach der anderen.



Jaah, das ist da unten an der Küste, das ist wegen der Touristen, aber fahr doch mal ins Landesinnere. Gut! Dann nehmen wir mal diese abgelegene Gebirgsstrecke, vor der im Reiseführer gewarnt wird, weil sie so schlecht sein soll.



Jedoch! Jede Straße, jede Autobahn sieht nagelneu aus, da rumpelt nichts, da ist nur satter, dunkler Asphalt, man hört kaum sein Reifengeräusch, da sind überall schnurgerade und makellose Leitplanken: Tonnen von Stahl, der doch so teuer geworden sein soll. Alles sieht aus wie frisch gebaut, und ich frage mich, ob die EU hier kürzlich ein paar Infrastrukturmilliarden abgeworfen hat. Wenn ja: Muss es diese Strecke sein, auf dass die Touristen noch komfortabler vom Strand ins malerische Bergdorf fahren können?



Ach, deshalb ist der Flug so billig. Ach, und wart lieber mal die Schlussrechnung vom Mietwagen ab. Und der Vermieter wird schon wissen, was er tut: Besser als Leerstand, oder?



Wisst ihr was: Mir hat es da gefallen, die Landschaft beeindruckend, die weißen Dörfer schön, der Kaffee in den Bars grandios, aber es bringt mich ins Grübeln, sind das Angst- oder Sumpfblüten, und wenn es irgendwann richtig kracht, wundert mich das nicht.

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