trink nicht so viel Kaffee!" (Carl Gottlieb Hering*, 1766-1853)
Mancher ordnet seine Plattensammlung nicht alphabetisch oder chronologisch, sondern biographisch. Und mancher könnte sein Leben in Kaffeephasen einteilen.
Die Erkenntnis, dass Kaffee vom Luxus- zum Billigtrunk verkommen ist, ist ja keine neue. Und während man einerseits am geheimnis- und verheißungsvollen Klang des Wortes "Bohnenkaffee", welches ältere Menschen noch selbstverständlich verwendeten, sowie an der prominenten Position des vakuumverpackten Filterkaffees in den Vorschlagslisten zur vorweihnachtlichen Spendensammlung für DDR-Pakete, welche zu meiner Grundschulzeit alljährlich und selbstverständlich durchgeführt wurde, und nicht zuletzt anhand beeindruckender Szenen in der Literatur (so wird in dem Jugendbuch Damals war es Friedrich geschildert, wie der echte Kaffee nur für den strengen Großvater kräftig aufgebrüht und serviert wird) bemerken konnte und musste, dass es damit etwas ganz Besonderes auf sich hatte, war doch parallel und im Widerspruch dazu schon früh ein verschwenderischer und vor allem geringschätziger Umgang mit dem Schwarzen Gold zu beobachten; da konnten Frau Sommer und Roger Whittaker in der Werbung erzählen und säuseln, was und wie sie wollten.
Auch wenn die Kaffeepreise durchaus noch beliebtes Gesprächsthema waren und es einmal fast zu einer Revolution gekommen wäre, als einige Hersteller die 500- durch eine 400-Gramm-Packung zu ersetzen versuchten und dabei noch dummdreist von "höherer Ergiebigkeit" fabulierten, bis es hieß: "Egal, wie dick das Pfund sich bläht - entscheidend bleibt die Qualität!", gab es doch schon vor zwanzig, dreißig Jahren eher einen Kaffee umsonst als ein Glas Wasser. Überall standen tagsüber die Kannen auf den Warmhalteplatten, überall wurden abends großzügig die Reste weggekippt, jedenfalls bevor es Mikrowellengeräte gab, die dann ja vorrangig dazu verwendet wurden, kalten Kaffee wieder zu erhitzen.
Instantpulver hatte damals, vermutlich zu Recht, einen schlechteren Ruf als jeder Zichorie-Ersatzkaffee; und noch in den 90ern habe ich das Zeug nicht angerührt, dafür aber eine interessante Entdeckung gemacht: Wenn man das kochende Wasser statt in den Kaffeefilter direkt in die volle Blechdose mit dem gemahlenen Kaffeepulver schüttet (was morgens mit müdem Kopf nun mal passieren kann), lässt sich daraus ein Konzentrat bilden, das man bis zu zwei Wochen im Kühlschrank aufbewahren und dann im Verhältnis 1:3 mit kochendem Wasser aufgießen kann, wenn's mal schnell gehen muss. Das muss ungefähr zu jener Zeit gewesen sein, als im WG-Plenum beschlossen wurde, trotz ständiger Budgetknappheit ab sofort und ausschließlich den fair gehandelten Magenkiller aus dem "Welt-Laden" zu kaufen und zu trinken; meine Petition mit dem Anliegen, neben der Sandino Dröhnung auch eine kleine Reserve konventioneller Ware vorhalten zu dürfen, wurde abschlägig beschieden (und nur knapp konnte ich die sofortige Vernichtung der restlichen Vorräte abwenden, indem ich so etwas wie "hat auch keiner mehr was von" vorbrachte).
Natürlich ist klar, was folgt: Einmal solcher Kollektivknechtung entkommen, stand der Rückzug ins Private an und neben der obligatorischen Bodum-Drückerkanne bald eine Espressomaschine, und zwar eines jener Modelle, die auf den Aufbau von Dampfdruck gänzlich verzichten, deshalb konstruktiv wesentlich weniger aufwändig sind und sich folgenden Tricks bedienen: Das Wasser für 1-2 Tassen wird zunächst erhitzt, und wenn das Anzeigelämpchen erlischt, will ein Drucktaster betätigt werden, wodurch der Espressopulverbehälter in schnelle Rotation versetzt wird, auf dass zentrifugale Kräfte wirken und das heiße Wasser durch das Pulver treiben, bis es Farbe und Geschmack annimmt und in die Tassen tröpfelt. 20.- Mark musste ich für das fast neue Gerät inklusive zweier Tässchen hinlegen, da, wie mir die ältere Dame mitteilte, sie diesen "Expresso" nicht vertrage und sie habe ihren Kindern doch gesagt, dass sie nur normalen Filterkaffee trinke, und nun stehe das Geschenk einfach herum, 20.- Mark sind doch nicht zuviel, junger Mann?
Bald darauf musste es auch noch eines jener damaligen Topmodelle für den herkömmlichen Kaffee sein: Eine Maschine, die das Aufbrühen per Hand simulierte und dabei auch noch gut aussah. Ein gläserner Wasserbehälter befand sich über dem Filter und dieser wiederum über der Kanne. Ein schlankes, rundes Design, das so gar nichts mit der konventionellen Kaffeemaschine gemein hatte und vor allem wirklich besseren Kaffee produzierte, da das Wasser zunächst tatsächlich zum Kochen gebracht wurde, statt handwarm und von röchelnden Geräuschen begleitet über das Pulver getropft zu werden, und dann das schwall-artige Aufgießen samt Quellphase, wie man es von Hand vollziehen sollte, recht wirkungsvoll simulierte.
Die Jahre gingen vorüber, eines im Zeichen des Milchkaffees, ein anderes in dem des Cappuccino, die Maschinen gingen kaputt, und da sie wertvollen Küchenarbeitsplatz blockiert hatten, stand eine Abrüstungsrunde an: Eine gläserne Drückerkanne, eine Espressokanne für aufm Herd, eine stählerne Kanne mit Sieb zum Erzeugen des Milchschaums, mehr braucht's nicht mehr.
Und dann Instantkaffee.
---
* Der übrigens, wie ich gerade lerne, auch "Morgen, Kinder, wird's was geben" und "Hopp, hopp, hopp, Pferdchen lauf Galopp!" vertont hat.
Mancher ordnet seine Plattensammlung nicht alphabetisch oder chronologisch, sondern biographisch. Und mancher könnte sein Leben in Kaffeephasen einteilen.
Die Erkenntnis, dass Kaffee vom Luxus- zum Billigtrunk verkommen ist, ist ja keine neue. Und während man einerseits am geheimnis- und verheißungsvollen Klang des Wortes "Bohnenkaffee", welches ältere Menschen noch selbstverständlich verwendeten, sowie an der prominenten Position des vakuumverpackten Filterkaffees in den Vorschlagslisten zur vorweihnachtlichen Spendensammlung für DDR-Pakete, welche zu meiner Grundschulzeit alljährlich und selbstverständlich durchgeführt wurde, und nicht zuletzt anhand beeindruckender Szenen in der Literatur (so wird in dem Jugendbuch Damals war es Friedrich geschildert, wie der echte Kaffee nur für den strengen Großvater kräftig aufgebrüht und serviert wird) bemerken konnte und musste, dass es damit etwas ganz Besonderes auf sich hatte, war doch parallel und im Widerspruch dazu schon früh ein verschwenderischer und vor allem geringschätziger Umgang mit dem Schwarzen Gold zu beobachten; da konnten Frau Sommer und Roger Whittaker in der Werbung erzählen und säuseln, was und wie sie wollten.
Auch wenn die Kaffeepreise durchaus noch beliebtes Gesprächsthema waren und es einmal fast zu einer Revolution gekommen wäre, als einige Hersteller die 500- durch eine 400-Gramm-Packung zu ersetzen versuchten und dabei noch dummdreist von "höherer Ergiebigkeit" fabulierten, bis es hieß: "Egal, wie dick das Pfund sich bläht - entscheidend bleibt die Qualität!", gab es doch schon vor zwanzig, dreißig Jahren eher einen Kaffee umsonst als ein Glas Wasser. Überall standen tagsüber die Kannen auf den Warmhalteplatten, überall wurden abends großzügig die Reste weggekippt, jedenfalls bevor es Mikrowellengeräte gab, die dann ja vorrangig dazu verwendet wurden, kalten Kaffee wieder zu erhitzen.
Instantpulver hatte damals, vermutlich zu Recht, einen schlechteren Ruf als jeder Zichorie-Ersatzkaffee; und noch in den 90ern habe ich das Zeug nicht angerührt, dafür aber eine interessante Entdeckung gemacht: Wenn man das kochende Wasser statt in den Kaffeefilter direkt in die volle Blechdose mit dem gemahlenen Kaffeepulver schüttet (was morgens mit müdem Kopf nun mal passieren kann), lässt sich daraus ein Konzentrat bilden, das man bis zu zwei Wochen im Kühlschrank aufbewahren und dann im Verhältnis 1:3 mit kochendem Wasser aufgießen kann, wenn's mal schnell gehen muss. Das muss ungefähr zu jener Zeit gewesen sein, als im WG-Plenum beschlossen wurde, trotz ständiger Budgetknappheit ab sofort und ausschließlich den fair gehandelten Magenkiller aus dem "Welt-Laden" zu kaufen und zu trinken; meine Petition mit dem Anliegen, neben der Sandino Dröhnung auch eine kleine Reserve konventioneller Ware vorhalten zu dürfen, wurde abschlägig beschieden (und nur knapp konnte ich die sofortige Vernichtung der restlichen Vorräte abwenden, indem ich so etwas wie "hat auch keiner mehr was von" vorbrachte).
Natürlich ist klar, was folgt: Einmal solcher Kollektivknechtung entkommen, stand der Rückzug ins Private an und neben der obligatorischen Bodum-Drückerkanne bald eine Espressomaschine, und zwar eines jener Modelle, die auf den Aufbau von Dampfdruck gänzlich verzichten, deshalb konstruktiv wesentlich weniger aufwändig sind und sich folgenden Tricks bedienen: Das Wasser für 1-2 Tassen wird zunächst erhitzt, und wenn das Anzeigelämpchen erlischt, will ein Drucktaster betätigt werden, wodurch der Espressopulverbehälter in schnelle Rotation versetzt wird, auf dass zentrifugale Kräfte wirken und das heiße Wasser durch das Pulver treiben, bis es Farbe und Geschmack annimmt und in die Tassen tröpfelt. 20.- Mark musste ich für das fast neue Gerät inklusive zweier Tässchen hinlegen, da, wie mir die ältere Dame mitteilte, sie diesen "Expresso" nicht vertrage und sie habe ihren Kindern doch gesagt, dass sie nur normalen Filterkaffee trinke, und nun stehe das Geschenk einfach herum, 20.- Mark sind doch nicht zuviel, junger Mann?
Bald darauf musste es auch noch eines jener damaligen Topmodelle für den herkömmlichen Kaffee sein: Eine Maschine, die das Aufbrühen per Hand simulierte und dabei auch noch gut aussah. Ein gläserner Wasserbehälter befand sich über dem Filter und dieser wiederum über der Kanne. Ein schlankes, rundes Design, das so gar nichts mit der konventionellen Kaffeemaschine gemein hatte und vor allem wirklich besseren Kaffee produzierte, da das Wasser zunächst tatsächlich zum Kochen gebracht wurde, statt handwarm und von röchelnden Geräuschen begleitet über das Pulver getropft zu werden, und dann das schwall-artige Aufgießen samt Quellphase, wie man es von Hand vollziehen sollte, recht wirkungsvoll simulierte.
Die Jahre gingen vorüber, eines im Zeichen des Milchkaffees, ein anderes in dem des Cappuccino, die Maschinen gingen kaputt, und da sie wertvollen Küchenarbeitsplatz blockiert hatten, stand eine Abrüstungsrunde an: Eine gläserne Drückerkanne, eine Espressokanne für aufm Herd, eine stählerne Kanne mit Sieb zum Erzeugen des Milchschaums, mehr braucht's nicht mehr.
Und dann Instantkaffee.
---
* Der übrigens, wie ich gerade lerne, auch "Morgen, Kinder, wird's was geben" und "Hopp, hopp, hopp, Pferdchen lauf Galopp!" vertont hat.
Link zu diesem Beitrag (6 Kommentare) | Kommentieren [?]
jean stubenzweig,
Samstag, 25. Oktober 2008, 07:40
Meine Replik. So.
Link zu diesem Kommentar | Kommentieren [?]
nnier,
Samstag, 25. Oktober 2008, 11:45
... und wer hier mitliest, hüpft jetzt bitte da 'rüber! Freunde der Kaffeevielfalt dürfen danach ein kleines Aufklärungsfilmchen* über die kulturellen Eigenheiten einer KaffeeCaffè-Nation** schauen und danach diese großartige Szene aus einem meiner Lieblingsfilme genießen, der hier zwar ein wenig Kontext fehlt, aber trotzdem ...
---
* Übrigens bereits 1999 erstellt von einem, den ich sehr verehre.
** Den Bindestrich leiste ich mir mal, da "Caffènation" ebenso wie das oben im Text vorkommende "schwallartige" meiner Ansicht nach zu Fehlbetonungen führen könnte.
---
* Übrigens bereits 1999 erstellt von einem, den ich sehr verehre.
** Den Bindestrich leiste ich mir mal, da "Caffènation" ebenso wie das oben im Text vorkommende "schwallartige" meiner Ansicht nach zu Fehlbetonungen führen könnte.
jean stubenzweig,
Montag, 27. Oktober 2008, 05:22
Das Aufklärungsfilmchen ist köstlich! Nicht minder die Espresso-Szene (die mich tatsächlich ein wenig an «Die Freunde der italienischen Oper» denken läßt). Dank! Großen.
Wo Sie das immer alles herhaben? Man könnte meinen, Sie hätten nix anderes zu tun, als den lieben langen Tag und auch noch die Nacht im Netz herumzuhüpfen.
Wo Sie das immer alles herhaben? Man könnte meinen, Sie hätten nix anderes zu tun, als den lieben langen Tag und auch noch die Nacht im Netz herumzuhüpfen.
nnier,
Montag, 27. Oktober 2008, 09:53
Ach, mir geht bestimmt bald das Pulver aus. Sie sehen ja: Von 1999 ist das Bozzetto-Animationsfilmchen, das mir damals durch einen italienischen Freund zugeschickt wurde; die thematische Nähe brachte es mit sich, es nun wieder hervorzuholen. Und das mit der Espresso-Szene funktioniert ja heutzutage ganz einfach - zur Schnipselsammelstelle gehen, "mulholland espresso" eingeben und mal schau'n, was kommt. Was das Thema "nix anderes" angeht, ich hatte gerade zwei Wochen frei; jetzt muss ich (wie Sie sehen) wieder arbeiten.
vert,
Freitag, 31. Oktober 2008, 00:59
dazu muss ich demnächst auch mal was loswerden.
(über die sache mit dem instantkaffee reden wir noch! also wirklich!)
(über die sache mit dem instantkaffee reden wir noch! also wirklich!)
Link zu diesem Kommentar | Kommentieren [?]
nnier,
Sonntag, 2. November 2008, 16:09
Ich freue mich drauf! (Und habe, was den Instantkaffee angeht, längst den Helm auf genug Selbstbewusstsein, ha!)
Um hier kommentieren zu können, musst du bei blogger.de registriert sein. Das geht ganz schnell: Einfach auf Kommentieren klicken, dort "Noch nicht registriert?" anwählen und den gewünschten Benutzernamen und ein Passwort eingeben. Du kannst dann künftig in allen Blogs bei blogger.de kommentieren!