Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
In der GFZ
nnier | 05. September 2009 | Topic In echt
Ich habe Wurzeln in einer Gegend, in der die Wurst Woschd heißt, wo man Schwaddemaacher und Presskopf isst, in der Häckeweddschaft oder dehemm. Es gibt fantastisch leckere Budderhörnle und sehr schmackhaftes Brot, ich aß mit wenigen Ausnahmen alles gerne, den Haasebraade, den Wesching, die Markklößlisubbe, die Klöß, des Gmüs, die Gelberübbe, die Schwatzwotzel, den Sparschel, den Blummekohl, die Spätzli, ich könnte Ihnen noch hundert Beispiele nennen, aber eines, das ist und bleibt der Gipfel.

Immer, wenn ich als Kind hinkam, lag eine extra für mich gekaufte Gelbwoschd auf dem Tisch. Ich liebte diese Wurst. Sie sieht sehr gewöhnlich aus, sie ist grau, sie steckt in einer gelben Kunsthülle und schmeckt besonders gut auf frischem, würzigen Graubrot.

Es gibt in Norddeutschland nichts Vergleichbares. Keine Mortadella, keine Lyoner, keine vordergründig ähnliche Brühwurst, die auch nur annähernd diesen Geschmack hätte.

Noch als Erwachsener bekam ich manchmal Päckchen von meiner Oma, in denen sich nicht nur ein paar selbstgestrickter Socken und ein selbstgebackener Kuchen, sondern oft auch eine Gelbwurst befand, zusätzlich in Alufolie gehüllt, aus derselben Metzgerei wie damals. Und es mag sein, dass das irgendwann aufgehört hätte, man muss ja als Erwachsener alleine klarkommen, der Ernst des Lebens hätte eventuell auch einen Gelbwurstverzicht beinhaltet - wer weiß, wie alles gekommen wäre, hätte ich nicht selbst rechtzeitig Nachwuchs gezeugt. Denn was liegt näher, als den Urenkeln, die da oben im Norden vor sich hin darben - schließlich hatte ich meinem fassungslosen Cousin einmal von meinem harten Leben in der gelbwurstfreien Zone berichtet - gelegentlich eine Gelbwurst zukommen zu lassen? Und wer freut sich dann wohl immer am meisten?



Hmm!

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jean stubenzweig, Samstag, 5. September 2009, 23:48
Das klänge ja fast hessisch, die Gelbwoschd beispielsweise führt mich dorthin, wären da nicht die sprachlichen Anhängsli oder -le. Badisch? Aber dort sagt man doch nicht «Häckeweddschaft oder dehemm».

Und im Norden, ach, ja, da ist's manchmal schon arg schwierig. Das erste halbe Jahr im denselben habe ich mir alles schicken lassen. Bis ich dann so langsam ein bißchen fündig wurde.

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nnier, Sonntag, 6. September 2009, 12:15
Ich bin ja Dilettant, was den Versuch angeht, das einigermaßen lautgetreu zu verschriftlichen. Aber Sie haben es ganz gut getroffen: Das Hessische ist geographisch nicht weit, und auch sprachlich gibt es gewisse Gemeinsamkeiten mit dem (Süd-) Hessischen, aber vermutlich noch mehr Unterschiede. Die man ja schon von einem Ort zum nächsten findet. Aschaffenburg (Aschebesch) z.B. ist nicht so weit weg und klingt doch schon wieder deutlich anders. Stellen Sie sich also vor, sich knapp auf dem Gebiet des Bundeslands Bayern zu befinden und von dort aus nach Hessen und Baden-Württemberg spucken zu können.

Bei der Gelbwoschd wundert mich vor allem, dass sie nicht längst den Weg der bundesweiten Vereinheitlichung und Verbreitung gegangen ist. Sie ist kindgerecht wie Mortadella, fein durchgekuttert und hat einen dezenten (aber großartigen) Eigengeschmack, man ahnt das Zitronige und evtl. auch den Ingwer - trotzdem endet das Verbreitungsgebiet ja irgendwo am Weißwurstäquator. Vielleicht ist's die graue Farbe. Aber zum Glück wird sie von den bayerischen Metzgereien gefertigt und nicht von irgendwelchen Fabriken, die das rosa einfärben und Comicfiguren auf die Hülle drucken.

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jean stubenzweig, Sonntag, 6. September 2009, 12:41
Der Gelbwoschd wegen bin ich vor allem auf das (Süd-)Hessische gekommen. Eine Zeitlang beherbergte mich Frankfurt am Main. Dort lernte ich sie nämlich kennen, dort gehört sie zu den örtlichen Spezialitäten, ohne die offenbar einheimisch Gebürtige nicht leben mögen (wie auch nicht ohne die, wahrlich einzigartige, grie Soß, für sprachlich nicht ganz so Begabte: Grüne Sauce). Man serviert sie, die Gelbwurst, warm oder auch heiß aus des Metzgers Warmhaltekessel, wie ihre «Schwester», die Rindswurst, ohne die offenbar auch kein Frankfurter auskommen mag. Allerdings weiß ich nicht, ob das noch (Alt-)Bestand hat. Ich bin, wenn überhaupt, in den letzten Jahren nur zu Messen in der Stadt gewesen. Und was man dort für den rasch zu stillenden Hunger bekommt, das erzähle ich lieber nicht.

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