Nun gibt es ja diese ganz verschiedenen Ausführungen der Drückdinger an Fußgänger- und Radfahrerampeln. Gelb sind sie fast alle, dann geht's aber auch schon los: Manche sind gar keine Drückdinger, sondern hängen nur so da rum, man weiß nicht, ob sie akustische Signale von sich geben sollen, ich kenne da so ein Knacken und so ein Summen und so ein Piepen, oder ob sie nur auf Vorrat angebracht wurden, for future use. Dann gibt es diese richtig tollen, die einen spürbaren Druckpunkt haben, man merkt also: Diesen Knopf habe ich betätigt, nun muss ich nur noch warten. Weiterhin diverse Modelle mit optischem Feedback - ein rotes Lämpchen blinkt, ein Schriftzug ("Signal kommt!") erscheint, auch diese vermitteln das beruhigende Gefühl, dass man seinen Teil getan hat und jetzt nur noch warten muss. Und es gibt die Variante ohne jede Rückmeldung, kein Klicken, kein Wippen, kein Blinken, nichts - diese Ausführung trifft man am häufigsten an, und es sind die Momente, in denen der rational-aufgeklärte Mensch hinter den abergläubischen zurücktritt, ja treten muss: Man muss an die Beseeltheit der Dinge glauben und ganz fest überzeugt sein, dass eine Berührung dieses magischen Gegenstandes die Zukunft zu beeinflussen vermag - habe ich, so zweifelt man doch gelegentlich, nun durch mein Handauflegen vor zwei Minuten die Ampel zum Umspringen verleitet oder wäre dies ohnehin der Gang der Dinge gewesen? Hat die göttliche Instanz überhaupt Notiz genommen von meinem stummen Appell oder walten hier ganz andere, von mir nicht zu beeinflussende Kräfte? Dreht sich das Räderwerk ganz ohne mein Zutun, ja, ohne von mir überhaupt Notiz zu nehmen, stur weiter - oder trägt mein geringer Impuls, der Schlag meines Schmetterlingsflügels, mein Pinkeln in die Niagarafälle irgendetwas zum Weltgeschehen bei?
Zur Arbeit kann ich zwei Wege nehmen, einen schöneren und einen kürzeren, und beim schöneren stehe ich minutenlang vor dieser Ampel, die einfach nicht reagiert, nicht auf Handauflegen und nicht auf Faustschläge, so denkt zumindest der unerfahrene Mensch, ich aber weiß: Man muss drücken. Und man muss lange warten. Drückt man nämlich nicht, muss man noch länger warten. Es kann sich niemand vorstellen, aber es ist so - man muss sich in Geduld üben und kann trotzdem Einfluss nehmen. Begrenzten, vermittelten Einfluss - solches sind wohl die Frustrationen, die der moderne Mensch in der modernen Parteiendemokratie aushalten muss.
Beim kürzeren Weg muss ich über eine Ampel, an der immer, und ich meine: immer, ein ganzer Pulk Menschen wartet. Auf beiden Seiten der Straße. Ich sehe die resignierten Gesichter, ich sehe die scharrenden Füße, ich höre die Flüche und das ungläubige, heisere Lachen, wenn die Fußgängerampel einfach nicht grün werden will - und ich sehe das gelbe Drückding, über dem die rote Schrift nicht blinkt, es ist mir ein Rätsel, täglich aufs Neue, und ich trete gemütlich heran und drücke ganz einfach drauf und es blinkt kurz und die Ampel wird grün. Die Leute hetzen los, erleichtert aufatmend, und keiner von ihnen hat je gedrückt und keiner von ihnen hat mich je bemerkt, sie alle starren ja nur verzweifelt auf die immerrote Ampel, und niemand weiß von meinem magischen Finger.
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vert,
Montag, 11. April 2011, 16:49
eine schöne sammlung!
und jetzt sagen sie mir als experte mal: so einige von den touchomaten haben an der unterseite noch einen weiteren knopf und werden so auch zu pressomaten. man erklärte mir das mal als möglichkeit für menschen mit seh-, geh- und irgendwie anderen behinderungen zur beschleunigten abfolge der ampelsequenzen. gerne wollte ich das glauben und verschaffe mir so auch heute noch einen vorteil von wenigen millisekunden im täglichen stadtgehampel - aber immer mit dem schlechtem gewissen mir etwas angeeignet zu haben, das mir nicht zusteht.
irgendwann wird irgendjemand diese sekunden mal zurück verlangen...
"bitte berühren" - wer hätte das nicht gerne auf seinem t-shirt? oder gar "berühre" - da geht es ohne umschweife gleich zur sache. aber so ist das wohl im modernen verkehr.
und jetzt sagen sie mir als experte mal: so einige von den touchomaten haben an der unterseite noch einen weiteren knopf und werden so auch zu pressomaten. man erklärte mir das mal als möglichkeit für menschen mit seh-, geh- und irgendwie anderen behinderungen zur beschleunigten abfolge der ampelsequenzen. gerne wollte ich das glauben und verschaffe mir so auch heute noch einen vorteil von wenigen millisekunden im täglichen stadtgehampel - aber immer mit dem schlechtem gewissen mir etwas angeeignet zu haben, das mir nicht zusteht.
irgendwann wird irgendjemand diese sekunden mal zurück verlangen...
"bitte berühren" - wer hätte das nicht gerne auf seinem t-shirt? oder gar "berühre" - da geht es ohne umschweife gleich zur sache. aber so ist das wohl im modernen verkehr.
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mark793,
Montag, 11. April 2011, 19:49
Sehr verdienstvoll, dass Sie sich mal dieses ernsten Themas annehmen. Hier in der fußläufigen Umgebung weiß ich inzwischen um die Schaltungsintervalle und welcher Drücker nur ein Placebo ist. Aber auf meinen Radtouren da draußen komme ich immer wieder an Ampeln, deren Schaltungszyklen anscheinend von Nachfahren Franz Kafkas ausgetüftelt wurden. Und das bringt mich bisweilen doch in arge Gewissenskonflikte, denn an sich habe ich den pedalritterlichen Rennradler-Ethos schon sehr verinnerlicht, dass man sich nicht mit Kurierfahrern und anderen Rad-Spackos gemein macht, die einfach bei Rot über die Kreuzungen kesseln. Ob ich aber je dahin komme, beim Warten so elegant in den Klickpedalen zu stehen und mit Hilfe kleiner Lenkerbewegungen und angezogener Vorderradbremse rumzubalancieren wie die Profis ohne mich am Ampelmast abstützen zu müssen, das bleibt abzuwarten.
@vert: Zu meiner Erschütterung wusste mein Töchterlein das schon vor mir mit den Manipulationsmöglichkeiten auf der Unterseite.
@vert: Zu meiner Erschütterung wusste mein Töchterlein das schon vor mir mit den Manipulationsmöglichkeiten auf der Unterseite.
nnier,
Montag, 11. April 2011, 20:47
Das gehört zum Weltwissen der Siebenjährigen. Es gibt hier eine Ampel, die manchmal während der Grünphase ein Piep-Piep-Piep von sich gibt und manchmal nicht. Immer wieder wurde ich angegrinst: Papa, glaubst du, diesmal piept sie? Oder nicht?, und meist lag ich daneben, ganz im Gegensatz zur Inhaberin des entzückenden Grinsens, die Zahnlücken kamen und gingen, sie drückte den Ampelknopf, und irgendwie konnte sie das vorhersagen. Ich ging dann mal heimlich alleine hin und führte eine Messreihe durch. Den Zusammenhang müssen Sie nun selber herstellen, aber soviel sei verraten: Das ist alles eine ganz große Lüge mit der Phasenverkürzung! Und trotzdem ist der Knopf nicht ohne Funktion. Richten Sie das am Himmelstor aus, wenn die da kleinlich werden.
vert,
Dienstag, 12. April 2011, 20:26
und trotzdem ist der Knopf nicht ohne Funktion
ja, frage ich sie da verzweifelt: welche denn dann?!?
ja, frage ich sie da verzweifelt: welche denn dann?!?
nnier,
Dienstag, 12. April 2011, 22:06
Sie sind mir als sehr gründlicher Leser bekannt. Es hat etwas mit der oben beschriebenen, erstaunlichen Vorhersagegenauigkeit zu tun.
vert,
Mittwoch, 13. April 2011, 13:31
nnier,
Mittwoch, 13. April 2011, 17:58
Berichten Sie gelegentlich, ob es auch andernorts so funktioniert - ich weiß es ja nur von der hiesigen Kiosk-Ampel. Vielleicht ist das ja auch ein frei programmierbarer Special-Effects-Knopf? Man erzählt sich ohnehin, dass solche Dinge bald nur noch per Mobiltelefon und SMS geregelt wird. Da die Kästen nun schon mal da sind, könnte man z.B. einen kleinen Chip einbauen, der auf Knopfdruck Bauernregeln oder die Weisheiten des Konfuzius abspielt. So wird einem zumindest die Wartezeit verkürzt.
venice_wolf,
Montag, 11. April 2011, 18:30
Da sind wir Italiener wieder einen Schritt vorwärts... Knopf 2-3 Mal drücken (falls vorhanden) aber es heisst noch lange nicht dass er angeschlossen ist, oder funktioniert, oder dass es nicht trotzdem in regelmässigen Abständen grün wird.
Also empfiehlt es sich, sobald die Kreuzung frei wird, bei jedem angegeben Licht auf dem kürzesten Weg die Strasse zu überqueren, was mit Kleinkinder gewissentlich schwerer ist (Papa, aber es ist ja ROT).
Und siehe da... wann man schon längst über die Kreuzung ist kann man sich eventuell, weger der Statistik, umdrehen und sehen wie die Taste inzwischen vielleicht ihren Dienst erfüllt hat, die Autoampel Rot ist, die Autos dastehen wärend KEINER drübergeht. Die freuen sich immer sehr und merken sich das wenn man dann auf den Streifen überqueren will.
Daten zum Prozentsatz der Funktionstüchtigkeit der Tasten sind Italienweit nicht vorhanden.
Vielleicht sind die Tasten nur da um ein plötzliches Ueberqueren zu verhindern, welches nach einer kurzer Wartezeit überdachter erfolgen kann.
Also empfiehlt es sich, sobald die Kreuzung frei wird, bei jedem angegeben Licht auf dem kürzesten Weg die Strasse zu überqueren, was mit Kleinkinder gewissentlich schwerer ist (Papa, aber es ist ja ROT).
Und siehe da... wann man schon längst über die Kreuzung ist kann man sich eventuell, weger der Statistik, umdrehen und sehen wie die Taste inzwischen vielleicht ihren Dienst erfüllt hat, die Autoampel Rot ist, die Autos dastehen wärend KEINER drübergeht. Die freuen sich immer sehr und merken sich das wenn man dann auf den Streifen überqueren will.
Daten zum Prozentsatz der Funktionstüchtigkeit der Tasten sind Italienweit nicht vorhanden.
Vielleicht sind die Tasten nur da um ein plötzliches Ueberqueren zu verhindern, welches nach einer kurzer Wartezeit überdachter erfolgen kann.
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nnier,
Montag, 11. April 2011, 22:15
Einmal stand ich mit einem Freund an einer reinen Bedarfsampel - d.h. nicht so eine Ampel an der Kreuzung, die irgendwann sowieso umschalten muss, sondern eine, die wirklich nur für den überquerungswilligen Fußgänger da war, mitten an einer langen Straße. Wir drückten drauf, warteten auf "Grün" und gingen rüber. Das war toll! Und wieder rüber. Hei, machte das Spaß! Und die Autos mussten nur wegen uns anhalten. Nach drei, vier Überquerungen wurde uns das ewige Gelaufe zu anstrengend, wir drückten dann nur so auf den Knopf und sahen den Autos zu, die anhielten, warteten und wieder losfuhren. Einmal kam ein Mann in einem einzelnen Auto angefahren, wir drückten gerade noch rechtzeitig, er bremste, stand - und sah, dass auch wir nur dastanden. Und jetzt kommt's: Er hob zwei Finger zum Gruß UND FUHR ÜBER ROT WEITER. Wir waren tief empört, noch beim Abendessen schimpfte ich über diesen verantwortungslosen Autofahrer, der sich einfach nicht an die Regeln hielt.
monnemer,
Montag, 11. April 2011, 19:34
Das Modell 'Berühre' ist toll. ...und alles wird gut ergänzt man gedanklich und als würde man die müden Glieder im Wasser von Lourdes baden, ist hier die Grünphase die Spontanheilung.
Oder man ist halt noch jung, wie Herr vert.
Aber eine erstaunliche Vielfalt hat's da bei Ihnen. Oder sind die aus verschiedenen Städten?
Ich kenne von hier nur die Dinger, die klacken wie ein Metronom und zwar zum Ende der Grünphase hin immer schneller.
Worüber ich mich regelmäßig ärgere, da das die wohl beabsichtigte, hektikfördernde Wirkung auf mich nicht verfehlt.
Oder man ist halt noch jung, wie Herr vert.
Aber eine erstaunliche Vielfalt hat's da bei Ihnen. Oder sind die aus verschiedenen Städten?
Ich kenne von hier nur die Dinger, die klacken wie ein Metronom und zwar zum Ende der Grünphase hin immer schneller.
Worüber ich mich regelmäßig ärgere, da das die wohl beabsichtigte, hektikfördernde Wirkung auf mich nicht verfehlt.
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nnier,
Montag, 11. April 2011, 22:22
Doch, die sind alle von hier, und ich habe nicht mal systematisch gesammelt - lediglich auf dem (nicht besonders langen) täglichen Weg heute mal das Objektiv draufgehalten. Dieses Geknacke kenne ich nur aus anderen Städten, da gibt es ja ohnehin interessante Variationen, nicht nur beim Thema Ampelmännchen Ost und West: Manchmal sieht man z.B. ZWEI rote Männchen und EIN grünes, im Gehäuse einer normalen Dreier-Ampel, bei "Rot" leuchten dann die beiden oberen. Faszinierend.
dosron,
Dienstag, 12. April 2011, 20:15
Ich muss schon sagen. Nachdem ich Ihre Serie gesehen habe, fahre ich mit einem ganz anderen Blick durch die Stadt.
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nnier,
Dienstag, 12. April 2011, 22:15
Oh, so geht es mir auch - und ich entdecke immer neue Variationen dieser Kästen.
vert,
Dienstag, 12. April 2011, 23:51
ich bin ein fan von "ampel in betrieb".
"nein, wir haben die nicht völlig sinnfrei aufgestellt! was glauben sie denn? die kann man benutzen, in echt!"
ohne die ansage wär man gleich misstrauisch. aber so: volles vertrauen in die kommunale infrastruktur.
"nein, wir haben die nicht völlig sinnfrei aufgestellt! was glauben sie denn? die kann man benutzen, in echt!"
ohne die ansage wär man gleich misstrauisch. aber so: volles vertrauen in die kommunale infrastruktur.
vert,
Dienstag, 4. September 2012, 13:15
ampelpong ;-)
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