Mumien, Analphabeten, Diebe.
Du hast's gut, du hast dein Leben noch vor dir.
Das endlose Spiel
nnier | 02. Juli 2011 | Topic In echt
Meine Mutter arbeitete mal an einer Schule, und da der Schulhof betoniert war, bat sie den Hausmeister, nahe der Hauswand ein paar kleine Vertiefungen einzulassen, damit die Kinder dort mit Murmeln spielen konnten. Der Hausmeister fertigte kleine, feine Zementlöcher, sie verteilte ein paar Kugeln und die Schulkinder konnten drauflosspielen.



Früher, so erzählen meine Eltern, war es einfach das Kinderspiel, ich höre dann von Schussern und Klickern, von Tonern und Glasern und wie man sich gegenseitig die Murmeln abluchste. Zwar war das bei mir selber und meinen Freunden schon weniger der Fall - wir bauten eher Murmelbahnen, als die Kugeln um die Wette in kleine Löcher zu stupsen - aber dass man im Kinderzimmer eine Ladung Murmeln hatte, war gar keine Frage.

Seit einigen Monaten ist das Murmelfieber ausgebrochen. Ein liebes Kind kam nach den Osterferien von den Großeltern zurück und brachte ein paar handgefertigte und prall gefüllte Murmelsäckchen mit. Dazu gab es eine kleine Edelstahlpflanzschaufel, mit der sich ganz hervorragend faustgroße Löcher stechen lassen. Seither wird gespielt.



Ja, ja, werden Sie sagen, diese armen Kinder, müssen Beatles hören und kriegen nur alte Comics vor die Nase plus genau diejenigen Kinderbücher, die der nnier selber gut fand, am Ende "dürfen" sie noch Kimba gucken oder Timm Thaler, und jetzt müssen sie mit Murmeln spielen.

Wer wäre ich, Ihnen da zu widersprechen?

Man steckt doch selber viel zu tief drin, man kann sich ja durchanalysieren bis dorthinaus, trotzdem hat man seine blinden Flecken, und wenn man noch so oft betont, bitte, du darfst gerne moderne Drecksmusik hören, du darfst gerne so ein abgefackter Medienjunkie werden, mach nur, was du selber willst, wenn man also stets deutlich macht, dass das bloß unverbindliche Vorschläge sind - wer weiß schon, welche subtilen Signale man dennoch ganz unbewusst vermittelt, und der Papa ist ganz traurig, wenn du mit dem Nintendo spielst, also ich spiele ja viel lieber Spiele ohne Sieger aus unregelmäßig geformtem Naturholz, aber das ist deine Entscheidung, du musst das freiwillig selber wollen, ich will mich da gar nicht einmischen.



Es ist bloß - das liebe Kind hat auch an seine Freundinnen ein paar kleine Murmelsäckchen verschenkt, Nachbarskinder mit eigenen Murmeln gibt es auch, und seither trifft man sich im Garten und buddelt Löcher und läuft mit seinem Murmelsäckchen herum und holt den alten Setzkasten aus dem Keller und sortiert Klicker hin und sortiert Schusser her und sucht die Schränke nach den alten Knickern aus dem Kindergarten ab und wünscht sich Marmeln zu Weihnachten (jetzt schon) und tauscht Marbeln mit anderen Kindern und dreht die Kugeln zwischen den Fingern und erzählt beim Abendessen von dieser einen ganz besonderen, die das eine Kind hatte und die man erst gewonnen und dann an ein anderes Kind wieder verloren hat.



Im Stadtteilspielzeuggeschäft gab es keine, was ich gar nicht glauben konnte, im Billigladen immerhin diese Standardmurmeln und im hippen Szeneshop schöne einzelne, die man aber in Gold aufwiegen muss. Ich bestellte, damit es sich lohnt, übers Internet einen ganzen Karton voll, da sind echt coole dabei! Und wenn ich gefragt werde, was ich damit will: Ich habe da schon so eine Idee.

[Video nicht mehr auffindbar]

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g., Sonntag, 3. Juli 2011, 07:19
Herrgott ist das schön.

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nnier, Freitag, 8. Juli 2011, 19:28
Man sollte seine Zeit viel mehr mit sinnvollen Dingen verbringen. Was der Herr Kopp da macht, z.B., begeistert mich.

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monolog, Sonntag, 3. Juli 2011, 21:28
Danke für eine weitere Zeitreise, auf die Sie uns schicken.

Es gibt da dieses eine, tolle Lied von einer Combo, die mir ansonsten nicht so sehr zusagt. Darin eine Zeile: "Und wem du deine Lieblingsmurmel schenkst"
Eine sehr gute Frage, wie ich finde.

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nnier, Freitag, 8. Juli 2011, 19:09
Ja, eine gute Liedzeile!

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prieditis, Dienstag, 5. Juli 2011, 02:11
Und wenns draußen mal kein Knickerwetter gibt, dann kann man die Murmeln toll über Papier kullern lassen, auf dem man zuvor Farbe aufgetragen hat. Vorzugsweise einen Karton benutzen, in dem man Papier und Murmeln hineingibt. Dazu dann noch die passende Musik von Sergio Mendes (irgendeine, es gibt genug) und daaaaan: Schüttelnschüttelnschüttelnschütteln....

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nnier, Freitag, 8. Juli 2011, 19:25
Ein leidenschaftlicher Triangelspieler, der Herr M.!

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kid37, Freitag, 8. Juli 2011, 15:20
Tolle Murmelsäckchen! Gerade frage ich mich, wohin meine Murmeln eigentlich... (aka Hast du eigentlich noch alle Murmeln im Schrank?) - obwohl, als Erwachsener gibt man dabei wohl nicht so eine gute Figur ab oder? Da wechselt man ja meistens zum Kegeln oder wenigstens Rasencrockett.

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nnier, Freitag, 8. Juli 2011, 19:34
Oder zum Taschenbillard, ja. Allerdings wurde neulich in größerer Spielrunde unter erwachsener Beteiligung erstaunlicher Ehrgeiz entwickelt - und die Selbstverständlichkeit, mit der plötzlich der Einsatz von "Zweiern" oder "Dreiern" besprochen wurde, ließ mich innerlich aufhorchen. Welche Figur dabei abgegeben wurde, müsste man die vorbeiradelnden Ausflügler fragen, die alle sehr intensiv starrten und sich offensichtlich wunderten, was wir da im Gras herumzuschnippen hatten.

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