Nicht ohne Grund wirdgerademal wieder eine SaudurchsDorfgetrieben und verführt nebenbei manchen zu eigenen kreativen Höchstleistungen. Die Fallhöhe ist einfach gegeben, wenn einer vom Englischen als Arbeitssprache faselt und diese selbstverständlich bei jedem, jungen und alten Fach- und sonstigen Arbeitern einfach so voraussetzt. Insofern: Es trifft den Richtigen.
Dennoch gibt es etwas, das mich stört. Denn ungeachtet dessen, dass einer, der von sich behauptet, im englischen Gespräch "sehr sicher" zu sein, sich daran messen lassen muss - und ungeachtet dessen, dass "Es ist Deutschland, hier" so verklemmt herüberkommt wie der ganze nicht besonders souverän klingt, frage ich mich seit den seligen Zeiten der Helmut-Kohl-Witze ("I'm sorry, three!"), ob es denn tatsächlich so selbstverständlich zu erwarten ist, dass alle Welt flüssig Englisch spricht.
Was auch immer an Kohl zu kritisieren war - die Tatsache, dass er kein Englisch sprach, gehörte für mich nie dazu. Interessant war, dass gerade diejenigen, die immer die Trommel für die Unterprivilegierten und Bildungsbenachteiligten schlugen, sich plötzlich hohnlachend auf die Schenkel schlugen, wenn es darum ging, dass jemand eine Fremdsprache nicht beherrschte. Hätte man so auch über einen mittelamerikanischen, einen afrikanischen Staatschef gescherzt?
Was Kohl anging, mischte sich bestimmt das Unbehagen an seiner bräsig-selbstzufriedenen und provinziellen Strickjackenausstrahlung ins Thema; und die beiden gerne so forsch auftretenden Herren, die es zuletzt erwischt hat, haben sich die Häme hart erarbeitet und müssen sich nicht wundern, dass, wenn sie den Ball vors leere eigene Tor legen, viele freudig dagegentreten.
Davon abgesehen frage ich mich, wie es den ca. 50-95% Mitbürgern geht, die auch nicht besser Englisch sprechen.
Angehörs der von Ihnen erwähnten, ansonsten kaum jemanden störenden teilweisen Kauderwelscherei anderer Staats- und sonstigen Chefs haben Ihre Fragestellungen durchaus besonderen Charakter. Denn bei den «ca. 50-95% Mitbürgern» regt sich bei mir der Verdacht, die Häme könnte aus dem eigenen Unvermögen kommen, das den Kleingeist fördert, wenn nicht gar gebiert. Und mit Kleingeist kriegt man die kleinen Geister am besten gefüttert.
Bei alldem will ich es nicht versäumt haben, noch einmal auf die Komik dieser Passage aus Kunderas unerträglicher Leichtigkeit hinzuweisen, da sie mir gewisse Parallelen aufzuweisen scheint.
Erst mal Danke für das Lob, und exakt damit muß ich dann auch dem sehr geschätzten Herrn Stubenzweig widersprechen. Es geht hier nicht um das Können oder Nichtkönnen, der Unterpriviligierten, sondern eben um die Kompetenz und das Können der Priviligierten, die das passive Wahlrecht aus eigenen Stücken innehaben und sich damit zu Meinungsmachern erheben. Nicht zuletzt erwarte ich von jeder Berufsgruppe die ihr eigene Kompetenz, ich darf das nicht unbedingt in der Relation zur breiten Masse setzen.
Der Arzt sollte Latein können, der Mechatroniker die Zündung meines Autos einstellen können, der Journalist sollte die deutsche Sprache virtuos anwenden können und eben der EU-Kommissar aus Deutschland sollte die allgemein gängige "zweite bzw. erste Amtssprache" beherrschen. Nichts mehr und aber auch nichts weniger.
Und ehrlich gesagt, sind es nicht die Baden-Württemberger, die behaupten, sie können alles außer Hochdeutsch. Und auch hier darf man nicht der breiten Masse das Unvermögen in die Schuhe schieben, die haben sich genauso wenig den Spruch ausgedacht, wie die Ansicht vertreten, daß man auf alle Fälle Englisch können muß.
Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, was Könnnen und Nichtkönnen sowie die daraus entstehenden Erforderlichkeiten betrifft. Aber ist es nicht so, daß die «breite Masse» durch die sautreibenden Medien zumindest darin ordentlich befeuert wird, sich über etwas lustig zu machen, was ihr ohne diese «Informationen» sonstwo vorbeiginge?
Es gibt geteilte Meinungen darüber, ob und wie gut ein EU-Kommissar Englisch sprechen können muss oder sollte - immerhin gibt es über 20 Amtssprachen sowie drei Arbeitssprachen (Englisch, Französisch, Deutsch) "in der EU". Ich weiß nicht genug darüber, um zu beurteilen, ob und wie sehr es notwendig, sinnvoll oder einfach Usus ist, als EU-Kommissar (auch was das eigentlich ist, müsste ich erst nachlesen) die englische Sprache sicher zu beherrschen.
Nochmal: Die Fallhöhe ist gegeben, weil Oettinger zuvor mit der vollkommen überzogenen Forderung an "jeden" herumgelaufen ist, Englisch zu können, und weil er von sich behauptet hat, die Sprache sehr sicher zu beherrschen. Wenn so einer dann eine Rede abliest, die er offenbar selbst nicht versteht, wenn so einer dann an einfachen Wörtern scheitert, ist das ein schöner Rohrkrepierer. Fehlt dieser Kontext, ist es nicht mehr als unangebrachte Häme über jemanden, der etwas nicht kann.
Oh my god! Mon Dieu! Ich bin sprachlos vor Entsetzen. Das ist der übelste Akzent, den ich seit Jahren gehört habe. Und ich höre ja in meinem beruflichen Umfeld auch so einiges. Ich finde es prinzipiell akzeptabel: in seiner Generation war gutes Englisch keine Pflichtübung und für jemanden, der seine Karriere in der Innenpolitik gemacht hat, auch kein Erfordernis. Von meinem deutschen Hausarzt erwarte ich schließlich auch keine Fremdsprachenkenntnisse. Nur sollte man dann natürlich das Maul nicht so weit aufreißen und sich vorher selbst schönreden. Ich ziehe mich zurück zum Fremdschämen für den Herrn.
ist dies nicht vor allem eine frage von stil und repräsentation? oettinger kann ein prima eu-kommissar sein, ohne einen phonetisch halbwegs gelungen englischen satz hinzukriegen, denn fuers tagwerk hat er einen schwarm von dolmetscherinnen und uebersetzerinnen (zumeist handelt es sich bei solchen ja um frauen) um sich herum. schwieriger wird es dann schon, wenn es darum geht vertrautheit zu kollegen und den 10.000 lobbyisten herzustellen, die nicht aus wuerttemberg stammen. immerhin bleibt dies irgendwelchen kameras ja zumeist verborgen. desastroes ist natuerlich die oeffentliche zurschaustellung. ich bin hier gespalten. nicht jeder muss/sollte englisch sprechen muessen (am sympathischsten sind mir die, die es wirklich koennen, aber nicht auf jeder veranstaltungen damit prahlen gehen), aber in meiner kleinen idealwelt waeren solche figuren erst gar nicht fuer oeffentliche aemter zugelassen worden. oettinger ist eben auch ein produkt negativer selektionsmechanismen in unseren parteienlandschaften.
eine kleine geschichte: vor einigen jahren unterrichtete ich mit einem kollegen studierende in kanada, von denen ein drittel aus quebec kam. da er kein franzoesisch sprach (was er natuerlich nicht verriet) erklaerte er, dass ausschliesslich englisch gesprochen werden muesse, da franzoesisch ohnehin eine sterbende sprache sei. oha, da rauchte der saal und wir hatten eine echte verfassungsdebatte.
für das medizinstudium reicht aber auch ein einsemestriger terminologiekurs, das latinum braucht es dafür schon lange nicht mehr. die einzigen armen säue, die damit bis zur einführung der konsekutiven studiengänge aufwarten mussten, waren bundeslandabhängig studierende der theologie und diverser sprachen (und auch dort sinnstiftenderweise gelegentlich nur fürs lehramt.)
aber ansonsten haben sie natürlich alle wie immer recht;-)
(kanada: aua. klingt wie eine in jeder hinsicht tolle idee.)
Vorgeschichte: Sind Kohl und Mitterang und Reagan bei Setscher eingeladen, komm sie zu spät, sagt Reagan: "I'm sorry", sagt Mitterang: "I'm sorry, too!", sagt Kohl:
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