Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Samstag, 9. Mai 2009
Von den fußbal schpillen
nnier | 09. Mai 2009 | Topic In echt
(Fangen wir mal ganz langsam an; die Überschrift können nur Mitglieder meiner Familie verstehen, also versuchen Sie's gar nicht erst.)

Manchmal waren den Duplos und Hanutas Kleberchen beigepackt. "Botschaftsmarken" zum Beispiel, die hinten gummiert und vorne mit buntem Bildchen und lustigem Spruch bedruckt waren. Oder richtige Aufkleber, die man in kleinen Alben sammelte: Asterix etc.; diese Bildchen waren nummeriert und weckten so nicht nur den Sammeltrieb, sondern vor allem das Begehr, alle Bildchen komplett zu besitzen. Vor großen Turnieren gab es die Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft.

So ein kleines Duplo-Hanuta-Album (ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, dass die drei Produkte Duplo, Hanuta und Nutella etwas gemeinsam haben?) war relativ schnell voll. Zwar musste man scharf kalkulieren und immer wieder entscheiden, ob man -.30 für ein Hanuta mit einem tendenziell schokoladenverschmierten Bild (denn dieses Produktionsproblem bekam man offenbar nicht in den Griff), das sich dafür aber nur in zwei Dimensionen ausdehnte, oder -.35 für ein Duplo mit durch die innere Folie vor Verschmutzungen geschütztem, aber durch die halbrunde Form des Schokoriegels deutlich gewölbtem Klebebildchen investieren wollte; doch standen die beiden Süßigkeiten bei den meisten Kindern so hoch im Kurs und wurden so viel gekauft, dass stets ein Überangebot dieser klebenden Beilagen herrschte, man also eifrig tauschen oder sogar auf Schenkungen durch diejenigen hoffen konnte, die an den Kleberchen nicht interessiert waren.

Am Kiosk gab es nicht nur Süßigkeiten, sondern auch Zeitschriften und Sammelalben. Und ich weiß nicht mehr, woher der Impuls kam - plötzlich musste ich mir das Sammelalbum Fußball Bundesliga 1980/81 kaufen. Ich war damit Vorreiter eines Trends. In der Schule scharten sich die anderen Kinder um mich, sahen sich das Album an und waren begeistert. Nach wenigen Tagen hatten alle Jungen und, wenn ich mich nicht täusche, sogar einige Mädchen so ein Album. Und während in der Anfangszeit noch fast jedes Bild aus den frisch gekauften Tütchen eingeklebt werden konnte, bekam man bald die ersten doppelten und musste tauschen.

Soziale Unterschiede traten unverhüllt zutage: Es gab die Reichen, die täglich mit Unmengen neuer Tütchen in die Schule kamen und sie genussvoll vor den neidischen Nasen ihrer Mitschüler öffneten; die Mittelschicht, die mit ihren 2,50 DM Taschengeld pro Woche nur begrenzt mithalten konnte und zusehen musste, woher sie zusätzliches Geld bekam - bspw. durch das Verkaufen alter Micky-Maus-Hefte; und schließlich die Armen, die täglich mit Unmengen neuer Tütchen in die Schule kamen und sie genussvoll vor den neidischen Nasen ihrer Mitschüler öffneten. Das waren die Kinder mit den teuren Markenturnschuhen. Sie bekamen von der Mutter, dem geschiedenen Vater, dem neuen Lebensgefährten der Mutter sowie den sechs Großeltern offenbar genügend Geld zugesteckt, um sich über Kleinigkeiten wie die tägliche Dose Cola und den Schokoriegel am Kiosk keine Gedanken machen zu müssen, etwas, wovon unsereins mit seiner Schulmilch und seinen Käsebroten nur träumen konnte - aber es hat mir nicht geschadet und ich hätt's auch gar nicht haben wollen und wenn die erst mal alle tot sind mit ihrer erworbenen Diabetes, dann lache ich ganz laut und tanze auf ihren Gräbern!

Es waren die Sommerferien, ich kaufte das Kicker-Sonderheft und studierte aufs Genaueste die Zu- und Abgänge der einzelnen Vereine ("Eigene Jugend"; "Zum VfL Bochum"; "Ende der aktiven Laufbahn"), entnahm die Supertabelle mit allen Vereinswappen zum Selberstecken und plazierte jeden Verein dort, wo ich ihn mir wünschte, den HSV also z.B. auf Platz 18. So tröstete ich mich über die Zeit hinweg, in der ich zwar jeden Groschen, dessen ich habhaft werden konnte, in neue Panini-Tütchen investierte, jedoch immer weniger Bildchen ins Album einkleben konnte, das schon gut gefüllt war, sondern hauptsächlich den Stapel mit den doppelten vergrößerte.

Dem Tag nach den Sommerferien fieberte ich entgegen, konnte in der Nacht davor kaum schlafen und arbeitete meine Strategie aus: Der Stapel mit den doppelten Bildern musste nach Nummern durchsortiert sein, begehrte Bilder wie bspw. die silbernen Vereinswappen oder Rummenigge aber getrennt davon für schnellen Zugriff aufbewahrt werden. Außerdem fertigte ich eine Liste mit allen mir noch fehlenden Bildnummern an, um nicht umständlich das Album durchblättern zu müssen, wenn es um Sekunden ging.

Der entscheidende Punkt meines Plans versetzte meine Familie am nächsten Morgen in Erstaunen: Gegen alle Gewohnheit stand ich freiwillig und eine halbe Stunde früher als üblich auf, beeilte mich und fuhr so früh zur Schule, dass ich dort als erster im Klassenraum ankam. Nun konnte ich allen Mitschülern schon im Treppenhaus entgegenlaufen, Kinder aus anderen Klassen ansprechen und solche Mengen an Bildern eintauschen, dass ich, was die Anzahl der noch fehlenden Bilder bis zum komplett gefüllten Album anging, wieder eindeutig in Führung lag.

Nach diesem Exzess war allerdings auch klar, dass es kaum noch möglich wäre, durch weiteres Tütchenkaufen und Tauschen noch entscheidend voranzukommen. Und da ich nicht über genügend Omas verfügte, die mir zwischendurch fünf Mark zum Verprassen schenkten, und da ich auch nicht mit gestohlenen 50.- Mark zwei ganze Kartons kaufen konnte wie mein unglücklicher Mitschüler, der das mütterliche Portemonnaie geplündert hatte und dem die anderen Säue die ganzen Bilder während des Sportunterrichts gleich wieder aus der Umkleidekabine klauten, sandte ich den Betrag in Briefmarken plus Versandkosten an die Bilderfirma und wartete zwei lange Wochen auf die ersehnte Lieferung. Denn unterdessen schoben sich andere Sammler an mir vorbei auf den führenden Platz, einem fehlten nur noch vier Bilder, und ich tat nach außen so, als interessiere mich das alles gar nicht mehr, "ich sammle nicht mehr", behauptete ich, während ich innerlich zitterte und zu Hause täglich zum Briefkasten rannte.

Als die Bilder schließlich eintrafen, beschlich mich ein ganz seltsames Gefühl. Zwar freute ich mich, sie einkleben zu können - zugleich aber erlebte ich eine so starke Ernüchterung wie selten zuvor. Der Moment, auf den ich seit Monaten zugelebt hatte, der ersehnte Moment, das letzte fehlende Bild einzukleben, war endlich gekommen - und plötzlich fehlte mir etwas. Ich sah mir meinen dicken Stapel mit den doppelten Bildern an und verstand, dass ich diese nun nicht mehr brauchen würde.

Mit einem etwas hohlen Gefühl nahm ich am nächsten Tag das Album mit zur Schule. Betont beiläufig legte ich es auf den Tisch, bis jemand es durchblätterte und rief: "Das ist ja voll!"

Die bewundernde Anerkennung der anderen kühlte allerdings sehr schnell ab, ja, schien sich in ihr Gegenteil zu verwandeln, als ich von meiner Bestellung erzählte. "Das gilt nicht!", meinte einer streng, "es gilt nur mit Sammeln!", und die anderen nickten ernst mit ihren Köpfen.

Die Anerkennung dafür, als erster "mit Sammeln" das Album vollgemacht zu haben, erntete dann ein anderer.

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Freitag, 8. Mai 2009
Vorhin, am Telefon
nnier | 08. Mai 2009 | Topic In echt
Kümmelüm! Kümmelüm!

- Ja, bitte?

- Wen habe ich denn da? Wer ist denn da?

- XY der Name. Wen möchten Sie denn sprechen?

- Die Frau Sch.!

- Da haben Sie sich wohl verwählt. Die gibt es hier nicht.

- Ist denn die Frau Sch. nicht da?

- Wie gesagt, Sie müssen sich verwählt haben - ich kenne keine Frau Sch.!

- Ja, was habe ich denn gewählt? 26 ...

- Sehen Sie, ich habe vorne die 25! Sie haben sich verwählt.

- Aber ich habe doch die 26 gewählt!

- Ich kann's nicht ändern - Sie müssen sich verwählt haben!

- Ich habe mich nicht verwählt! Ich habe 26 ... gewählt!

- Na gut, ich geb's zu. Hier ist Frau Sch. - was gibt's denn?

- [Klick! Tüüüüüüüüüt.]

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Dienstag, 5. Mai 2009
Vla
nnier | 05. Mai 2009 | Topic In echt
Ein Jahr danach war wieder Koninginnedag. Wieder wurde der VW-Bus gechartert und diesmal ein Freund mit der Ausssicht auf eine gar köstliche Speise ("Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut das schmeckt!") dazu verleitet, mitzufahren.

Man hatte ja gelernt. Der gigantische, allen Menschen offenstehende Straßenverkauf wollte sinnvoll genutzt werden - hatte man doch im Vorjahr beobachtet, wie Heineken-Dosen vom Bürgersteig aus für moderate, doch durchaus margenträchtige Preise an die vorbeiströmenden Volksmassen verkauft wurden. Auf dem Weg zur Autobahn wurde deshalb beim Supermarkt LÖB angehalten und 5 * 24 = 120 Dosen Dortmunder Export für knapp 60.- DM erstanden.

In der Stadt mit dem Obelisken angekommmen, musste zunächst das Versprechen hinsichtlich der Köstlichkeit eingelöst werden. "Du hast es versprochen, also los jetzt!"

Im Supermarkt wurden mehrere Packungen Vla erstanden, die ernüchterten Blicke des Reisegefährten geflissentlich ignoriert ("Ist das Joghurt?") und mit den Tetrapacks im Arm der heimatliche VW-Bus angesteuert, in dem man zwei große Glasschalen aus dem Regal nahm und sie mit Dubbel-Vla (Schokolade-Vanille) befüllte. Die interessante Optik der zwei Farben aus einer Packung, die wie eine Frischmilchtüte geformt war, zwei Farben, welche im Zusammenspiel ein appetitanregendes Marmorkuchenmuster ergaben, kombiniert mit dem unwiderstehlichen Duft nach Pudding, sollten ihre Wirkung nicht verfehlen: seine Augen begannen erwartungsfroh zu leuchten. "Nun probier mal!", ermunterte ich ihn und lehnte mich routiniert zurück, um das Schauspiel zu beobachten.

Er nahm einen Esslöffel. Tränen traten in seine Augen, als er mich ansah und fragte: "Ist das ein Traum? Das kann doch nicht echt sein!" - "Doch, teurer Freund, auch wenn man es kaum glauben mag, dies ist real - Holländer haben das jeden Tag!"

Die folgende Orgie ist mir nur unvollständig in Erinnerung; leere Einliterpackungen Dubbel-Vla flogen in unregelmäßigen Abständen aus den Fenstern des Gefährts, und dass ob der genießerischen Laute nicht irgendwann die Sittenpolizei gerufen wurde, ist wohl nur der sprichwörtlichen Toleranz der Amsterdamer zu verdanken, die ja einiges gewohnt sind.

Unterdesssen dämmerte der Abend heran - ein Vermögen wollte verdient werden, da half alles nichts, also raus aus dem Schlaraffenland und ein freies Stück Bürgersteig gesucht. Wohin man die erste 24-er Palette Bierdosen plazierte, sich selbst bediente und auf Kundschaft wartete. Die dann auch in Form eines rheinländischen Pulks erschien: "Geil, Dortmunder! Was nehmt ihr denn für die Dose - ist ja billig! Gib mal fünf!", und so ging es weiter, eine Dose für mich, eine für dich, fünf für die Kunden, die, gerne unter Hinweis auf das "eklige Heineken", begeistert die deutsche Ware kauften.

Je später es wurde, desto aggressiver traten allerdings wieder einmal die jungen, in Orange gewandeten Einheimischen auf. Und als sie dann doch allzu zudringlich wurden und ihre Pöbeleien langsam physische Gestalt anzunehmen drohten, beschloss man, den Verkauf nun einzustellen. Den Einkaufspreis hatte man ja längst wieder raus und als verbleibenden Gewinn noch knapp zwei Paletten Bier - man konnte also zufrieden sein, sich am nächsten Tag die Stadt noch ein wenig ansehen und ein paar Liter Vla verdrücken, bevor es zurück nach Deutschland ging.

"Hier ist das ungefähr gewesen, letztes Jahr, als ich ohne Benzin liegenblieb", sagte ich gerade, da mir das Autobahnstück so bekannt vorkam, als das Auto plötzlich langsamer wurde, der Druck aufs Gaspedal nichts mehr bewirkte und ich routiniert auf die Standspur rollte. Ein Blick auf die Tankanzeige verriet, dass das diesmal nicht das Problem war - was nun? Zwei junge Männer ohne jede Ahnung von Autos öffneten die Motorraumklappe am Heck, zuckten die Schultern und sahen sich gegenseitig reichlich ratlos an, als ein Autotransporter vor ihnen hielt.

"Was habt ihr denn", fragte der Fahrer, untersuchte den Motor und stellte fest: Der Sowieso-Kontakt ist gebrochen. Pech, da kann man nichts reparieren. Müssst ihr euch wohl in die Werkstatt schleppen lassen!

Während er zu seinem LKW zurücklief, nahm ein amorpher Gedankenklumpen in meinem Kopf ganz langsam Gestalt an: Der Mann kennt sich mit Autos aus. Wir haben einen VW-Bus. Der Mann hat einen Autotransporter. Auf dem Transporter ist ein Auto. Was ist das denn für ein Auto. Das ist ein alter VW-Käfer. Da war doch was mit den Motoren. Das sind doch irgendwie die gleichen. Oder?

"Haaaalt!", rief ich, winkte mit beiden Armen, lief zum Führerhaus und unterbreitete dem Fahrer meine wilde Theorie. Er sah mich an: "Na klar! Ist doch ganz einfach!", baute das Teil aus dem Käfer aus und in den VW-Bus ein, während wir fassungslos über unser Glück danebenstanden und dann zur Kontrolle den Motor starteten. Alles funktionierte! "Ich muss dann weiter!", rief der Mann. "Moment!", riefen wir und fragten, was er denn als Bezahlung wolle. "Ach, lasst mal", grinste der gute Mensch, "ihr habt doch auch nichts!", doch da hatte er sich getäuscht.

Mit einer Palette Dortmunder Export auf dem Beifahrersitz fuhr er schließlich seiner Wege. Das Bier war allerdings ungekühlt. Denn der kleine Kühlschrank im VW-Bus war randvoll mit Dubbel-Vla.

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Dienstag, 28. April 2009
Nachts erschien der Alp im Traum
nnier | 28. April 2009 | Topic In echt
Ich erinnere mich an eine Folge von Manni, der Libero, in der eine übereifrige Mutter die Trikots und Hosen der ehrgeizigen Jungfußballer nicht nur gewaschen, sondern auch akkurat gebügelt hat.



Das aufstrebende Team kommt vor Scham fast um, als es mit Bügelfalten in den Sporthosen auf den Platz tritt und dort vom Gegner verhöhnt wird.

Ich musste daran denken, als man am vergangenen Wochenende vom Auswärtsspiel nicht nur ein 0:8 eine ehrenvolle Niederlage, sondern auch einen Berg gebrauchter Fußballkleidung nach Hause brachte.



Dass ich die bügeln würde, musste niemand befürchten. Ich verbrachte allerdings eine unruhige Nacht, bis ich aus einem Traum hochschreckte, in dem der Persilmann und Clementine mich hämisch angrinsten: "Du hast weiße Trikots mit violetten Hosen und ebensolchen Stutzen in die Trommel geschoben - müssen wir mehr sagen?"



Von Schreckensvisionen gepeinigt wälzte ich mich für den Rest der Nacht hin und her und eilte, kaum dass der Morgen graute, in den Keller, um zaghaft das Bullauge zu öffnen und durch die vorgehaltenen Hande einen Blick auf die Bescherung ...



Man muss auch mal Glück haben. Morgen ist das nächste Spiel. (Jetzt nur nicht die Sachen hier vergessen!)

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Sonntag, 26. April 2009
Morgentau
nnier | 26. April 2009 | Topic In echt
Waschverfahren, bei dem 80 bis 100 fertige Jeans zusammen mit rauhen Steinen in großen Waschtrommeln behandelt werden.
Es gab diese Zeit. Sie war nicht lang, aber es gab sie. Ich trug stonewashed.

Einige Jahre davor, die Streifenhosen - das habe ich mich nicht getraut. Lieber unauffällig bleiben mit den ewigblauen Röhrenjeans! Und noch früher, die Jeans mit den weißen Nähten (gesteigert: mit extra aufgesetzten, schmalen, weißen Stoffstreifen auf den Nähten), die sind an mir noch vorbeigegangen. Ein Mitschüler trug die Sachen seines älteren Bruders auf. Ich hätte nicht mit ihm tauschen mögen, denn weiße Nähte oder gar weiße Stoffstreifen, die extra aufgesetzt sind, die konnte man nur in einem schmalen Zeitkorridor tragen. Zwei Jahre später waren sie ein Stigma. (Gibt es das schon als Modelabel? Stigma? Ich kriege da gerade eine Idee!)

Ich bin mir nicht sicher, ob es damals schon so schlimm war mit der Ausgrenzung durch Kleidung. Aber das Thema existierte. Auch bei uns, an der oh-so-sozialen Gesamtschule, war es extrem wichtig, sich "richtig" zu kleiden, und damit meine ich nicht nur die korrekte Friedensbewegungsausstattung mit Jutetasche, besticktem Kittel und Ökoschuhen, und auch nicht die Abgrenzungskleidung, mit der man kundtut, Teil einer Jugendbewegung zu sein (damals i.W. Punk, Popper). Sondern ich spreche von den ganz normalen Kindern, die selbstverständlich sehr genau registrierten, wer wieviele Streifen auf dem Turnschuh, wer das rechte Fähnlein an der Gesäßtasche der Jeans hatte oder eben nicht hatte. Und neben den Marken spielten natürlich auch Modezyklen eine große Rolle, plötzlich gab's knallbunte Bundfaltenhosen (traute ich mich nicht), hohe Basketballschuhe mit einem Stern (durfte ich haben), und irgendwann dann plötzlich die unregelmäßig gebleichten stonewashed-Jeans, die ich damals wirklich cool fand und kaufte.

Ich ergänzte meine Garderobe durch eine Jeansjacke, die ebenfalls stonewashed war. Und somit übrigens auf eine Weise behandelt, die bei außerirdischen Beobachtern wieder einmal das Äquivalent eines Runzelns auf ihrem Äquivalent einer Stirn hervorgerufen haben dürfte: Die komischen Primaten da, erzählen sich dann Andorianer und Zylonen beim Drink, die färben Stoffe, stellen daraus Kleidung her - und legen die Kleidung dann in ätzenden Kloreiniger! Da können sie sie ja gleich sandstrahlen, ha ha!

Oper ist eine Gelegenheit, den Smoking auszuführen. Und Marius ist die Gelegenheit, die Stonewashed-Kombi auszuführen. Ich war nie ein Fan, aber schon damals wurde man schräg angesehen, wenn man bei den ersten Takten von Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz auf Feten nicht in Begeisterung ausbrach. Und wenn dann Westernhagen und Nina Hagen und Roger Chapman (glaube ich) und Rory Gallagher (kannte ich schon damals nicht) die kleine Universitätsstadt beehrten, im Jahnstadion auftraten, dann dachte man schon darüber nach, mal hinzugehen. Auch ohne Geld. Denn, überlegte man weiter, jetzt mal ernsthaft: Geld bezahlen? Tsss! Wir wissen doch, wie's geht!

Tatsächlich war es in all den Jahren kein Problem gewesen, die Heimspiele des 1. SC Göttingen 05 auch ohne gültige Eintrittskarte zu besuchen. Das Stadion war überdimensioniert, ein paar hundert Zuschauer verloren sich darin, es gab einen weitläufigen Zaun, dies- und jenseits an vielen Stellen von Bäumen gut blickgeschützt, so dass man mit Räuberleiter und einem beherzten Sprung unbehelligt das Stadioninnere erreichen und sich dann diskret unter die Zuschauer mischen konnte.

Außerdem wollten wir das Konzert erst gegen Ende besuchen, wenn es schon längst dunkel wäre - was also sollte das Problem sein!

Das Problem waren die vielen Security-Mitarbeiter, die alle hundert Meter postiert waren, das Problem waren die aggressiv bellenden Hunde, die sie mit sich führten, und das Problem waren die sehr hellen Scheinwerfer, die man am Zaun montiert hatte. Wir spazierten also äußerst unauffällig (Hände in den Taschen! Pfeifen! In die Luft gucken!) ums Stadion, schätzten die Lage als kritisch, doch nicht ausweglos ein und guckten uns schließlich eine Stelle aus, an der wir es trotzdem wagen wollten. Hier gab es besonders viele Bäume, dichtes Unterholz, und auf der anderen Seite, im Innern des Stadions, ging es ein gutes Stück zwischen dichten Büschen bergauf. Das sollte zu schaffen sein!

"Nimm mich mit / zeige mir den Weheg", sang Westernhagen gerade, als wir uns ein Herz fassten, den Zaun überwanden, wütende Schreie eines außen (puh!) entlangpatrouillierenden Sicherheitsdienstlers und Hundegebell hörten, wie von Sinnen durch den dichten Bewuchs rannten, uns den Hügel hinaufkämpften, durch die Büsche schlugen, die nassen Zweige ins Gesicht bekamen, fast oben waren, ständig wieder nasse Zweige zur Seite bogen und endlich Menschen sahen. Viele Menschen. Sie standen, obgleich das Konzertgeschehen hinter ihnen stattfand, uns zugewandt und sahen direkt in unsere zerschundenen, nassglänzenden Gesichter.

Hatte ich eigentlich erwähnt, dass es ein richtig trockener Sommer war? Ich frage nur. Also der nassen Zweige wegen. Richtig nass waren die! Und es hatte seit Tagen nicht geregnet!

Die Menschen sahen uns an. Sie grinsten blöd. Sehr blöd. Ausschließlich Männer, übrigens.

Wir starrten uns an, sahen auf unsere nassen Hände, suchten verzweifelt, aber erfolglos rauhe Steine und eine große Waschtrommel. Dann liefen wir ins Publikum und lauschten Marius.

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Donnerstag, 23. April 2009
Versiegelt
nnier | 23. April 2009 | Topic In echt
Es ist möglicherweise Zeit für ein offenes Wort.



Nachdem ich den Ausstieg aus der Galeere gerade noch geschafft und mich ans Ufer gerettet habe, verfüge ich zwar über deutlich mehr Tagesfreizeit.



Aber, auch wenn ich bisher noch keinen Nervenzusammenbruch oder wenigstens eine Gallenoperation vorzuweisen habe, ich muss mich doch ein wenig meiner Restauration widmen.



Es ist ja nicht nur das Knie.



Es ist vor allem diese abgrundtiefe Müdigkeit.

Und so werde ich noch eine Zeitlang mehr radeln - und weniger bloggen.



Heute habe ich mir schon mal meine Einlagen versiegeln lassen.

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Montag, 20. April 2009
Hiep Hiep (twee)
nnier | 20. April 2009 | Topic In echt
(Fortsetzung)

"Hier ist Deutschland! Hier wird mit D-Mark bezahlt!"

Einerseits faktenorientiert und durchaus wahrheitsgetreu, war die Antwort des Kassierers an jener Autobahntankstelle, die ich mit den fünf Litern aus dem ADAC-Kanister knapp erreicht hatte, andererseits doch niederschmetternd. Mein Wedeln mit Guldenscheinen, meine wortreichen Erklärungen, dass der Wechselkurs doch festgeschrieben sei und ich selbstredend einen ordentlichen Aufschlag zu zahlen bereit etc., all dies wurde mit einem Achselzucken quittiert, so dass ich mich erst ein Weilchen in den Schatten setzte und dann noch einmal das Automobil aufs Gründlichste durchsuchte. Irgendwo musste doch mal ein Markstück hinter den Sitz gefallen, eine Münze ins Handschuhfach gerutscht sein? Oder gab es evtl. sogar einen geheimen Notgroschen?

Während ich schwitzend und mit rotem Kopf, auch ein Sonnenstich schien sich anzudeuten, Matratzen anhob und Schrankböden herausnahm, wurde ich von einem Menschen, für den die Bezeichnung Tippelbruder hätte erfunden werden müssen, freundlich angesprochen: Ob ich, wie mein Kennzeichen nahelege, nach Göttingen führe? Dann könne ich ihn ja sehr gut bis Kassel mitnehmen! Schon hatte er seine fleckige, große Tasche durch die offene Seitentür ins Auto geworfen.

Obschon dem Anhaltertum generell nicht abgeneigt, war meine Reaktion diesmal wenig enthusiastisch. Ja, eigentlich sei das kein Problem, erklärte ich, allerdings hätte ich Kopfschmerzen und übrigens kein Benzin und kaum Geld (einen geringen, einstelligen D-Mark-Betrag hatte ich inzwischen zusammengeklaubt). "Ich habe noch drei Mark sechzig, die will ich dir gern geben!", sprach der selbsternannte Fahrgast, wodurch ich mich summa summarum in die Lage versetzt sah, die Tanknadel um ein bis zwei Millimeter nach oben zu bewegen und mutig die nächste Etappe anzutreten.

Langsam und gleichmäßig fuhr ich, um jeden Tropfen Benzin bestmöglich zu nutzen, während der Passagier mir aus seinem Leben erzählte. Er sei Koch, meinte er, habe aber schon länger keine Arbeit und schlage sich "so durch". Als Kind einer armen Familie mit vielen hungrigen Mündern sei das Essen für ihn immer zu knapp gewesen, so dass sein Berufswunsch früh festgestanden habe. "In der Küche gibt es immer was zu essen" - das waren seine vorerst letzten Worte, bevor er schlagartig einschlief und laut zu schnarchen begann.

Mein dehydrierter Kopf fand das alles anstrengend. Ich fuhr ängstlich auf der rechten Spur, malte mir aus, wie es wohl wäre, noch einmal liegenzubleiben, diesmal mit dem Fahrgast, der mir trotz allem nicht ganz geheuer war, außerdem hatte man mich ja gewarnt: Spritmangel auf der Autobahn ist bei Strafe verboten!

Die Tanknadel lag wieder in Ruhestellung und die Stadt Kassel vor mir. Ich fasste einen Entschluss: Bis Göttingen käme ich auf keinen Fall, also runter von der Autobahn, den Fahrgast absetzen und dann zu Oma und Opa fahren. Ja - die wohnten in der Umgebung dieser nordhessischen Metropole! Und mit Glück würde ich den steilen Berg hinauf noch schaffen, andernfalls eben mit dem Fahrrad hinfahren und um Beistand in Form eines Kanisters Benzin bitten.

Es war nicht leicht, den Schnarcher aufzuwecken, der mich desorientiert ansah und mir dann erklärte, er habe Diabetes und falle manchmal abrupt in so einen Tiefschlaf. Dann dankte er mir fürs Mitnehmen, stieg aus, ich atmete auf und fuhr weiter. Zunächst versuchte ich einen weiteren Tankwart davon zu überzeugen, mir doch bitte wenigstens für zehn Mark, und ich könne auch meinen Ausweis als Pfand dalassen usw., hätte mir das aber selbstverständlich sparen können. Nun, es war inzwischen früher Abend, musste nur noch die Strecke zu den Großeltern gefunden und bewältigt werden, die sich zwar bestimmt wundern, vor allem aber freuen würden, wenn ich käme, ich würde dort in Ruhe etwas trinken, mich frisch machen, ein wenig ausruhen, vielleicht gar übernachten, denn so richtig frisch fühlte ich mich nicht mehr.

Das letzte, besonders steile Stück fuhr ich mit dem sicheren Gefühl, nun müsse der Sprit aber wirklich aufgebraucht sein. Verhaltensforscher mögen bitte einmal herausfinden, welchen evolutionären Vorteil in einer solchen Situation das In-den-Nacken-Ziehen des Kopfes bietet, speziell auf Bahngleisen etc., ich jedenfalls sah darin überhaupt keinen Sinn und tat es doch. Rätsel Darwin.

Entgegen allen physikalischen Gesetzen wurde auch dann noch, als ich in die kleine Straße einbog, die mein vorläufiges Ziel war, ein Luft-Benzin-Gemisch ausreichender Menge und Güte produziert, um die Kolben des Boxermotors (als würde ich mich mit sowas auskennen!) in ihre Auf- und Abwärtsbewegung zu zwingen, die ja erst in eine Drehbewegung umgewandelt werden muss. All das spielte in meinen Gedanken zu dem Zeitpunkt jedoch kaum eine Rolle, ich gierte nach Wasser und Kühle und Ruhe - und bald, gar bald wäre ich endlich erlöst. Erwartungsfroh ging ich zur Tür, klingelte, freute mich auf die erstaunten Gesichter, klingelte noch einmal, legte mir die erklärenden Worte ("ich muss erst mal dringend ins Bad!") schon zurecht, klingelte wieder. Sie waren nicht da.

Bis dahin hatte ich mir nicht vorstellen können, dass meine Großeltern mal "nicht da" wären. Gut, auch sie hatten von Urlauben und Unternehmungen berichtet, aber immer, wenn ich mit meinen Eltern hingefahren war, waren sie dagewesen, mein ganzes Leben lang, und die bis dahin rein abstrakte Möglichkeit, dass sie einmal nicht zu Hause sein könnten, wurde erst an diesem Tag zu einem akzeptierten Bestandteil meines Weltbildes.

Das Grundstück, auf dem ihr Haus steht, hat einen großen, abschüssigen Garten, von dem aus man den Kasseler Herkules, jedenfalls bei klarer Sicht, mit bloßem Auge gut erkennen kann. Es ist ein schöner Garten, der immer auch zum Anbau von Obst und Gemüse gedient hat: Rhabarber, schwarze und rote Johannisbeeren, Sommeräpfel, Süß- und Sauerkirschen, Stachelbeeren, Erdbeeren, Mirabellen - ich habe mich immer daran gefreut, alleine an diesem Tag wollte mir das nicht uneingeschränkt gelingen. Die Sonne ging unter, ich wusste nicht, wo sie waren, hatte nicht einmal zwanzig Pfennig, um aus einer Telefonzelle heraus jemanden anrufen zu können - schließlich hatte ich sämtliches Geld in Benzin investiert. Warten wollte ich nicht, denn es wurde bei Sonnenuntergang plötzlich empfindlich kühl - und wenn die Großeltern länger weg wären, im Urlaub etwa?

Na ja, und dann bin ich die 52 km nach Hause über die Kasseler Berge eben mit dem Fahrrad gefahren.

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Hiep hiep
nnier | 19. April 2009 | Topic In echt
Als Jüngling lieh ich mir gelegentlich den elterlichen VW-Bus, um damit Ausflüge zu unternehmen. Gar praktisch war das Wägelchen eingerichtet und ausgestattet: Man konnte darin kochen, hatte eine Spüle und fließendes Wasser sowie eine bequeme Schlafgelegenheit.



Als ich ankündigte, nach Amsterdam fahren zu wollen, wurde ich von den Freunden vielsagend angegrinst. Aber nicht in die Koffieshops zog es mich, nein, ich hatte das Städtchen zuvor schon einmal besucht und fand es gar zauberhaft. Nichts anderes als ein paar freie Tage dort verbringen wollte ich, herumspazieren oder -fahren, die Gegend erkunden, Flohmärkte besuchen und in den tollen "Half-Price"-Buchläden nach Beatlesbüchern stöbern. Da das Gefährt auch über einen Fahrradhalter verfügte, befestigte ich meinen grauen Raleigh-Rennflitzer darauf - ja, den mit den elliptischen Rohren aus kalt gezogenem Stahl, und fuhr frohgemut los. (Das Zweirad hatte ich für einen äußerst günstigen Preis gebraucht erstanden, und erst heute weiß ich, welchen Kultstatus diese Dinger haben.)



Es war Anfang Mai. Ich hatte auf Straßenkarten verzichtet, da Holland ja ein kleines Land ist und ich sicher war, auf den dortigen Autobahnen bald Schilder zu entdecken, die mir den Weg in die Grachtenstadt weisen würden. Gulden genug hatte ich eingetauscht, der Tank war voll, irgendwann ließ ich Krefeld hinter mir und überfuhr die Grenze.



Das mit den Schildern war allerdings nicht ganz so, wie ich mir vorgestellt hatte. Auch nach stundenlanger Fahrt kein "Amsterdam", und als geographische Vollniete konnte ich mich an den anderen Orten auch nicht orientieren. Den Haag? Den Helder? Utrecht? Rotterdam? Ja, was weiß ich denn! Nun, der Tank war ohnehin fast leer, ich fuhr eine Tankstelle an, ließ ein Vermögen dort und fragte nach dem Weg. Abends erreichte ich dann endlich die Stadt, steuerte das Rijksmuseum an, parkte gegenüber, fuhr mit dem Fahrrad herum, trank Kaffee, ging schlafen.



Auch den nächsten Vormittag verbrachte ich mit Radeln, kaufte eine Lederjacke und diese tollen Socken mit Comicmotiven auf dem Flohmarkt, während sich die Straßen mehr und mehr zu füllen begannen. Wahre Menschenmassen waren unterwegs, überall wurden Dinge verkauft, Essen, Trinken, Kleidung, und immer mehr orangefarbene T-Shirts waren zu sehen. Es war ein riesiges Volksfest - das Königinnenfest, wie ich später erfuhr, abgehalten zu Ehren der Beatrix, die zwar Ende Januar Geburtstag hat, aber da ist das Wetter nicht so schön. Nun, im Frühling, bei bestem Wetter, ließ sich ausgelassen feiern und ich mich treiben. Zugleich war die ganze Stadt ein Flohmarkt, irgendwann erstand ich ein weißes T-Shirt mit dem orangefarbenen Konterfei der Königin und der Aufschrift "Hiep Hiep".



Nach zwei Tagen inmitten dieser ausgelassenen Feierei trat ich an einem heißen Vormittag den Rückweg an, tauschte meine letzten D-Mark-Scheine bei einer Wechselstube in Gulden um, um noch einmal volltanken zu können, fuhr stundenlang durch Holland, kam irgendwann zufällig an die Grenze und war ernsthaft froh, das deutsche Vaterland doch noch wiedergefunden zu haben. Nicht lange darauf machte ein Blick auf die Tankanzeige meine Freude zunichte. Ich fuhr auf Reserve. Und hatte das Tanken in Holland vergesssen. Spritsparend tuckerte ich mit 90 weiter, immer hoffend, noch eine Tankstelle zu erreichen, doch irgendwann war Schluss und ich ließ den Wagen auf dem Standstreifen ausrollen.



Nachdem ich das Warndreieck aufgestellt hatte, lief ich zu einer der orangefarbenen Sprechsäulen, erklärte meine Lage und man versprach mir, jemanden zu schicken. Auf dem Rückweg zum Auto geriet ich ins Schwitzen, denn es war ungewöhnlich heiß. Dann wartete ich. Und wartete.



Ohne Schatten und mit einem kläglichen Rest Wasser im Kanister vergingen die Stunden eher quälend. Mir schien es mit der Zeit, als schmelze der Asphalt, und weder der vollkommen aufgeheizte VW-Bus noch die pralle Sonne draußen taten auf die Dauer besonders gut.



Als der ADAC-Mann endlich kam, es waren gut vier Stunden vergangen, begrüßte er mich mit den Worten: "Warum haben Sie denn vorhin kein Zeichen mit der Lichthupe gegeben! Ich war doch direkt vor Ihnen, als Sie auf den Standstreifen gefahren sind!" und klärte mich dann darüber auf, dass ich "Glück gehabt" hätte, da man von der Polizei empfindlich bestraft werde, wenn man wegen Spritmangels auf der Autobahn liegen bleibe. Dann befüllte er den Tank aus einem Fünfliterkanister, ich musste bar bezahlen und suchte Handschuhfach, Klappen und Behälter erfolglos nach D-Mark ab, bis ich den Gelben Engel dazu überreden konnte, Gulden zu nehmen, die ich ja noch reichlich hatte. Halbwegs erleichtert fuhr ich weiter, um erst einmal eine Tankstelle aufzusuchen und dann weiterzusehen.

(To be contd.)

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Freitag, 17. April 2009
Leben in der Großstadt
nnier | 17. April 2009 | Topic In echt



Sogleich
schwang ich mich aufs Fahrrad, prächtiger Sonnenschein ließ die frühlingshaften Farben aufs Schönste zur Geltung kommen, und steuerte mal wieder einen Stadtteil an, den man kaum so nennen mag. Vorbei an Autoverwertern und Tierheim, auch die MVA lässt man bald hinter sich, und schon kurz nach Unterquerung der Autobahn zeigt sich ein immer ländlicher werdendes Idyll. Längs eines kilometerlangen Wassergrabens erstreckt sich eine Kleingartenkolonie, die ersten Gärten haben akustisch noch ordentlich etwas von der Autobahn, so wie auch die vereinzelten Wohnhäuser auf großen Grundstücken, an deren Begrenzungen grundsätzlich vor dem "freilaufenden Hund" gewarnt wird. Es ist eine merkwürdige Welt, in der man nicht immer ganz genau zu unterscheiden vermag, was Gewerbe- und was Wohnbebauung ist; die wunderschönen Hügel, die ganz unvermutet das ansonsten flache Landschaftsbild bereichern und über die ich mich als Neubremer mal schwer begeistert äußerte, sind zwar, wie ich dann erfuhr, künstlich ("Ach - die Mülldeponie meinst du!"), allerdings sind darauf immer ein paar Bagger unterwegs, um eine neue Schicht Erde zu verteilen.




Mitten am Vormittag passiert man Kleingarten nach Kleingarten (in Bremen nennt man sie übrigens "Parzellen"), einzeln nacheinander wie an einer Perlenschnur aufgereiht längs der Kleinen Wümme; mancher hat seinen Bootsanleger direkt am Garten, man möchte einsteigen und losfahren.




Rechts liegen quadratkilometerweise Felder brach, oder sind es Weiden? Riesige, leere Wiesen, so weit das Auge reicht. Und während die Vögel fröhlich zwitschern, sieht man vereinzelte Laubenbewohner in bequemer Freizeitkleidung ihr Frühstück einnehmen, Thermoskannen auf dem Tisch, draußen an der frischen Luft. Man ist gerade mal ein paar Kilometer von der Innenstadt entfernt - und doch weit, weit weg von allem.


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Handlungsaufforderung
nnier | 17. April 2009 | Topic In echt
"Was Sie da haben, ist lästig, aber nicht schlimm", sagte der freundliche Orthopäde. Und klärte mich über den Zustand meiner Kniescheibe, dessen Ursache sowie die angezeigte Therapie auf. Die Verordnung lautet: Eine Stunde Fahrradfahren, täglich, drei Wochen lang. ("Schonen? Wenn Sie Ihr Knie kaputtmachen wollen, dann lassen Sie es eingipsen! Oder machen Sie Kniebeugen mit Gewicht auf dem Rücken. Beides wäre ganz falsch!")

Ich war zuvor einer anderen orthopädischen Praxis weit über ein Jahrzehnt lang trotz mancher Zweifel in fatalistischer Treue verbunden, bis ein allzu brutales, langandauerndes Halswirbeleinrenken, von Kasernenhoftönen begleitet ("Was stöhnen Sie denn so herum!" - "Weil's so schön ist!"), hernach war ich übrigens eine Woche lang praktisch bewegungsunfähig, mich endgültig dazu brachte, mir etwas Neues zu suchen. Und verglichen mit seinen Vorgängern, die gerne mal zwei oder drei Patienten gleichzeitig behandelten und einem beim Reden nicht in die Augen sahen, sondern auf Bildschirme mit den Befunden anderer Patienten starrten, ist mir dieser Arzt von Anfang an sympathisch. Er fragt, hört zu, drückt sich verständlich aus und wirkt umfassend gebildet; so erzählte er mir heute von einem schweizer Bergvolk, dessen Bewohner - aufgrund ewiger Inzucht - "alle die gleiche Kniescheibe" gehabt hätten, und von denen es ein altes Foto gebe, auf dem man sie allesamt mit keilförmigen Unterbauten unter dem Schuhwerk sehe. So glichen sie das Gefälle beim Bergabgehen, welches im übrigen das Problem sei, aus und verhinderten die übermäßige Belastung jener wohl etwas speziellen Kniescheiben, welchen meine, obgleich ich von etwaigen schweizer Inzuchtsvorfahren nichts weiß, offenbar ähneln.

Erleichtert nahm ich also zur Kenntnis, dass es noch keine Verschleißerscheinungen oder andere Todesboten sind, die mich in den letzten Tagen so belästigen. Drei Wochen Fahrradfahren - bitte, gerne, bei dem Wetter!

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