Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Dienstag, 3. Mai 2011
Fa-fa-fa, fa-fa-fa!
nnier | 03. Mai 2011 | Topic Musiq
Ich hätte keine große Lust, der Pressemensch von Paul McCartney zu sein, denn dann müsste ich dauernd so angestrengte Sachen schreiben:
... played to over a quarter of a million people in just five shows last November ... smashed box office records ... fastest ever selling live show ... the world's best loved and most known music ... unrivalled career ... critically acclaimed album ... winning unprecedented reviews ...
Und als wäre das nicht genug, müsste ich mich auch noch in peinlichem Namedropping üben:
... audience members included fans such as Katie Holmes, Dave Grohl, Samuel L Jackson, Quincy Jones, Woody Harrelson, the Jonas Brothers, Kings Of Leon, Kaiser Chiefs, David Walliams, Kanye West, Chris Martin and Gwyneth Paltrow, Tom Hanks, Neil Young, Brian Wilson, John Paul Jones, Jack Nicholson, Steven Tyler, Danny Devito, Jerry Seinfeld, Alec Baldwin, Martha Stewart, Tony Bennett, Ben Stiller, Kevin Bacon, Keith Richards, Ronnie Wood, Steve Coogan, Paul Weller, Frank Skinner, Rob Brydon and Chris Moyles.
Vielleicht funktioniert die Welt ja so, mir fällt allerdings immer noch die Vorstellung schwer, dass das jemand liest und sagt: Boah - sogar die Jonas Brothers* und Chris Moyles* sind zu McCartney ins Konzert gegangen - dann muss der ja eine ganz heiße Nummer sein!

Würden dann die Soloalben McCartney (1970) und McCartney II (1980) klangtechnisch aufpoliert wiederveröffentlicht, dann müsste ich nicht nur umständlich erklären, in welchen Varianten diese erhältlich sind ("McCartney will also be made available as a 2-disc (2 CD) Special Edition featuring the original remastered album plus seven bonus audio tracks [...] For collectors, the reissue will additionally be made available as a lavishly packaged 3 disc (2 CD, 1 DVD) Deluxe Edition which includes an exclusive bonus DVD featuring rare and previously unseen footage, an extraordinary 128-page hard bound book containing many exclusive and unpublished photos by Paul and Linda McCartney, original album artwork, downloadable hi-res audio versions of the remastered album and bonus audio tracks, [...]"), sondern ich müsste aus diesen beiden wirklich netten und zu Unrecht vergessenen Alben gleich wieder Meilensteine der Musikgeschichte machen: "Heralded as one of the most beloved solo debuts of all time, McCartney, the smash # 1 album, originally released April of 1970, yielded the timeless tracks [...]"

Tatsächlich sind ein paar schöne Liedchen auf diesen beiden Heimstudioalben enthalten, vom Debut mag ich z.B. dieses und vom zweiten dieses ausgesprochen gerne. Und genauso tatsächlich ist jede Menge belangloses Geklimper dazwischen, Fingerübungen, Spielereien, die musikalisch nicht tragen. Dabei würde ich es, wäre ich der Pressemensch, dann auch gerne belassen: Das sind zwei Alben, auf denen der Meister mal einfach drauflosgespielt hat, er hat alle Spuren nacheinander selber aufgenommen und die Mikrophone direkt ins Mehrspurtonbandgerät gestöpselt, hört sie euch doch mal wieder an, wir haben klanglich auch so einiges herausholen können. Und wer Paul McCartney ist, wisst ihr ja sowieso. Aber da könnte ich mich dann wieder nicht gegen meinen Chef durchsetzen, der ja auf solchen Superlativkram zu stehen scheint und noch so tut, als seien die Golden Globes irgendwie relevant.

Die beiden Alben rahmen das erste Jahrzehnt nach den Beatles ein wie zwei Buchstützen, und diese schöne Formulierung stammt natürlich nicht von mir, sondern von dem Pressemenschen, der allerdings wieder gezwungen wurde, auch die Musikgeschichte irgendwie mit unterzubringen**, es war ansonsten ja das Wings-Jahrzehnt, allerdings klemmt zwischen der linken Buchstütze und den gesammelten Werken der Wings-Ära gleich zu Beginn noch so ein eher unbekanntes Album, das von den Fans aber sehr geschätzt wird: Ram von 1971, angeblich von Paul & Linda McCartney, und obwohl dieses in einem professionellen Studio mit ebensolchen Musikern aufgenommen wurde, verströmt es einen sehr handgemachten, unschuldigen Charme, z.B. mit diesem wirklich zauberhaften Stückchen.

Nun hat irritierenderweise ein Musiker das komplette Album neu aufgenommen. Ganz alleine (bis auf den weiblichen Hintergrundgesang) und innerhalb von nur vier Wochen. Noch irritierendererweise hat er, Dave Depper sein Name, praktisch nichts verändert - so wie man es von den üblichen Cover- und Tribute-Alben ja inzwischen erwartet - sondern Instrumentierung, Arrangements und Gesang exakt so belassen, wie man sie vom Original kennt.

"Wie langweilig", war mein erster Gedanke, und ich habe mich getäuscht. Denn natürlich ist es seine (nicht besonders tolle) Stimme, die da singt, natürlich klingen auch die Instrumente nicht ganz exakt so wie auf der originalen Platte, und genau das bietet die Chance, diese Stücke neu und frei anzuhören, sie ohne den Ballast des ganzen Spät- und Post-Beatles-Gezickes auf sich wirken zu lassen, ohne das Wissen, was davor war und was danach kommen würde, ohne auch die musikalische Gefahr mitzudenken, in der McCartney in den 70ern beinahe umgekommen wäre, nämlich nur noch polierte und mit Keyboardsoße übergossene Belanglosigkeiten abzuliefern. Und wer hätte es gedacht: Ein Stück wie Dear Boy, bei dessen Linda-Harmonien ich bislang reichlich zwiegespalten war, wird ansatzlos wieder zum Ohrwurm, gerade wegen dieser tollen Harmoniegesänge, und ausdrücklich inklusive des "ftf ftf, ftf ftf!". Sie können sich's hier übrigens kostenlos und legal herunterladen. Und so unangestrengt und entspannt macht das alles doch gleich viel mehr Spaß - oh, jetzt habe ich ganz vergessen zu erwähnen, dass dieses Album ganz viele Wochen auf Platz eins war und übrigens auch die Smash-Hitsingle - ach, nein, das lassen wir heute mal weg, der Chef ist gerade im Urlaub.

Edit: Hier gibt's noch ein wenig mehr über das "Ram Project" lesen, sehe ich gerade.

--
*Nein, ich kenne die auch nicht.
** "The musical achievement of McCartney and McCartney II are noted in the annals of music history as they serve as bookends to the historic first chapter of McCartney's solo career."

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