... neuere Einträge

Kein schönes Thema, aber wir sind hier ja unter uns; und, wie einer der vielen ehemaligen SPD-Vorsitzenden mal gesagt hat: "Wat mutt, dat mutt".
Eine spätsommerliche Fahrradtour durch den größten und zugleich kleinsten Stadtteil führt den Radler kilometerweise an Bewässerungsgräben entlang. Nicht nur Enten bahnen sich darauf ihren Weg durch die üppige Lemna minor L., welche die Wasseroberfläche komplett bedeckt, auch Schwanenfamilien schwimmen sozusagen mitten im Futter, welches sie pausenlos mit einem sehr eigenartigen, schmatzklappernden Geräusch verzehren.

Fährt man so kilometerweit längs, den Blick immer auf den Graben gerichtet, erblickt man plötzlich ein weiteres Tier, das ruhig und selbstgewiss, einige dicke Grashalme quer im Maul, die dichte Wasserlinsendecke durchschwimmt, sie dabei kurzzeitig auftrennt, ehe sie sich hinter ihm wieder schließt. Während man verwundert abbremst und sich gerade fragen will, wie und wo eigentlich Biber leben, taucht das Tier routiniert ab. Kurz darauf verlässt es den Graben auf der gegenüberliegenden Seite - und man ist entsetzt: eine so riesige, fette Ratte hat man doch kaum je gesehen.
Schaudernd setzt man seine Rundfahrt fort; die Gedanken bewegen sich fortan in ganz bestimmten Bahnen. So erinnert man sich an einen schönen Sommerabend, ein paar Wochen mag es her sein, als vor der Tür des Bioladens ein ganz besonders hässliches, offenbar derangiertes Nagetier seine tapsigen Tänze aufführte. Der Laden liegt an der zentralen, stark frequentierten Kreuzung des Stadtteils; gegenüber befindet sich eine Bushaltestelle. Hier stieg ich nun aus und bemerkte das Tier, das offensichtlich Einlass begehrte (jedoch: der Laden hatte bereits geschlossen). In einem Pulk von zwanzig, dreißig Leuten überquerte ich die Straße und ging somit direkt auf den Bioladen zu, wovon sich die Ratte allerdings ebenso unbeeindruckt zeigte wie zuvor von den direkt an ihr vorbeirasenden Autos. Einige meiner Mitpassanten gruselte es ganz offensichtlich; das Tier aber, so schien es, zeigte ganz demonstrativ keinerlei Scheu, sondern bewegte sich herausfordernd auf uns zu.
Die leichte Gänsehaut, die sich beim Gedanken an diese Szene einstellt, erinnert wiederum an den Bericht eines Freundes vor einigen Wochen. Er wohnt in einem Mietshaus und wurde unlängst von einer anderen Hausbewohnerin herausgeklingelt, da sie im Treppenhaus eine Ratte gesehen habe, die schnell unter einen dort stehenden Putzschrank gehuscht sei. Mein Freund nahm nun an, mit ein wenig Stochern und Rütteln werde das Tier leicht in die Flucht geschlagen. Nichts da: statt dessen musste er den Schrank auf die Seite legen. Spätestens jetzt, da kein dunkler Winkel mehr Zuflucht bot, rechnete er (gleichwohl vorsorglich mit einem Schrubber bewaffnet) fest mit einem schnellen Sprint der Ratte nach draußen; diese jedoch griff böse fauchend den Schrubber an und setzte ihre Attacken auch dann noch schreiend fort, als mein Bekannter sie Stufe für Stufe die Treppe hinunterbeförderte. (Noch beim Erzählen stellten sich ihm buchstäblich die Nackenhaare auf).
Ja, wir leben in der Stadt, und mein Nachbar, der gerne spätabends im Dunkeln mit dem Hund spazierengeht ("wenn du wüsstest, was da durch die Gegend huscht!"), desillusionierte mich schon vor Jahren mit den Worten: "Du kannst sie nicht wegkriegen. Du musst sie nur aus dem Haus halten!"
Trotzdem war ich einmal so unbedarft, im Erdgeschoss nachts die Balkontür offenzulassen. Nach einer Stunde wurde ich durch ein leises Trippeln und Rascheln geweckt. Ein solches Erlebnis wünsche ich nur ganz wenigen Leuten. Das muss eine ganze Monatsdosis Adrenalin freigesetzt haben und hat meine Wahrnehmung übrigens dauerhaft verändert: Statt Müll sehe ich überall nur noch Rattenfutter. Die Überbleibsel nach den Grillorgien im Grünen; die Hinterlassenschaften der Picknicker im Park; die in den Orkus gespülten Essensreste; die Nudeln auf dem Komposthaufen; die mit allerlei Köstlichkeiten gefüllten Biotonnen. Es ist ein Schlaraffenland für diesen miesen Kulturfolger.
(Literaturtipp: Terry Pratchett, The Amazing Maurice and his Educated Rodents, deutsch: Maurice der Kater)
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
nnier | 08. September 2008 | Topic Klar jewesn

Man hat sich an den ganzen Mist wahrscheinlich schon viel zu sehr gewöhnt. Gottschalk verteilt von je her in seiner Samstagabendsendung Gummibärchen und präsentiert Autos, Andrea Kiewel schleichwirbt für Diätprodukte, beim Sportjournalismus ist sowieso Hopfen und Malz verloren, da kann man sich sicherlich fragen, was jetzt die Aufregung soll.
Aber wenn man sieht, wie der Autovermieter in seinem Intranet stolz wie Luzie verkündet:
Wenn es um Platzierungen dieses Themas in den Medien geht, leistet die Unternehmenskommunikation Hilfestellung. Das neue Sendeformat "Die Job-Agenten" des SWR Fernsehens kam in diesem Zusammenhang wie gerufen für eine innovative Personalmarketingmaßnahme.dann kann einem doch wieder schlecht werden.
- Einmal Kaffee ohne Milch, bitte.
- Milch ist gerade aus. Ich kann Ihnen aber einen Kaffee ohne Zucker anbieten.
Link zu diesem Beitrag (5 Kommentare) | Kommentieren [?]
- Eine Bratwurst.
- Gleich mitnehmen oder essen?
- Ja, äh ... essen!
- Gleich mitnehmen oder essen?
- Ja, äh ... essen!
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
nnier | 05. September 2008 | Topic 'umor & more
Robert Gernhardt weilt nicht mehr unter uns - Hans Mentz aber lebt weiter und weist uns den Weg. Zwei diesmonatige Fundstücke aus der unverzichtbaren Humorkritik möchte ich kurz weitergeben.
Über ein Buch, das Anekdoten aus der Welt der amerikanischen Comedians versammelt:
Und über einen "Übersetzungsunfall", der Hans Wollschläger unterlaufen ist:
Über ein Buch, das Anekdoten aus der Welt der amerikanischen Comedians versammelt:
Viele Geschichten stammen aus den frühen Tagen der mittlerweile zu Ruhm Gekommenen, als sie noch für wenig Geld weite Reisen unternahmen, um dann auf der Bühne gnadenlos zu versagen: So etwa Don Adams, der spätere »Get Smart«-Hauptdarsteller, der in den Fünfzigern auf jeden Dollar angewiesen war und deshalb auch für eine Handvoll Dollar weit fuhr, nur um Mae West anzusagen.
Die wiederum bat Adams vor dem Gig zu sich und ließ ihn sein Material vortragen. Anschließend erklärte Wests Agent, Mae West liebe seine Gags, er sei phantastisch, der beste Comedian, den sie je gesehen habe. Aber sie habe einen kleinen Wunsch: Er möge doch bei seinen Witzen stets auf die letzten Zeilen verzichten. Adams, leicht geschockt, erklärte, das seien ja die Punchlines, auf die könne er nicht verzichten, sonst wären seine Witze keine Witze. Nein, beharrte der Agent, West meine, er müsse lernen, daß weniger mehr sei und seine Geschichten so lustig, daß er gut auf ihr Ende verzichten könne.
Adams hatte keine Wahl, trug Witze ohne Pointen vor und erntete tödliche Stille – nicht einmal Zwischen- oder Buhrufe, einfach nur absolutes Schweigen. Als er von der Bühne kam, teilte ihm Mae Wests Agent mit, West denke immer noch, er sei brillant und höchst komisch, aber bei ihr in der Umkleide sei er besser gewesen.
(Kompletter Artikel)
Und über einen "Übersetzungsunfall", der Hans Wollschläger unterlaufen ist:
»Warum aber findet er« – der Wörterbuchbenutzer – »bei ›Masturbation‹ nur das steife masturbation und onanism – und nicht auch das durchaus verbreitete, durch Volkswitzigkeit sogar dem Landesbischof erträglich gemachte fist-fucking? Zweifellos: hier hat das Über-Ich der Bearbeiter ungebeten mitgewirkt, und das hätte, so um 1977, nicht mehr sein müssen.«
Das Über-Ich der Wörterbuchbearbeiter konnte halt einfach besser Englisch als das Ich-Ich-Ich von Hans Wollschläger. Und der Landesbischof griff, jede Wette, zum Erträglichmachen nicht zur Volkswitzigkeit, sondern, wie jeder andere auch, zur Vaseline.
Da wäre man doch gern mal dabeigewesen, wenn es den großen Schriftsteller, Organisten, Übersetzer, Karl-May-Herausgeber etc. nach einer Handentspannung verlangt und er bei einer entsprechenden Dienstleisterin ein fist-fucking geordert hätte. Er hätte sich anschließend nicht nur über den gesalzenen Preis gewundert.
(Kompletter Artikel)
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
... ich verschnauf' ein Weilchen, ich feg' die zweite Hälfte der ersten Platte, ich verschnauf' ein Weilchen ...
So oder so ähnlich erklärt ein wunderbar verschlurfter, sich auf seinen Besen stützender römischer Soldat in einer Asterix-Geschichte seine Tätigkeit. Und hätte doch ein besseres Ergebnis erzielt als der Mensch, dem ich gestern während meines Industrieapfelkuchenessens zuhören und zusehen musste. Da ist ein großer Schulhof, auf dem - es wird Herbst! - etwas Laub herumliegt. Da ist ein Mann mit einer Höllenmaschine, der einen Mordslärm macht, den spielenden Kindern Blätter um die Ohren pustet, sie (die Blätter) nach nicht nachvollziehbaren Kriterien von hier nach da und dann nach dort bläst. Da ist der Wind, der dazwischenfährt und alles wieder verwirbelt. Da ist immer noch der Mann, der irgendwann einfach um die Ecke geht und seine Maschine anderswo röhren lässt. Und da sind die Kinder, die einen fragen, warum Menschen etwas so offensichtlich Sinnloses tun.
So oder so ähnlich erklärt ein wunderbar verschlurfter, sich auf seinen Besen stützender römischer Soldat in einer Asterix-Geschichte seine Tätigkeit. Und hätte doch ein besseres Ergebnis erzielt als der Mensch, dem ich gestern während meines Industrieapfelkuchenessens zuhören und zusehen musste. Da ist ein großer Schulhof, auf dem - es wird Herbst! - etwas Laub herumliegt. Da ist ein Mann mit einer Höllenmaschine, der einen Mordslärm macht, den spielenden Kindern Blätter um die Ohren pustet, sie (die Blätter) nach nicht nachvollziehbaren Kriterien von hier nach da und dann nach dort bläst. Da ist der Wind, der dazwischenfährt und alles wieder verwirbelt. Da ist immer noch der Mann, der irgendwann einfach um die Ecke geht und seine Maschine anderswo röhren lässt. Und da sind die Kinder, die einen fragen, warum Menschen etwas so offensichtlich Sinnloses tun.
Link zu diesem Beitrag (4 Kommentare) | Kommentieren [?]
Was zum Gruseln: Ein Interview mit einem "Mafia-Experten".
Das Organisierte Verbrechen ist seit 1990 weltweit gewachsen und Bündnisse eingegangen, genauso wie Firmen es tun. Und einige Gruppen wie die sehr gefürchteten Tschetschenen erlauben sogar, ihren Namen zu benutzen, um Gegner einzuschüchtern. Sie sind quasi Franchise-Geber wie die Burger-Brater.
[...] man darf auch nicht vergessen, dass diese Banden damals den Aufbau des Kapitalismus überhaupt erst ermöglicht haben. [...] Die Kriminellen haben die Spielregeln festgelegt und dafür gesorgt, dass sie eingehalten wurden. So war es in Russland und auch in der Ukraine. Ohne diese Banden hätte sich der Kapitalismus in Osteuropa nicht so schnell entwickeln können.
Link zu diesem Beitrag (0 Kommentare) | Kommentieren [?]
Ganz verstecktFür dreidreißig gibt's da ein Stück Apfelkuchen und eine Tasse Tee, und man kann, weil man ja ohnehin eine halbe Stunde überbrücken muss, mal in Ruhe Tageszeitungen lesen, was ich ja (zumindest was gedruckte angeht) "zunehmend weniger" tue, und so blätterte ich heute nach längerer Zeit mal wieder in einer taz, die erstaunlicherweise über Frank Zander berichtete. Den man ja durchaus als leichtgewichtigen Blödler in Erinnerung behalten haben kann. Fred Sonnenschein. Da da da ich weiß bescheid du weißt bescheid. Hier kommt Kurt / ohne Helm und ohne Gurt. Ihr persönliches Geburtstagslied handgebrannt. Ja wenn wir alle Englein wären.
Halb verdeckt
Irgendwo
Tief im Wald
Liegt mein Haus und mein Labor
Aber so einfach ist die Sache nicht; denn immerhin hat er mit Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein* und Captain Starlight zwei für das Genre ziemlich originelle Lieder fabriziert. Die taz schreibt:
Frank Zander, 66, kann als "Blödelbarde" abgetan werden. Er kann aber auch als eine Art früher Helge Schneider, ja, als Alice Cooper des deutschen Schlagers angesehen werden.Und vor allem wurde mal in dieser (sowieso unfassbar lustigen) Reportage über das fahrende Schlagervolk folgendes berichtet:
Und heute darf auch Frank Zander endlich ran. Sein Band wird gestartet: "Zanderstruck!" überfordert die nicht eben AC/DC-kundigen Fans zwar, aber der Opener und Zander-Smash-Hit "Hier kommt Kurt" ("Seit der Geburt heiß ich Kurt! Ohne Netz und ohne Gurt") rockt sie dann doch heftig fort. Später gibt sich Zander backstage entspannt: "Ey, 30 Leute, kein Wunder bei den Preisen. 30 Euro? Sollen sie doch bloß fünf oder zehn nehmen, dann ist der Laden halt randvoll mit Idioten, aber dafür ist er voll"; analysiert's und schickt seine Frau, eine Flasche Ketchup zu besorgen, da ihm die Gulaschsuppe, von der ich bereits seit einer Woche lebe, "zu lasch" ist. Ein frischer Schuß Ketchup macht die Suppe dann tatsächlich so frisch und würzig wie die Lieder von [...]"Zanderstruck": Chapeau! Das ist ganz groß.
---
* Das Original aus den frühen 70ern habe ich nicht gefunden; aber eine neue Version - na ja, wer den taz-Artikel liest, weiß bescheid.
Link zu diesem Beitrag (5 Kommentare) | Kommentieren [?]
nnier | 03. September 2008
In der vergangenen Nacht wurde auf blogger.de ein Server-Update durchgeführt. Es ruckelt noch ein wenig, jedoch sollten nun wieder Neuanmeldungen möglich sein, so dass auch Herr W. sich nun registrieren, dann hier kommentieren und hernach endlich sein eigenes Blog aufmachen kann!
[Edit: Wie Herr Olbertz mitteilt, dauert's doch noch ein wenig!]
[Edit: Nun geht es wieder! Herr W., es kann losgehen!]
[Edit: Nun geht es wieder! Herr W., es kann losgehen!]
Link zu diesem Beitrag (4 Kommentare) | Kommentieren [?]
... hier geht's zu den --> älteren Einträgen *
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!
* Ausgereift und gut abgehangen, blättern Sie zurück!